Diess ist also das Ziel meines Spazierganges, und nun gehe ich mit einigen kleinen Umschweifen wieder nach Hause.

Ich will Dir von meiner Wanderung hierher so kurz als möglich das Umständliche berichten. Das Reisen zu Maulesel ward mir doch ziemlich kostbar. Von Agrigent aus verlangte man für einen Maulesel nicht weniger als eine Unze täglich, etwas mehr als einen Kaiserdukaten; oder ein Pezzo, wenn ich ihn selbst füttern und den Führer beköstigen wollte. Diess war nun sehr theuer; und mein eigener Unterhalt kostete, zumahl auf dem Lande, nicht wenig. Ich handelte also mit einem Mauleseltreiber, er sollte mich zu Fusse auf einer Ronde um die Insel begleiten; dafür sollte er mit mir ordentlich leben, so gut man in Sicilien leben kann, und ich wollte ihm täglich noch fünf Karlin, ungefähr einen deutschen Gulden, geben: dabey könnte er doch zusammen während der kurzen Zeit drey goldene Unzen Gewinn haben. Der Handel wurde gemacht; ich gab ihm zwey Unzen voraus, um für die eine einige Bedürfnisse auf die Reise anzuschaffen und die zweyte unterdessen seiner alten Mutter zu lassen. Er kaufte mir einen Habersack, ungefähr wie man ihn den Mauleseln mit dem Futter umhängt, that meine zwey Bücher, mein Hemde mit den übrigen Quinquaillerien und etwas Proviant hinein, und trug mir ihn nach oder vor. Meinen stattlichen Tornister hatte ich, um ganz leicht zu seyn und auch aus Klugheit, versiegelt in Palermo gelassen: denn er fand überall so viel Beyfall und Liebhaber, dass man mir einige Mahl sagte, man würde mich bloss meines Tornisters wegen todt schlagen.

Ich muss hier noch eine Bekanntschaft nachholen, die ich in Agrigent machte. Als ich in meinem Zimmer ass, trat ein stattlich gekleideter Mann zu mir herein und erkundigte sich theilnehmend nach allen gewöhnlichen Dingen, nach meinem Befinden und wie es mir in seinem Vaterlande gefiele, und so weiter. Die Bekanntschaft war bald gemacht; er wohnte in einem Zimmer mir gegenüber in dem nehmlichen Wirthshause, bat um die Erlaubniss sein Essen zu mir zu bringen, und wir assen zusammen. Es fand sich, dass er eine Art Steuerrevisor war, der in königlichen Geschäften reiste. Die Sicilianer sind ein sehr gutmüthiges neugieriges Völkchen, die in der ersten Viertelstunde ganz treuherzig dem Fremden alles abzufragen verstehen. Ich fand nicht Ursache den Versteckten zu spielen; und so erfuhr der Herr Steuerrevisor über Tische auf seine Frage, dass ich ein Ketzer war. Der dicke Herr legte vor Schrecken Messer und Gabel nieder, und sah mich an, als ob ich schon in der Hölle brennte; er fragte mich nun über unser Religionssystem, von dem ich ihm so wenig als möglich so schonend als möglich sagte. Der Mensch war in Palermo verheirathet, hatte drey Kinder, und musste, nach seiner offenen Beichte, auf der Landreise jede Nacht zur Bequemlichkeit wo möglich sein Mädchen haben; fluchte übrigens und zotierte auf lateinisch und italiänisch trotz einem Bootsknecht: aber er konnte durchaus nicht begreifen, wie man nicht an den Papst glauben und ohne Mönche leben könne. Dabey hatte er ziemliche Studien aus der römischen Legende. Doch entschloss er sich mit mir fort zu essen, fragte aber immer weiter. Es fehlte ihm nicht an etwas Gutmüthigkeit und einem Schein von Vernunft; aber er donnerte doch halb spasshaft das Verdammungsurtheil über uns alle her: Siete tutti mincspanoni, siete come le bestie. Das nenne ich mir Logik! Indessen, lieber Freund, es giebt dergleichen Logik noch viel in der Welt, in jure canonico, civili et publico, die uns für Sterling verkauft wird. Uebrigens trug der Mann viel Sorge für mich, schloss sich brüderlich an mich an, und meinte ich ginge grossen Gefahren entgegen. Das war nun nicht zu ändern. Als ich abging, band er mich dem Eseltreiber auf die Seele, gab ihm für mich seine Addresse in Palermo und liess mich Ketzer doch unter dem Schutze aller Heiligen ziehen.

