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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:45:23 +0100 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:45:23 +0100 |
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diff --git a/OEBPS/Text/prosa/fragmentarisches/02_notizen_zum_roman.html b/OEBPS/Text/prosa/fragmentarisches/02_notizen_zum_roman.html new file mode 100644 index 0000000..4077b1d --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/prosa/fragmentarisches/02_notizen_zum_roman.html @@ -0,0 +1,263 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Notizen zum Roman</title> +</head> +<body> + +<h4>Notizen zum Roman</h4> + +<p> +Das Ende</p> + +<p> +Irrenhaus: Bryller, Lola.<br /> +Ertrinken im Meer: Kohn, Maria.<br /> +Selbstmord: Schulz, Paulus.<br /> +Lebenbleiben: Spinoza Spaß, Laaks, Mechenmal.</p> + +<p> +I. Auftritt im Schulhof. Peter Paulus für, Laaks gegen Kohn +(Kohn hatte sich verunreinigt, Max Mechenmal). Später Kohn +an Paulus sich anschließend gegen Laaks. Eifersuchtsszenen. +Infolge der Laakschen Intrigen fällt Paulus durchs +Abiturium, schießt sich tot. Abschiedsbriefe (rührend an +Kohn, offizielles Begräbnis, Kohn rennt davon).</p> + + +<p> +Oberlehrer Dr. Bryller läßt alles geschehen, redet dem +geliebten Paulus sogar zu, sich zu töten: Töte dich, ehe es +zu spät ist (solange du noch dazu fähig bist). Es hat zwar +keinen Zweck, bereitet dir aber etwas wie Genugtuung. (Gott +ist eine Zeiterscheinung.)<br /> +Die Leiche wurde wohlverpackt in einem Kasten auf den +Friedhof getragen, wo man sie unter einer Garderobenmarke +für ewig abgelegt.</p> + +<p> +II. Szene Kohn, Laaks in Badewanne.<br /> +Laaks machte einen Angriff auf Maxens Weiblichkeit. – Laaks +und Kohn treffen sich. Kohn grüßt, Laaks holt ihn ein. Lädt +ihn ein. »Nein, Herr Oberlehrer.« Kohn zittert – – »wollen +Sie ein Bad nehmen?« – »Ich habe schon gebadet.«– +Mondlichtbeleuchtet die beiden in der Badewanne. In haariger +Nacktheit – seine behaarten Weiberbeine – ein Männerfreund.</p> + +<p> +III. Szene in homosexueller Kneipe.</p> + +<p> +(Siehst du, mein Junge, so ist das Leben – er kniff ihn +zärtlich in den Hintern.)</p> + +<p> +IV. Abtreibungsszene.</p> + +<p> +Die Varietétänzerin Lola Lalà: Die kluge Frau sagte +scherzend: Wenn Frauen auseinandergehen, dann bleiben sie +noch lange stehn. – – Auf Wiedersehn, mein Fräulein. Lola +Lalà, alias Lene Levi läuft wie wahnsinnig.</p> + +<p> +V. Einbruchsszene bei Lola:–––––––––––––––<br /> + +– – Der berufsmäßige Einbrecher Benjamin, der unter dem Bett +lag, wußte nicht, was er dazu denken sollte. Sein Kopf +schüttelte sich, dabei stieß der Hirnschädel einen sinnlosen +Bettpfosten, der daraufhin einen starren Ton von sich gab. +Der Mann Benjamin erschrak. Die Lampe fiel um. Gardinen +brannten sofort.<br /> +Plötzlich hatte sich auch ihr (Lola Lalà) Körper erschreckt. +Alles in der Fresse von schleckerndem Feuer. Lief hinaus. +Tür zu. Schloß ab. Zweimal. Sinnlos. Plötzlich hinter der +Tür Männerrufe, kläglich: Hilfe, Hilfe. Schrie sie: Mörder, +Mörder, Mörder. Rannte. Auf der Straße im Frieden des +Abends: Leute aus Häusern. Ratlos. Die Rennende an allen +vorüber. Mörder, Mörder ... Eine Verrückte hinter ihr her. +Einem Hundefänger gelang, sie zu fassen. Mörder, Mörder. Mit +ihr in offener Droschke und durch die Stadt. Mörder, Mörder. +Fenster auf, Wagen bleiben stehen. Gelaufe. In +Irrenabteilung des Krankenhauses.