Nun bin ich bey den Helvetiern und fast wieder im deutschen Vaterlande, und bereite mich in einigen Tagen einen kleinen Abstecher zu den Galliern zu machen. Viel Erbauliches wird nach allen Aspekten dort jetzt füglich nicht zu sehen und zu hören seyn: indessen da ich einmal in Bewegung bin, will ich doch an die Seine hinunter wandeln. Wenn ich wieder fest sitze möchte es etwas schwer halten.

Den vierzehnten Juny ging ich aus Mailand und ging diesen Tag herüber nach Sesto am Ticino, den ich nicht für so beträchtlich gehalten hätte als ich ihn fand. In der Gegend von Mailand war schon eine Menge Getreide geerntet und alles war in voller Arbeit; und als ich über den Berg herüber kam, fing das Korn nach Altorf herunter eben erst an zu schossen: das ist merklicher Kontrast. Die grösste Wohlthat war mir nun wieder das schöne Wasser, das ich überall fand. Von Mailand hatte ich die beschneyten Alpen mit Vergnügen gesehen und nun nahte ich mich ihnen mit jedem Schritte, und kam bald selbst hinein. Von Sesto aus fuhr ich auf dem Ticino und dem Lago maggiore herauf, bloss um die schöne Gegend zu geniessen, die wirklich herrlich ist. Ich kam aus Unteritalien und Sicilien und gab mir also keine grosse Mühe die Borromeischen Inseln in der Nähe zu sehen, da mein Schiffer mir sagte, es würde mich einen Tag mehr und also wohl zwey Dukaten mehr kosten. Ich sah also bey Varone links an der Anhöhe den gigantischen heiligen Karl Borromeus aus der Ferne und fuhr dann sowohl bey der schönen Insel als bey der Mutterinsel vorbey. Man hätte mir höchst wahrscheinlich dort nur Orangengärten gezeigt, die ich in Unteritalien besser gesehen habe, und hätte mir gesagt, hier hat Joseph, hier Maria Theresia und hier Bonaparte geschlafen. Das wäre mir denn zusammen kaum so wichtig gewesen, als da mich der Kastellan von dem Schlosse zu Weissenfels belehrte, hier in diesem Bette schlief Friedrich der Zweyte nach der Schlacht bey Rossbach. Die Fruchtbarkeit an dem See ist hier zuweilen ausserordentlich gross, und wo die Gegend vor den rauheren Winden geschützt wird, findet man hier Früchte, die man in der ganzen Lombardey umsonst sucht. Es sind hier noch recht schöne Oelbäume, die man diesseit der Apenninen nur selten findet, und sogar indische Feigen in der freyen Luft. Ich schlief am Ende des Sees in Magadino, wo der obere Ticin hinein fällt, in einem leidlichen Hause, schon zwischen rauhen Bergen. Den andern Morgen trat ich den Gang an dem Flusse herauf über Belinzona an, der mich nach einigen Tagen über den Gotthardt herüber brachte. Zwey Tage ging ich am Flusse immer bergauf. Die Hitze war unten in der Schlucht ziemlich drückend bis nach Sankt Veit, wo man, ich glaube zum Frohnleichnamsfeste, einen Jahrmarkt hielt, der mir besser gefiel als der Ostermarkt in Palermo, obgleich für mich weiter nichts da war als Kirschen. Den ersten Abend blieb ich in einem kleinen Orte, dessen Name mir entfallen ist. Der Ticin stürzte unter meinem Fenster durch die Felsen hinunter, gegenüber lag am Abhange ein Kloster, und hinter demselben erhob sich eine furchtbar hohe Alpe in schroffen Felsenmassen, deren Scheitel jetzt fast zu Johannis mit Schnee bedeckt war. Die Bewirthung war besser, als ich sie in diesen Klüften erwartet hätte; vorzüglich waren die Forellen aus dem Ticin köstlich. Die Leute schienen viel ursprüngliche Güte zu haben. Mein grösster Genuss waren hier die Alpenquellen, vor denen ich selten vorbey ging ohne zu ruhen und zu trinken, wenn auch beydes eben nicht nöthig war, und in den Schluchten um mich her zu blicken, und vorwärts und rückwärts die Gegenstände fest zu halten. Jetzt schmolz eben der Schnee auf den Höhen der Berge, und oft hatte ich vier bis sechs Wasserfälle vor den Augen, die sich von den nackten Häuptern der Alpen in hundert Brechungen herab stürzten, und von denen der kleinste doch eine sehr starke Wassersäule gab. Der Ticin macht auf dieser Seite schönere Parthien als die Reuss auf der deutschen; und nichts muss überraschender seyn, als hier hinauf und dort hinunter zu steigen. Ayrolles war mein zweytes Nachtlager. Hier sprach man im Hause deutsch, italiänisch und französisch fast gleich fertig, und der Wirth machte mit seiner Familie einen sehr artigen Zirkel, in dem ich sogleich heimisch war. Suworow hatte einige Zeit bey ihm gestanden, und wir hatten beyde einen Berührungspunkt. Er war ganz voll Enthusiasmus für den alten General, und rühmte vorzüglich seine Freundlichkeit und Humanität, welches vielleicht vielen etwas sonderbar und verdächtig vorkommen wird. Aber ich sehe nicht ein, was den Wirth in Ayrolles oben am Gotthardt bestimmen sollte, eine Sache zu sagen, die er nicht sah. Suworow war nicht der einzige General, der ihm im Kriege die Ehre angethan hatte bey ihm zu seyn: er zeichnete sie alle, wie er sie gefunden hatte. Mehrere davon sind allgemein bekannt. Ich habe das zweydeutige Glück gehabt, für den Enkomiasten des alten Suworow zu gelten, und ich suchte nur seinen wahren Charakter zu retten und einige Phänomene zu erklären, die ihn zur Last gelegt werden. In Prag hatte er zu einem hässlichen Gemälde gesessen. Der Löwe ist todt und nun wird zugeschlagen. Ich weiss sehr wohl, dass das ganze Leben dieses Mannes eine Kette von Eigenheiten war; aber wenn man seine Nichtfreunde in Prag und Wien hörte, wäre er ein ausgemachter alter mürrischer Geck von einem weggeworfenen Charakter gewesen; und der war er doch gewiss nicht. Sonderbarkeit war überhaupt sein Stempel: und in Prag war er in einer eigenen Stimmung gegen jedermann und jedermann war in einer eigenen Stimmung gegen ihn. Die politischen Verhältnisse lassen vermuthen, in welcher peinlichen Lage er damals von allen Seiten sich befand. Weder sein eigener Monarch noch der östreichische Hof waren mit seinem Betragen zufrieden. Er hatte ohne Schonung über Fehler aller Art und ohne Rücksicht der Person gesprochen. Er war alt und kränklich und sah dem Ende seines Lebens entgegen. Seine Grillen konnten unter diesen Umständen sich nicht vermindern. Die Ungezogenheiten einiger seiner Untergebenen wurden wahrscheinlich ihm zur Last gelegt; und er selbst war freylich nicht der Mann, der durch schöne Humanität und Grazie des Lebens immer seinen Charakter hätte empfehlen können. Seines Werths sich bewusst, fest rechtlicher Mann, aber eisern konsequenter Soldat, war er voll Eigenheiten, von denen viele wie Bizarrerien und Marotten aussahen; war äusserst strenge gegen sich und dann auch in seinen Forderungen gegen andere, und sprach skoptisch und sarkastisch über alles. Seine Bigotterie war sehr wohl berechnet, und unstreitig nicht so tadelhaft als sie an der Seine gewesen wäre: aber auch in diesem Stücke verläugnete ihn sein eigener Charakter nicht und gab ihr ein Ansehen von Possierlichkeit. Er soll in Prag eine schmutzige Filzerey gezeigt haben, weggefahren seyn ohne einen Kreuzer zu bezahlen, und nichts als einen alten Nachttopf zurückgelassen haben, den man als eine Reliquie ganz eigener Art aufbewahrt. Diess ist nun gewiss wieder ein barockes Quidproquo: denn Geitz war so wenig in seinem Charakter als prahlerische Verschwendung. Wenn ich diese Dinge nicht von wahrhaften Leuten hätte, würde ich nur den Kopf schütteln und sie zu den lächerlichen Erfindungen des Tages setzen. Aber man muss auch den Teufel nicht schwärzer machen als er ist, und ich bin fest überzeugt, dass Suworow durchaus ein ehrlicher Mann und kein Wüthrich war, wenn er auch eine starke Dose Excentricität hatte und mit der Welt im Privatleben oft Komödie spielte, so wie man seine Energie im öffentlichen zu lauter Trauerspielen brauchte. Du weisst, dass ich dem Manne durchaus nichts zu danken habe und kannst also in meinen Aeusserungen nichts als meine ehrliche Meinung finden. Wenn wir einigen Engländern glauben wollen, die durch ihren persönlichen Charakter ihre Glaubwürdigkeit nicht verwirkt haben, so ist der Nordländer Suworow, wenn auch alles wahr war, was von ihm erzählt wird, immer noch ein Muster der Humanität gegen den Helden des Tages Bonaparte, der auf seinen morgenländischen Feldzügen die Gefangenen zu Tausenden nieder kartätschen liess.

