Ich muss mich etwas fassen, dass ich Dich den Weg über den Berg und Taormina hierher mit mir nicht gar zu unordentlich machen lasse; ob Du gleich Geduld genug wirst haben müssen, denn ich bin ein gar schlechter Systematiker. Der Wirth im Elephanten in Katanien, in dessen Buche ich viele Bekannte fand und der sich als einen sehr guten Hodegeten ankündigte, besorgte mir eben nicht wohlfeil einen Mann mit einem Thiere, der mit mir die Fahrt bestehen sollte. Ich packte meinen Sack voll Orangen und ritt nun bergan. Wie viel ich Dörfer und Flecken durchritt ehe ich am Sandkloster ankam, weiss ich nicht mehr. Dieses Kloster gehört bekanntlich den reichen Benediktinern unten in der Stadt, die hier nur einen Layenbruder haben, welcher die Oekonomie besorgt denn sie haben rund umher weite Distrikte von Weinbergen. Bey den Mönchen gilt selten das Sprichwort, im Weine ist Wahrheit; sondern im Weine ist Schlauheit. Ich kann mir nicht helfen, und wenn mich die Mönche zum Abt machten, ich würde sagen, je grösser das Kloster, desto grösser die Sottise. Die Mönche unten sind gar feine Kauze, die das Inkonsequente und Bedenkliche und Kritische ihrer jetzigen Lage sehr gut fühlen und die Kutte durchzuschauen wissen: diese waren freundlich und höflich. Der Layenbruder hier im Sande war etwas grämelnd und murrsinnig. Er nahm meinen Empfehlungsbrief, betrachtete ihn und sagte mir ganz trocken: Der Abt, mein Vorgesetzter, hat ihn nicht unterschrieben; er geht mich also nichts an. Das ist schlimm für mich, sagte ich: Ja wohl! sagte er. Was soll ich nun thun? fragte ich: Was Sie wollen; antwortete er. Er besann sich indessen doch etwas; man trug eben das Essen auf. Er fragte mich, ob ich mit essen wollte; und ich machte natürlich gar keine Umstände, weil ich ziemlich hungrig war. Wir setzten uns und über Tische ward mein Wirth freundlicher. Mein Maulesel mit dem Führer wurde nach dem nächsten Orte Nikolosi geschickt und mir Quartier und Pflege gesichert. Man meldete, dass eine fremde sehr vornehme Gesellschaft ankommen würde, die auch auf den Berg steigen wollte: das war mir lieb. Wir assen dreyerley Fische. Denke Dir, ein Layenbruder der Benediktiner in der höchsten Wohnung am Aetna zur Fasten dreyerley Fische! Denn über diesem Kloster sind nur noch einige Häuser links hinüber, und weiter nichts mehr in der Waldregion bis hinauf an die alte Geisshöhle. Ich spreche von dieser Seite; die andern Pfade kenne ich nicht. Es kam ein anderer Herr, der uns trinken half. Dieser schien ein etwas besseres Stück von Geistlichen zu seyn. Mein Wirth zog den Brief aus der Tasche und liess ihn den andern vorlesen: da ergab sich mir denn erst, dass der Herr Layenbruder wohl gar nicht lesen konnte. Der Brief lautete ungefähr, dass der Pater Sekretär ihm im Namen und auf Befehl des Abtes schreibe, dem deutschen reisenden Herrn, der von dem Minister sehr empfohlen wäre, nach Würden bestens zu bewirthen. Von meiner Entfernung war nun gar nicht mehr die Rede. Der Bruder erzählte mir seine Reisen und seine Schicksale, und dass ihn der Papst kenne. Bald kam er auf meine Ketzerey und segnete sich. Er liess sich mein Seelenheil und meine Bekehrung noch etwas angelegener seyn, als der palermitanische Steuerrevisor in Agrigent, fand mich aber ganz refraktarisch: er musste mich mit seinem besten Futter in die Hölle gehen lassen. Der vornehmste Grund, den er brauchte, mich zum Christen zu machen, war: Ich hätte doch einen sehr gefährlichen Weg vor mir, es seyen auf dem Berge schon viele umgekommen; nun könnte ich, wenn ich auch todt gefunden würde, nicht einmahl christlich begraben werden. Das war nun freylich ein triftiges Argument; denn bey diesen Herren ist kein Akatholikus ein Christ. Ich sagte ihm so sanft als möglich die Anekdote des Diogenes, der sich im ähnlichen Falle aus bat, man möchte ihm nach dem Tode einen Stock hinlegen, damit er die Hunde