So zog ich denn mit meinem neuen Achates den Berg hinunter, über den kleinen Fluss hinweg nach dem Monte chiaro hin, auf Palma zu, welches die hiesigen Einwohner Parma nennen. Ein junger Mensch, der in Syrakus einen Handel machen wollte, gesellte sich mit seinem Esel zu uns. Mir war das nicht lieb, weil ich immer die Ehre hatte für alle Eseltreiber der ganzen Insel zu bezahlen. In Palma traf ich einige meiner Bekannten, die Antiquare von Sankt Joseph, die sich über das Margarethentempelchen von Segeste zankten. Diese Herren staunten über meine Verwegenheit, dass ich zu Fusse weiter reisen wollte. Hier hatte ich ein Unglück, das mich auch den Weg allein fortzusetzen zwang. Mein Begleiter von Agrigent war sehr fromm, es war Fasten; er ass so viel Paste, dass ich über seine Capacität erstaunte. Indess ein Sicilianer dieser Art hat seine Talente, die unser einer nicht immer beurtheilen kann. Ich mochte nichts sagen; er hätte glauben können, es wäre wegen der Bezahlung. Wir gingen fort; aber kaum waren wir eine halbe Stunde gegangen, so fing die Paste an zu schwellen, und verursachte dem Menschen fürchterliche Passionen. Ich fing nun an ihm den Sermon zu halten, warum er so viel von dem Zeug und nicht lieber etwas mit mir gegessen habe. Hier rührte ihn von neuem das Gewissen, und er bekannte mir, er habe schon furchtbare Angst gehabt, dass er mit mir in der Fasten zu Fontana fredda eine halbe Taube gegessen. Sein Beichtvater habe ihn hart darüber angelassen. Die Sache ward nun schlimmer. Er fiel nieder, wälzte sich und schrie vor Schmerz und konnte durchaus nicht fort. Was sollte ich thun? Ich konnte hier nicht bleiben. Nachdem ich ihm so derb und sanft als möglich den Text über seinen unvernünftigen Frass gelesen hatte, nahm ich ihm meinen Sack ab, übergab ihn seinem Freunde und Landsmanne, überliess ihn seinen Heiligen und ging weiter. Es war mir lieb, dass ich ihn so gut versorgt sah; ich hätte ihm nicht helfen können: doch that es mir um den armen dummen Teufel leid. Ich habe nachher erfahren, dass er sich erholt hat. Wenn er gestorben wäre, wäre es gewiss zum Wunder bloss darum gewesen, weil er in der Fasten mit einem Ketzer junge Tauben gegessen hatte, nicht wegen seines bestialischen Makkaronenfrasses. Ich habe vernünftige Aerzte in Italien darüber sprechen hören, dass jährlich in der Fasten eine Menge Menschen an der verdammten Paste sich zu Tode kleistern; denn der gemeine Mann hat die ganze lange Zeit über fast nichts anders als Makkaronen mit Oehl.

Ich ging also nun allein auf gut Glück immer an der Küste hin, bald das Meer im Auge, bald etwas weiter links in das Land hinein, nachdem mich der Weg trug. Bey Palma ist wieder schöne herrliche Gegend, mit abwechselnden Hügeln und Thälern, die alle mit Oehlbäumen und Orangengärten besetzt sind. Die hier wachsenden Orangen sind etwas kleiner als die übrigen in der Insel, aber sie sind die feinsten und wohlschmeckendsten, die ich gegessen habe; selbst die von Malta nicht ausgenommen, deren man eine Menge in Neapel findet. Gegen Abend kam ich in Alikata an, wo ich vor der Stadt zwey sehr wohlgekleidete Spaziergänger antraf, die mich zu sich auf eine Rasenbank einluden und in zehen Minuten mir meine ganze Geschichte abgefragt hatten. Wir gingen zusammen in die Stadt, ich halte sie für die beste, die ich nach Palermo bis jetzt noch auf der Insel gesehen habe. Das Wirthshaus, das ich fand, war ziemlich gut; ich hatte also nicht Ursache, dem Marchese Frangipani, an den ich empfohlen war, beschwerlich zu fallen. Indessen gab ich doch meinen Brief ab, und er nahm mich mit vieler Artigkeit in seinem ziemlich grossen Hause auf, wo ich eine ansehnliche Gesellschaft fand. Man nöthigte mich, mit den Damen etwas französisch und mit den geistlichen Herren, deren einige zugegen