Hier oben behauptete man, wenn Suworow Zeit gehabt hätte nur noch sechs Tausend Mann über den Berg hinüber nach Zürich zu werfen, so wäre die Schlacht eben so fürchterlich gegen die Franzosen ausgefallen, wie nun gegen die Russen. Alle Franzosen, mit denen ich über die Geschichte gesprochen habe, gestehen das nehmliche ein und sagen, bloss die Entfernung des Erzherzogs, der in die Falle des falschen Manövers am Unterrhein ging, sey die Ursache ihres Glücks gewesen; und sie bekennen, dass sie im ganzen Kriege meistens nur durch die Fehler der Gegner gewonnen haben. Hier in Zürich habe ich rund umher mich nach dem Betragen der Russen erkundigt, und man giebt ihnen überall das Zeugniss einer guten Aufführung, die man doch anderwärts als abscheulich geschildert hat. Das thut Partheygeist. Man beklagt sich weit mehr über die Franzosen, deren Art Krieg zu führen dem Lande entsetzlich drückend seyn muss, da sie selten Magazine bey sich haben und zusammen treiben was möglich ist. Das geht einmal und zweymal; das drittemal muss es gefährlich werden; welches die Schlauköpfe sehr wohl wissen. Sie berechnen nur klug; Humanität ist ihnen sehr subalterner Zweck. Dieses ist einigen Generalen und Kommissären, und nicht der ganzen Nation zuzurechnen.