wegjagen könnte. Der Mann schüttelte den Kopf und — trank sein Glas. Nun wurde mir ein Führer bestellt, der theuer genug war, und auf alle Fälle alles in Ordnung gesetzt, wenn auch die Gesellschaft nicht kommen sollte. Eben als die Einrichtung getroffen worden war, wurde gemeldet, dass die Engländer nicht kommen würden, sondern in Nikolosi blieben. Darüber war der Mann Gottes sehr ergrimmt und betete etwas unsanft, wie Elisa der Bärenprophet, über einige seiner Feinde unten in Katanien und oben in Nikolosi. Ich machte eine Ausflucht gegen über auf die Monti rossi, die sich bey der letzten grossen Eruption gebildet haben, vermuthlich von der Farbe den Namen tragen und von ihren Gipfeln eine herrliche Aussicht geben. Man hat eine starke Viertelstunde nöthig sie zu ersteigen, und von ihnen sieht man noch jetzt den ganzen ungeheuern Lavastrom der hier ausbrach, alles umwälzte und zernichtete, einen grossen Theil der Stadt zerstörte und tief hinter derselben sich als eine hohe Felsenwand in der See stemmte. Ich weiss wohl, dass Stollberg anderer Meinung ist; aber ich habe es hier so von vielen Einwohnern gehört, unter denen auch manche ziemlich unterrichtete Männer waren. Als ich herunter stieg, begegnete ich zwey Engländern von der Parthie aus Nikolosi, die den nehmlichen Spaziergang hierher gemacht hatten. Ihrer waren fünfe, lauter Offiziere von der Garnison aus Malta, die von Neapel kamen und unterwegs den Berg mit sehen wollten; ein Major, ein Hauptmann und drey Lieutenants. Sie freuten sich noch einen zur Parthie zu bekommen, und ich holte flugs meinen Sack vom Mönche und zog herunter zu den Engländern ins Wirthshaus nach Nikolosi, wo schon vorher mein Führer einquartiert war. Der Mönch machte ein finsteres Gesicht, murrte etwas durch die Zähne, vermuthlich einige Flüche über uns Ketzer alle: ich dankte und ging.

Hier trieben wir nun, die fünf Britten und Dein Freund, unser Wesen sehr erbaulich. Die Engländer hatten den Wirth vom goldenen Löwen aus Katanien mitgebracht; ich trat zur Gesellschaft, man schaffte mir ein Bett so gut als möglich, und wir legten uns nieder und schliefen nicht viel. Die Herren erzählten ihre Abenteuer, militärische und galante, von der Themse und vom Nil, und bald traf die Kritik einen General bald ein Mädchen. Vorzüglich war der Gegenstand ihrer Reminiscenzen eine gewisse originelle Trompetersfrau, die sie nach allen Prädikamenten zur Königin ihres Lagers in Aegypten erhoben. Gegen Mitternacht kamen die Führer, und nun setzte sich die ganze Karavane zu Maulesel; sechs Signori Forestieri, zwey Führer mit Laternen und ein Proviantträger. Es war, wenn ich nicht irre, den sechsten April zu Mitternacht, oder den siebenten des Morgens. Den vorigen Tag war es trübes Wetter gewesen, hatte den Abend ziemlich stark geregnet, hellte sich aber auf so wie wir aus dem Wirthshause zogen. Wir gingen bey meinem Mönch in Sankt Nicolas del bosco ove della rena vorbey. Es war frisch und ward bald kalt, und dann sehr kalt. Wir trottierten und lärmten uns warm. Dann deklamierte der Major Grays Kirchhof, dann sangen wir God save the king, nach Händel, und Britannia, rule the waves, und andere englischpatriotische Sachen. Jeder gab seinen Schnak. We are already pretty high, sagte der Eine; it is a bitter nipping cald, der Andere. Methinnks, I hear the dogstar bark, and Mars meets Venus in the dark; fuhr ein Dritter fort. Is that not smoke there? fragte ein subalterner Myops; I believe I see already old Nock smoking his pipe. But, my dear, sagte der Major, You are purblind upon your starboard eye; it is an oaktree. So war es; das gab Gelächter, und wir ritten weiter. Bald kamen wir aus der bebauten Region in die waldige, und gingen nun unter den Eichen immer bergauf. Ungefähr um ein Uhr kamen wir in der Gegend der Geisshöhle an, die aber jetzt ausser Uebung kommt. Der Fürst von Paterno hat