Nun bin ich wieder hier in dem Sitz der heiligen Kirche, aber nicht in ihrem Schoosse. Wie Schade das ist, ich habe so viel Ansatz und Neigung zur Katholicität, würde mich so gern auch an ein Oberhaupt in geistlichen Dingen halten, wenn nur die Leute etwas leidlicher ordentlich und vernünftig wären. Meiner ist der Katholicismus der Vernunft, der allgemeinen Gerechtigkeit, der Freyheit und Humanität; und der ihrige ist die Nebelkappe der Vorurtheile, der Privilegien, des eisernen Gewissenszwanges. Ich hoffte, wir würden einst zusammen kommen; aber seit Bonapartes Bekehrung habe ich für mich die Hoffnung sinken lassen. Dank sey es der Frömmeley und dem Mamelukengeist des grossen französischen Bannerherrn, die Römer haben nun wieder Ueberfluss an Kirchen, Mönchen und Banditen. Er hat uns zum wenigsten wieder einige hundert Jahre zurückgeworfen. Homo sum — sagt Terenz; sonst könntest Du leicht fragen, was mich das Zeug anginge. Aber ich will den Faden meiner Wanderschaft wieder aufnehmen.

Den letzten Tag in Neapel besuchte ich noch den Agnano und die Hundsgrotte. Schon Füger in Wien hatte mich gewarnt, ich möchte mich dort in Acht nehmen: allein im May, dachte ich, hat so ein Spaziergang wohl nichts zu sagen. Der Morgen war drückend schwül, und über der Solfatara und dem Kamaldulenser Berge hingen Gewitterwolken. Alles ist bekannt genug; ich wollte nur aus Neugier das Lokale sehen und weiter keinen Hund auf die Folter setzen. Nachdem ich ungefähr ein Stündchen am See herumgewandelt war und mir die Lage besehen hatte, ward mir der Kopf auf einmal sonderbar dumpf und schwer, und ich eilte dass ich durch die Bergschlucht wieder heraus kam. Es war ein eigenes furchtbares Gefühl, als ob sich alle flüssigen Theile mischten und die festen sich auflösen wollten. So wie ich mich von der Gegend entfernte, kehrte mein heller Sinn zurück, und es blieb mir nur eine gewisse Schwere und Müdigkeit von der Wärme. Eine eigene Erscheinung in meinem Physischen war es mir indessen, als ich gleich nachher in einem Wirthshause nicht weit von Posilippo ass, dass ich mir an einer eben nicht harten Kastanie auf einmal drey Zähne bis fast zum Ausfallen locker biss. Der Agnano und die Hundsgrotte kosten dich ein wenig zu viel, dachte ich, und that schon Verzicht auf meine drey Vorderzähne. Aber Veränderung der Luft und etwas Schonung haben sie bis auf einen wieder ziemlich fest gemacht; und dieser wird sich hoffentlich auch wieder erholen. Will er nicht, nun so will ich ihn der Hundsgrotte opfern.

Von Rom nach Neapel war ich zu Fusse gegangen: von Neapel nach Rom fuhr ich der Schnelligkeit wegen mit dem Neapolitanischen Kourier. Noch die Nacht fuhren wir über Aversa nach Kapua, und den Tag von Kapua nach Terracina. Anstatt einer attellanischen Fabel erzählte man uns in Aversa als wahre Geschichte, dass eben die Räuber vom Berge herunter gekommen wären und einen armen Teufel um sechzig Piaster erschlagen hätten. In Fondi stahl ich mich mit etwas bösem Gewissen voraus, weil ich dem Herrn Zolleinnehmer nicht gern in die Hände fallen wollte. Dieser Herr hatte nehmlich auf meiner Hinreise einen sehr grossen Gefallen an meinem Seehundstornister bekommen, wollte ihn durchaus haben und bot mir bis zu drey goldenen Unzen darauf. Ich wollte ihn nicht missen, hatte seiner Zudringlichkeit aber doch einige Hoffnung gemacht, wenn ich zurück käme: und jetzt wollte ich ihn eben so wenig missen. Wer bringt nicht gern Haut und Fell und alles wieder heil mit sich zurück? Durch die Pontinen ging es diessmal die Nacht, welches ich sehr wohl zufrieden war. Der Morgen graute, als wir in Veletri eintrafen. Nun kam aber eine ächt italiänische Stelle, über der ich leicht hätte den Hals brechen können.