Ayrolles ist der letzte italiänische Ort, und diesseit des Berges in Sankt Ursel ist man wieder bey den Deutschen. Zwey Tage war ich beständig bergauf gegangen; Du kannst also denken, dass der Ort schon auf einer beträchtlichen Höhe steht. Rund umher sind Schneegebirge, und der Ticin bricht rauschend von den verschiedenen Abtheilungen des Berges herab. Ich schlief unter einem Gewitter ein; ein majestätisches Schauspiel hier in den Schluchten der höchsten Alpen. Der Donner brach sich an den hohen Felsenschädeln, und rollte sodann furchtbar durch das Thal hinunter durch das ich herauf gekommen war. Ein solches Echo hörst Du nicht auf der Ebene von Lützen.

In dem Wirthshause zu Ayrolles sass ein armer Teufel, der sich leise beklagte, dass seine Börse ihm keine Suppe erlaubte. Du kannst denken, dass ich ihm zur Suppe auch noch ein Stückchen Rindfleisch schaffte; denn ich habe nun einmal die Schwachheit, dass es mir nicht schmeckt, wenn andere in meiner Nähe hungern. Er war ein ziemlich alter wandernder Schneider aus Constanz, der, wie er sagte, nach Genua gehen wollte einen Bruder aufzusuchen. Er hörte aber überall so viel von der Theuerung und der Unsicherheit in Italien, dass er lieber wieder zurück über die Alpen wollte, und erbot sich mir meinen Reisesack zu tragen. Ich sagte ihm, ich wollte auf seine Entschliessungen durchaus keinen Einfluss haben, er müsste seine Umstände am besten wissen, ich wäre gewohnt meinen Sack selbst zu tragen. Er wollte bestimmt wieder zurück, und ich trug kein Bedenken, ihn meinen Tornister umhängen zu lassen. Wir stiegen also den kommenden Morgen, den achtzehnten Juny rüstig den Gotthardt hinauf. Es war nach dem Gewitter sehr schlechtes Wetter, kalt und windig, und in den obern Schluchten konnte man vor dem Nebel und noch weiter hinauf vor dem Schneegestöber durchaus nichts sehen; links und rechts blickten die beschneyten Gipfel aus der Dunkelheit des Sturms drohend herunter. Nach zwey starken Stunden hatten wir uns auf die obere Fläche hinauf gearbeitet, wo das Kloster und das Wirthshaus steht, und wo man im vorigen Kriege geschlagen hat. Das erste liegt jetzt noch wüst und der Schnee ist von innen hoch an den Wänden aufgeschichtet; das Wirthshaus ist ziemlich wieder hergestellt und man hat schon wieder leidliche Bequemlichkeit. Es muss eine herkulische Arbeit gewesen seyn hier nur kleine Artilleriestücke herauf zu bringen, und war wohl nur in den wärmsten Sommermonaten möglich. Der Schnee liegt noch jetzt auf dem Wege sehr hoch und ich fiel einigemal bis an die Brust durch. Den höchsten Gipfel des Berges zu ersteigen würde mir zu nichts gefrommt haben, da man vor den Nebel kaum zwanzig Schritte sehen konnte. Es ist vielleicht in den Annalen der Menschheit aus diesem Kriege ein neues Phänomen, dass man ihn hier zuerst über Wolken und Ungewitter herauf trug: coelum ipsum petimus stultitia. Das Wasser auf der obersten Fläche des Berges hat einen ziemlichen Umfang, denn es giesst sich rund umher die Ausbeute des Regens und Schnee von den höchsten Felsen in den See, aus dem sodann die Flüsse nach mehrern Seiten hinabrauschen. Es müsste das grösste Vergnügen seyn, einige Jahre nach einander Alpenwanderungen machen zu können. Welche Verschiedenheit der Gemälde hat nicht allein der Gotthardt? Kornfelder wogen um seine Füsse, Heerden weiden um seine Knie, Wälder umgürten seine Lenden, wo das Wild durch die Schluchten stürzt; Ungewitter stürmen um seine Schultern, von denen die Flüsse nach allen Meeren herabrauschen, und das Haupt des Adula schwimmt in Sonnenstrahlen. Das gestrige Gewitter mochte vielleicht Ursache des heutigen schrecklichen Wetters seyn: doch war die Veränderung so schnell, dass in einer Viertelstunde manchmal dicker Nebel, Sturm, Schneegestöber, Regen und Sonnenschein war und sich die Wolken schon wieder durch die Schluchten drängten. Als ich oben gefrühstückt hatte ging ich nun auf der deutschen Seite über Sankt Ursel, durch das Ursler Loch und über die Teufelsbrücken herab. Denke Dir das Teufelswetter zu der Teufelsbrücke, wo ich links und rechts kaum einige Klaftern an den Felsen in die Höhe sehen konnte, und Du wirst finden, dass es eine Teufelsparthie war: ich möchte aber doch ihre Reminiscenz nicht gern missen. Als wir weiter herab kamen ward das Wetter heiter und freundlich, und nur einige Schluchten in den furchtbaren Schwarzwäldern waren noch hoch mit Schnee gefüllt, und die Spitzen der Berge weiss. Mein Schneider von Konstanz erzählte mir manches aus seinem Lebenslaufe, der nicht eben der beste war, wovon aber der Mensch keine Ahndung zu haben schien. Sehr naiv machte er den Anfang mit dem Bekenntniss, dass er in seinem ganzen Leben nicht gearbeitet habe und nun in seinem acht und vierzigsten Jahre nicht anfangen