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ETWAS VON DER ARBEIT
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:initial:`S`\ icherlich ist in andern Städten der
Lebensgenuß, das Vergnügen, die Zerstreuung bemerkenswerter.
Dort verstehn es vielleicht die Leute, sich sowohl
ursprünglicher als auch gepflegter zu unterhalten. Ihre
Freuden sind sichtbarer und schöner. Dafür hat aber Berlin
seine besondere und sichtbare Schönheit, wenn und wo es
arbeitet. In seinen Tempeln der Maschine muß man es
aufsuchen, in seinen Kirchen der Präzision. Es gibt kein
schöneres Gebäude als die monumentale Halle aus Glas und
Eisenbeton, die Peter Behrens für die Turbinenfabrik in der
Huttenstraße geschaffen hat. Und von keiner Domempore gibt
es ein eindrucksvolleres Bild als, was man von der
Randgalerie dieser Halle sieht, in der Augenhöhe des Mannes,
dessen Luftsitz mit Kranen wandert, welche schwere
Eisenlasten packen und transportieren. Auch ehe man
versteht, in welcher Art die metallenen Ungeheuer, die da
unten lagern, zur Bereitung ähnlicher und andersartiger
Ungeheuer dienen, ist man von ihrem bloßen Anblick
ergriffen: Gußstücke und Gehäuse, noch unbearbeitete
Zahnkranztrommeln und Radwellen, Pumpen und Generatoren halb
vollendet, Bohrwerke und Zahnradbetriebe fertig zum Einbau,
riesige und zwergige Maschinen auf dem Prüfstand, Teile von
Turbogeneratoren in der betonierten Schleudergrube.
Während wir in dieser Halle mehr bestaunen als begreifen,
wird uns in den kleineren Werkstätten manches zugänglicher.
Wir sehen, wie Nickelstahl in Stangenform auf der Schaufel
gefräst und geschliffen wird, wie in die Rinnen der
Induktorwelle blecherne Zähne eingeschoben werden, wie die
gewickelten Erregerspulen zwischen das Zahnwerk greifen. Wir
besuchen die Schmiede, wo die Arbeiter glühende Eisenstücke
unter den Dampfhammer halten, der sie kerbt und hobelt wie
weiches Wachs.
Wir stehn am Wasser vor der Transformatorenfabrik und sehen,
wie Kohle aus dem Spreekahn mit der Laufkatze herübergekrant
wird in eine Art Eisenhammer, um dort ganz ohne Menschenhand
in Kohlenstaub verwandelt zu werden. Wir treten in die
Halle, in der niemand zugegen ist, und sehn die Verbrennung
in glühender Grotte. Nach den Räumen mit den großen
Maschinen besuchen wir Säle, wo Arbeiterinnen ganz dünnen
Draht spulen, Hartpapier walzen und zu Schichten ganz
leichter harter glatter Rollen pressen, wo von Hand zu Hand
das schmale Stanzplättchen wandert, das geglüht, geölt,
geschnitten wird.
In der Zählerfabrik macht ein Griff der Maschine aus der
Blechplatte eine Schüssel mit hochgebogenem Rand, ein
zweiter durchlocht sie. Funkensprühend wird sie genietet und
geschweißt. Magnete werden eingefügt. Das ganze Haus ist
eine Kette der Arbeit, die ununterbrochen die Werkbänke hin
von Stockwerk zu Stockwerk wandert und in weitertragende
Schachte geschoben wird. Alle Teile und Teilchen, die den
sitzenden Frauen zur Hand liegen, werden dem werdenden
Zähler eingefügt, angesetzt, eingeschraubt und geprüft; und
zuletzt wird das ganze Zählergebäude verpackt. Stahlbänder
schieben sich um Kisten, die auf Rollen zum Fahrstuhl
gefördert und auch dort nicht von Menschenhand, sondern
mittels eines Hebels angehoben werden. Alle Kraftvergeudung
und schwächende Anstrengung wird erspart; immer mehr wird
der Arbeiter nur noch Wächter und Anlasser der Maschine. Und
wie die Maschinenteile, so wandern auf laufendem Bande auch
Tassen und Becher, in welche die Mädchen ihren Tee, Kaffee
und Kakao getan haben, und der kommt dann von seinem
Rundgang durch die Küche gekocht und fertig zu ihnen zurück.