Ich habe die Gewohnheit beständig voraus zu laufen, wo ich kann. Zwischen Gensano und Aricia ist eine schöne Waldgegend, durch welche die Strasse geht. Oben am Berge bat der Postillion, wir möchten aussteigen, weil er vermuthlich den Hemmschuh einlegen wollte und am Wagen etwas zu hämmern hatte. Der Offizier blieb bey seinen Depeschen am Wagen, und ich schlenderte leicht und unbefangen den Berg hinunter in den Wald hinein, und dachte wie ich Freund Reinhart in Aricia überraschen würde, der jetzt daselbst seyn wollte. Ungefähr sieben Minuten mochte ich so fort gewandelt seyn, da stürzten links aus dem Gebüsche vier Kerle auf mich zu. Ihre Bothschaft erklärte sich sogleich. Einer fasste mich bey der Krause und setzte mir den Dolch an die Kehle; der andere am Arm, und setzte mir den Dolch auf die Brust; die beyden übrigen blieben dispositionsmässig in einer kleinen Entfernung mit aufgezogenen Karabinern. In der Bestürzung sagte ich halb unwillkührlich auf Deutsch zu ihnen: Ey so nehmt denn ins Teufels Namen alles was ich habe! Da machte einer eine doppelt grässliche Pantomime mit Gesicht und Dolch, um mir zu verstehen zu geben, man würde stossen und schiessen, sobald ich noch eine Sylbe spräche. Ich schwieg also. In Eile nahmen sie mir nun die Börse und etwas kleines Geld aus den Westentaschen, welches beydes zusammen sich vielleicht auf sieben Piaster belief. Nun zogen sie mich mit der vehementesten Gewalt nach dem Gebüsche, und die Karabiner suchten mir durch richtige Schwenkung Willigkeit einzuflössen. Ich machte mich bloss so schwer als möglich, da weiter thätiger Widerstand zu thun der gewisse Tod gewesen wäre: man zerriss mir in der Anstrengung Weste und Hemd. Vermuthlich wollte man mich dort im Busche gemächlich durchsuchen und ausziehen, und dann mit mir thun, was man für gut finden würde. Sind die Herren sicher, so lassen sie das Opfer laufen; sind sie das nicht, so geben sie einen Schuss oder Stich, und die Todten sprechen nicht. In diesem kritischen Momente, denn das Ganze dauerte vielleicht kaum eine Minute, hörte man den Wagen von oben herabrollen und auch Stimmen von unten: sie liessen mich also los und nahmen die Flucht in den Wald. Ich ging etwas verblüfft meinen Weg fort, ohne jemand zu erwarten. Die Uhr sass, wie in Sicilien, tief, und das Taschenbuch stak unter dem Arme in einem Rocksacke: beydes wurde also in der Geschwindigkeit nicht gefunden. Die Kerle sahen grässlich aus wie ihr Handwerk; keiner war, nach meiner Taxe, unter zwanzig und keiner über dreissig. Sie hatten sich gemalt und trugen falsche Bärte; ein Beweiss, dass sie aus der Gegend waren und Entdeckung fürchteten. Reinhart traf ich in Aricia nicht; er war noch in Rom. So hätte ich wohl noch leicht in der schönen klassischen Gegend bleiben können. Dort spielt ein Theil der Aeneide, und nach aller Topographie bezahlten daselbst Lausus und Euryalus ihre jugendliche Unbesonnenheit: nicht eben, dass sie gingen, sondern dass sie unterwegs so alberne Streiche machten, die kein preussischer Rekrut machen würde. Wer wird einen schön polierten glänzenden Helm aufsetzen, um versteckt zu bleiben? Herr Virgil hat sie bloss der schönen Episode wegen so ganz unüberlegt handeln lassen.

