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--- /dev/null
+++ b/OEBPS/Text/03.html
@@ -0,0 +1,94 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
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+ <title>Drittes Kapitel</title>
+</head>
+<body>
+
+ <h3 class="spaced center">Drittes Kapitel</h3>
+
+ <p class="center">Die Geschichte von den Vorhängen</p>
+
+ <p>&nbsp;</p>
+
+<p>
+Ich stand vor einem grossen Stück aus Sackleinwand und
+schrie: »Knoten seid ihr.«</p>
+
+<p>
+»Müssen Sie denn immer schimpfen?«</p>
+
+<p>
+»Unterbrechen Sie mich nicht. Aber ich habe das Bedürfnis,
+mich zu dokumentieren. Bald merkte ich es, dass niemand
+anders die Sackleinwand sei, als ich. Es war die erste
+Selbsterkenntnis. Aber ich drang weiter. Ein grosses
+Gepolter begann. Ein Sturm zerriss mich. Ich schrie vor
+Schmerz. Ich merkte, wie der grösste Teil der Leinwand zum
+Teufel ging. Aber dann war ich total von mir geblendet.
+Denken Sie, ich war ein stählernes Gebirge, das auf dem Kopf
+stand. Zarte Seelenblumen cachierten die Abgründe, die mit
+keinem Schock Sofakissen auszufüllen waren. Ich begriff den
+ganzen Unsinn und merkte, dass ein Sandkorn bei weitem
+wertvoller sei, als eine unendliche Welt. Es ging mir auch
+das Infinitesimale, das Wunder der Qualität, auf, das weder
+historisch, noch sonst wie aufgelöst werden kann. Jedenfalls
+merkte ich mir, dass es lediglich auf eine möglichst
+ungehinderte Bewegung ankomme. Ich gestehe zu, dass hier das
+Logische nicht ausreicht, weil jedes Axiom das andere
+widerlegt. Denken Sie daran, dass man mit dem Satze vom
+kausalen Denken eben gerade auf das Unkausale kommt, aber
+mit grüner Ergebung gehe ich auf die Hauptsache los. Ich
+sagte mir, Böhm werde dich los. Alles Persönliche ist
+unproduktiv. Sei Vorhang und zerreisse dich. Beschimpfe dich
+so lange, bis du etwas anderes bist. Sei Vorhang und
+Theaterstück zugleich. Wenn du eine Sehnsucht hast, dann
+handle stets im umgekehrten Sinn; denn sonst steckst du zu
+bald im Leim. Ich habe es stets gesagt, das Umgekehrte ist
+genau so richtig. Aber gehen Sie nicht mehr auf zwei Beinen.
+Warum amputieren Sie nicht eins heroisch unter der Bettdecke
+weg?</p>
+
+<p>
+Genuss verlangt Selbstbeherrschung und Qual. Grundsatz:
+vermeiden Sie das Gleichgewicht.</p>
+
+<p>
+Sie sehen, meine silberne Gehirnschale ist asymmetrisch.
+Darin liegt meine Produktivität. Ueber den sich fortwährend
+verändernden Kombinationen verlieren Sie das unglückselige
+Gedächtnis für die Dinge und den peinlichen Hang zum
+Endgültigen. Was Sie bisher nicht zu denken wagten. Die Welt
+ist das Mittel zum Denken. Es handelt sich nicht um
+Erkennen, das ist eine phantastische Tautologie. Hier geht
+es um Denken, Denken. Dadurch ändert sich die ganze Affäre,
+mein Herr. Genies handeln nie, oder sie handeln nur
+scheinbar. Ihr Zweck ist ein Gedanke, ein neuer, neuester
+Gedanke.</p>
+
+<p>
+Mein Herr, verstehen Sie jetzt den grossen Napoleon? Der
+Mann war nicht ehrgeizig. Das ist die Projektion der
+Universitätsintriguen und der Dilettanten. Der Mann
+versuchte immer neue Mittel, um denken zu können; aber er
+war etwas Ideologe. Nur eines bitte ich mir aus: werfen Sie
+mich nicht mit der haltlosen Gefühlsduselei eines
+Pantheisten zusammen. Diese Leute haben nie ein gutes Bild
+begriffen; da steckt ihr Fehler. Das sind unkonzentrierte
+Gymnasiasten, die deswegen über einen Begriff nicht
+hinauskommen, und gerade den leugne ich. Der Begriff ist
+gerade so ein Nonsens, wie die Sache. Man wird nie die
+Kombinaton los. Der Begriff will zu den Dingen, aber gerade
+das Umgekehrte will ich. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf
+den Genuss. Sie wissen nun, dass mein Ende fast als ein
+tragisches zu bezeichnen ist. Ziehen Sie sich aber an. Wir
+wollen einer hypothetischen Handlung beiwohnen, nämlich
+meinem Seelenamt.«</p>
+
+</body>
+</html>