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<title>Meer</title>
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<h3>Meer</h3>
<p>
<span class="indent">Ich mußte gleich zum Strand. In meinem Blute scholl</span><br />
<span class="indent">Schon Meer. O schon den ganzen Tag. Und jetzt die Fahrt im gelbumwitterten Vorfrühlingsabend. Rastlos schwoll</span><br />
<span class="indent">Es auf und reckte sich in einer jähen frevelhaften Süße, wie im Spiel</span><br />
<span class="indent">Sich Geigen nach den süßen Himmelswiesen recken. Dunkel lag der Kai. Nachtwinde wehten. Regen fiel . .</span><br />
<span class="indent">Die Böschung abwärts . . durch den Sand . . zu dir, du Flut und Wollust schwemmende Musik,</span><br />
<span class="indent">Du treibend Glück, du Orgellied, bräutlicher Chor! Zu meinen Füßen</span><br />
<span class="indent">Knirschen die Muscheln . . weicher Sand . . wie Seidenmatten weich . . ich will dich grüßen,</span><br />
<span class="indent">Du lang Entbehrtes! O der Salzgeschmack, wenn ich die Hände, die der Schaum bespritzte, an die Lippen hebe . .</span><br />
<span class="indent">Viel Dunkles fällt. Es springen Riegel. Bilder steigen. Um mich wird es rein. Ich schwebe</span><br />
<span class="indent">Durch Felder tiefer Bläue. Viele Tag' und Nächte bauen</span><br />
<span class="indent">Sich vor mich hin wie Träume. Fern Verschollnes. Fahrten übers Meer, durch Sternennächte. Durch die Nebel. Morgengrauen</span><br />
<span class="indent">Bei Dover . . blaues Geisterlicht um Burg und Shakespeare's – Cliff, die sich der Nacht entraffen,</span><br />
<span class="indent">Und blaß gekerbte Kreidefelsen, die wie Kiefer eines toten Ungeheuers klaffen.</span><br />
<span class="indent">Sternhelle Nacht weit draußen auf der Landungsbrücke, wo die Wellen</span><br />
<span class="indent">Wie vom Herzfeuer ihrer Sehnsucht angezündet, Funken schleudernd, an den braunen Bohlen sich zerschellen.</span><br />
<span class="indent">Und blauer Sommer: Sand und Kinder. Bunte Wimpel. Sonne überm Meer, das blüht und grünt wie eine Frühlingsau.</span><br />
<span class="indent">Und Wanderungen, fern an Englands Strand, mit der geliebten Frau.</span><br />
<span class="indent">Und Mitternacht im Hafen von Southampton: schwer verhängte Nacht, darin wie Blut das Feuer der Kamine loht,</span><br />
<span class="indent">Und auf dem Schiff der Vater . . langsam bricht es in das Schwarz, nach Frankreich zu . . und wenig Monde später war er tot . .</span><br />
<span class="indent">Und immer diese endlos hingestreckten Horizonte. Immer dies Getön: frohlockender und kämpfender Choral –</span><br />
<span class="indent">Du jedem Traum verschwistert! Du in jeder Lust und jeder Qual!</span><br />
<span class="indent">Du Tröstendes! Du Sehnsucht Zeugendes! In dir verklärt</span><br />
<span class="indent">Sich jeder Wunsch, der in die Himmel meiner Schicksalsfernen fährt,</span><br />
<span class="indent">Und jedes Herzensheimweh nach der Frau, die jetzt im hingewühlten Bette liegt</span><br />
<span class="indent">Und leidet, und zu der mein Blut wie eine Möwe, heftige Flügel schlagend, fliegt.</span><br />
<span class="indent">Du Hingesenktes, Schlummertiefes! Horch, dein Atem sänftigt meines Herzens Schlag!</span><br />
<span class="indent">Du Sturm, du Schrei, aufreißend Hornsignal zum Kampf, du trägst auf weißen Rossen mich zu Tat und Tag!</span><br />
<span class="indent">Du Rastendes! Du feierlich Bewegtes, Nacktes, Ewiges! Du hältst die Hut</span><br />
<span class="indent">Über mein Leben, das im Schachte deines Mutterschoßes eingebettet ruht.</span>
</p>
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