Hier in Rom brachte man mir die tröstliche Nachricht, dass zwey von den Schurken, die mich in dem Walde geplündert hätten, erwischt wären, und dass ich vielleicht noch das Vergnügen haben würde sie hängen zu sehen. Dawider habe ich weiter nichts, als dass es bey der jetzigen ungeheuern Unordnung der Dinge sehr wenig helfen wird. Ich habe hier etwas von einem Manuscript gesehen, das in kurzem in Deutschland, wenn ich nicht irre bey Perthes, gedruckt werden soll, und das ein Gemälde vom jetzigen Rom enthält. Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir sage, dass fast alles darin noch sehr sanft gezeichnet ist. Der Mann kann auf alle Fälle kompetenter Beurtheiler seyn; denn er ist lange hier, ist ein freyer, unbefangener, kenntnissvoller Mann, bey dem Herz und Kopf gehörig im Gleichgewicht stehen. Die Hierarchie wird wieder in ihrer grössten Ausdehnung eingeführt; und was das Volk eben jetzt darunter leiden müsse, kannst Du berechnen. Die Klöster nehmen alle ihre Güter mit Strenge wieder in Besitz, die eingezogenen Kirchen werden wieder geheiligt, und alle Prälaten behaupten fürs allererste wieder ihren alten Glanz. Da mästen sich wieder die Mönche, und wer bekümmert sich darum, dass das Volk hungert? Die Strassen sind nicht allein mit Bettlern bedeckt, sondern diese Bettler sterben wirklich daselbst vor Hunger und Elend. Ich weiss, dass bey meinem Hierseyn an einem Tage fünf bis sechs Personen vor Hunger gestorben sind. Ich selbst habe Einige niederfallen und sterben sehen. Rührt dieses das geistliche Mastheer? Der Ausdruck ist empörend, aber nicht mehr als die Wahrheit. Jedes Wort ist an seiner Stelle gut, denke und sage ich mit dem Alten. Als die Leiche Pius des Sechsten prächtig eingebracht wurde, damit die Exequien noch prächtiger gehalten werden könnten, erhob sich selbst aus dem gläubigen Gedränge ein Fünkchen Vernunft in dem dumpfen Gemurmel, dass man so viel Lärm und Kosten mit einem Todten mache und die Lebendigen im Elende verhungern lasse. Rom ist oft die Kloake der Menschheit gewesen, aber vielleicht nie mehr als jetzt. Es ist keine Ordnung, keine Justiz, keine Polizey; auf dem Lande noch weniger als in der Stadt: und wenn die Menschheit nicht noch tiefer gesunken ist, als sie wirklich liegt, so kommt es bloss daher, weil man das Göttliche in der Natur durch die grösste Unvernunft nicht ausrotten kann. Du kannst denken, mit welcher Stimmung ein vernünftiger Philanthrop sich hier nmsieht. Ich hatte mich mit einer bittern Philippika gerüstet, als ich wieder zu Borgia gehen wollte. Nil valent apud Vos leges, nil justitia, nil boni mores; saginantur sacerdotes, perit plebs, caecutit populus; vilipenditur quodcunque est homini sanctum honestas, modestia, omnis virtus. Infimus et improbissimus quisque cum armis per oppida et agros praedabundus incedit, furatur, rapit, trucidat, jugulat, incendia miscet. Haec est illa religio scilicet, auctoris ignominia, rationis opprobrium, qua Vos homines liberos et viros fortes ad servitia et latrones detrudere conamini. So gohr es, und ich versichere Dich, Freund, es ist keine Sylbe Redekunst dabey. Aber gesetzt auch ein Kardinal hätte das so hingenommen, warum sollte ich dem alten guten ehrlichen Manne Herzklopfen machen? Es hilft nichts; das liegt schon im System. Man wird schon Palliativen finden; aber an Heilung ist nicht zu denken. Die Herren sind immer klug wie die Schlangen; weiter gehen sie im Evangelium nicht. Die neuesten Beweise davon kannst Du in Florenz und Paris sehen. Ich ging gar nicht zu Borgia, weil ich meiner eigenen Klugheit nicht traute. Ueberdies hielt mich vielleicht noch eine andere Kleinigkeit zurück. Die Römischen Vornehmen haben einen ganzen Haufen Bedienten im Hause, und geben nur schlechten Sold. Jeder Fremde der nur die geringste Höflichkeit vom Herrn empfängt, wird dafür von der Valetaille in Anspruch genommen. Das hatte ich erfahren. Nun kann man einem ganzen Hausetat doch schicklich nicht weniger als einen Piaster geben; und so viel wollte ich für den Papst und sein ganzes Kollegium nicht mehr in Auslage seyn.

Ich will das Betragen der Franzosen hier und in ganz Unteritalien nicht rechtfertigen: aber dadurch dass sie die Sache wieder aufgegeben haben, ist die Menschheit in unsägliches Elend zurückgefallen. Ich weiss was darüber gesagt werden kann, und von wie vielen Seiten alles betrachtet werden muss: aber wenn man schlecht angefangen hat so hat man noch schlechter geendiget; das Zeugniss wird mit Zähneknirschen jeder rechtliche Römer und Neapolitaner geben. Geschichte kann ich hier nicht schreiben. Durch ihren unbedingten nicht nothwendigen Abzug ist die schrecklichste Anarchie entstanden. Die Heerstrassen sind voll Räuber; die niederträchtigsten Bösewichter ziehen bewaffnet im Lande herum. Bloss während meiner kurzen Anwesenheit in Rom sind drey Kourier geplündert und fünf Dragoner von der Eskorte erschossen worden. Niemand wagt es etwas mehr mit der Post zu geben. Der französische General liess wegen vieler Ungebühr ein altes Gesetz schärfen, das den Dolchträgern den Tod bestimmt und liess eine Anzahl Verbrecher vor dem Volksthore wirklich niederschiessen. Die Härte war Wohlthat; nun war Sicherheit. Jetzt trägt jedermann wieder seinen Dolch und braucht ihn. Die Kardinäle sind immer noch in dem schändlichen Kredit als Beschützer der Verbrecher. Man erzählt jetzt noch Beyspiele mit allen Namen und Umständen, dass sie Mörder in ihren Wagen in Sicherheit bringen lassen. Ueber öffentliche Armenanstalten bey den Katholiken ist schon viel gesagt. Rom war auch in dieser Rücksicht die Metropolis. Jetzt sind durch die Revolution fast alle öffentliche Armenfonds wie ausgeplündert, und die Noth ist vor der Ernte unter der ganz armen Klasse schrecklich. In ganz Marino und Albano ist keine öffentliche Schule, also keine Sorge für Erziehung; in Rom ist sie schlecht. Der Kirchenstaat ist eine Oede rund um Rom herum, desswegen erlaubt aber kein Güterbesitzer, dass man auf seinem Grunde arbeite. Das Feudalrecht könnte in Gefahr gerathen. Wenn er nicht geradezu hungert, was gehn ihn die Hefen des Romulus an. Die Möncherey kommt wieder in ihren grassesten Flor, und man erzählt sich wieder neue Bubenstücke der Kuttenträger, die der Schande der finstersten Zeiten gleich kommen. Man sagt wohl, Italien sey ein Paradies von Teufeln bewohnt: das heisst der menschlichen Natur Hohn gesprochen. Der Italiäner ist ein edler herrlicher Mensch; aber seine Regenten sind Mönche oder Mönchsknechte; die meisten sind Väter ohne Kinder: das ist Erklärung genug. Ueberdiess ist es der Sitz der Vergebung der Sünde.

