aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/01_junge_leiden/03_romanzen/16.html
blob: 811aa4bb846c906119b0ee4451c7011391260612 (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
  "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
<head>
  <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
  <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
  <title>XVI. An eine Sängerin.</title>
</head>

<body>
<h4>XVI.</h4>
<h5>An eine Sängerin.</h5>
<div class="subtitle">Als sie eine alte Romanze sang.</div>

<p>
Ich denke noch der Zaubervollen,<br />
Wie sie zuerst mein Auge sah!<br />
Wie ihre Töne lieblich klangen,<br />
Und heimlich süß in's Herze drangen,<br />
Entrollten Thränen meinen Wangen,&nbsp;&ndash;<br />
Ich wußte nicht wie mir geschah.
</p>
<p>
Ein Traum war über mich gekommen:<br />
Als sey ich noch ein frommes Kind,<br />
Und säße still, beim Lämpchenscheine,<br />
In Mutters warmem Kämmerleine,<br />
Und läse Mährchen wunderfeine,<br />
Derweilen draußen Nacht und Wind.
</p>
<p>
Die Mährchen fangen an zu leben,<br />
Die Ritter steigen aus der Gruft;<br />
Bei Ronzisvall da giebt's ein Streiten,<br />
Da kommt Herr Roland herzureiten,<br />
Viel kühne Degen ihn begleiten,<br />
Auch leider Ganelon, der Schuft.
</p>
<p>
Durch den wird Roland schlimm gebettet;<br />
Er schwimmt in Blut, und athmet kaum;<br />
Kaum mochte fern sein Jagdhornzeichen<br />
Das Ohr des großen Carls erreichen,&nbsp;&ndash;<br />
Da muß der Ritter schon erbleichen,&nbsp;&ndash;<br />
Und mit ihm stirbt zugleich mein Traum.
</p>
<p>
Das war ein laut verworr'nes Schallen,<br />
Das mich aus meinem Träumen rief.<br />
Verklungen war jetzt die Legende,<br />
Die Leute schlugen in die Hände,<br />
Und riefen »Bravo«; ohne Ende;<br />
Die Sängerin verneigt sich tief.
</p>

</body>
</html>