werde. — So so, das ist erbaulich; und was hat Er denn gethan? — Ich habe gedient. — Besser arbeiten als dienen. — Nun erzählte er mir, wo er überall gewesen war: da war denn meine Personalität eine Hausunke gegen den Herrn Hipperling von Konstanz. Er kannte die Boulewards besser als seine Hölle und hatte alle Weinhäuser um Neapel diesseits und jenseits der Grotte versucht. Zuerst war er kaiserlicher Grenadier gewesen, dann Reitknecht in Frankreich, dann Kanonier in Neapel und zuletzt Mönch in Korsika. Er fluchte sehr orthodox über die Franzosen, die ihm seine Klosterglückseligkeit geraubt hatten, weil sie die Nester zerstörten. Jetzt machte er Miene mit mir wieder nach Paris zu gehen. Ich gab ihm meinen Beyfall über seine ewige unstete Landläuferey nicht zu erkennen, und er selbst schien zu fühlen, er hätte doch wohl besser gethan sich treulich an Nadel und Fingerhut zu halten. Wir schlenderten eine hübsche Parthie ab, da wir in einem Tage von Ayrolles den Berg herüber bis herab über Altorf nach Flüren am See gingen. Altorf, das vor einigen Jahren durch den Blitz entzündet wurde und fast ganz abbrannte, wird jetzt recht schön aber eben so unordentlich wieder aufgebaut. Die Berggegend sollte doch wohl etwas mehr Symetrie erlauben. Eine Stunde jenseit Altorf war das Wasser sehr heftig aus den Bergen herunter geschossen und konnte nicht schnell genug den Weg in die Reuss finden, dass wir eine Viertelstunde ziemlich bis an den Gürtel auf der Strasse im Wasser waden mussten. Es war kein Ausweg. Gehts nicht, so schwimmt man, dachte ich; und mein Schneider tornisterte hinter mir her. Den Morgen nahm ich ein Boot herüber nach Luzern, ohne weiter den Ort besehen zu haben, wo Tell den Apfel abgeschossen hatte. Nicht weit von der Abfahrt stürzt rechts ein Wasserfall von sehr hohen Felsen herab, nicht weit von Tells Kapelle, und man erzählte mir, dass oben in den Alpen ein beträchtlicher See von dem Wasser der noch höhern Berge wäre, der hier herab flösse. Schade dass man nicht Zeit hat hinauf zu klettern; die Parthie sieht von unten aus schon sehr romantisch, und oben muss man eine der herrlichsten Aussichten nach der Reuss und den Waldstädtersee haben. Die Fahrt ist bekannt, und Du findest sie in den meisten Schweizerreisen. In dem seligen Republikchen Gersau frühstückten wir, und die Herren beklagten sich bitter, dass ihnen die Franzosen ihre geliebte Autonomie genommen hatten. Die ganze Fahrt auf dem Wasser herab bis nach Luzern ist eine der schönsten; links und rechts liegen die kleinen Kantone und höher die Schneealpen, in welche man zuweilen weit weit hineinsieht. Der Pilatusberg vor Luzern ist nur ein Zwerg, der den Vorhof der Riesen bewacht. In Luzern fand ich im Wirthshause unter der guten Gesellschaft einige Freunde von Johannes Müller, die mit vieler Wärme von ihm sprachen. Nachdem ich die Brücken und den Fluss beschaut hatte, ging ich zum General Pfeiffer um seine wächserne Schweiz zu sehen. Die Sache ist bekannt genug, aber kein so unnützes Spielwerk, wie wohl einige glauben. Der Mann hat mit Liebe viel schöne Jahre seines Lebens daran gearbeitet, und mit einer Genauigkeit, wie vielleicht nur wenig militärische Charten gemacht werden. Die Franzosen haben das auch gefühlt, und Lecourbe, gegen den der alte General zuerst eine entschiedene Abneigung zeigte, wusste durch seine Geschmeidigkeit endlich den guten Willen des Greises so zu gewinnen, dass er sich als seinen Schüler ansehen konnte. Die Schule hat ihm genützt; und es wird allgemein nicht ohne Grund behauptet, er würde den Krieg in den Bergen nicht so vortheilhaft gemacht haben ohne des Alten Unterricht. Die Wachsarbeit ist bekannt: es ist Schade, dass ihn die Jahre nicht erlauben das Uebrige zu vollenden. Dieser Krieg hat die Bergbewohner in Erstaunen gesetzt: man hat sich in ihrem Lande in Gegenden geschlagen, die man durchaus für unzugänglich hielt. Die Feinde haben Wege gemacht, die nur ihre Gemsenjäger vorher machten; vorzüglich die Russen und die Franzosen. Man hat sich auf einmal überzeugt, dass die Schweiz bisher vorzüglich nur durch die Eifersucht der grossen Nachbarn ihr politisches Daseyn hatte. Die Russen und Franzosen kamen auf Pfaden in das Murter Thal, die man nur für Steinböcke gangbar hielt. Die Katholicität scheint in Luzern sehr gemässigt und freundlich zu seyn. Das Merkwürdigste für mich war noch, dass mir der Kellner im Gasthofe erzählte, man habe hier im See zwey und dreyssig Sorten Forellen, so dass man also bey der kleinsten Wendung der Windrose eine andere Sorte hat. Diejenigen welche man mir gab hätten einen Apicius in Entzücken setzen können, und ich rathe Dir, wenn Du hierher kommst, Dich an die Forellen zu halten, wenn Du gleich nicht alle Sorten des Kellners finden solltest.