waren, lateinisch zu sprechen. Als man sich zum Spiel setzte — c'est partout comme chés nous — und ich daran nicht Theil nehmen wollte noch konnte, da ich nie ein Kartenblatt anrühre, empfahl ich mich und befand mich in meinem Wirthshause einsam recht wohl. In der schönen Abenddämmerung machte ich noch einen Spaziergang an dem Strande und sah der Fischerey zu. Die hiesige Rhede muss für die Schiffe nicht viel werth seyn, so viel ich von der Lage mit einem Ueberblick urtheilen kann. Gleich vor Alikata, von Palma her, liegt ein sich am Meere herziehender Berg, der von den Gelehrten mit Grund für den Eknomos der Alten gehalten wird. Jenseits des Salzflusses, oder des südlichen Himera, denn der nördliche fliesst bey Termini, ist ein anderer Berg, dessen Name, glaube ich, Phalarius heisst: und diese beyden Berge paradieren in den karthagischen Kriegen. Der Eknomos soll nach der Erklärung Einiger seinen Namen davon haben, weil der agrigentinische Tyrann Phalaris den Perillischen Stier hier aufgestellt haben soll. Dieses scheint aber mehr auf den Phalarius zu passen. Wenn Du mir erlaubst eine Konjektur zu machen, so will ich annehmen, dass der Eknomos deswegen so genannt worden sey, weil er ganz allein, isoliert, von der ganzen übrigen Bergkette rund herum abgesondert liegt: die andern Berge hängen in einem grossen Amphitheater alle zusammen. Der griechische Name, däucht mich, könne diess bedeuten: εϰ τȣ νομȣ των αλλων οϱων ϰειται γεωλοφος. Der Berg ist jetzt ziemlich gut bebaut, mit schönen Oelgärten und mehreren Landhäusern besetzt, und giebt der Gegend ein sehr freundliches Ansehen. Links ist an dem Himera hinauf eine schöne grosse Ebene mit Weitzenfeldern; eine der besten die ich je gesehen habe. Alikata ist der erste Ort, wo ich in Sicilien billig behandelt wurde.

Ueberall warnte man mich vor bösen Wegen und vorzüglich hier in Alikata, wo man sagte, dass die achtzehn Millien von hier nach Terra nuova die schlimmsten in der ganzen Insel wären. Sono cattive gente, hiess es; und cattive war der ewige Euphemismus, wenn sie zur Ehre ihres Landes nicht Räuber und Banditen sagen wollten. Hier hat mich wahrscheinlich nur meine armselige Figur gerettet. Ich wandelte gutes Muthes am Strande hin, las Muscheln und murmelte ein Liedchen von Anakreon, machte mit meinen Gedanken tausend Cirkumherumschweife und blieb bey der schönen Idee stehen, dass ich hier nun vermuthlich in die geloischen Felder käme: da sah ich von weitem drey Reiter und zwar zu Pferde auf mich zu trottieren. Die Erscheinung eines Maulesels oder Esels ist mir in Sicilien immer lieber als eines Pferdes. Mir ward etwas unreimisch, und ich nahm mir vor, so ernsthaft als möglich vor ihnen vorbey zu gehen. Das litten sie aber nicht, ob sie es gleich auch mit ziemlichem Ernst thaten. Sie waren alle drey mit Flinten bewaffnet; der Dolch versteht sich von selbst. Ich grüsste nicht ganz ohne Argwohn. Man rief mir halt! und da ich that, als ob ich es nicht gleich verstanden hätte, ritt einer mit Vehemenz auf mich zu, fasste mich beym Kragen und riss mich so heftig herum, dass das Schisma noch an meinem Rocke zu sehen ist. Wer seyd Ihr? — Ein Reisender. — Wo wollt Ihr hin? — Nach Syrakus. — Warum reitet Ihr nicht? — Es ist mir zu theuer; ich habe nicht Geld genug dazu. — Einer meiner Freunde in Rom hat mich in dem barocken Aufzuge gezeichnet, den ich damals machte, damit ich, wie er sagte, doch sagen könnte, ich habe mich in Rom malen lassen. Ich schicke Dir die Zeichnung zur Erbauung, und Du wirst hier wenigstens meine Eitelkeit nicht beschuldigen, dass sie sich ins beste Licht gesetzt hat. Man riss meinen Sack auf und fand freylich keine Herrlichkeiten, ein Hemde, zwey Bücher, ein Stück hartes Brot, ein Stückchen noch härteren Käse und einige Orangen. Man besah