Jede, die da sitzt, hat hinter dem laufenden Band nur ein
kleines Stückchen Tisch für sich, und doch ist Platz genug,
daß die Nachbarinnen der, die heute Geburtstag hat, ein paar
bunte Tassen, Teller und Löffelchen aufschichten konnten,
die hinter dem Wanderwerk rührend stillstehn.
Es ist nicht nötig, alles zu verstehn, man braucht nur mit
Augen anzuschauen, wie da etwas immerzu unterwegs ist und
sich wandelt. Da ist in einer dieser Stätten andächtigen
Eifers ein Metall, von dem man dir erzählt, daß es einen
besonders hohen Schmelzpunkt hat und sehr schwer verdampft.
In Öfen kann’s nicht geschmolzen werden, die würden in
Stücke gehn, darum muß das aus dem Mineral gewonnene
Metallpulver durch Pressen, Sintern, Hämmern und wieder
Glühen allmählich zum festen Stab und weiter zum Draht
geformt werden. Und nun kannst du sehn, wie der Draht durch
Hämmermaschinen und durch Ziehsteine geht, an den Enden
gespitzt und so lange geglüht und gezogen wird, bis er zum
haarfeinen Fädchen geworden ist, das in der Glühlampe
gebraucht wird. All das machen die Maschinen, die Menschen
stellen nur an, nehmen heraus, schieben weiter. Und während
tausend solcher dünnen und immer dünneren Drähte entstehn,
wachsen in andern Sälen tausend Lampenkörper. An runden
Maschinentischen, die vor ihren Händen sich drehn, sitzen
die Geduldigen, reichen den Griffen zu und nehmen ihnen ab,
und gehorsam quetscht die Maschine den Lampenfuß, setzt
Halter ein, bespannt das Gestell, schmelzt, pumpt aus,
sockelt, lötet, ätzt, stempelt und verpackt. Aber das ist
wieder nur ein Teil der Arbeit. Da wird noch geprüft,
gemessen und sortiert, da wird mattiert und gefärbt.
All das geschieht unablässig in Siemensstadt,
Charlottenburg, Moabit, Gesundbrunnen, hinter der Warschauer
Brücke und an der Oberspree.
Und so großartig es ist, im Saal, von der Treppe, von der
Galerie auf die kreisenden und surrenden Maschinen zu sehn,
so ergreifend ist der Anblick der Nacken und Hände derer,
die da werkeln, und die Begegnung des Auges mit ihren
aufschauenden Augen.
Aus dem, was diese Menschen schaffen, kommt Licht in dein
kleines Zimmer und wandert Häuserfronten entlang, bestrahlt,
preist an, wirbt und baut um. Leuchtende Kannelüren an der
Decke eines Riesenraums bilden ein festliches Zeltdach von
Licht. Konturenbeleuchtung gliedert die Fassade eines
Hauses, Flutlicht durchblutet Schaufenster, blaue
Taglichtlampen strahlen im Seidensaal, und der Stoff, den
der Verkäufer vorlegt, hat die Farbe, die ihm sonst die
Sonne gibt. Draußen gehn Wanderschriften über Transparente,
Buchstaben formen sich zu Worten und verschwinden, Bilder
tauchen auf und wechseln, farbige Räder rollen stumm.
Ganze Häuser entstehen bereits in Hinblick auf die
Gliederung des Baukörpers durch das Licht. Man ahnt das
Kaufhaus der Zukunft, dessen Wand und Decke Glas sein wird
und das Ganze Eine Helle, tags die überall hindringende
Sonne, nachts das von Menschen und Maschinen geschaffene
Licht.
