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  <title>Mabel Meier</title>
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<body>

<h4>Mabel Meier</h4>

<p>
Es war spät. Ich ging den Kurfürstendamm entlang. In
Abständen sah ich Leute, häufig hörte ich die Geräusche von
Fahrzeugen. An der Fasanenstraße standen zwei; die &hellip;
schämten sich, als ich nahe war.</p>

<p>
Mädchen kamen, die sich verspätet hatten. Wenige, die Geld
verdienen wollten. Ich sah die lange Dirne, die sich jeden
Abend in der Joachimsthalerstraße herumtreibt. Ich erkannte
sie an dem Unterrock. Sie lachte zu mir herüber &ndash;</p>

<p>
Ich ging langsam. Ein Kriminalbeamter beobachtete mich. Ich
ging weiter. Vor mir lief eine Frau, die blieb oft stehen
und heulte.</p>

<p>
Ich dachte nicht nach. Ich schaute zu den Sternen und fand
keinen Wunsch. Ich merkte, daß ich ohne Beziehung zu mir
bin. Ich betrachtete mich gleichgültig wie einen fremden
Gegenstand. &hellip; Ich schüttelte den Kopf, daß der alte Mann
so spät allein am Kurfürstendamm ging&hellip; Und zu den Sternen
murmelte&hellip; Und so sonderbar war.</p>

<p>
Ich begegnete einer Dame, die sagte: Au &ndash; Ich sagte: Darf
ich Sie begleiten. Die Dame sagte: Bitte. &ndash; Es war ziemlich
dunkel. Wir gingen miteinander; die Diame erzählte: Sie
heiße Meier, der Rufname sei aber Mabel. Sie wohne am
Kurfürstendamm. Bei Verwandten, die hätten eine
Portierstelle. Im übrigen sei sie Choristin am
Metropoltheater.</p>

<p>
Die Dame war nicht schön und nicht jung, aber sie sah
zugänglich aus. Ich hatte keinen Grund schüchtern zu sein. &ndash;</p>

<p>
Vor dem Haus, in dem die Dame wohnte, blieben wir stehen.</p>

<p>
Ich machte den Vorschlag, noch ein Hotel aufzusuchen. Die
Dame schien nicht abgeneigt zu sein, sie sagte: Nee! &ndash; Ich
sagte: Wieso? &ndash; Die Dame sagte: Sie habe Trauer. &ndash; Ich
fragte, wer gestorben sei. &ndash; Sie sagte: Papa! &ndash; Ich sagte:
Sie wollen also nicht? &ndash; Ueber das Gesicht der Dame kam ein
Lächeln. Sie schaute träumerisch zu einer Laterne &ndash; &ndash; &ndash;</p>

<p class="source">Der Sturm, Nr, 36, 3. November 1910, S. 287</p>

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