Ich will nur machen, dass ich hinauskomme, sonst denkst Du, dass ich beissig und bösartig geworden bin. Die Parthien rund herum sind ohne mich bekannt genug: ich habe die meisten, allein und in Gesellschaft, in der schönsten Jahrszeit genossen. Man kann hier seyn und sich wohl befinden, nur muss man die Humanität zu Hause lassen. Mit Uhden habe ich die Parthien von Marino, Grottaferrata, Fraskati und den Albaner See gesehen. Eins der ältesten Monumente ist am See der Felsenkanal, der das Wasser aus demselben durch den Berg in die Ebene hinab lässt, und der, wenn ich nicht irre, noch aus den Zeiten des Kamillus ist. Die Geschichte seiner Entstehung ist bekannt. Man wirkt noch heute eben so durch den Aberglauben wie damals. Wenn der Gott von Delphi den Ausspruch der Mathematiker nicht bestätigt hätte, wären die Römer schwerlich an die Arbeit gegangen. Das ganze Werk steht noch jetzt in seiner alten herrlichen ursprünglichen Grösse da und erfüllt den Zweck. Uhden wunderte sich, dass Kluver, ein sonst so genauer und gewissenhafter Beobachter, sagt, es seyen nur noch Spuren da, da doch der ganze Kanal noch eben so gangbar ist, wie vor zwey tausend Jahren. Mich däucht zu Kluvers Rechtfertigung muss man annehmen, dass der Eingang eben damals verschüttet war, welches sich periodenweise leicht denken lässt; und der Antiquar untersuchte nicht näher. Der Eingang ist ein sehr romantischer Platz und der Gegenstand der Zeichner: vorzüglich wirkt die alte perennirende Eiche an demselben. Das Schloss Gandolfo oben auf dem Berge ist eine der schönsten Aussichten in der ganzen schönen Gegend. Hier zeigte man mir im Promenieren einen Priester, der in einem Gefecht mit den Franzosen allein achtzehn niedergeschossen hatte. Das nenne ich einen Mann von der streitenden Kirche! Wehe der Humanität, wenn sie die triumphierende wird. Wer auf Hadrian eine Lobrede schreiben will, muss nicht hierher gehen, und die Ueberreste seiner Ville sehen: man sieht noch ganz den Pomp eines morgenländischen Herrschers, und die Furcht einer engbrüstigen tyrannischen Seele. Trajan hat Monumente besserer Bedeutung hinterlassen. Wo bey Fraskati wahrscheinlich des grossen Tullius Tuskulum gestanden hat, sieht man jetzt sehr analog — eine Papiermühle. Das Plätzchen ist sehr philosophisch; nur würde Thucydides hier schwerlich de natura deorum geschrieben haben. Der schönste Ort von allen antiken Gebäuden, die ich noch gesehen habe, ist unstreitig die Ville des Mecän in Tivoli. Man kann annehmen, dass der Schmeichler Horaz hier mehrere seiner lieblichsten Oden gedichtet habe, für den gewaltigen Mann, neben und unter dem er hier hauste. Man wollte mich unten am Flusse jenseits in ein Haus führen, wo noch Horazens Bad zu sehen seyn soll; aber ich hatte nicht Lust: es fiel mir seine Canidia ein. Virgil war ein feinerer Mann und ein besserer Mensch. Kein Stein ist hier oben ohne Namen und um die Kaskade und die Grotte und um die Kaskadellen. Wenn ich Dir die Kaskadellen von unserm Reinhart mit bringen könnte, das würde für Dich noch Beute aus Hesperien seyn: ich bin nur Laie.

Von den Kunstschätzen in Rom darf ich nicht anfangen. Die Franzosen haben allerdings vieles fortgeschafft; aber der Abgang wird bey dem grossen Reichthum doch nicht sehr vermisst. Ueberdiess haben sie mit wahrem Ehrgefühl kein Privateigenthum angetastet. Einigen ihrer vehementesten Gegner haben sie gedroht; doch ist es bey den Drohungen geblieben: und die Privatsammlungen sind bekanntlich zahlreich und sehr ansehnlich. Nur einige sind durch die Zeitumstände von ihren Besitzern zersplittert worden; vorzüglich die Sammlung des Hauses Kolonna. Aus den Gärten Borghese ist kein einziges Stück entfernt. Bloss der Fechter und der Silen daselbst haben einen so klassischen Werth, wie ihn mehrere der nach Paris geschafften Stücke nicht haben. Die grösste Sottise, die vielleicht je die Antiquare gemacht haben, ist dass sie diesen Silen mit dem lieblichen jungen Bacchus für einen Saturnus hielten, der eben auch diese Geburt fressen wollte. Der erste, der diese Erklärung auskramte, muss vor Hypochondrie Konvulsionen gehabt haben. Vorzüglich beschäftigte mich noch eine Knabenstatue mit der Bulle, die man für einen jungen Britannikus hält. Sey es wer man wolle, es ist ein römischer Knabe, der sich der männlichen Toga nähert, mit einer unbeschreiblichen Zartheit und Anmuth dargestellt. Ich habe nichts ähnliches in dieser Art mehr gefunden.

