aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/der-aufbruch/03-die-spiegel/43-abendschluss.html
blob: 72e73e8d0b752957709ea11f234d1a6bacabf5c0 (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
  "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
<head>
  <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
  <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
  <title>Abendschluß</title>
</head>
<body>

<h3>Abendschluß</h3>

<p>
  <span class="indent">Die Uhren schlagen sieben. Nun gehen überall in der Stadt die Geschäfte aus.</span><br />
  <span class="indent">Aus schon umdunkelten Hausfluren, durch enge Winkelhöfe aus protzigen Hallen drängen sich die Verkäuferinnen heraus.</span><br />
  <span class="indent">Noch ein wenig blind und wie betäubt vom langen Eingeschlossensein</span><br />
  <span class="indent">Treten sie, leise erregt, in die wollüstige Helle und die sanfte Offenheit des Sommerabends ein.</span><br />
  <span class="indent">Griesgrämige Straßenzüge leuchten auf und schlagen mit einem Male helleren Takt,</span><br />
  <span class="indent">Alle Trottoirs sind eng mit bunten Blusen und Mädchengelächter vollgepackt.</span><br />
  <span class="indent">Wie ein See, durch den das starke Treiben eines jungen Flusses wühlt,</span><br />
  <span class="indent">Ist die ganze Stadt von Jugend und Heimkehr überspült.</span><br />
  <span class="indent">Zwischen die gleichgiltigen Gesichter der Vorübergehenden ist ein vielfältiges Schicksal gestellt&nbsp;&ndash;</span><br />
  <span class="indent">Die Erregung jungen Lebens, vom Feuer dieser Abendstunde überhellt,</span><br />
  <span class="indent">In deren Süße alles Dunkle sich verklärt und alles Schwere schmilzt, als wär es leicht und frei,</span><br />
  <span class="indent">Und als warte nicht schon, durch wenig Stunden getrennt, das triste Einerlei</span><br />
  <span class="indent">Der täglichen Frohn &ndash; als warte nicht Heimkehr, Gewinkel schmutziger Vorstadthäuser, zwischen nackte Mietskasernen gekeilt,</span><br />
  <span class="indent">Karges Mahl, Beklommenheit der Familienstube und die enge Nachtkammer, mit den kleinen Geschwistern geteilt,</span><br />
  <span class="indent">Und kurzer Schlaf, den schon die erste Frühe aus dem Goldland der Träume hetzt&nbsp;&ndash;</span><br />
  <span class="indent">All das ist jetzt ganz weit &ndash; von Abend zugedeckt &ndash; und doch schon da, und wartend wie ein böses Tier, das sich zur Beute niedersetzt,</span><br />
  <span class="indent">Und selbst die Glücklichsten, die leicht mit schlankem Schritt</span><br />
  <span class="indent">Am Arm des Liebsten tänzeln, tragen in der Einsamkeit der Augen einen fernen Schatten mit.</span><br />
  <span class="indent">Und manchmal, wenn von ungefähr der Blick der Mädchen im Gespräch zu Boden fällt,</span><br />
  <span class="indent">Geschieht es, daß ein Schreckgesicht mit höhnischer Grimasse ihrer Fröhlichkeit den Weg verstellt.</span><br />
  <span class="indent">Dann schmiegen sie sich enger, und die Hand erzittert, die den Arm des Freundes greift,</span><br />
  <span class="indent">Als stände schon das Alter hinter ihnen, das ihr Leben dem Verlöschen in der Dunkelheit entgegenschleift.</span>
</p>

</body>
</html>