dort ein Haus gebaut, wo die Fremden eintreten und sich bey einem Feuer wärmen können. Das Haus ist schlecht genug, und ein deutscher Dorfschulze würde sich schämen, es nicht besser gemacht zu haben. Indessen ist es doch besser als nichts und vermuthlich bequemer als die Höhle. Hier blieben wir eine kleine Halbestunde, bestiegen wieder unsere Maulthiere und ritten nunmehr aus der waldigen Region in den Schnee hinein. Ungefähr eine Viertelstunde über dem Hause und der Höhle hörte die Vegetation ganz auf und der Schnee fing an hoch zu werden, der schon um das Haus her hier und da neu und alt lag. Wir mussten nun absteigen und unsere Maulthiere hier lassen. Der Schnee ward bald sehr hoch und das Steigen sehr beschwerlich. Unsere Führer riethen uns nur langsam zu gehen, und sie hatten Recht: aber die Herren ruhten zu oft absatzweise, und darin hatten diese nicht Recht. Methinks I smell the morning air, sagte der Major, und fuhr ganz drollig fort, als ein junger Lieutenant durch den hohlen Schnee auf ein Lavastück fiel und über den Fuss klagte: Alack, what dangers do inviron the man that meddles with cold iron! Die Kälte des Morgens ward schneidend und die Engländer, die wohl in Aegypten und Malta eine solche Parthie nicht gemacht hatten, schüttelten sich wie die Matrosen. Endlich erreichten wir den Steinhaufen des so genannten Philosophenthurms, und die Sonne stieg eben glühend über die Berge von Kalabrien herauf und vergoldete was wir von der Meerenge sehen konnten, die ganze See und den Taurus zu unsern Füssen. Ganz rein war die Luft nicht, aber ohne Wolken; um desto magischer war die Scene. Hinter uns lag noch alles in Nacht und vor uns tanzten hier und da Nebelgestalten auf dem Ocean. Wer kann beschreiben? Nimm deinen Benda, und lass auf silbernem Flügel dem Mädchen auf Naxos die Sonne aufgehen: und wenn Du nicht Etwas von unserm Vergnügen hast, so kann Dir kein Gott helfen. So ging uns Titan auf; aber wir waren über dem werdenden Gewitter: es konnte uns nicht erreichen. Einer der Herren lief wehklagend und hoch aufschreyend um die Trümmern herum; denn er hatte die Finger erfroren. Wir halfen mit Schnee und rieben und wuschen, und arbeiteten uns endlich zu dem Gipfel des Berges hinauf. Mich däucht, man müsste bis zum Philosophenthurm reiten können; bis dahin ist es nicht zu sehr jäh: aber die Kälte verbietet es; wenigstens möchte ich desswegen nicht von der Kavalkade seyn. Von hier aus kann man nicht mehr gehen; man muss steigen, und zuweilen klettern, und zuweilen klimmen. Es scheint noch eine Viertelstunde bis zur höchsten Spitze zu seyn, aber es ist wohl noch ein Stündchen Arbeit. Die Britten letzten sich mit Rum, und da ich von dergleichen Zeug nichts trinke, ass ich von Zeit zu Zeit eine Apfelsine aus der Tasche. Sie waren ziemlich gefroren; aber ich habe nie so etwas köstliches genossen. Als ich keine Apfelsinen mehr hatte, denn der Appetit war stark, stillte ich den Durst mit Schnee, arbeitete immer vorwärts, und war zur Ehre der deutschen Nation der Erste an dem obersten Felsenrande der grossen ungeheuern Schlucht, in welcher der Krater liegt. Einer der Führer kam nach mir, dann der Major, dann der zweyte Führer, dann die ganze kleine Karavane bis auf den Herrn mit den erfrorenen Fingern. Hier standen und sassen und lagen wir, halb in dem Qualm des aufsteigenden Rauchdampfes eingehüllt und keiner sprach ein Wort und jeder staunte in den furchtbaren Schlund hinab, aus welchem es in dunkeln und weisslichen Wolken dumpf und wüthend herauftobte. — Endlich sagte der Major, indem er sich mit einem tiefen Athemzuge Luft machte: Now it is indeed worth a young man's while to mount and see it; for such a sight is not to be met with in the parks of old England. Mehr kannst Du von einem ächten Britten nicht erwarten, dessen patriotische Seele ihren Gefährten mit Rostbeef und Porter ambrosisch bewirthet.