<br /> +Inzwischen brennende Stube. Einbrecher Benjamin auf Fenster +strampelnd: Hilfe. Unerlaubte Handlung. Hilfe. Da soll man +nicht Sozialdemokrat werden. Heulend: Falle der Polizei, +anständigen Menschen verbrennen lassen. Hilfe, Hilfe. +Feuerwehr kommt. Hilfe. Wasser bespritzt ihn. Vom Regen in +die Traufe. Kann ja auch gleich in den Fluß springen. +Ersäuft.<br /> +Als die halbverweste Leiche aus dem Wasser gezogen wurde, +fing der noch betrunkene Arzt an, faule Witze zu machen. Dr. +Bryller übergab sich.<br /> +Alles Reden, Denken, Dichten ist unnütz; eine aus dem Wasser +gezogene vor dir im Tode liegende Leiche macht alles +Geschreibe zuschanden mit ihrer schrecklichen Verzerrtheit. +Sieh, wie das Gesicht und die Hände im Krampf wie in Eisen +gegittert sind! Wie sie schreiend aus sich heraus wollen!</p> + +<p> +Vl. Irrenhausszene: Die rothaarige verrückte Schwester des +Martin Müller (Maria).<br /> +»Die Erde wird dunkel«, sagte die verrückte rothaarige +Schwester des Martin Müller, Maria. (Sie liebt ihren +Bruder.) Den kleinen Kohn streichelt sie, aber: »Ich kann +nur Heilige lieben«, sagt sie. Die Melodien des Abends, der +wie Seidenschleier alles verhüllt: Die grünen Bäume, den +sehnsüchtigen Erdboden, die Bank mit dem rothaarigen Mädchen +und dem kleinen Buckelkohn, – waren ringsum.<br /> +In der Irrenanstalt: Die eine Insassin war schon eine +ziemlich angegraute Dame, die sagte: »Wenn man sich schon so +lange hier aufhält, bleibt man da.« – Ein moderner +Schriftsteller, der sich einbildet, er sei nur dort, um das +Milieu zu studieren, in Wirklichkeit aber Gehirnerweichung +hat. Etc.</p> + +<p> +VII. Kohns erste Geliebte (auf Laaksens Veranlassung):<br /> +Hysterische Person, die Wanzen krochen nur so in der Küche +herum.</p> + +<p> +VIII. Das Ende des Dr. Bryller.</p> + +<p> +IX. Schriftsteller Schulz und Kokotte Kitty.<br /> +(»Nicht so laut«, sagte Kitty, als Schulz ihr von Gott +erzählte.)</p> + +<p> +X. Vortrag des Gelehrten Neumann:<br /> +Sensation: Ein erst sechzehnjähriger Gelehrter namens +Neumann spricht über Mutterschutz und Kindererziehung – – – +scheint ihm hier nicht der Ort, über gefallene Mädchen zu +reden – – – die Frau hat eingesehen, daß ihr der Platz +gebührt, auf den sie gehört – – – das Elend der Prostitution +– – posierte Handbewegungen. Stimme. Augenbrauen in die Höhe +ziehen. Ich muß mich in Extremen ausdrücken. Ich muß den +Zionismus als eine besondere Abart der Prostitution +entschieden verurteilen. Mutterschutz: Die Mutter muß gegen +ihre Kinder geschützt werden (neue sensationelle +Auffassung), sagte eine Dame.<br /> +– – – Sie, eine Germanistin, warf in die Debatte: »Wo du +deinen Glauben gelassen hast, mußt du ihn holen.«</p> + +<p> +XI. Kohns zweite Geliebte: Backfisch (in der einen Hand +hatte sie eine illustrierte Himmelskunde).<br /> +Er liebte sie in der Weise: Er schrieb sich häufig auf, wenn +sie etwas Komisches sagte, um es später zu verwenden +(schriftstellerisch). Aber in einem Kaffeegarten an einem +Teich – überall war schon Abend, und Dunst hing wie Schleier +an den Bäumen und Tischen und Kellnern – nahm er sein +Notizbuch aus der ausgerissenen Innentasche seines +Oberrockes und las ihr leise vor ... Sie lachte und er +lachte – stiller und unglücklich. Jeder dachte: Das ist +nicht das Richtige ... Sie dachte noch: Der ist nicht +innig... Er dachte noch: Das arme Ding, wie fern ist sie +mir... Dann gingen sie rudern.</p> + +<p> +XII. Kneipenszene in Nürnberg: Kunstmayer.