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diff --git a/OEBPS/Text/09.html b/OEBPS/Text/09.html new file mode 100644 index 0000000..1dce8f4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/09.html @@ -0,0 +1,174 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Neuntes Kapitel</title> +</head> +<body> + + <h3 class="spaced center">Neuntes Kapitel</h3> + +<p> +Aber selbstverständlich, man fliegt nicht immer. Beim +vierten Glas rohen Wiskys sitzt man wieder schwer.</p> + +<p> +Euphemia sagte:</p> + +<p> +»Böhm ist doch ein törichter Mensch, ich weiss nie, ob er +lebt oder tot ist.«</p> + +<p> +Drei Arbeiter klumpten in die Bar.</p> + +<p> +Das elektrische Licht erinnerte sie an das der Fabrik.</p> + +<p> +Sie hatten zu fordern. Einer langte sich eine Flasche Sekt.</p> + +<p> +Ein sensibler Kellner keifte. Er zuckte nervös mit dem Knie.</p> + +<p> +Sein Vater war Hausknecht in einem bürgerlichen Lokal.</p> + +<p> +»Meine Herren, Sie kennen nicht den Schmerzkakadu. Es ist +nicht ratsam, sich zu betrinken.«</p> + +<p> +Eine rote Arbeiterbluse mit einem blaubeglühten Schädel +dröhnte.</p> + +<p> +»Wir nippen bloss.«</p> + +<p> +Nahm einige Likörflaschen unter den Arm, und die +Schauspielerin Fredigonde Perlenblick.</p> + +<p> +»Athlet,« stöhnte sie verzückt.</p> + +<p> +Euphemia sagte verächtlich apodiktisch:</p> + +<p> +»Kühe sind Wiederkäuer, sei es Heu, sei es Shakespeare. Kühe +lieben Stiere.«</p> + +<p> +Man hörte von der Strasse die schimpfende Tragödie.</p> + +<p> +»Explosive Seele.«</p> + +<p> +Sie hob ihre Röcke sehr hoch.</p> + +<p> +Ihr Auto raste gierig davon.</p> + +<p> +Es rollte den Asphalt auf, glitschte über die Reflexe der +Gaslampen und der letzten Bummler. </p> + +<p> +Jetzt mag d'Annunzio weiterschreiben.</p> + +<p> +In der Bar sang man den Cantus der Gottesstreiter, zur +Erbauung und Stärkung von Böhms Leiche. Lippenknabe +schmeckte die trabende Melodie auf der Zunge wie Ricinusöl.</p> + +<p> +»Böhm ruiniert uns jedes Formgefühl. Der Kerl ist doch tot, +wenn er auch hier herumflunkert.«</p> + +<p> +Man brach eine begonnene Debatte ab. Herein kam eine Dame, +hintendrein ein dünner, ziemlich durchsichtiger Herr.</p> + +<p> +Er stellte sich mit dem Gesicht in eine Ecke und litaneite.</p> + +<p> +»Ehmke Laurenz, Platoniker gehe nur Nachts aus, weil es da +keine Farben gibt. Ich suche die reine ruhende einsame Idee, +diese Dame tatkräftig rhythmische Erregung. Ich bin +eigentümlich, da ich von zwei Dingen ruiniert werde, einem +höheren der Idee und einem niederen der Dame.«</p> + +<p> +»Ja, aber ruinieren Sie doch die beiden, die sich bedingen, +zum mindesten Ihre blödsinnige Ideologie vom Sein, von der +Langeweile, dem Tod. Das ist nur eine Müdigkeit, ein Defekt, +Platonismus ist Anaesthesie. Reissen Sie sich doch die Augen +aus und die Ohren, dann haben Sie Ihren Platonismus zu Wege +gebracht.«</p> + +<p> +Aurora, die Frau des Kauzes, der prinzipiell farblose +Schnäpse trank, näherte sich und sagte: </p> + +<p> +»Ehmke macht kontemplativ.« Ehmke schrak zusammen, blickte +sie erst flehend, dann voll Verachtung an, sagte: »Du kennst +mich nicht« – aber sie »dafür Du mich;« er grinste wie +ein kleiner Idiot, senkte den Kopf zum Nabel, die Farbe ging +ihm aus dem Gesicht, und schaute gelassen auf seinen Bauch.</p> + +<p> +Inzwischen war sie liebevoll.</p> + +<p> +Da die beiden schliesslich störten, liess man sie +hinauswerfen, denn nichts ist so überflüssig, langweilig, +wie ein Ideologe und eine Hure. Beide haben die banalste +Form des Spleens.</p> + +<p> +Nach kurzer Weile kam ein Fremder ins Lokal, unauffällig im +Frack wie jeder.</p> + +<p> +Böhm tänzelte bald aus der Cognaksorte und rief: »das ist +er.«</p> + +<p> +Euphemia ging wie in der Hypnose auf den Unbekannten zu und +sagte: »Sie sind uns ganz fremd, aber furchtbar deutlich, +ich soll mich Ihnen geben.«</p> + +<p> +Der Fremde sagte mit mittlerer Stimme.</p> + +<p> +»Bitte kommen Sie mit mir.«</p> + +<p> +»Und warum sollen wir Gott nicht lieben,« sagte leise +Bebuquin.</p> + +<p> +»Denn das Unbekannte ist der Liebling des forschenden +Schöpfers,« flüsterte Lippenknabe.</p> + +<p> +Die Uhr tönte die Sekunden, jede Sekunde war plastisch +deutlich, das Auge sah den Klang. Die Erde war ihnen einen +Augenblick ein kristallen Feuer, die Menschen von +durchsichtigem Glas.</p> + +<p> +Bebuquin seufzte. Gegen die Scheiben fiel aus dem farbigen +Morgenwind der beginnende Regen.</p> + +</body> +</html> |