Von Luzern liess ich mich auf dem Wasser wieder zurück rudern, durch die Bucht links, ging über den kleinen Bergrücken herab an den Zuger See, setzte mich wieder ein und liess mich nach Zug bringen. Wäre ich etwas frömmer gewesen, so wäre ich zur heiligen Mutter von Einsiedel gegangen. Auf dem Bergrücken zwischen diesen beyden Seen steht die bekannte andere Kapelle Tells mit der schönen Poesie. Alles ist sehr gut und sehr patriotisch; aber ich fürchte, nicht sehr wahr: denn wenn auch die Schweizer noch die Alten wären, würden sie sich doch in diesen Konjunkturen schwerlich retten. Man nimmt die grösseren fruchtbaren Kantons und lässt die Alpenjäger jagen und hungern; sie werden schon kommen und bitten. Bloss die Eifersucht gegen Oestreich gab der Schweiz Existenz und Dauer.

Von Zug aus nahm ich meinen Tornister selbst wieder auf den Rücken. Der Schneider sah einige Minuten verblüfft, brummte und bemerkte sodann, ich müsse doch sehr furchtsam seyn, dass ich ihm meinen Reisesack nicht anvertrauen wolle. Ich machte ihm begreiflich, dass hier zwischen Zug und Zürich gar nichts zu fürchten sey, dass mich allenfalls mein Knotenstock gegen ihn schütze, dass ich ihm aber keine Verbindlichkeit weiter haben wolle: seine Gesellschaft sey mir auch zu theuer, er sey unbescheiden und fast unverschämt; ich wolle weiter nichts für ihn bezahlen. Nun erzählte ich ihm, dass ich in Luzern für meine eigene Rechnung vier und dreyssig Batzen und für die seinige sechs und dreyssig bezahlt habe; das konveniere mir nicht. Er entschuldigte sich, er habe einen Landsmann gefunden und mit ihm etwas getrunken, und der Wirth habe zu viel angeschrieben. Vielleicht ist beydes, sagte ich, Er hat zu viel getrunken und jener hat noch mehr angeschrieben, ob mir das gleich von dem ehrlichen Luzerner nicht wahrscheinlich vorkommt: aber, mein Freund, Er hat wahrscheinlich der Landsleute viele von Neapel bis Paris; ich zahle gern eine Suppe und ein Stück Fleisch und einige Groschen, aber ich lasse mich nur Einmal so grob mitnehmen. Er verliess mich indessen doch nicht, wir wandelten zusammen den Albis hinauf und herab, setzten uns unten in ein Boot und liessen uns über den See herab nach Zürich fahren, wo ich dem Sünder einige Lehren und etwas Geld gab, und ihn laufen liess. Er wird indessen beydes schon oft umsonst bekommen haben.

Hier bin ich nun wieder unter vaterländischen Freunden und könnte bald bey Dir seyn, wenn ich nicht noch etwas links abgehen wollte. In Zürich möchte ich wohl leben: das Oertliche hat mir selten anderwärts so wohl gefallen. Ich trug einen Brief aus Rom zu Madam Gessner, der Wittwe des liebenswürdigen Dichters, und ging von ihr hinaus an das Monument, das die patriotische Freundschaft dem ersten Idyllensänger unserer Nation errichtet hat, an dem Zusammenflusse der Siehl und der Limmat. Das Plätzchen ist idyllisch schön und ganz in dem Geiste des Mannes, den man ehren wollte; und der Künstler, sein Landsmann, hat die edle Einfalt nicht verfehlt, welche hier erfordert wurde. Akazien, Platanen, Silberpappeln und Trauerweiden umgeben den heiligen Ort. Einige Zeit verwendete ich darauf die Schlachtgegend zu überschauen; und ich kann nicht begreifen, wie die Oestreicher ihre Stellung verlassen konnten. Ich verschone Dich mit Beschreibungen; die Du in vielen Büchern vielleicht besser findest. Eine eigene Erscheinung war es mir hier, dass bey Vidierung des Passes zwey Batzen bezahlt werden mussten. Ich möchte wohl wissen wie man dieses mit liberaler Humanität oder nur mit Rechtlichkeit in Uebereinstimmung wollte.

Nun erlaube mir noch fragmentarisch etwas über meinen Gang durch Italien im Allgemeinen zu sagen. Du hast aus meiner Erzählung gesehen, dass es jetzt wirklich traurig dort aussieht; vielleicht trauriger als es je war. Ich bin gewissenhaft gewesen und jedes Wort ist Wahrheit, so weit man historische Wahrheit verbürgen kann. Dass Brydone in Sicilien gewesen ist, bezweifelt niemand; aber viele haben vieles gegen seine schönen Erzählungen. So viel weiss ich, dass in Sicilien selbst, und vorzüglich in Agrigent und Syrakus, man sehr übel mit ihm zufrieden ist; aber Barthels ist doch vielleicht zu strenge gegen ihn verfahren. Mehrere Augen, die ich hier nicht aufzählen kann, haben ihre Richtigkeit; und sein Hauptfehler ist, dass er seiner poetischen Phantasie zu viel Spielraum gab. Die Besten über die Insel von den Neuern sind wohl Barthels und Münter. Dorville habe ich fast durchaus sehr genau gefunden, so viel ich auf dem Fluge habe bemerken können.