In der Galerie Doria zog meine Aufmerksamkeit vornehmlich ein weibliches Gemälde von Leonardo da Vinci auf sich, das man für die Königin Johanna von Neapel ausgab. Darüber erschrak ich. Das kann Johanna nicht seyn, sagte ich, unmöglich; ich wäre für das Original von Leukade gesprungen: das kann die Neapolitanerin nicht seyn. Wenn sie es ist, hat die Geschichte gelogen, oder die Natur selbst ist eine Falschspielerin. Man behauptete, es wär' ihr Bild, und ich genoss in der Träumerey über den Kopf die schönen Salvator Rosa im andern Flügel nur halb. Als ich nach Hause kam, fragte ich Fernow; und dieser sagte mir, ich habe Recht; es sey nun ausgemacht, dass es eine gewisse Gräfin aus Oberitalien sey. Ich freute mich, als ob ich eine Kriminalinquisition los wäre.

Auf dem Kapitol vermisste ich den schönen Brutus. Dieser ist nach Paris gewandelt, hiess es. Was soll Brutus in Paris? Vor funfzig Jahren wäre es eine Posse gewesen, und jetzt ist es eine Blasphemie. Dort wachsen die Cäsarn wie die Fliegenschwämme. Noch sah ich die alte hetrurische Wölfin, die bey Cäsars Tode vom Blitz beschädigt worden seyn soll. Die Seltenheit ist wenigstens sehenswerth. Von dem Thurme des Kapitols übersah ich mit einem Blick das ganze grosse Ruinenfeld unter mir. Einer meiner Freunde machte mir ein Geschenk mit einer Rhapsodie über die Peterskirche; ich gab ihm dafür eine über das Kapitol zurück. Ich schicke sie Dir hier, weil ich glauben darf, dass Dir vielleicht die Ansicht einiges Vergnügen machen kann.

Du zürnst, dass dort mit breitem Angesichte
Das Dunstphantom des Aberglaubens glotzt
Und jedem Feuereifer trotzt,
Der aus der Finsterniss zum Lichte
Uns führen will; Du zürnst den Bübereyen,
Dem Frevel und dem frechen Spott,
Mit dem der Plattkopf stiert, der Tugend uns und Gott
Zum Unsinn macht; den feilen Schurkereyen,
Und der Harpye der Mönchereyen,
Dem hässlichsten Gespenst, das dem Kozyt entkroch,
Das aus dem Schlamm der Dummheit noch
Am Leitseil der Betrügereyen
Zehn tausend hier zehn tausend dort ins Joch,
Dem willig sich die Opferthiere weihen,
Zum Grabe der Vernunft berückt,
Und dann mit Hohn und Litaneyen
Aus seiner Mastung niederblickt:
Du zürnst, dass man noch jetzt die Götzen meisselt,
Und mit dem Geist der Mitternacht
Zu ihrem Dienst die Menschheit nieder geisselt,
Und die Moral zur feilen Dirne macht,
Bey der man sich zum Sybariten kr uselt
Und Recht und Menschenwerth verlacht.

Dein Eifer, Freund, ist edel. Zürne!
Oft giebt der Zorn der Seele hohen Schwung
Und Kraft und Muth zur Besserung;
Indessen lau mit seichtem Hirne
Der Schachmaschienenmensch nach den Figuren schielt,
Und von dem Busen seiner Dirne
Verächtlich nur die Puppen weiter spielt.

Geh hin und lies, fast ist es unsre Schande,
Es scheint es war das Schicksal Roms
In Geyerflug von Land zu Lande
Zu ziehn; es schlug die Erde rund in Bande,
Und wechselt nur den Sitz des Doms.
Was einst der Halbbarbar ins Joch mit Eisen sandte,
Beherrschet nun der Hierofante
Mit dem Betruge des Diploms.
Jetzt thürmet sich am alten Vatikane
Des Aberglaubens Burg empor,
In deren dumpfigem Arkane
Sich längst schon die Vernunft verlor,
Und wo man mit geweihtem Ohr
Und Nebelhirn zur neuen Fahne
Des alten Unsinns gläubig schwor.
Dort steht der Dom, den Blick voll hohen Spotte
Mit dem er Menschensinn verhöhnt;
Und mächtig stand, am Hügel hingedehnt,
Einst hier die Burg des Donnergottes,
Wo noch des Tempels Trümmer gähnt:
Und wer bestimmt, aus welchem Schlunde
Des Wahnsinns stygischer Betrug
Der armen Welt die grösste Wunde
Zur ewigen Erinnrung schlug?