<br /> +Alle selig besoffen, können kaum noch richtig sprechen. +Lallen. Einer sagt: »Dede do dadä.« – – – Ob sichs lohnt um +dieser tierisch Dahindösenden? – – – »Sieh, wie ein +Ochsenauge ist der Blick dieses Arbeiters nach innen +gekehrt«, sagte Paulus.<br /> +»Die oberen Zehntausend regieren die Welt«, brummte der +Kellner bitter, dann spielte er eine wilde Variation von +»Puppchen, du bist mein Augenstern« auf einer Mundharmonika. +Von Zeit zu Zeit schlug er dann gegen eine Kante. Die Hand +rieb er an einem Ärmel oder Hosenbein blank.<br /> +Karl Kunstmayer, heruntergekommener Kabarettist: Ich +schweinigle gern... – Ein ganz famoser Kerl, philosophisch +tip top, aber ist zu ideal – – –<br /> +man war in wehmütiger Stimmung. Kunstmayer sang leise: »Das +haben die Mädchen so gerne.«</p> + +<p> +XIII. Ertrinken im Meer.<br /> +Ich habe eine Angst, daß auch das Mädchen ersoffen ist. +Nebenbuhler in dem Meer verunglückt (ertrunken). »Es ist +gemein, daß man darüber höchstens ein Gedicht machen kann +oder plötzlich den Schluß zu einer Geschichte findet«, +schrie der tote Kohn. Während sie gingen, fanden sie überall +weiße Sonderblätter der Zeitung über das Geschehnis. – – – +»Das ist eine Brutalität«, sagte ein anderer. »Dies ist der +richtige Ausdruck.« – »Endlich!« Seufzte erlöst ein anderer. +Kohn schrie: »Ich will aber keinen Schluß zu einer +Geschichte haben. Das ist gemein. Ich komme von Sinnen. +Aufpeitschen will ich. Quälen will ich euch, nicht euch +befriedigen. Heulschreie müßt ihr aus euch stoßen. Ihr müßt +euch auflösen in Schmerzen.« Der tote Kohn wurde nicht +empfunden.</p> + +<p> +Detektiv Daniel</p> + +<p> +ein Gewitter machte Krach. Der Detektiv Daniel fuhr aus dem +Schlaf. Er sagte: »Die verfluchte Ruhestörung.« Da klopfte +es erregt an die Tür. Die Tänzerin Lola Lalà fand sich +ein.<br /> +»Es gibt viel zu wenig Einbrecher«, sagte der Detektiv +Daniel. »Es gibt weniger Mörder, als man denkt«, sagte +Daniel, die ängstliche Frau beruhigend.</p> + +<p> +Max Mechenmal</p> + +<p> +er nahm das junge Ding, nachdem er sich erst nach dem Alter +erkundigt hatte, nur erotisch überlegend, daß er zu ihr +Liebesworte spreche und sich im stillen darüber lustig +mache, also ein recht schlechter Kerl sei. Einigermaßen +stolz auf die Erkenntnis seines schlechten Charakters, +beruhigte er sich und beschloß, das Ding zu vergewaltigen.</p> + +<p> +Berthold Bryller</p> + +<p> +»Kuno Kohn ist dasselbe in Grün, was Else Lasker-Schüler in +Blau ist«, sagte Bryller.<br /> +Wenn er ein Mädchen loswerden wollte, erzählte er ihr +wunderschön-rührend von seiner Lues, stellte sich als +Märtyrer dar, der um ihrer Gesundheit willen das Opfer +bringe. Die meisten Mädchen hielten ihn weinend für einen +bedeutenden und sehr edlen Menschen. Nur eine fragte einmal +unverschämt, warum er das nicht vorher erzähle.<br /> +Gegensatz zwischen dem wurstigen gewandten Nihilismus +Bryllers und der reinen Verzweiflung des Paulus.</p> + +<p> +Oberlehrer Laaks</p> + +<p> +ich habe Sehnsucht, Liebe und was weiß ich für sie. – Da +könnten komische Dinge geschehen.</p> + +<p> +Lola Lalà</p> + +<p> +sie prahlte mit ihrer zeitweisen und teilweisen +Unberührtheit.<br /> Sie sagte: Wie gesagt, ich bin +sichtlich erschrocken. ––Ich –– +––finde dies mit Recht –– +––albern. – – – Diese +–– ––wirklich kurzen Zeilen. +–– ––––– Er liebt +mich nur erotisch. ––– Ich lüge ja immer. +– – – Der hat mich sehr –– +––lieb. – – Jede Tänzerin hat +bekanntlich einen –– ––Freund. +– – –</p> + +</body> +</html> |