Das ganze Königreich Neapel ist in der traurigsten Verfassung. Ein Kourier, der von Messina über Rheggio nach Neapel gehen soll, hält den Weg immer für gefährlicher als einen Feldzug. Der Offizier mit dem ich nach Rom reiste, war sechszehnmal geplündert worden und dankte es nur seiner völligen Resignation, dass er noch lebte. Ich könnte sprechen, sagte er, aber dann dürfte ich keine Reise mehr machen, oder ich wäre auf der ersten ein Mann des Todes. Alle Gräuel, die wir von Paris während der Revolution gehört haben, sind noch Menschlichkeit gegen das was Neapel aufzuweisen hat. Was die Demokraten in Paris einfach thaten, haben die royalistischen Lazaronen und Kalabresen in Neapel zehnfach abscheulich sublimiert. Man hat im eigentlichsten Sinne die Menschen lebendig gebraten, Stücken abgeschnitten und ihre Freunde gezwungen davon zu essen; der andern schändlichen Abscheulichkeiten nicht zu erwähnen. Ein wahrhafter durchaus rechtlicher Mann sagte mir, man sey mit einer Tasche voll abgeschnittener eingesalzener Nasen und Ohren zu ihm gekommen, aufgezählt wer die Eigenthümer derselben gewesen, und er habe seine ganze Standhaftigkeit und Klugheit nöthig gehabt, nicht zu viel Missbilligung zu zeigen, damit er nicht selbst unter die Opfer geriethe. Das ist unter Ruffo geschehen, dessen Menschlichkeit sogar noch hier und da gerühmt wird. Die Geschichte der Patrioten von Sankt Elmo ist bekannt. Nelson und seine Dame, die Exgemahlin Hamiltons, liessen im Namen der Regierung die Kapitulation kassieren, und die Henker hatten volle Arbeit. Auf diese Weise kann man alles was heilig ist niederreissen. Man nennt den Namen des Admirals und noch mehr den Namen der Dame mit Abscheu und Verwünschung und bringt Data zur Belegung. In Kalabrien soll jetzt allgemeine Anarchie seyn. Das ist begreiflich. Bildung ist nicht, und das Bisschen Christenthum ist, so wie es dort ist, mehr ein Fluch der Menschheit. Die Franzosen kamen und setzten in Revolution; die Halbwilden trauten und wurden verrathen. Ruffo kam im Namen des Königs und versprach; die Betrogenen folgten und wütheten unter ihm bis zur Schande der menschlichen Natur in der Hauptstadt. Nun sagen sie, der König habe sie noch ärger betrogen als die Franzosen. Wer kann bestimmen, wie weit sie Recht haben? Die Regierung des Dey kann kaum grausamer seyn; schlechter ist sie nicht. Im ganzen Königreich und der Insel zusammen sind jetzt kaum funfzehn tausend Mann Truppen: diese haben einen schlechten Sold und dieser schlechte Sold wird noch schlechter bezahlt. Du kannst die Folgen denken. Unzufriedenheit gilt für Jakobinismus, wie fast überall. Ich habe die meisten Städte des Reichs gesehen, und nach meinem Ueberschlage ist die Zahl der Truppen noch hoch angenommen. Die sogenannten Patrioten schreyen über Verrätherey der Franzosen und knirschen die Zähne über die Regierung. Mässigung und Gerechtigkeit ist in Neapel kein Gedanke. Mit fünf tausend Franzosen will ich das ganze Reich wieder reformieren und behaupten, sagte mir ein eben nicht zelotischer Partheygänger. Die rechtlichsten Leute wurden gezwungen der Revolution beyzutreten um sich zu retten, und wurden hernach wegen dieses Zwanges hingerichtet. Vorzüglich traf dieses Schicksal die Aerzte. Es wurden Beyspiele mit Umständen erzählt, die Schauder erregen. Filangieri war zu seinem Glücke vorher gestorben. Die Regierung nimmt bey ihrer gänzlichen Vernachlässigung noch alle Mittel, die Gemüther noch mehr zu erbittern; ist saumselig, wo rechtliche Strenge nöthig wäre, und grausam, wo weise Mässigung frommen würde. In Sicilien treibt das Feudalsystem in den grässlichsten Gestalten das Unheil fort: und obgleich mehr als die Hälfte der Insel wüste liegt, so würde doch kein Baron einen Fuss lang anders als nach den strengsten Lehnsgesetzen bearbeiten lassen. Die Folgen sind klar. Wie geachtet die Regierung und geliebt der Minister ist, davon habe ich selbst ein Beyspielchen von den Lazaronen in Neapel gehört. Es kam ein Schiff von Palermo an mit etwas Ladung aus der Haushaltung des Königs. Unter andern wurde ein grosser schöner Maulesel ausgeschifft; das neugierige Volk stand wie gewöhnlich gedrängt umher. Kischt' è il primo minischtro, sagte ein Kerl aus dem Haufen, und die ganze Menge brach in ein lautes Gelächter aus. Ohne Zweifel ist der Minister nicht so schlecht als ihn seine Feinde machen; aber er ist es doch genug, um ein schlechter Minister zu seyn. Das Facit liegt am Tage; das Reich verarmt täglich mehr und der Minister wird täglich reicher. An Manufakturen wird gar nicht gedacht: die Engländer und Deutschen versorgen alle Provinzen. In Neapel brauchte ich Strümpfe; die waren englisch: in Syrakus war nichts einheimisches zu finden. Ueberall sind fremde Kaufleute, die mit fremden Artikeln handeln. Man sagt in Neapel auf allen Strassen ganz laut, der Minister verkaufe als Halbbritte die Nation an die Engländer. Man schreyt über die öffentliche Armuth und die öffentliche Verschwendung; man lebe von der Gnade der Franzosen und halte drey Höfe, in Palermo und Kaserta und Wien. Einzeln erzählte Vorfälle sind empörend. Der König ist ein Liebhaber von schönen Weibern. Das mag er: andere sind es auch, ohne Könige zu seyn. In der Revolution wurde eine Dame als Staatsverbrecherin mit ergriffen, und das Tribunal verurtheilte sie zum Tode. Die vornehme interessante Frau appellierte an den König, und ihre Freunde brachten es so weit, dass sie zur endlichen Entscheidung ihres Schicksals nach Palermo geschickt wurde. Der König war dort in ihrer Gesellschaft nach der Liebhaber Weise; endlich drangen die strengen Strafprediger an sein Gewissen: die Frau wurde nach Neapel zurückgeschickt und — hingerichtet. Sie erzählte das Ganze selbst vor ihrem Tode auf dem Blutgerüste. Das ist verhältnissmässig eben so schlimm als die eingesalzenen Nasen und Ohren. Man hat mir Namen und Umstände und den ganzen Prozess wiederholt genannt.