Hier herrschten eisern die Katonen
Mit einem Ungeheur von Recht
Und stempelten das menschliche Geschlecht
Despotisch nur zu ihren Frohnen;
Als wäre von Natur vor ihnen Jeder Knecht,
Den Zevs von seinem Kapitole
Mit dem Gefolge der Idole
Sich nicht zum Lieblingssohn erkohr;
Und desto mehr, je mehr er kühn empor
Mit seines Wesens Urkraft strebte
Und sklavisch nicht, wie vor dem Sturm das Rohr,
Beym Zorn der Herrn der Erde bebte.
Nur wer von einem Räuber stammte,
Dem Fluch der Nachbarn, wessen Heldenherz,
Bepanzert mit dem dicksten Erz,
Den Hohn der Menschheit lodernd flammte,
Und alle Andern wie Verdammte
Zur tiefsten Knechtschaft von sich stiess
Und den Beweis in seinem Schwerte wies; —
Nur der gelangte zu der Ehre
Ein Mann zu seyn im grossen Würgerheere.

Oft treibt Verzweiflung zu dem Berge,
Dem Heiligen, dem Retter in der Noth,
Wenn blutig des Bedrückers Scherge
Mit Fesseln, Beil und Ruthen droht:
Und, was erstaunt jetzt kaum die Nachwelt glaubet
Dem grössten Theil der Nation,
Dem ganzen Sklavenhaufen, raubet
Der Blutgeist selbst die Rechte der Person,
Und setzt ihn mit dem Vieh der Erde
Zum Spott der Macht in eine Heerde.
Der Wüstling warf dann in der Wuth
Für ein zerbrochnes Glas mit wahrer Römerseele
Den Knecht in die Muränenhöhle,
Und fütterte mit dessen Blut
Auf seine schwelgerischen Tische
Die seltnen weitgereisten Fische:
Und für die Kleinigkeit der Sklavenstrafe liess
Mit Zorn der schlauste der Tyrannen,
Den seine Welt Augustus hiess,
Zehn Tage lang den Herrn von sich verbannen.
Nimm die zwölf Tafeln, Freund, und lies
Was zum Gesetz die Blutigen ersannen;
Was ihre Zehner kühn gewannen,
Durch die man frech die Menschheit von sich stiess.

Wer zählet die Proskriptionen,
Die der Triumvir niederschrieb,
In denen er durch Henker ohne Schonen
Die Bande von einander hieb,
Die das Palladium der Menschlichkeit zu retten
Uns brüderlich zusammen ketten.
Durch sie ward Latium in allen Hainen roth
Bis in die Grotten der Najaden,
Und mit dem Grimm des Schrecklichen beladen,
Des Fluchs der Erde, gingen in den Tod
An Einem Tage Myriaden:
Und gegen Sullas Henkergeist
Ist zu der neuen Zeiten Ehre,
Der Aftergallier, der Blutmensch Robespierre,
Ein Genius der mild und menschlich heisst.

Man würgte stolz, und hatte man
Mit Spott und Hohn die Unthat frech gethan,
So stieg man hier auf diesen Hügel
Und heiligte den Schreckenstag,
Der unter seiner Schande Siegel
Nun in der Weltgeschichte lag.
Man schickte, ohne zu erröthen,
Den Liktor mit dem Beil und liess
Im Kerker den Gefangnen tödten,
Der in der Schlacht als Held sich wies,
Vor dessen Tugend man selbst in der Raubburg zagte
Und nicht sie zu besiegen wagte.

Dort gegen über setzten sich
Die Cásarn auf dem Palatine,
Wo noch die Trümmer fürchterlich
Herüber gähnt, und jetzt mit Herrschermiene
Auch aus dem Schutte der Ruine,
Wie in der Vorwelt Eisenzeit,
Mit Ohnmacht nur Gehorsam noch gebeut.
Dort herrschten, hebt man kühn den Schleyer,
Im Wechsel nur Tyrann und Ungeheuer;
Dort grub der Schmeichler freche Zunft
Mit Schlangenwitz am Grabe der Vernunft;
Dort starben Recht und Zucht und Ehre,
Dort betete man einst Sejan,
Narciss und sein Gelichter an,
Wenn die Neronen und Tibere
Nur schel auf ihre Sklaven sahn,
Sie selbst der Schändlichkeit Heloten,
Die Qual und Tod mit einem Wink geboten.

Dort ragt der Schandfleck hoch empor,
Wo, wenn des Scheusals Wille heischte,
Des Tigers Zahn ein Menschenherz zerfleischte,
Und wo der Sklaven grelles Chor
Dem Blutspektakel Beyfall kreischte,
Und keinen Zug des Sterbenden verlor;
Wo zu des Römerpöbels Freude
Nur der im Sand den höchsten Ruhm erwarb,
Der mit dem Dolch im Eingeweide
Und Grimm im Antlitz starb.

Von aussen Raub und Sklaverey von innen,
Bey Kato wie bey Seneka,
Stehst Du noch jetzt entzückt vor Deinen Römern da,
Und stellst sie auf des Ruhmes Zinnen?
Vergleiche was durch sie geschah,
Von dem Sabiner bis zum Gothen,
Die Kapitolier bedrohten
Die Menschheit mehr als Attila,
Trotz allen preisenden Zeloten.
Betrachtest Du die Stolzen nur mit Ruh
Für Einen Titus schreibest Du
Stets zehn Domitiane nieder.
Behüte Gott nur uns und unsre Brüder
Vor diesem blutigen Geschlecht,
Vor Römerfreyheit und vor Römerrecht!
Wenn Peter stirbt, erwache Zevs nicht wieder.

