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+++ b/OEBPS/Text/gedichte/capriccio/09_der_barbier_des_hugo_von_hofmannsthal.html
@@ -0,0 +1,63 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
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+ "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">
+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Der Barbier des Hugo von Hofmannsthal</title>
+</head>
+<body>
+
+<h4>Der Barbier des Hugo von Hofmannsthal</h4>
+
+<p>
+So steh ich nun die trüben Wintertage<br />
+Von früh bis spät und seife Köpfe ein,<br />
+Rasiere sie und pudre sie und sage<br />
+Gleichgültge Worte, dumme, Spielerein.<br />
+Die meisten Köpfe sind ganz zugeschlossen.<br />
+Sie schlafen schlaff. Und andre lesen wieder<br />
+Und blicken langsam durch die langen Lider,<br />
+Als hätten sie schon alles ausgenossen.<br />
+Noch andre öffnen weit die rote Ritze<br />
+Des Mundes und verkünden viele Witze.</p>
+
+<p>
+Ich aber lächle höflich. Ach, ich berge<br />
+Tief unter diesem Lächeln wie in Särge<br />
+Die schlimmen, überwachen, weisen Klagen,<br />
+Daß wir in dieses Dasein eingepreßt,<br />
+Hineingezwängt sind, unentrinnbar fest<br />
+Wie in Gefängnisse, und Ketten tragen,<br />
+Verworrne, harte, die wir nicht verstehen.<br />
+Und daß ein jeder fern sich ist und fremd<br />
+Wie einem Nachbar, den er gar nicht kennt.<br />
+Und dessen Haus er immer nur gesehen hat.</p>
+
+<p>
+Manchmal, während ich an einem Kinn rasiere,<br />
+Wissend, daß ein ganzes Leben<br />
+In meiner Macht ist, daß ich Herr nun bin,<br />
+Ich, ein Barbier, und daß ein Schnitt daneben,<br />
+Ein Schnitt zu tief, den runden frohen Kopf,<br />
+Der vor mir liegt (er denkt jetzt an ein Weib,<br />
+An Bücher, ans Geschäft), abreißt von seinem Leib,<br />
+Als wäre er ein lockrer Westenknopf &ndash;<br />
+Dann überkommt's mich. Plötzlich&hellip; Dieses Tier.<br />
+Ist da. Das Tier&hellip; Mir zittern beide Knie.<br />
+Und wie ein kleiner Knabe, der Papier<br />
+Zerreißt (und weiß es nicht, warum),<br />
+Und wie Studenten, die viel Gaslaternen töten,<br />
+Und wie die Kinder, die so sehr erröten,<br />
+Wenn sie gefangner Fliegen Flügel brechen,<br />
+So möchte ich oft wie von ungefähr,<br />
+Wie wenn es eine Art Versehen wär,<br />
+An solchem Kinn mit meinem Messer ritzen.</p>
+
+<p>
+Ich säh zu gern den roten Blutstrahl spritzen.</p>
+
+</body>
+</html>