Die Kassen sind leer, die Offizianten müssen warten, und dabey soll man Jagdparthien geben, die über 50000 neapolitanische Dukaten kosten. Der General Murat erhielt Geschenke, deren Werth sich auf 200000 Thaler belief. Ich weiss nicht wer mehr indigniert, ob der König oder Murat? Jener handelt nicht als König und dieser nicht als Republikaner. Anders that Fabricius. Die Räuber streifen aus einer Provinz in die andere, und plündern und morden, o ne dass die Justiz weiter darnach fragt. Man lässt die Leute so gut und so schlecht seyn als sie wollen; nun sind der Schlechten fast immer mehr als der Guten, zumal bey solchen Vernachlässigungen: so ist die Unordnung leicht erklärt. Die Beschaffenheit des Landes hilft dem Unfuge; die Berge bergen in ihren Schluchten und Winkeln die Bösewichter, gegen welche die Regierung keine Vorkehrungen trifft. Ich habe in dem ganzen Reiche keine militärische Patrouille gesehen, aber Haufen Bewaffnete bis zu fünf und zwanzig. Diese sollen Polizey seyn; aber sie tragen kein Abzeichen, sind nicht zu finden, und alle ehrliche Leute fürchten sich vor ihnen.

Ueberhaupt habe ich in Neapel jetzt drey Partheyen bemerkt; die Parthey des Königs und der jetzigen Regierung, zu welcher alle Anhänger des Königs und des Ministers gehören: die Parthey des Kronprinzen, von dem man sich ohne vielen Grund etwas besseres verspricht: und die Parthey der Malkontenten, die keine Hoffnung vom Vater und Sohn haben, und glauben, keine Veränderung könne schlimmer werden. Die letzte scheint die stärkste zu seyn, weiss aber nun, da sie von den Franzosen gänzlich verlassen worden ist, in der Angst selbst nicht, wohin sie den Gesichtspunkt nehmen soll.

In Rom arbeitet man mit allen Kräften an der Wiederherstellung aller Zweige der Hierarchie und des Feudalsystems: Gerechtigkeit und Polizey werden schon folgen, so weit sie sich mit beyden vertragen können. Die Mönche glänzen von Fett und segnen ihren Heiland Bonaparte. Das Volk hungert und stirbt, oder flucht und raubt, nachdem es mehr Energie oder fromme Eselsgeduld hat. Es wird schon besser werden, so viel es das System leidet.

In Hetrurien weiss man sich vor Erstaunen über alle die Veränderungen zu Hause und auswärts noch nicht zu fassen. Die Meisten, da die Menschen nun doch einmal beherrscht seyn müssen, wünschen sich das sanfte östreichische Joch, wie es unter Leopold war. Die Vernünftigern klagen leise oder auch wohl laut über die Anmasslichkeit des römischen Hofes und die Schwachheit der Regierung; und die hitzigen Polypragmatiker hoffen auf eine Veränderung diesseits der Berge.

Die italische Republik windet sich, trotz den Eigenmächtigkeiten und Malversationen der Franzosen ihrer Herren Nachbarn, nach und nach aus der tausendjährigen Lethargie. Hier war an einigen Orten viel vorgearbeitet: aber auch das alte Päpstliche erholt sich und wird etwas humaner. Das Päpstliche diesseits der Apenninen scheint indessen nie so tief gesunken zu seyn, als in der Nähe des Heiligthums. Alles liegt noch im Werden und in der Krise. Die grossen Städte klagen über Verlust, aber das platte Land hebt sich doch merklich. Das lässt sich wieder sehr leicht erklären. In Italien scheinen überhaupt die Städte das Land verzehrt zu haben, welches wohl weder politisch noch kosmisch gut ist.