mich aufmerksam von der Ferse bis zur Scheitel. — Ihr habt also kein Geld zum Reiten? — Ich kann so viel nicht bezahlen. — Meine Figur und mein Sack schienen ihnen hierüber ein gleichlautendes Dokument zu seyn. Man nahm das weisse Buch, in welches ich einige Bemerkungen geschrieben hatte um die Reminiscenzen zu erhalten; man fragte, was es wäre, und durchblätterte es, und Einer, der etwas Ansehen über die beyden Andern zu haben schien, machte Miene es einzustecken. Ich sagte etwas betroffen: Aber das ist mein Tagebuch mit einigen Reisebemerkungen für meine Freunde. Der Mensch betrachtete mich in meiner Verlegenheit, besann sich einige Augenblicke, gab mir das Buch zurück und sagte zu dem Andern: Gieb ihm Wein! Dieses hielt ich, und wohl mit Recht, für das Zeichen der Hospitalität und der Sicherheit. Ob ich gleich nicht lange vorher reichlich aus einem kleinen Felsenbache getrunken hatte, so machte ich doch keine Umstände der ehrenvollen Gesellschaft Bescheid zu thun, so gut ich konnte, und trank aus der dargereichten engen Flasche. Diese Flaschen mit sehr engen Mündungen sind, wie Du vielleicht schon weisst, hier für das Klima sehr diätetisch eingerichtet. Man ist durchaus genöthigt sehr langsam zu trinken, weil man doch nicht mehr schlucken kann als heraus läuft. Nun fragte man mich dieses und jenes, worauf ich so unbefangen als möglich antwortete. — An wen seyd Ihr in Syrakus empfohlen? — An den Ritter Landolina. — Den kenne ich; sagte Einer. — Ihr seyd also arm und wollt den Giro machen, und geht zu Fusse? Ich bejahte das. Nun fragte man mich: Versteht Ihr das Spiel? Ich hatte die Frage nicht einmal recht verstanden: da ich aber, ausser ein wenig Schach, durchaus gar kein Spiel verstehe, konnte ich mit gutem Gewissen Nein antworten. Diese Frage ist mir vorher und nachher in Sicilien oft gethan worden, und die Erkundigung ist, ob man etwas vom Lotto verstehe, welches auch hier, Dank sey es der schlechten Regierung, eine allgemeine Seuche ist. Das gemeine Volk steht hier noch oft in dem Wahn, der Fremde als ein gescheidter Kerl müsse sogleich ausrechnen oder auszaubern können, welche Nummern gewinnen werden. Man wünschte mir gute Reise und ritt fort. Was war nun von den Leuten zu halten? Aus gewöhnlicher Vorsicht hatte ich die Uhr tief gesteckt; sie war also nicht zu sehen: mein Taschenbuch, in welchem ungefähr noch sieben und zwanzig Unzen in Gold liegen mochten, war inwendig in einer Tasche hoch unter dem linken Arm und wurde also nicht bemerkt. Die Leute hatten keine Uniform und durchaus keine Zeichen als Polizeyreiter: übrigens waren sie für Sicilien sehr anständig gekleidet. Gewehr und Dolche trägt in Unteritalien zur Schande der Justiz und Polizey jedermann. Wenn sie ehrlich waren, so thaten sie wenigstens alles mögliche es nicht zu scheinen: und das ist an der südlichen Küste von Sicilien fast eben so schlecht, als wenn bey uns in feiner Gesellschaft ein abgefeimter Schurke gerade das Gegentheil thut. Ich denke immer, meine anscheinende Armseligkeit hat mich gerettet und die Uhr und die Unzen hätten mir den Hals brechen können.

Vor Terra nuova wurde ich wieder freundschaftlich angehalten. Die Leute hoben Getreide aus ihren unterirdischen Magazinen, wahrscheinlich um es einzuschiffen. Ich fragte nach einem Gasthause. Man lud mich ein mich dort ein wenig niederzusetzen und auszuruhen; ich war wirklich müde und that es. Neugierigere Leute als in Sicilien habe ich nirgends gefunden; aber im Ganzen fehlt es ihnen nicht an Gutherzigkeit. Was schlecht ist kommt alles auf Rechnung der Regierung und Religionsverfassung. Man fragte mich sogar ob ich eine Uhr trüge und begriff wieder nicht, wie ich es nur wagen könnte, so zu reisen. Und doch bin ich überzeugt, das war immer noch die sicherste Art, da ich allein war.

