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+ <title>Menons Klage um Diotima.</title>
+</head>
+
+<body>
+
+<h4>Menons Klage um Diotima.</h4>
+
+
+
+<h5>1.</h5>
+
+<p>Täglich geh' ich heraus und such' ein Anderes immer,<br />
+Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;<br />
+Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch' ich,<br />
+Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,<br />
+Ruh' erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder,<br />
+Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;<br />
+Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm,<br />
+Jammernd und schlummerlos treibt es der Stachel umher.<br />
+Nicht die Wärme des Lichts, und nicht die Kühle der Nacht hilft,<br />
+Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.<br />
+Und wie ihm vergebens die Erd' ihr fröhliches Heilkraut<br />
+Reicht, und das gährende Blut keiner der Zephyre stillt,<br />
+So, ihr Lieben, auch mir, so will es scheinen, und Niemand<br />
+Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen Traum?</p>
+
+<h5>2.</h5>
+
+<p>Ja! es frommet auch nicht, ihr Todesgötter! wenn einmal<br />
+Ihr ihn haltet, und fest habt den bezwungenen Mann,<br />
+Wenn ihr Bösen hinab in die schaurige Nacht ihn genommen,<br />
+Dann zu suchen, zu flehn, oder zu zürnen mit euch,<br />
+Oder geduldig auch wohl im furchtsamen Banne zu wohnen,<br />
+Und mit Lächeln von euch hören das nüchterne Lied.<br />
+Soll es seyn, so vergiß dein Heil, und schlummere klanglos!<br />
+Aber doch quillt ein Laut hoffend im Busen Dir auf,<br />
+Immer kannst Du noch nicht, o meine Seele, noch kannst Du's<br />
+Nicht gewohnen, und träumst mitten im eisernen Schlaf!<br />
+Festzeit hab' ich nicht, doch möcht' ich die Locke bekränzen;<br />
+Bin ich allein denn nicht? aber ein Freundliches muß<br />
+Fernher nahe mir seyn, und lächeln muß ich und staunen,<br />
+Wie so selig doch auch mitten im Leide mir ist.</p>
+
+
+<h5>3.</h5>
+
+<p>Licht der Liebe! scheinest du denn auch Todten, du goldnes!<br />
+Bilder aus hellerer Zeit leuchtet ihr mir in die Nacht?<br />
+Liebliche Gärten, seyd, ihr abendröthlichen Berge,<br />
+Seyd willkommen, und ihr, schweigende Pfade des Hains,<br />
+Zeugen himmlischen Glücks, und ihr, hochschauende Sterne,<br />
+Die mir damals oft segnende Blicke gegönnt!<br />
+Euch, ihr Liebenden, auch, ihr schönen Kinder des Maitags,<br />
+Stille Rosen und euch, Lilien, nenn' ich noch oft!<br />
+Ihr Vertrauten! ihr Lebenden all' einst nahe dem Herzen,<br />
+Einst wahrhaftiger, einst heller und schöner gesehn.<br />
+Wohl gehn Frühlinge fort, ein Jahr verdränget das andre,<br />
+Wechselnd und streitend, so tost droben vorüber die Zeit<br />
+Ueber sterblichem Haupt, doch nicht vor seligen Augen,<br />
+Und den Liebenden ist anderes Leben geschenkt.<br />
+Denn sie alle, die Tag' und Jahre der Sterne, sie waren<br />
+Diotima! um uns innig und ewig vereint.</p>
+
+<h5>4.</h5>
+
+<p>Aber wir, zufrieden gesellt, wie die liebenden Schwäne,<br />
+Wenn sie ruhen am See, oder auf Wellen gewiegt,<br />
+Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken sich spiegeln,<br />
+Und ätherisches Blau unter den Schiffenden wallt,<br />
+So auf Erden wandelten wir. Und drohte der Nord auch,<br />
+Er, der Liebenden Feind, klagenbereitend, und fiel<br />
+Von den Aesten das Laub, und flog im Winde der Regen,<br />
+Ruhig lächelten wir, fühlten den eigenen Gott<br />
+Unter trautem Gespräch, in Einem Seelengesange,<br />
+Ganz in Frieden mit uns kindlich und freudig allein.<br />
+Aber das Haus ist öde mir nun, und sie haben mein Auge<br />
+Mir genommen, auch mich hab' ich verloren mit ihr.<br />
+Darum irr' ich umher und wohl, wie die Schatten, so muß ich<br />
+Leben, und sinnlos dünkt lange das Uebrige mir.</p>
+
+<h5>6.</h5>
+
+<p>Feiern möcht' ich, aber wofür? und singen mit Andern,<br />
+Aber so einsam fehlt jegliches Göttliche mir.<br />
+Dieß ist's, dieß mein Gebrechen, ich weiß, es lähmet ein Fluch mir<br />
+Darum die Sehnen, und wirft, wo ich beginne, mich hin,<br />
+Daß ich fühllos sitze den Tag und stumm, wie die Kinder,<br />
+Nur vom Auge mir kalt öfters die Thräne noch schleicht,<br />
+Und die Pflanze des Felds, und der Vögel Singen mich trüb macht,<br />