Die Schlucht, ungefähr eine kleine Stunde im Umfange, lag vor uns, wir standen alle auf einer ziemlich schmalen Felsenwand, und bückten uns über eine steile Kluft von vielleicht sechzig bis siebzig Klaftern hinaus. Einige legten sich nieder, um sich auf der grausen Höhe vor Schwindel zu sichern. In dieser Schlucht lag tief der Krater, der seine Stürme aus dem Abgrunde nach der entgegengesetzten Seite hinüber warf. Der Wind kam von der Morgensonne und wir standen noch ziemlich sicher vor dem Dampfe; nur dass hier und da etwas durch die Felsenspalten heraufdrang. Rund herum ist keine Möglichkeit vor den ungeheuern senkrechten Lavablöcken, bis hinunter ganz nahe an den Rand des eigentlichen Schlundes zu kommen. Bloss von der Seite von Taormina, wo eine sehr grosse Vertiefung ausgeht, muss man hinein steigen können, wenn man Zeit und Muth genug hat, die Gefahr zu bestehen: denn eine kleine Veränderung des Windes kann tödtlich werden, und man erstickt wie Plinius. Uebrigens würde man wohl unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte ich drey Tage Zeit und einen entschlossenen, der Gegend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl die Ehre erwerben unten gewesen zu seyn, wenn es der Wind erlaubte. Man müsste aber mit viel grösserer Schwierigkeit von Taormina hinauf steigen.

Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rund umher. Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen das ganze grosse schöne herrliche Eiland unter uns, vor uns liegen, wenigstens den schönsten Theil desselben. Alles was um den Berg herum liegt, das ganze Thal Enna, bis nach Palagonia und Lentini, mit allen Städten und Flecken und Flüssen, war wie in magischen Duft gewebt. Vorzüglich reitzend zog sich der Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche lang lang hinab in das Meer, und man übersah mit Einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, dass die Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach Augusta und in die Gegend von Syrakus. Aber die Schwäche meiner Augen und die Dünste des Himmels, der doch fast unbewölkt war, hinderten mich weiter zu sehen. Messina habe ich nicht gesehen; und mich däucht, man kann es von hier nicht sehen: es liegt zu tief landeinwärts an der Meerenge und die Berge müssen es decken. Palermo kann man durchaus nicht sehen, sondern nur die Berge umher. Von den Liparen sahen wir nur etwas durch die Wölkchen. Nachdem wir rund umher genug hinabgeschaut hatten, und das erste Staunen sich zu etwas Ruhe setzte, sagte der Major nach englischer Sitte: Now be sure, we needs must give a shout at the top down the gulf; und so stimmten wir denn drey Mahl ein mächtiges Freudengeschrey an, dass die Höhlen des furchtbaren Riesen wiederhallten, und die Führer uns warnten, wir möchten durch unsere Ruchlosigkeit nicht die Teufel unten wecken. Sie nannten den Schlund nur mit etwas verändertem Mythus: la casa del diavolo und das Echo in den Klüften la sua risposta.

Der Umfang des kleinen tief unten liegenden Kessels mag ungefähr eine kleine Viertelstunde seyn. Es kochte und brauste, und wüthete und tobte und stürmte unaufhörlich aus ihm herauf. Einen zweyten Krater habe ich nicht gesehen; der dicke Rauch müsste vielleicht ganz seinen Eingang decken, oder dieser zweyte Schlund müsste auf der andern Seite der Felsen liegen, zu der wir wegen des Windes, der den Dampf dorthin trieb, nicht kommen konnten. Auch hier waren wir nicht ganz vom Rauche frey; die rothe Uniform der Engländer mit den goldenen Achselbändern war ganz schwarzgrau geworden; mein blauer Rock hatte seine Farbe nicht merklich geändert.