In der Stadt im Wirthshause gab man mir ein Zimmer, worin kein Bett, kein Tisch und kein Stuhl war, und sagte dabey, ich würde in der ganzen Stadt kein besseres finden. Ich warf mich auf einen Haufen Haferspreu, die in einem Winkel aufgeschüttet war, und schlief ein. Ich mochte vielleicht ein Stündchen geschlafen haben und es war gegen Abend, da wurde ich geweckt. Mein Zimmer, wenn man das Loch so nennen kann, war voll Leute aller Art, einige stattlich gekleidet, andere in Lumpen. Vor mir stand ein Mann im Matrosenhabit, der eine förmliche lange Inquisition mit mir anhob. Er war ganz höflich, so viel Höflichkeit nehmlich bey so einem Benehmen Statt finden kann, fragte erst italiänisch, sprach dann etwas Tyrolerdeutsch, da er hörte, dass ich ein Deutscher sey; dann französisch, dann englisch und endlich Latein. Die Anwesenden machten Ohren, Maul und Nase auf, um so viel als möglich zu kapieren. Man war geneigt mich für einen Franzosen zu halten, fragte, ob ich der Republik gedient habe, und so weiter: aber über ihre Stimmung gegen die Franzosen gaben sie nicht das geringste Merkzeichen. Der Mann im Matrosenkleide sagte, ich müsste Franzose seyn, weil ich das Französische so gut spräche. Das konnte nur ihm so vorkommen, weil er es sehr schlecht sprach. Das Examen ward mir endlich sehr penibel, so wie ein Bär am Pfahl zu stehen und mich auf diese Weise beschauen und vernehmen zu lassen; ich sagte also bestimmt: Wenn ich verdächtig bin, mein Herr, so bringen Sie mich vor die Behörde, wo ich mich legitimieren werde; oder wenn Sie selbst von der Polizey sind, so sprechen Sie offen, damit ich mich darnach benehmen kann. Erlauben Sie mir übrigens etwas Ruhe in einem öffentlichen Hause, wo ich bezahle; es ist warm und ich bin müde. Das sagte ich italiänisch so gut ich konnte, damit es alle verstehen möchten; einer der Herren bat mich höflich um Verzeihung, ohne weiter eine Erklärung zu geben; die Neugierigen verloren sich, und nach einigen Minuten war ich wieder allein auf meiner Haferspreu. Den Abend, nachdem ich bey einigen Seefischen sehr gut gefastet hatte, brachte man mir Heu- und ein gutmüthiger Tabuletkrämer aus Katanien gab mir zur Decke einen grossen Schafpelz, welcher mir lieber war als ein Bett, das man nicht haben konnte.

Den andern Morgen ging ich über den Fluss Gela und durch ein herrliches Thal nach Santa Maria di Niscemi hinauf. Dieses Thal mit den Parthien an dem Flusse links und rechts hinauf machte vermuthlich die Hauptgruppe der geloischen Felder aus. Wenn auch Gela nicht gerade da stand, wo jetzt Terra nuova steht, so lag es doch gewiss nicht weit davon, und höchst wahrscheinlich nur etwas weiter bergabwärts nach dem Flusse hin, wo noch jetzt einige alte Ueberreste von Gemäuern und Säulen zu sehen seyn sollen. Das Thal ist auch noch jetzt in der äussersten Vernachlässigung sehr schön, und es lässt sich begreifen, dass es ehemals bey der Industrie der Griechen ein Zaubergarten mag gewesen seyn. Hier in Niscemi ist es wahrscheinlich, wo vor mehrern Jahren ein merkwürdiger Erdfall geschehen ist, den Landolina beschrieben hat.