In dem Pallast Spada besuchte ich einige Augenblicke die Statue des Pompejus, die man bekanntlich für die nehmliche ausgiebt, unter welcher Cäsar erstochen wurde. Dieses kann auch vielleicht so wahrscheinlich gemacht werden, als solche Sachen es leiden. Die Statue hat sonst nichts Merkwürdiges und ist artistisch von keinem grossen Werth. Unter dieser Statue sollten alle Revolutionäre mit wahren hellen gemässigten Philanthropen zwölf Mitternächte Rath halten, ehe sie einen Schritt wagten. Was rein gut oder schlecht in dem Einzelnen ist, ist es nicht immer in der Gesammtheit; auf der Stufe der Bildung, auf welcher die Menschheit jetzt stehet.

Die Peterskirche gehört eigentlich der ganzen Christenheit, und die Hierarchie würde vielleicht gern das enorme Werk vernichtet sehen, wenn sie das unselige Schisma wieder heben könnte, das über ihrem Bau in der christlichen Welt entstanden ist. Etwas mehr gesunde Moral und Mässigung hätte damals die Päbste mit Hülfe des abergläubischen Enthusiasmus zu Herren derselben gemacht: diese Gelegenheit kommt nie wieder. Ob die Menschheit dadurch gewonnen oder verloren hätte, ist eine schwere Frage. Es ist als ob man der stillen Grösse der alten Kunst mit diesem herkulischen Bau habe Hohn sprechen wollen. Du kennst das Pantheon als den schönsten Tempel des Alterthums. Stelle Dir vor, verhältnissmässigen ungeheuern Raum, als die Area des Heiligentempels, zu einer grossen Höhe aufgeführt, und oben das ganze Pantheon als Kuppel darauf gesetzt, so hast Du die Peterskirche. Das Riesenmässige hat man erreicht. Wir sassen in dem Knopfe der Kuppel unser drey, und übersahen die gefallene Roma. Diese Kirche wird einst mit ihrer Kolonnade die grösste Ruine von Rom, so wie Rom vielleicht die grösste Ruine der Welt ist.

In dem benachbarten Vatikan beschäftigten mich nur Raphaels Logen und Stanzen und die Sixtinische Kapelle. Beyde sind so bekannt, dass ich es kaum wage Dir ein Wort davon zu sagen. Ein Engländer soll jetzt das jüngste Gericht von Michel Angelo in zwölf Blättern stechen. Das erste Blatt ist fertig, und hat den Beyfall der Kenner. Er sollte dann fortfahren und die ganze Kapelle nach und nach geben. Die Sibyllen haben eben so herrliche Gruppierungen und sind eben so voll Kraft und Seele.

Vor der Schule Raphaels habe ich stundenlang gestanden und mich immer wieder hingewendet. Nach diesem Sokrates will mir kein anderer mehr genug thun. So muss Sokrates gewesen seyn, wie dieser hier ist; und so Diogenes, wie dieser da liegt. Pythagoras hielt mich nicht so lange fest, als Archimedes mit seiner Knabengruppe. In dieser hat vielleicht der Künstler das vollendetste Ideal von Anmuth und Würde dargestellt. Ich sahe den Brand und im Vorzimmer die Schlacht: aber ich ging immer wieder zu seiner Schule. Ich würde vor dem erhabenen Geiste des Künstlers voll drückender Ehrfurcht zurück beben, wenn ich nicht an der andern Wand seinen Parnass sähe, auf welchen er als den Apoll den Kammerdiener des Papstes mit der Kremoneser Geige gesetzt hat. Aber ich möchte doch lieber etwas angebetet haben als eine solche Vermenschlichung sehen, den Apollo mit der Kremoneser Geige. Die Logen fangen an an der Luftseite stark zu leiden. Sie sind ein würdiger Vorhof des Heiligthums und vielleicht reicher als das Adyton selbst. Hier konnten die Gallier nichts antasten, sie hätten denn als Vandalen zerstören müssen: und das sind sie doch nicht, ihre Feinde mögen sagen was sie wollen. Ich müsste Dir von Rom allein ein Buch schreiben, wenn ich länger bliebe und länger schriebe; und ich würde doch nur wenig erschöpfen.

Zum Schluss schicke ich Dir eine ganz funkelnagelneue Art von Centauren, von der Schöpfung eines unserer Landsleute. Aber ich muss Dir die Schöpfungsgeschichte erzählen, damit Du das Werk verstehst.