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Daran arbeiten die in den großen Hallen des Eisens und der
Elektrizität; um den Fleiß von Berlin zu begreifen, mußt du
aber auch durch die kleinen Fabriken gehn. Mußt eintreten in
einen der Gebäudekomplexe und Höfe des Südostens. Besuche,
wie ich es tat, im Viertel der Leder- und
Galanteriewarenbranche, die Rahmenfabrik. Auf den Böden
lagert das Holz, wie es aus der Sägerei kommt, und trocknet
bei leichtem Durchzug. Wird es dann zugeschnitten, behält
jede Scheibe noch am Rand ein Stückchen Wald. So kommt sie
in eine Kerbmaschine mit feinen Zähnen, die Ecken einbeißen
zum Verzahnen der Rahmenteile, und durch die Exhaustoren
fliegen die Späne. Mit der Kreissäge werden die langen
Leisten verkleinert. Wenn in den großen Maschinenhallen die
Männer klein neben Kolossen erscheinen und wie Seeleute oder
Bergleute vorsichtig am Rand der elementaren Gewalten
bleiben, so beherrschen sie hier ihr Maschinentier mit
Bändigerblicken. Ich muß immer wieder den Buckligen ansehn
dort an der Kreissäge, dessen Backenmuskeln zornig und
herrisch zucken, so oft auf seinen Druck das Messer ins Holz
greift.
Bei den siedenden Leimtöpfen und bei Glas und Pappe, die den
Rahmen eingefügt werden, hausen viel Mädchen und Frauen. Die
Leimerinnen sind ein derberer Schlag als die Kleberinnen und
Poliererinnen. Und an diesen könnte man Studien machen über
die Beziehungen zwischen dem einen Handgriff, der zu
vollführen ist, und der Hand, die ihn vollführt. Wie feine
Finger hat die, welche immer nur winzige Nägelchen in die
Pappschicht hinterm Rahmen einsetzt. Wie geduldig sind die
langen Hände jener, die Bilderränder so beschneidet, daß sie
gut hinter das Glas passen. Wie kindlich rund sind die
Händchen der Blaßblonden, die eine Blechform in die kreidige
Masse drückt und das Geformte angefeuchtet aufs Holzbrett
abstreift, wie es Kinder mit ihren Sandformen auf dem
Spielplatz tun. Ihre Arbeit ist ein sympathisches
Sonderwerk, denn die Rokoko-Ornamente, die sie dem Rahmen
gibt, werden nicht soviel gebraucht wie die gradlinigeren,
sie sind teurer herzustellen und nicht so zeitgemäß. Das
gibt ihnen und ihrer ahnungslosen Schöpferin eine besondre
Schönheit. In abgetrennten Räumen arbeiten die Vergolder.
Sie haben Gasmasken vor dem Gesicht gegen den Bronzestaub,
der den Lungen gefährlich ist. Leider will das Publikum und
wollen dementsprechend die vielen kleinen Geschäfte, die
Öldrucke verkaufen, nur Goldrahmen. Seit den Tagen der
Inflation braucht der Deutsche wieder Glanz in seiner Hütte.
Selbst die Rahmen für Photographien müssen vergoldet werden.
Das gute alte Mahagoni ist nicht mehr erwünscht. Über die
Photographienrahmen bekomme ich noch etwas zeitgeschichtlich
Interessantes erzählt. Früher waren Sammelrahmen beliebt, in
die mehrere Bilder gingen, eine ganze Sippe etwa, jetzt wird
jedes Bild lieber einzeln aufgestellt. So sind wir von den
Rahmen zu dem Umrahmten gekommen: der liebenswürdige Leiter
der Fabrik führt mich in den Ausstellungsraum der
beliebtesten Öldrucke. Der ist sehr lehrreich. Denn unter
den nicht gerade lebensnotwendigen Gegenständen, die man je
nachdem als Luxusartikel oder geistiges Volksnahrungsmittel
bezeichnen kann, spielt der Öldruck eine große Rolle. Er
möbliert unendliche Mengen von Zimmern und Seelen.