Ich hatte mich bisher im Aufsteigen immer mit Schnee gelabt; aber hier am Rande auf der Spitze war er bitter salzig und konnte nicht genossen werden. Nicht weit vom Rande lag ein Auswurf von verschiedenen Farben, den ich für todten Schwefel hielt. Er war heiss und wir konnten unsere Füsse darin wärmen. Wir setzten uns an eine Felsenwand, und sahen auf die zauberische Gegend unter uns, vorzüglich nach Katanien und Paterno hinab. Die Monti rossi bey Nikolosi glichen fast Maulwurfshügeln, und die ganze grosse ausgestorbene Familie des alten lebendigen Vaters, lag rund umher. Nur er selbst wirkte mit ewigem Feuer in furchtbarer Jugendkraft. Welche ungeheuere Werkstatt muss er haben! Der letzte grosse Ausbruch war fast drey deutsche Meilen vom Gipfel hinab bey Nikolosi. Wenn er wieder durchbrechen sollte, fürchte ich für die Seite von Taormina, wo nun die Erdschicht am dünsten zu seyn scheint. Die Luft war trotz dem Feuer des Vulkans und der Sonne doch sehr kalt, und wir stiegen wieder herab. Unser Herabsteigen war vielleicht noch belohnender als der Aufenthalt auf dem obersten Gipfel. Bis zum Philosophenthurm war viel Behutsamkeit nöthig. Hier war nun der Proviantträger angekommen, und wir hielten unser Frühstück. Die Engländer griffen zur Rumflasche und ich hielt mich zum gebratenen Huhn und dann zum Schnee. Brot und Braten waren ziemlich hart gefroren, aber der heisse Hunger thaute es bald auf. Indem wir assen, genossen wir das schönste Schauspiel, das vielleicht das Auge eines Menschen geniessen kann. Der Himmel war fast ganz hell, und nur hinter uns über dem Simäthus hingen einige kleine lichte Wolken. Die Sonne stand schon ziemlich hoch an der Küste Kalabriens; die See war glänzend. Da zeigten sich zuerst hier und da einige kleine Fleckchen auf dem Meere links vor Taormina, die fast wie Inselchen aussahen. Unsere Führer sagten uns sogleich was folgen würde. Die Flecken wurden zusehens grösser, bildeten flockige Nebelwolken und breiteten sich aus und flossen zusammen. Keine morganische Fee kann eine solche Farbenglut und solchen Wechsel haben, als die Nebel von Moment zu Moment annahmen. Es schoss in die Höhe und glich einem Walde mit den dichtesten Bäumen von den sonderbarsten Gestalten, war hier gedrängter und dunkler, dort dünner und heller, und die Sonne schien in einem noch ziemlich kleinen Winkel auf das Gewebe hinab, das schnell die ganze nördliche Küste deckte und das wir tief unter uns sahen. Der Gluthstrom fing an die Schluchten der Berge zu füllen, und hinter uns lag das Thal Enna mit seiner ganzen Schönheit in einem unnennbaren Halblichte, so dass wir nur noch den See von Lentini als ein helles Fleckchen sahen. Dieses alles und die Bildung des himmlischen Gemäldes an der Nordostseite, war das Werk einer kleinen Viertelstunde. Ich werde eine so geschmückte Scene wahrscheinlich in meinem Leben nicht wieder sehen. Sie ist nur hier zu treffen und auch hier sehr selten; die Führer priesen uns und sogar sich selbst desswegen glücklich. Wir brachen auf, um, wo möglich, unten dem Regen zu entgehen: in einigen Minuten sahen wir nichts mehr von dem Gipfel des Berges; alles war in undurchdringlichem Nebel gehüllt, und wir selbst schossen auf der Bahn, die wir im Hinaufsteigen gemacht hatten, pfeilschnell herab. Ohne den Schnee hätten wir es nicht so sicher gekonnt. Nach einer halben Stunde hatten wir die Blitze links, immer noch unter uns. Der Nebel hellte sich wieder auf, oder vielmehr wir traten aus demselben heraus, das Gewitter zog neben uns her nach Katanien zu, und wir kamen in weniger als der Hälfte Zeit wieder in das Haus am Ende der Waldregion, wo wir uns an das Feuer setzten; nehmlich diejenigen, die es wagen