+Weil mit Freuden auch sie Boten des Himmlischen sind,<br />
+Aber mir in schaudernder Brust die beseelende Sonne,<br />
+Kühl und fruchtlos mir dämmert, wie Stralen der Nacht,<br />
+Ach! und nichtig und leer, wie Gefängnißwände, der Himmel,<br />
+Eine beugende Last, über dem Haupte mir hängt!</p>
+
+<h5>6.</h5>
+
+<p>Sonst mir anders bekannt! o Jugend! und bringen Gebete,<br />
+Dich nicht wieder, Dich nie? führet kein Pfad mich zurück?<br />
+Soll es werden auch mir, wie den Götterlosen, die vormals<br />
+Glänzenden Auges doch auch saßen am seligen Tisch,<br />
+Aber übersättiget bald, die schwärmenden Gäste,<br />
+Nun verstummet, und nun, unter der Lüste Gesang,<br />
+Unter blühender Erd' entschlafen sind, bis dereinst sie<br />
+Eines Wunders Gewalt, sie, die Versunkenen, zwingt,<br />
+Wiederzukehren und neu auf grünendem Boden zu wandeln. &mdash;<br />
+Heiliger Odem durchströmt göttlich die lichte Gestalt,<br />
+Wenn das Fest sich beseelt, und Fluten der Liebe sich regen,<br />
+Und vom Himmel getränkt, rauscht der lebendige Strom,<br />
+Wenn es drunten ertönt, und ihre Schätze die Nacht zollt,<br />
+Und aus Bächen herauf glänzt das begrabene Gold.</p>
+
+<h5>7.</h5>
+
+<p>Aber o Du, die schon am Scheidewege mir damals,<br />
+Da ich versank vor Dir, tröstend ein Schöneres wies,<br />
+Du, die, Großes zu sehn und froher die Götter zu singen,<br />
+Schweigend, wie sie, mich einst stille begeisternd, gelehrt,<br />
+Götterkind! erscheinest Du mir, und grüßest, wie einst, mich,<br />
+Redest wieder, wie einst, höhere Dinge mir zu?<br />
+Siehe! weinen vor Dir und klagen muß ich, wenn schon noch<br />
+Denkend edlerer Zeit, dessen die Sele sich schämt.<br />
+Denn so lange, so lang' auf matten Pfaden der Erde<br />
+Hab' ich, Deiner gewohnt, Dich in der Irre gesucht,<br />
+Freudiger Schutzgeist! aber umsonst, und Jahre zerrannen,<br />
+Seit wir ahnend um uns glänzen die Abende sahn.</p>
+
+<h5>8.</h5>
+
+<p>Dich nur, Dich erhält Dein Licht, o Heldin! im Lichte,<br />
+Und Dein Dulden erhält liebend, o Gütige! Dich;<br />
+Und nicht einmal bist Du allein, Gespielen genug sind,<br />
+Wo blühest und ruhst unter den Rosen des Jahrs;<br />
+Und der Vater, er selbst, durch sanft muthathmende Musen<br />
+Sendet die zärtlichen Wiegengesänge Dir zu.<br />
+Ja! noch ist sie es ganz! noch schwebt vom Haupte zur Sohle,<br />
+Still herwandelnd, wie sonst, mir die Athenerin vor.<br />
+Und wie, freundlicher Geist! von heitersinnender Stirne<br />
+Segnend und sicher Dein Stral unter die Sterblichen fällt,<br />
+So bezeugest Du mir's, und sagst mir's, daß ich es Andern<br />
+Wiedersage, denn auch Andere glauben es nicht,<br />
+Daß unsterblicher doch, denn Sorg' und Zürnen, die Freude<br />
+Und ein goldener Tag täglich am Ende noch ist.</p>
+
+<h5>9.</h5>
+
+<p>So will ich, ihr Himmlischen! denn euch danken und endlich<br />
+Athmet aus leichter Brust, wieder des Sängers Gebet.<br />
+Und wie, wenn ich mit ihr, auf sonniger Höhe mit ihr stand,<br />
+Spricht belebend ein Gott innen im Tempel mich an.<br />
+Leben will ich denn auch! schon grünt's! wie von heiliger Leier<br />
+Ruft es von silbernen Bergen Appollons voran!<br />
+Komm! es war wie ein Traum! Die blutenden Fittige sind ja<br />
+Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all!<br />
+Großes zu finden, ist viel, ist viel noch übrig, und wer so<br />
+Liebte, gehet, er muß, gehet zu Göttern die Bahn.<br />
+Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten,<br />
+Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr,<br />
+Fromme Bitten, und ihr, Begeisterungen, und all ihr<br />
+Guten Genien, die gerne bei Liebenden sind,<br />
+Bleibt so lange mit uns, bis wir mit gemeinsamem Boden,<br />
+Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit,<br />
+Dort, wo die Adler sind, die Gestirne, die Boten des Vaters,<br />
+Dort, wo die Musen, woher Helden und Liebende sind,<br />
+Dort uns, oder auch hier, auf thauender Insel begegnen,<br />
+Wo die Unsrigen erst, blühend in Gärten gesellt,<br />
+Wo die Gesänge wahr, und länger die Frühlinge schön sind,<br />
+Und von neuem ein Jahr unserer Sele beginnt!</p>
+
+
+
+</body>
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