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  <title>Ritter Johann des Todes</title>
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<div class="prose">

  <h3 class="center">Ritter Johann des Todes</h3>

<p>
<span class="initial">R</span>itter Johann des Todes ritt aus, dem Meere zu und fernen
Ländern. Sprach zu ihm sein schwangeres Weib, diese
Loudmilla Gamperl (die liebste ihm, bis sie kein neues Essen
und Küssen mehr wußte) diese Worte: „Vergebens fährst du
aus! Bleib! Morgen gibts Eichelsuppe und Geselchtes mit
Spinat .... Du wirst schon sehen!“ In den Ohren klangs dem
Ritter und dann zu noch donnerdicken Nebelfernen ritt er,
denn Weib-Köchin schien ihm am Ende.</p>

<p>
Ritter Johann des Todes ritt aus. Traf unterwegs einen
lieblichen Drachen, der ihm quer in den Speer lief — aus
Furcht, auch dieser Ritter könnte ihn unerschlagen sich zu
Tode kriechen lassen. Lachte Ritter Johann des Todes und gab
ihm sein heiliges Kraut Sarudsch an die Wunde. Gellt der
Drache: „Läßt mich Drachen unerschlagen! ... Du wirst schon
sehen!“ In den Ohren klangs dem Ritter und er nahm sichs zum
Gedenkmal.</p>

<p>
Ritter Johann des Todes, auf seinen Fahrten, traf er die
Jungfrau, die alle hundert Jahre aus dem Felsen Not
hervorschießt. Die Jungfrau warf sich dem Ritter ihrer
Maidenschaft an den Hals ... Lachte Ritter Johann des Todes
und gab ihr seinen heiligen Knappen Nolpate an's Herz. Redte
sich aus: „Du bist die Jungfrau jeder hundert Jahr!“
„Schmähst die Gabe“, keift sie, „aller hundert Jahre? Du
wirst schon sehen!“ In den Ohren klangs dem Ritter und dann
zu noch donnerdicken Nebelfernen ritt er.</p>

<p>
„Das verfluchte Kombinieren alter Speisen in ganz neue! —
Ich hab es satt! In der Jugend schlug ich fünfzehn liebliche
Drachen! Ich hab es satt. Und die liebe Jungfrau jeder
hundert Jahre: ist sie schmacker als all die andern Jungfern
von Gewohnheit? — Ich hab es satt! Und alle gellen und
keifen sie: Du wirst schon sehen ... Und ich sehe doch meine
Zukunft, daß ich keine Zukunft habe, klar und dicht vor
mir!“</p>

<p>
Ritter Johann des Todes, auf seinen Fahrten, traf er sechs
alte Weiber, die das Ziel erreicht zu haben glaubten, indem
sie, über den Weg erhoben, auf Steinen auf den Köpfen
stehend, aus neuen Flaschen in neuen Gläsern neuen
Branntwein soffen, den echten, reinen, patentierten
sogenannten „Dolgoruki“. Und sie reichten ihm den
Branntwein. Er erschlug sie, weil sie 's Ziel erreicht zu
haben glaubten, indem sie, über den Weg erhoben, auf Steinen
auf den Köpfen stehend, aus neuen Flaschen in neuen Gläsern
neuen Branntwein soffen, den echten, reinen, patentierten
sogenannten „Dolgoruki“. Und die Weiber, sterbend auf den
Köpfen stehend — alle Sechse keiften: „Du wirst schon
sehen!“ In den Ohren klangs dem Ritter und er nahm sichs zum
Gedenkmal.</p>

<p>
Ritter Johann des Todes, auf seinen Fahrten, schlug noch
viele andere, die — und nicht einmal auf die rechte Weis —
die Erde nach blauen Blumen abgrasten ... Und im Tode
schrien sie alle — er aber lachte bloß —: „Du wirst schon
sehen!“ In den Ohren klangs dem Ritter und stets zu noch
donnerdicken Nebelfernen ritt er.</p>

<p>
Ritter Johann des Todes, auf seinen Fahrten, erbarmte sich
der Herrgott und kroch vom Himmel zu ihm herunter, um ihm
das Neue zu sein. Da erschlug ihn der Ritter Johann des
Todes und lachte herzhaft, wie er noch nie gelacht, daß der
vom Himmel heruntergekrochen, um ihm das Neue zu sein und
dann zu gellen: „Du wirst schon sehen!“</p>

<p>
Ritter Johann des Todes aß Schlangen und gute Steine.</p>

<p>
Ritter Johann des Todes, auf seinen Fahrten, mußte heim, da
die Erde zu rund war. Sprach zu ihm sein schwangeres Weib,
diese Loudmilla Gamperl, einen jungen Ritter Johann des
Todes an der Hand haltend, diese Worte: „Heute gibts
Eichelsuppe und Geselchtes mit Spinat! Was hab ich
gesagt!“</p>

<p>
Ritter Johann des Todes, ich muß es schon sagen, zu ihm kam
nicht der Tod und er war ihn ehrlicher suchen gegangen als
sein Urgroßvater, der ewige Jude.</p>

<p>
Der Ritter Johann des Todes, auf seinen Fahrten, freute sich
an seinem Tode, dem Neuen: Ritter Johann des Todes, auf
seinen Fahrten, hängte sich auf.
</p>

</div>
</body>
</html>