durften. Die Engländer hatten zu dieser Bergreise eine eigene Vorkehrung getroffen. Weiss der Himmel, wer es ihnen mag gerathen haben: die meinige war besser. Sie kamen in Nikolosi in Stiefeln an, setzten sich aber dort in Schuhe, und über diese Schuhe zogen sie die dicksten wollenen Strümpfe, die man sich denken kann, und die sie sogar, wie sie mir sagten, schon in Holland zu diesem Behufe gekauft hatten. Der Aufzug liess sonderbar genug; sie sahen mit den grossen Aetnastöcken, von unten auf alle ziemlich aus, wie samogetische Bärenführer. Ich ging in meinem gewöhnlichen Reisezeug mit gewöhnlichen baumwollenen Strümpfen in meinen festen Stiefeln. Schon hinaufwärts waren einige holländische Strümpfe zerrissen; herabwärts ging es über die Schuhe und die Unterstrümpfe. Einige liefen auf den Zehen, die sie natürlich erfroren hatten. Meine Warnung, langsam und fest ohne abzusetzen fortzugehen, hatte nichts geholfen. Mir fehlte nicht das Geringste. Vorzüglich hatte Einer der jungen Herren die Unvorsichtigkeit gehabt, sich mit warmem Wasser zu waschen und an das Feuer zu setzen. In einigen Minuten jauchzte er vor Schmerz, wie Homers verwundeter Kriegsgott, und hat den Denkzettel mitgenommen. Vermuthlich wird er in Katanien oder Malta zu kurieren haben. Du kannst sehen, welcher auffallende Kontrast hier in einer kleinen Entfernung in der Gegend ist: unten bey Katanien raufte man reifen Flachs und die Gerste stand hoch in Aehren; und hier oben erfror man Hände und Füsse. Nun ritten wir noch immer mit dem Gewitter durch die Waldregion nach Nikolosi hinab, wo wir eine herrliche Mahlzeit fanden, die der Wirth aus dem goldenen Löwen in Katanien kontraktmässg angeschaft hatte. Wir nahmen Abschied; die Engländer ritten zurück nach Katanien, und ich meines Weges hierher nach Taormina.

Es ist vielleicht in ganz Europa keine Gegend mit so vielfältigen Schönheiten als um diesen Berg. Seine Höhe kann ich nicht bestimmen. In einem geographischen Verzeichniss wurde er hier beträchtlich höher angegeben, als die höchsten Alpen: das mögen die mathematischen Geographen ausmachen. Der Professor Gambino aus Katanien will diesen August mit einer Gesellschaft hinauf gehen, um oben noch mehrere Beobachtungen zu machen. Man hat in der Insel das Sprichwort vom Aetna: On le voit toujours le chapeau blanc et la pipe à la bouche. — Der Schnee soll nie ganz schmelzen; das ist in einem so sehr südlichen Klima viel. Man nennt ihn in Sicilien meistens, wie bekannt, Monte Gibello: aber man nennt ihn auch noch sehr oft Aetna, oder den Berg von Sicilien oder geradezu vorzugsweise den Berg. Die letzte Benennung habe ich am häufigsten und zwar auch unten an der südlichen Küste gefunden. Mir scheint es überhaupt, dass man jetzt anfängt, die alten Namen wieder hervorzusuchen und zu gebrauchen. So habe ich den Fluss unten nie anders als Simäthus nennen hören.

Bis an das Bergkloster der Benediktiner, ist der Aetna von dieser Seite bebaut, und ziemlich gut bebaut; weiter hinauf ist Wald und fast von lauter Eichen, die jetzt noch alle kahl standen; und nicht weit von der Geisshöhle oder dem jetzigen Hause von Paterno, hört die Vegetation auf. Wir fanden von dort an bis zum Gipfel hohen Schnee. Die bebaute Region giebt eine Abwechselung, die man vielleicht selten mehr auf dem Erdboden findet. Unten reifen im lieblichsten Gemische die meisten Früchte des wärmern Erdstrichs; alle Orangengeschlechter wachsen und blühen in goldenem Glanze. Weiter hinauf gedeiht die Granate, dann der Oehlbaum, dann die Feige, dann nur der Weinstock und die Kastanie; und dann nur noch die ehrwürdige Eiche. Am Fusse triffst Du alles dieses zusammen in schönen Gruppen, und zuweilen Palmen dazu.

