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  <title>Der Blinde</title>
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<body>

<h3>Der Blinde</h3>

<p>
Man setzt ihn hinter einen Gartenzaun.<br />
Da stört er nicht mit seinen Quälerein.<br />
»Sieh Dir den Himmel an!« Er ist allein.<br />
Und seine Augen fangen an zu schaun.</p>

<p>
Die toten Augen. »O, wo ist er, wie<br />
Ist denn der Himmel? Und wo ist sein Blau?<br />
O Blau, was bist Du? Stets nur weich und rauh<br />
Fühlt meine Hand, doch eine Farbe nie.«</p>

<p>
»Nie Purpurrot der Meere. Nie das Gold<br />
Des Mittags auf den Feldern, nie den Schein<br />
Der Flamme, nie den Glanz im edlen Stein,<br />
Nie langes Haar, das durch die Kämme rollt.«</p>

<p>
»Niemals die Sterne. Wälder nie, nie Lenz<br />
Und seine Rosen. Stets durch Grabesnacht<br />
Und rote Dunkelheit werd' ich gebracht<br />
In grauenvollem Fasten und Karenz.«</p>

<p>
Sein bleicher Kopf steigt wie ein Lilienschaft<br />
Aus magrem Hals. Auf seinem dürren Schlund<br />
Rollt wie ein Ball des Adamsapfels Rund.<br />
Die Augen quellen aus der engen Haft,</p>

<p>
Ein Paar von weißen Knöpfen. Denn der Strahl<br />
Des weißen Mittags schreckt die Toten nicht.<br />
Der Himmel taucht in das erloschene Licht<br />
Und spiegelt in dem bleiernen Opal.</p>

</body>
</html>