aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/der-ewige-tag/15-bist-du-nun-tot.html
blob: ebed9c720157e7de46c6e53bb42f33889a5e92be (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
  "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
<head>
  <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
  <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
  <title>Bist du nun tot?</title>
</head>
<body>

<h3>Bist du nun tot?</h3>

<p>
Bist Du nun tot? Da hebt die Brust sich noch,<br />
Es war ein Schatten, der darüber fegt,<br />
Der in der ungewissen Dämmrung kroch<br />
Vom Vorhang, der im Nachtwind Falten schlägt.</p>

<p>
Wie ist Dein Kehlkopf blau, draus ächzend fuhr<br />
Dein leises Stöhnen von der Hände Druck.<br />
Das ist der Würgemale tiefe Spur,<br />
Du nimmst ins Grab sie nun als letzten Schmuck.</p>

<p>
Die weißen Brüste schimmern hoch empor<br />
Indes Dein stummes Haupt nach hinten sank,<br />
Das aus dem Haar den Silberkamm verlor.<br />
Bist Du das, die ich einst so heiß umschlang?</p>

<p>
Bin ich denn der, der einst bei Dir geruht<br />
Vor Liebe toll und bittrer Leidenschaft,<br />
Der in Dich sank wie in ein Meer von Glut<br />
Und Deine Brüste trank wie Traubensaft?</p>

<p>
Bin ich denn der, der so voll Zorn gebrannt<br />
Wie einer Höllenfackel Göttlichkeit,<br />
Und Deine Kehle wie im Rausch umspannt,<br />
In Hasses ungeheurer Freudigkeit?</p>

<p>
Ist das nicht alles nur ein wüster Traum?<br />
Ich bin so ruhig und so fern der Gier.<br />
Die fernen Glocken zittern in dem Raum,<br />
Es ist so still wie in den Kirchen hier.</p>

<p>
Wie ist das alles fremd und sonderbar?<br />
Wo bist Du nun? Was gibst Du Antwort nicht?<br />
&ndash; Ihr nackter Leib ist kalt und eisesklar<br />
Im blassen Schein vom blauen Ampellicht. &ndash;</p>

<p>
Was ließ sie alles auch so stumm geschehn.<br />
Sie wird mir furchtbar, wenn so stumm sie liegt.<br />
O wäre nur ein Tropfen Bluts zu sehn.<br />
Was ist das, hat sie ihren Kopf gewiegt?</p>

<p>
Ich will hier fort. &ndash; Er stürzt aus dem Gemach.<br />
Der Nachtwind, der im Haar der Toten zischt,<br />
Löst leis es auf. Es weht dem Winde nach,<br />
Gleich schwarzer Flamme, die im Sturm verlischt.</p>

</body>
</html>