Die Franzosen im Allgemeinen haben sich in Italien gut betragen, so wie man ihnen das nehmliche Zeugniss auch wohl in Deutschland nicht versagen kann. Man erzählt Beyspiele von Aufopferung und Edelmuth, die dem humanen Zuhörer ausserordentlich wohl thun, und seine sympathetische Natur für den Gegensatz entschädigen, der sich zuweilen zeigt. Einzelne Generale, Kommissäre und Offiziere machen oft grelle Ausnahmen. Unter den Generalen wird Murat als Erpresser und Plagegeist überall genannt; und mich däucht der Augenschein bestätigt die Beschuldigung: er wird bey einem grossen Aufwand reich. Ich habe eine ewige Regel, deren Richtigkeit ich mir nicht abstreiten lasse. Wer in dem Dienst des Staats reich wird, kann kein Mann von edelm Charakter seyn. Jeder Staat besoldet seine Diener nur so, dass sie anständig leben und höchstens einen Sichherheitspfennig sparen können: aber zum Reichthum kann es auf eine ehrenvolle Weise durchaus keiner bringen. Es giebt nach meiner Meinung nur zwey rechtliche Wege zum Reichthum, nehmlich Handel und Oekonomie; einige wenige Glücksfälle ausgenommen. Ist der Staatsdiener zugleich Handelsmann, so hört er eben dadurch auf einem wichtigen Posten gut vorzustehen. Die Kommissäre haben einmal das unselige Privilegium die Nationen zu betrügen, weil man ihnen unmöglich alles genau durchschauen kann; und die französischen sollen es sehr ausgedehnt gebraucht haben. Revoltierend für mich ist es gewesen, wenn ich hörte, dass viele französische Offiziere frey durch alle Provinzen reisten, mit oder ohne Geschäft, sich nach ihrem Charakter für sich und ihre Begleitung eine Menge Pferde zahlen liessen und doch allein gingen und knickerisch nur zwey nahmen, und das Geld für die übrigen einsäckelten. Manche arme Kommune, die kaum noch Brot hatte, musste bey dergleichen Gelegenheiten exekutorisch ihren letzten Silberpfennig zusammen bringen, um den fremden so genannten republikanischen Wohlthäter zu bezahlen. Das nenne ich Völkerbeglückung! Man muss bekennen, dass die Franzosen selbst über diese Schändlichkeit fluchten; aber sie geschahe doch oft. Wo Murat als General kommandirt, fällt so etwas nicht auf; Moreau würde seine Nation von einem solchen Schandflecken zu retten wissen. So viel ich von den Franzosen in Italien gemeine Soldaten und Unteroffiziere gesehen habe, und ich bin manche Meile in ihrer Gesellschaft gegangen, habe ich sie alle gesittet, artig, bescheiden und sehr unterrichtet gefunden. Sie urtheilten meistens mit Bündigkeit und Bestimmtheit und äusserten durchaus ein so feines Gefühl, dass es mir immer ein Vergnügen war, solche Gesellschaft zu treffen. Das alte vornehme Zotenreissen im Fluchen ist sehr selten geworden, und sie sprechen über militärische Dispositionen mit einer solchen Klugheit und zugleich mit einem solchen Subordinationsgeist, dass sich nur ein schlechter Offizier andere Soldaten wünschen könnte.

In Ansehung des Physischen ist ein Gang von Triest nach Syrakus und zurück an den Zürcher See, wenn er auch nur flüchtig ist, mit vielen angenehmen Erscheinungen verbunden. Auf der Insel ist das lieblichste Gemisch des Reichthums aller Naturprodukte, so viel man ohne Anstrengung gewinnen kann; Orangen aller Art, Palmen, Karuben, Oel, Feigen, indische und gemeine, Kastanien, Wein, Weitzen, Reiss. Bey Neapel werden die indischen Feigen, die Karuben und Pahnen schon selten; diesseits der Pontinen die Orangen; diesseits der Apenninen Oel und Feigen. Die südliche Seite des Bergs von Florenz aus hat noch die herrlichsten Oelpflanzungen; beym Herabsteigen nach Bologna findet man sie nicht mehr: alles sind Kastanienwälder. In der Lombardey ist der Trieb üppig an Wein und Getreide; aber alles ist schon mehr nördlich. Ein einziger Weinstock macht noch eine grosse Laube, und auf einem einzigen Maulbeerbaume hingen zuweilen sechs Mädchen, welche Blätter pflückten: aber ein Oelbaum ist schon eine Seltenheit. Die südlichen Seiten der Alpenberge geben durch ihre Lage hier und da noch Früchte des wärmern Erdstrichs, und am Lago maggiore hat man noch Orangengärten, Olivenpflanzungen und sogar, obgleich nur spärlich, indische Feigen. Am Ticino herauf trifft man noch Kastanien die Menge und sehr schöne und grosse Bäume, und bis Ayrolles wächst gutes Getreide. Dann hört nach und nach die Vegetation auf. An der Reuss diesseits kann man weit tiefer herab gehen, ehe sie wieder anfängt. Sankt Ursel liegt vielleicht tiefer als Ayrolles und man hat dort noch nichts von Getreide. Kastanien trifft man auf dieser Seite nicht mehr oder nur höchst selten, und der Nussbaum nimmt ihre Stelle ein. Weiter herab ist alles vaterländisch.