Von hier aus wollte ich nach Noto gehen, und von dort nach Syrakus. Aber wenn man in Sicilien nicht bekannt ist und ohne Wegweiser reist, so bleibt man, wenn man nicht todt geschlagen wird, zwar immer in der Insel; aber man kommt nicht immer geraden Weges an den bestimmten Ort. Einige Meilen in der Nachbarschaft der Hauptstadt ausgenommen, kann man eigentlich gar nicht sagen, dass in Sicilien Wege sind. Es sind bloss Mauleseltriften, die sich oft so verlieren, dass man mit ganzer Aufmerksamkeit den Hufen nachspüren muss. Der König selbst kann in seinem Königreich nicht weiter als nach Montreal, Termini und einige Meilen nach Agrigent zu im Wagen gehen: will er weiter, so muss seine Majestät sich gefallen lassen einen Gaul oder sicherer einen Maulesel zu besteigen. Das lässt er denn wohl bleiben, und desswegen geht es auch noch etwas schlechter als gewöhnlich anderwärts, wo es die Fürsten nur sehr selten thun. Man rieth mir, von Santa Maria nach Caltagirone zu gehen; das that ich als ein Wildfremder. Aber ich war kaum ein Stündchen gegangen, als ich in einen ziemlich grossen Wald perennierender Eichen kam, wo ich alle Spur verlor, einige Stunden in Felsen und Bergschluchten herum lief, bis ich mich nur mit Schwierigkeit wieder links orientierte, indem ich den Gesichtspunkt nach einer hohen Felsenspitze nahm. Hier fand ich vorzüglich schöne Weiden in den Thälern und grosse zahlreiche Heerden. Um Caltagirone herum ist die Kultur noch am leidlichsten; man kann sie noch nicht gut nennen. Die Stadt, welche auf einer nicht unbeträchtlichen Höhe liegt, hat rund umher schöne angränzende Thäler, und es herrscht hier für Sicilien noch eine ziemliche Wohlhabenheit. Ich war nun auf einmal wieder beynahe mitten in der Insel. In der Stadt war auf dem Markte ein gewaltiger Lärm von Menschen; man ass und trank, und handelte und zankte, und sprach überall sehr hoch, als auf einmal das Allerheiligste vorbeygetragen wurde; schnell ward alles still und stürzte nieder und der ganze Markt machte eine sonderbare Gruppe. Ich konnte aus meinem Fenster bey einer Mahlzeit getrockneter Oliven, die mein Lieblingsgericht hier sind, unbemerkt und bequem alles sehen. Ein so gutes Wirthshaus hätte ich hier nicht gesucht; Zimmer, Bett, Tisch, alles ist sehr gut, und verhältnissmässig sehr billig.

Von hier aus wollte ich nach Syrakus, und ging aufmerksam immer den Weg fort, den man mir bezeichnet hatte, und war, ehe ich mirs versah, in Palagonia, dem Stammhause des seligen Patrons der Ungeheuer, barocken Andenkens. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, ich wäre hier geblieben; denn Palagonia gefällt mir viel besser als die Nachbarschaft von Palermo, wo er das Tabernakel seiner ästhetischen, Missgeburten aufschlug. Wieland lässt den geächteten Diagoras in der Gegend von Tempe aus Aergerniss über Götter und Menschen ein ähnliches Spielwerk treiben; aber er thut es besser und genialischer als der Sicilianer. Palagonia liegt herrlich in einem Bergwinkel des Thales Enna. Kommt man von Caltagirone herüber, so geht man durch furchtbare Felsenschluchten und steigt einen Berg herab, als ob es in die Hölle ginge; und es geht in ein Elysium. Schade dass die exemplarische sicilianische Faulheit es nicht besser benutzt und geniesst. Die Stadt ist traurig schmutzig. Ueber den Namen der Stadt habe ich nichts gehört und gelesen; welches freylich nicht viel sagen will, da ich sehr wenig höre und lese. Ich will annehmen, er sey entstanden aus Paliconia, weil nicht weit davon rechts hinauf in den hohen Felsen der Naphthasee der Paliker liegt, von dem die Fabel so viel zu erzählen und die Naturgeschichte manches zu sagen hat. Wäre ich nicht allein gewesen, oder hätte mehr Zeit, oder stände mit meiner Börse nicht in so genauer Rechnung, so hätte ich ihn aufgesucht.