Der *‚bestseller‘* der Branche ist seit Jahren immer noch
die heilige Büßerin Magdalena, die in ihrem blauen Gewande
weich aufgestützt lagert und buhlerisch kontemplativ auf den
Totenschädel schaut. Nicht nur bei den Frommen scheint sie
begehrt zu sein wie andre Reproduktionen aus dem Bereich der
Bibel und Legende, auch die Kinder der Welt wollen sie
haben. Lagernde leichtbekleidete Damen haben überhaupt viel
Chance. Und als Rahmen ihres von Amoretten umspielten, ins
Wolkenweiche verschwimmenden ‚Pfühls‘ ist ein nicht hohes,
aber ziemlich breites Format beliebt, das sich gut überm
Bett ausnimmt. Haben junge Paare, die solche
Glückseligkeits-Öldrucke kaufen, es ernstlich auf
Nachkommenschaft abgesehn, so richtet die Schöne im Bilde
sich ein wenig auf und betreut ein oder mehrere Kinder. Es
wird auch gern gesehn, daß etliche Haustiere das
Familienglück noch vollständiger machen. An einer der
beliebtesten dieser lagernden, beziehungsweise sitzenden
Damen wurde kürzlich, wie mir mein erfahrener Führer
erzählt, auf Wunsch des Publikums eine zeitgemäße Änderung
vorgenommen, ihr reiches Lockenhaar mußte zugunsten des
Bubikopfs entfernt werden. Auf andern Gebieten bleiben die
Käufer unmodern: das allbekannte Bild ‚Beethoven‘, eine
Versammlung auf dämmernden Diwanen hockender oder
hingegossener Männer und Frauen, die einem Klavier lauschen,
hat noch keiner Jazzbanddarstellung Platz gemacht. Von
berühmten Männern hat der Reichspräsident nicht mehr soviel
Zuspruch, seit er in Zivil ist; und mit seinen
Waffenrockbildnissen hat sich die deutsche Familie meist
schon während des Krieges eingedeckt.
Die Jahreszeiten mit ihren beliebten Arbeiten und
Vergnügungen: Säemänner, Garbenbinderinnen, Jäger usw. in
der dazugehörigen Landschaft ‚gehen‘ immer, und zwar jede
speziell zu ihrer Zeit. Das wunderte mich etwas, ich hatte
gedacht: im Winter hätte man Frühlingssehnsucht, im Herbst
Sommerheimweh.
Ich fange an, mich für Statistik zu interessieren. Ich
möchte genauer feststellen: Wieviel Magdalenen braucht
Magdeburg? Wieviel Damen auf Pfühl verlangt Breslau? Wo
läuft der Alte Fritz Böcklins ‚Schweigen im Walde‘ den Rang
ab? Wie hat sich in München von 1918 bis 1928 der
Öldruckgeschmack geändert? In welchen Provinzen und Städten
überwiegt das Bedürfnis nach Dame mit Kind, Kindern oder
Tieren dasjenige nach Dame mit nur Amoretten? Ich fange an,
mich für Statistik zu interessieren.
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Wie der Markt von Bagdad seine Basare, so hat Berlin seine
Stadtviertel für die verschiedenen Betriebe. Der
Spittelmarkt, sagt man mir, trenne das Quartier der
Konfektion von dem der Mäntel. Ich besuche auf der
Konfektionsseite eine Hutfabrik, werde zu den Zeichnern
geführt, die nach Pariser Modellen aus Pappe Formen
schneiden, zu den Mädchen, die diese Formen in Stoff und
Leder nachschneiden, in den surrenden Saal der Näherinnen
und schließlich in einen Raum, wo Eisenformen elektrisch
erhitzt werden. Auf ihnen erhält der fertiggenähte und
zurechtgebogene Hut seine endgültige Gestalt. Aus einem
Schlauch wird er mit Dämpfen behandelt und dann in eine Art
Backofen getan, wo er im stillen weiterschmort. Für den
Kulturhistoriker ist es nicht unwichtig zu erfahren, daß es
zwar fast gar keine Garnituren mehr gibt, daß aber die
Appretur bisweilen Schleifenformen und Bandeaux nachahmt.