Auf meinem Wege nach Taormina zeigte mir mein Führer, nur auf Einem Punkte, den alten grossen berühmten Kastanienbaum in der Ferne. Kaum kann ich sagen, dass ich ihn gesehen habe; ich wollte ihm aber nicht einen Tag aufopfern. Die Nacht musste ich in einem kleinen elenden Dörfchen bleiben. Der Weg nach Taormina gehört zu den schönsten, besonders einige Millien vor der Stadt. Dieser Ort, welcher ehemahls unten lag und nun auf einem hohen Vorsprunge des Taurus steht, hat die herrlichste Aussicht nach allen Seiten, vorzüglich von dem alten Theater, einem der kühnsten Werke der Alten. Rechts ist das ewige Feuer des Aetna, links das fabelhafte Ufer der Insel, und gegenüber sieht man weit weit hinauf an den Küsten von Kalabrien. Höchst wahrscheinlich ist das Theater nur römisch; man hat es nach der Zerstörung durch die Saracenen, so gut als möglich wieder zusammen gesetzt, scheint aber dabey nach sehr willkührlichen Konjekturen verfahren zu seyn. Es ist bekanntlich eines der erhaltensten, und alles was alt ist, ist sehr anschaulich, aber für das neue Flickwerk möchte ich nicht stehen: und doch hat eben der schönste, prächtigste Theil am meisten von den Barbaren gelitten. Das alte Schloss, welches noch höher als die Stadt liegt, muss schwer zu nehmen seyn. Die heilige Mutter vom Felsen könnte es also ziemlich gut vertheidigen, wenn ihre Kinder verständige und brave Kriegsleute wären. Nach Taormina hatte ich eine Empfehlung von Katanien an den Kommandanten, die einzige in Sicilien, welche schlecht honoriert wurde. Man wies mich in ein Wirthshaus unten am Fusse des Berges, welches aber eine starke Stunde hinunter ist. Das konnte mir mein Mauleseltreiber auch sagen; und hätte ich oben ein Wirthshaus finden können, so wäre ich dem Herrn gar nicht beschwerlich gefallen. Bey den Kapuzinern sprach ich gar nicht ein, denn ihre Ungefälligkeit und ihr Schmutz waren mir schon geschildert worden. Ich schickte hier meinen Mauleseltreiber fort und wanderte wieder allein zu Fusse weiter: denn an der See hinauf, dachte ich, kann ich nun Messina nicht verfehlen. Ein alter Sergeant von Taormina, der mir dort den Cicerone machte, wollte mir eine Order an den Kommandanten von Sankt Alexis, einen unter ihm stehenden Korporal, mit geben, dass er mir das Schloss auf der Felsenspitze zeigen sollte: ich dankte ihm aber mit der Entschuldigung, dass ich nicht Zeit haben würde. Der Weg hinauf und herab von Taormina ist etwas halsbrechend, und hat einige schöne, gut bebaute Schluchten. Mein Aufenthalt oben dauerte aus angeführten Ursachen nur zwey kleine Stunden, bis ich das Theater gesehen und Fische und Oliven mit dem Sergeanten gegessen hatte. Der ehrliche alte Kerl wollte mich für die Kleinigkeit durchaus einige Millien begleiten, damit ich den Weg nicht verlieren möchte. Einen gar sonderbaren, langgezogenen, nicht unsonorischen Dialekt haben hier die Leute. Auf die Frage, wie weit ich noch zum nächsten Orte habe, erhielt ich die Antwort: Saruhn incuhra cinquuh migliah; welches jeder ohne Noten verstehen wird.

Diese Nacht blieb ich in einem kleinen Orte, der, glaube ich, Giumarrinese hiess, und noch achtzehn Millien von Messina entfernt ist. Ein Seebad nach einem ziemlich warmen Tage that mir recht wohl; und die frischen Sardellen gleich aus der See waren nachher ein ganz gutes Gericht. Man thut sich hier darauf etwas zu gute und behauptet mit Recht, dass man sie in Palermo nicht so schön haben kann. Einige Millien vor Messina fand ich wieder Fuhrgleise, welches mir ordentlich eine Wohlthat war; denn seit Agrigent hatte ich keinen Wagen gesehen. In Syrakus kann man nur eine Viertelstunde an der See bis an ein Kloster vor der Stadt fahren: und eine geistliche Sänfte, von Mauleseln getragen, die ich in den Bergschluchten zwischen Lentini und Augusta antraf, war alles was ich einem Fuhrwerk ähnliches gefunden hatte.