Von hier aus wollte ich nach Syrakus. Einer der überraschendsten Anblicke für mich war, als ich aus Palagonia heraus trat. Vor mir lag das ganze, grosse, schöne Thal Enna, das den Fablern billig so werth ist. Rechts und links griffen rund herum die hohen felsigen Bergketten, die es einschliessen und von Noto und Mazzara trennen; und in dem Grunde gegen über stand furchtbar der Aetna mit seinem beschneyten Haupte, von dessen Schedel die ewige lichte Rauchsäule in der reinen Luft empor stieg, und sich langsam nach Westen zog. Ich hatte den Altvater wegen des dunkeln Wetters noch nicht gesehen, weder zu Lande noch auf dem Wasser. Nur auf der südlichen Küste in Agrigent vor dem Thore des Schulgebäudes zeigte man mir den Riesen in den fernen Wolken; aber mein Auge war nicht scharf genug ihn deutlich zu erkennen. Jetzt stand er auf einmal ziemlich nahe in seiner ganzen furchtbaren Grösse vor mir. Katanien lag von seinen Hügeln gedeckt; sonst hätte man es auch sehen können. Ich setzte mich unter einen alten Oelbaum, der der Athene Polias Ehre gemacht haben würde, auf die jungen wilden Hyacinthen nieder und genoss eine Viertelstunde eine der schönsten und herrlichsten Scenen der Natur. Das war wieder Belohnung und ich dachte nicht weiter an die Schnapphähne und das Examen von Terra nuova. Ich würde rechts hinauf gestiegen seyn in die Berge, wo viele Höhlen der alten sikanischen Urbewohner in Felsen gehauen seyn sollen; aber ich konnte dem Orientieren und der müssigen Neugierde in einer sehr wilden Gegend nicht so viel Zeit opfern. Ich verirrte mich abermals und kam anstatt nach Syrakus nach Lentini. Es war mir nicht unlieb die alte Stadt zu sehen, die zur Zeit der Griechen keine unbeträchtliche Rolle spielt. Sie ist in dem Misskredit der schlechten Luft, wesswegen auf einer grössern Anhöhe Karl der Fünfte, däucht mich, Carlentini anlegte. Ich spürte nichts von der schlechten Luft; aber freylich kann man vom Ende des März keinen Schluss auf das Ende des July machen. Der See giebt der Gegend ein heiteres lachendes Ansehen, und diese würde sich sehr bald sehr gesund machen lassen, wenn man fleissiger wäre. Um die Stadt herum ist alles ein wahrer Orangengarten; und Du kannst denken, dass ich mit den Hesperiden nicht ganz enthaltsam war, da ich doch nun nicht hoffen durfte Syrakusertrauben zu essen. Mir hat es gefallen in Lentini, und wenn die Leute daselbst krank werden, so sind sie wahrscheinlich selbst Schuld daran, nach allem was ich davon sehe. Ich war nun zwey mal irre gegangen, und hielt es daher doch für gut einen Mauleselführer zu nehmen. Er erschien und wir machten bald den Handel, da ich nicht viel merkantilisches Talent habe und gewöhnlich gleich zuschlage. Nun wollte der Mensch die ganze Summe voraus haben; das fand ich etwas sonderbar und meinte, wenn er mir nicht traute, so müssten wir theilen, und ich würde ihm die Hälfte voraus zahlen. Damit war er durchaus nicht zufrieden; aber noch drolliger war sein Grund. Er meinte, wenn ich geplündert oder erschlagen würde, wie sollte er dann zu seinem Gelde kommen? Das war mir zu arg; ich schickte ihn ärgerlich fort und ging mit meinem Schnappsack allein.

Von hier wollte ich nach Syrakus; aber ich ging in den Mauleseltriften der Bergschluchten und Höhen und Thäler abermals irre, und kam anstatt nach Syrakus nach Augusta. Das erste Stündchen Weg war schön und ziemlich gut bebaut; aber sodann waren einige Stunden nichts als Wildniss, wo rund umher Oleaster, fette Asphodelen und Kleebäume wuchsen. Eine starke Stunde vor Augusta fing die Kultur wieder an, und hier ist sie vielleicht am besten auf der ganzen Insel. Der Wein, den ich hier sah, wird ganz dicht am Boden alle Jahre weggeschnitten, und die einzige Rebe des Jahres giebt die Ernte. Das kann nun wohl nur hier in diesem Boden und unter diesem Himmel geschehen. Es ist ein eigenes Vergnügen die Verschiedenheit des Weinbaues von Meissen bis nach Syrakus zu sehen; und wenn ich ein weingelehrter Mann wäre, hätte ich viel lernen können. Die Landzunge auf welcher Augusta liegt, mit der Gegend einige Stunden umher, gehört zu dem üppigsten Boden der Insel. Vor der Stadt machte man Salz aus Seewasser, zu welcher Operation man einen grossen Strich todtes Erdreich