Vielleicht auch, daß, seit die Mode der knappen Baskenmützen
aufgekommen ist, viel Kappen gemacht werden, die aber nicht
baskisch streng bleiben, sondern etwas breiter und
pagenhafter ausfallen. In dieser Fabrik, die den morgens
bestellten Hut bereits abends liefert, entsteht fast alles
ganz im Hause vom Zeichentisch bis zur Verpackung. Nur ein
kleiner Teil der Hüte wird aus den sogenannten
Betriebswerkstätten bezogen, welche Heimarbeiterinnen
beschäftigen. Man belehrt mich über die große Rolle, die
sonst in der Berliner Konfektion diese Art Arbeitsteilung
spielt, bei der der ‚Zwischenmeister‘ von den großen Firmen
nach Musterung der Kollektionen die Stoffe übernimmt und
teils in seinen eigenen Räumen bearbeiten läßt, teils an
Heimarbeiterinnen weitergibt. Solche Zwischenmeister
arbeiten zum Beispiel für die große Schürzenfabrik, die ich
in einem der Riesenhöfe der Köpenickerstraße besuche. Die
hat im Vogtland ihr eigenes Haus, wo der Stoff hergestellt
wird. Hier kommt er dann in Maschinen, die viele Lagen auf
einmal zerschneiden, in fleißige Hände, die jede von ihrer
kleinen Maschine mit einem Griff Hohlsaum oder drei Falten
oder Saumspitzen machen und Knöpfe annähen lassen, welche
fester sitzen als die von Menschenhand. In diesem Betriebe
darf ich auch in die Büroräume eintreten und die neuen
Verbesserungen des kaufmännischen Ressorts kennen lernen. Da
sehe ich Rechenmaschinen, die multiplizieren, Markenkleb-
und Aufdruckmaschinen, neuartige Kartotheken und an der Wand
Karten mit den Wanderplänen der Reisenden, auf die unten in
der Garage die Musterkoffer zu zwanzig und zwanzig in großen
Autos warten.
Ein ganzes Studium wäre die Basareinteilung von Berlin. Es
gibt da, abgesehen von den großen Quartiers der Tischlerei
und Metallbearbeitung, der Hausindustrie, der Wollwaren, der
Konfektion noch besondere Spezialitäten, zum Beispiel eine
Straße, in der seit vielen Jahrzehnten Beleuchtungskörper
hergestellt werden, die Ritterstraße. Am Moritzplatz ist das
internationale Exportlager gewisser Artikel, die aus dem
Erzgebirge, Thüringen und Nordböhmen kommen, wie
Schaukelpferde, Teepuppen, Frisierkämme, Jesusfiguren,
Zinnsoldaten und Gummikavaliere. Die ganze Seydelstraße
entlang stehen gespensterhaft in den Schaufenstern die
Puppen der Büsten- und Wachskopffabriken, die Attrappen und
‚Stilfiguren‘ der ‚Schaufensterkunst‘, die in Tausenden von
Exemplaren durch ganz Deutschland und weiter wandern, um
Hemden, Kleider, Mäntel und Hüte zu tragen. Interessant, was
für Gesichter die wachsköpfigen Mannequins schneiden! Mit
spitzen Mündern fordern sie dich heraus, schmale Augen
ziehen sie, aus denen der Blick wie Gift tropft. Ihre Wangen
sind nicht Milch und Blut, sondern fahles Gelbgrau mit
grüngoldenen Schatten. Kein Wasserstoffsuperoxyd kann ein so
böses Blond hervorrufen, wie die Tönungen ihres Haars es
haben. Oft sind die Gesichter nur skizzenhaft modelliert und
die angedeuteten Mienen sind dann von besondrer
Verderbtheit. Sowohl in der Steife wie in der sportlichen
Elastizität ihrer Bewegungen ist eine kühle Mischung von
Frechheit und Distinktion, der du Armer nicht wirst
widerstehen können. Aufregend sind die Grade ihrer
Entblößung. Ganz goldnackte strotzen und silberne blinken,
die nichts anhaben als bräunliche Schuhe; freibusige
behalten, sich dir zu entziehen, eine Art Leibschurz und
Strümpfe an. Bemerkenswert sind auch die Männerköpfe,
auffallend die vielen Männer der Tat mit dezidiertem
Ausdruck und winzigen Klebeschnurrbärtchen. Soweit sie
Leiber haben und nicht nur ein Gliederpuppengestell, müssen
sie sie in schwarzen Trikots verbergen, es sei denn, daß sie
sich ganz bekleidet im Frack und Smoking zwischen den
nackten Damen bewegen und dabei noch über Kinder
hinwegschauen, die in blauen Kleidchen und roten
Flatterkrawatten uns etwas vortummeln.
Aber es gibt im Büstenhof auch Beine einzeln. Und
rätselhafte Gestelle, unten eine Goldkugel, darauf eine Art
Frauentorso, der in einen stilisierten Arm und einen
abgeschnittenen Armstumpf endet. Das wird alles seine
praktische Bewandtnis haben, aber ich starre unwissend in
diese Fülle von Wesen und Wesensteilen, Gestellen und
Gesichtern, von denen einige sogar Brillen tragen.
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