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  <title>Griechenland.</title>
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<body>
<h4>Griechenland.</h4>

<div class="subtitle"><span class="spaced">An</span> St.</div>

<p>Hätt' ich dich im Schatten der Platanen,<br />
Wo durch Blumen der Ilissus rann,<br />
Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,<br />
Wo die Herzen Sokrates gewann,<br />
Wo Aspasia durch Myrten wallte,<br />
Wo der brüderlichen Freude Ruf<br />
Aus der lärmenden Agora schallte,<br />
Wo mein Plato Paradiese schuf;</p>

<p>Wo den Frühling Festgesänge würzten,<br />
Wo die Fluten der Begeisterung<br />
Von Minervens heil'gem Berge stürzten &mdash;<br />
Der Beschützerin zur Huldigung &mdash;<br />
Wo in tausend süßen Dichterstunden,<br />
Wie ein Göttertraum, das Alter schwand.<br />
Hätt' ich da, Geliebter! dich gefunden,<br />
Wie vor Jahren dieses Herz dich fand!</p>

<p>Ach! wie anders hätt' ich dich umschlungen! &mdash;<br />
Marathons Heroen sängst du mir,<br />
Und die schönste der Begeisterungen<br />
Lächelte vom trunknen Auge dir,<br />
Deine Brust verjüngten Siegsgefühle,<br />
Und dein Haupt vom Lorberzweig umspielt,<br />
Fühlte nicht des Lebens dumpfe Schwüle,<br />
Die so karg der Hauch der Freude kühlt.</p>

<p>Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?<br />
Und der Jugend holdes Rosenlicht?<br />
Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden,<br />
Fühltest du die Flucht der Jahre nicht!<br />
Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte<br />
Muth und Liebe dort in jeder Brust,<br />
Wie die Frucht der Hesperiden, blühte<br />
Ewig dort der Jugend süße Lust.</p>

<p>Hätte doch von diesen goldnen Jahren<br />
Einen Theil das Schicksal dir bescheert;<br />
Diese reitzenden Athener waren<br />
Deines glühenden Gesangs so werth;<br />
Hingelehnt am frohen Saitenspiele<br />
Bei der süßen Chiertraube Blut,<br />
Hättest du vom stürmischen Gewühle<br />
Der Agora glühend ausgeruht.</p>

<p>Ach! es hätt' in jenen bessern Tagen<br />
Nicht umsonst so brüderlich und groß<br />
Für ein Volk dein liebend Herz geschlagen,<br />
Dem so gern des Dankes Zähre floß! &mdash;<br />
Harre nur! sie kömmt gewiß die Stunde,<br />
Die das Göttliche vom Staube trennt!<br />
Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde,<br />
Edler Geist! umsonst dein Element.</p>

<p>Attika, die Riesin ist gefallen;<br />
Wo die alten Göttersöhne ruh'n,<br />
Im Ruin gestürzter Marmorhallen<br />
Brütet ew'ge Todesstille nun,<br />
Lächelnd steigt der süße Frühling nieder,<br />
Doch er findet seine Brüder nie<br />
In Ilissus heil'gem Thale wieder &mdash;<br />
Ewig deckt die bange Wüste sie.</p>

<p>Mich verlangt in's bessre Land hinüber,<br />
Nach Alcäus und Anakreon,<br />
Und ich schlief' im engen Hause lieber<br />
Bei den Heiligen in Marathon;<br />
Ach! es sey die letzte meiner Thränen,<br />
Die dem heil'gen Griechenlande rann,<br />
Laßt, o Parzen, laßt die Scheere tönen,<br />
Denn mein Herz gehört den Todten an!</p>

</body>
</html>