brauchte. Nirgends habe ich so schwelgerische Vegetation gesehen, als in dieser Gegend. Die Stadt ist rings um vom Meere umgeben, und es führt nur eine ziemlich feste Brücke hinüber. Von der Landseite ist der Ort also gut vertheidigt und es würde eine förmliche Belagerung dazu gehören ihn zu nehmen. Von der Seeseite scheint das nicht zu seyn. Die wenigen Werke nach dem Wasser zu wollen nicht viel sagen. Die Stadt ist nicht viel kleiner als die Insel Ortygia oder das heutige Syrakus. Ich wurde zu dem Stadthauptmann geführt, der meinen Pass besah und mir ihn sogleich ohne Umstände mit vieler Höflichkeit zurück gab. Hier wurde ich, aus meinem Passe, Don Juan getauft, welchen Namen ich sodann auf dem übrigen Wege durch die ganze Insel bey allen Mauleseltreibern durch Ueberlieferung behielt. Der Gouverneur oder Stadthauptmann, was er seyn mochte, denn ich habe mich um seinen Posten weiter nicht bekümmert, bewirthete mich mit dem berühmten syrakusischen Muskatensekt, den endlich dieser Herr wohl gut haben muss, und mit englischem Ale und Biskuit. Das Ale war gut und das Biskuit besser, und über den Wein habe ich keine Stimme. Mir war er zu stark und zu süss. Ein Perukenmacher, der in dem Hause des Stadthauptmanns war, führte mich gerade in sein eigenes Haus, bewirthete mich ziemlich gut und liess mich noch besser bezahlen. Dafür wurde ich aber so viel beexcellenzt, als ob ich der erste Ordensgeneral wäre, der den grossen päbstlichen Ablass auf hundert Jahre herum trüge. Man erzählte mir, dass vor einigen Monaten ein Deutscher mit seiner Frau aus Malta durch Sturm hier einzulaufen genöthigt worden sey, und, da er keinen Pass gehabt, zwanzig Tage habe hier bleiben müssen, bis man Befehl von Palermo eingeholt habe. Solche Guignons können eintreten.

Um nicht noch einmal in den Bergen herum zu irren, nahm ich nun endlich einen Maulesel mit einem Führer hierher nach Syrakus. Ich hatte eine grosse Strecke Weges an dem Meerbusen wieder zurück zu machen. So lange ich mich in der Gegend von Augusta befand, war die Kultur ziemlich gut; aber so wie wir Syrakus näher kamen, ward es immer wüster und leerer. Der Aetna, der über die andern Berge hervor ragte, rauchte in der schönen Morgenluft. Der Mauleseltreiber hatte mir zum Führer einen kleinen Buben mitgegeben, der sich, sobald wir heraus waren, auf die Kruppe schwang, mir einen kleinen eisernen Stachel zum Sporn gab, und so mit mir und dem Maulesel über die Felsen hintrabte. Diese Thiere hören auf nichts als diesen Stachel, der ihnen statt aller übrigen Treibmittel am Halse appliziert wird. Wenn es nicht recht gehen wollte, rief der kleine Mephistophiles hinter mir: Pungite, Don Juan, sempre pungite. Siehst Du, so kurz und leicht ist die Weisheit der Mauleseltreiber und der Politiker. Das scheint das Schiboletchen aller Minister zu seyn. Wie der Hals des Staats sich bey dem Stachel befindet, was kümmert das die Herren? Wenn es nur geht oder wenigstens schleicht. Mein kleiner Führer erzählte mir hier und da Geschichten von Todtschlägen, so wie wir an den Bergen hinritten. Rechts liessen wir die Stadt Melitta liegen, die auf einer Anhöhe des Hybla noch eine ziemlich angenehme Erscheinung macht. Sonst ist der Berg ziemlich kahl. Acht Millien von Syrakus frühstückte ich an der Feigenquelle, wo der Feigen sehr wenig aber viel sehr schöne Oelbäume waren, fast der Halbinsel Thapsus gegen über. Nun trifft man schon hier und da Trümmern, die zwar noch nicht in dem Bezirk der alten Stadt selbst, aber doch in ihrer Nähe liegen. Noch einige Millien weiter hin ritt ich den alten Weg durch die Mauer des Dionysius herauf, und befand mich nun in der ungeheuern Ruine, die jetzt eine Mischung von magern Pflanzungen, kahlen Felsen, Steinhaufen und elenden Häusern ist. Als ich in der Gegend der alten Neapolis zwischen den Felsengräbern war, dankte ich meinen Führer ab und spazierte nun zu Fusse weiter fort. Der Bube war gescheidt genug mir einen Gulden über den Akkord abzufordern. In Syrakus ging ich durch alle drey Thore der Festung als Spaziergänger, ohne dass man mir eine Sylbe sagte: auch bin ich nicht weiter gefragt worden. Das war doch noch eine artige stillschweigende Anerkennung meiner Qualität. Den Spaziergänger lässt man gehen.