Es hält sich seit einigen Jahren hier ein reicher Britte auf, dessen grilliger Charakter, gelinde gesprochen, durch ganz Europa ziemlich bekannt ist, und der weder als Lord eine Ehre der Nation noch als Bischof eine Zierde der Kirche von England genannt werden kann. Dieser Herr hat bey der Impertinenz des Reichthums die Marotte den Kenner und Gönner in der Kunst zu machen und den Geschmack zu leiten, und zwar so unglücklich, dass seine Urtheile in Italien hier und da bey Verständigen fast für Verdammung gelten. Vorzüglich hasst er Raphael und zieht bey jeder Gelegenheit seine deos minorum gentium auf dessen Unkosten hervor. Indessen er bezahlt reich, und es geben sich ihm, zur Erniedrigung des Genius, vielleicht manche gute Köpfe hin, die er dann ewig zur Mittelmässigkeit stempelt. Viele lassen sich vieles von dem reichen Britten gefallen, der selten in den Gränzen der feinern Humanität bleiben soll. Für einen solchen hielt er nun auch unsern Landsmann; dieser aber war nicht geschmeidig genug sein Klient zu werden. Er lief und ritt und fuhr mit ihm, und lud ihn oft in sein Haus. Der Lord fing seine gewöhnlichen Ungezogenheiten gegen ihn an, fand aber nicht gehörigen Knechtsgeist. Einmal bat er ihn zu Tische. Der Künstler fand eine angesehene Gesellschaft von Fremden und Römern, welcher er von dem Lord mit vielem Bombast als ein Universalgenie, ein Erzkosmopolit, ein Hauptjakobiner vorgestellt wurde. Jakobiner pflegt man dort, wie fast überall, jeden zu nennen, der nicht ganz unterthänig geduldig der Meinung der gnädigen Herrn ist, und sichs wohl gar beygehen lässt Urbefungnisse in den Menschen zu finden, die er behaupten muss, wenn er Menschenwerth haben will. Dem Künstler musste dieser Ton missfallen, und ein Fremder suchte ihn durch Höflichkeit aus der peinlichen Lage zu ziehen, indem er ihn nach seinem Vaterlande fragte. Ey was, fiel der Lord polternd ein, es ist ein Mensch der kein Vaterland hat, ein Universalmann, der überall zu Hause ist. Doch doch, Mylord, versetzte der Künstler, ich habe ein Vaterland, dessen ich mich gar nicht schäme; und ich hoffe mein Vaterland soll sich auch meiner nicht schämen: Sono Prussiano. Man sprach italiänisch. Prussiano? Prussiano? sagte der Wirth: Ma mi pare che siete ruffiano. Das war doch Artigkeit gegen einen Mann, den man zu Tische gebeten hatte. Der ehrliche brave Künstler machte der Gesellschaft seine Verbeugung, würdigte den Lord keines Blicks und verliess das Zimmer und das Haus. Nach seiner Zurückkunft in sein eignes Zimmer schrieb er in gerechter Empfindlichkeit ihm ungefähr folgenden Brief:

»Mylord,

»Ganz Europa weiss, dass Sie ein alter Geck sind, an dem nichts mehr zu bessern ist. Hätten Sie nur dreyssig weniger, so würde ich von Ihnen für Ihre ungezogene Grobheit eine Genugthuung fordern, wie sie Leute von Ehre zu fordern berechtiget sind. Aber davor sind Sie nun gesichert. Ich schätze jedermann, wo ich ihn finde, ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen, nach dem was er selbst werth ist; und Sie sind nichts werth. Sie haben alles was Sie verdienen, meine Verachtung.«

Der Lord hielt sich den Bauch vor Lachen über die Schnurre: er mag an solche Auftritte gewöhnt seyn. Aber der Zeichner setzte sich hin und fertigte das Blatt, das ich Dir gebe. Das lang gestreckte Schwein, die vollen Flaschen auf dem Sattel, die leeren zerbrochenen Flaschen unten, das Glas, der Finger, der Krummstab, der grosse antike Weinkrug, der an dem Stocke lehnt, alles charakterisiert bitter, auch ohne Kopf und Ohren und ohne den Vers; aber alles ist Wahrheit. Der alte fünf und siebzigjährige Pfaffe lässt noch kein Mädchen ruhig.

Auch seines Lebens letzten Rest
Beschäftigt noch Lucinde;
Wenn ihn die Sünde schon verlässt,
Verlässt er nicht die Sünde.

Der Lord erhielt Nachricht von der Zeichnung, deren Notiz in den guten Gesellschaften in Rom herum lief, und knirschte doch mit den Zähnen. Für so verwegen hatte er einen Menschen nicht gehalten, der weder Bänder noch Geld hatte. Endlich sagte er doch, nach der gewöhnlichen Regel wo man zu bösem Spiele gute Miene macht: Il s'est venge en homme de genie. Die Zeichnung bekam ich, und ich trage kein Bedenken sie Dir mitzutheilen. *)

*)Nach reiflicher Ueberlegung trage ich auch kein Bedenken das Ganze hier mit drucken zu lassen. Mich über sogenannte Personalitäten zu erklären, wäre hier zu weitläufig. Die Sache hat ihre Gränzen diesseits und jenseits. Für solche Delinquenten ist keine Strafe als die öffentliche Meinung: und warum soll die öffentliche Meinung nicht — öffentlich seyn und öffentlich dokumentiert werden? Die Parthien sind der Maler Reinhart und Lord Bristol. Von Bristol ist nun wohl keine Besserung zu erwarten; aber Andere sollen nicht so werden wie er ist: desswegen wird es erzählt.