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diff --git a/OEBPS/Text/09.html b/OEBPS/Text/09.html new file mode 100644 index 0000000..3bf17ce --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/09.html @@ -0,0 +1,103 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>IX, 11. November 1911</title> +</head> +<body> + +<h3>IX, 11. November 1911</h3> + +<p> +Lieber Herwarth, ich habe dem Dalai-Lama in Wien für die +Fackel ein Manuskript geschickt. Hier die Abschrift.</p> + +<p> +Wertester Dalai-Lama, sehr geehrter Minister, ich möchte +ihnen etwas vom Himmel erzählen, den ich meiner Mutter +widme.</p> + +<p> +<strong>Vom Himmel</strong></p> + +<p> +In sich muß man ihn suchen, er blüht am liebsten im +Menschen. Und wer ihn gefunden hat, ganz zart noch, ein +blaues Verwundern, ein seliges Aufblicken, der sollte seine +Blüte Himmel pflegen. Von ihr gehen Wunder aus; unzählige +Wunder ergeben Jenseits. Könnte ich nur immer um mich sein, +der himmlischen Beete möchte ich ziehen. Wie man versöhnt +mit sich sein kann, und Eigenes sein Ewiges küßt. Hätte ich +je einen Menschen so unumstößlich erlebt, wie ich mich! +Zweitönig Pochen, vertrautes Willkomm. Rundeilen meine +Gedanken um mich, um alles Leben – das ist die große +Reise um aller Herzen Schellengeläute und Geflüster, über +Wälle, die Jubel aufwarf, über Gründe der Versunkenheit; und +falle in Höhlen, die der Schreck grub – und immer +wieder seine Herztapfen wiederfinden, seinen Blutton, bis +man den ersten Flügelschlag in sich vernimmt, sein +Engelwerden – und auf sich herabblickt – süße +Mystik. Und irrig ist, den Himmelbegnadeten einen Träumer zu +nennen, weil er durch Ewigkeit wandelt und dem Mensch +entkam, aber mit Gott lächelt: St. Peter Hille. – Was +wissen die Armen, denen nie ein Blau aufging am Ziel ihres +Herzens oder am Weg ihres Traums in der Nacht. Oder die +Enthimmelten, die Frühblauberaubten. Es kann der Himmel in +ihnen kein Licht mehr zum blühen finden. Aber Blässe +verbreitet der Zweifler, die Zucht des Himmels bedingt +Kraft. Ich denke an den Nazarener, er sprach erfüllt vom +Himmel und prangte schwelgend blau, daß sein Kommen schon +ein Wunder war. er wandelte immerblau über die Plätze der +Lande. Und Buddha, der indische Königssohn, trug die Blume +Himmel in sich in blauerlei Mannichfaltigkeit Erfüllungen. +Und Goethe und Nietzsche (Kunst ist reden mit Gott) und alle +Aufblickende sind Himmelbegnadete und gerade Heine überzeugt +mich, Himmel hing noch über ihn hinaus und darum riß er +fahrläßig an den blauen Gottesranken, wie ein Kind wild die +Locken seiner Mutter zerrt. Hauptmanns Angesicht und auch +Ihres, Dalai-Lama, wirken blau. Den Himmel kann sich niemand +künstlich verdienen, aber mancher pflückt die noch nicht +befestigte, junghimmlische Blüte im Menschen +ab. <span class="spaced">Das sind die Teufel</span>. Ihr +Leben ist ohne Ausblick, ihr Herz ohne Ferne. Der Nazarener +am Kreuz wollte dem Teufel neben sich noch eine sanfte +Wolke, einen Tropfen Tau seines Himmels schenken. Doch eher +ist ein Taubstummer zu überzeugen, als ein Glaubdummer. Der +ist ein Selbstverbrecher.</p> + +<p> +Man kann nicht in den Himmel kommen, hat man ihn nicht in +sich, nur Ewiges drängt zur Ewigkeit. Es öffnet sich dem +Himmelblühenden <span class="spaced">nicht</span> wegen +seiner guten Taten der Himmel, verdammen ihn auch nicht +seine schlechten Handlungen zum Staube. Der Himmel belohnt +und verdammt nicht. Aber Wertewiges bedingt den Himmel. Der +spiegelt sich gerne im Menschen, unbegreiflich, wie Gott +selbst. Reich und besonnen ist der himmlische Träger. Die +Wunder der Propheten, die Werke der Künstler und alle +Erleuchtungen, auch die unberechenbare Spiellust im Auge +steigen aus der Ewigkeit, der bleibenden Bläue des Herzens. +Manchmal überkommt mich eine schmerzliche Verantwortung, +aber man kann nicht tief genug in sich schauen und zum +Himmel aufblicken.</p> + +<p> +Die Gottheit Himmel ist nicht zu greifen, sie wäre bald +vergriffen – die Ewigkeit ist nicht einmal zu +verkürzen. Die Gottheit Himmel im Menschen ist Genie.</p> + +<p> +<br />Leben Sie wohl, sehr verehrter Minister, mein Himmel +macht mich nicht glücklich im irdischen Sinne, ich kann ihn +nicht teilen. Wunderbar aber spielen sich die tiefsten +Erinnerungen meines Blutes in dem Glänze meines Blaus +wieder. Fata-Morgana. Spätes Verwundern, seliges Aufblicken, +– Tragen Sie den Saphir meiner blauen Abendstunden zum +Andenken an Ihrer grübelnden Hand.</p> + +</body> +</html> |