aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/18.html
blob: 1eb7494e0913afbd3f6f3f422aab26bc2df32bf6 (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
  "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
<head>
  <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
  <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />

  <title>Der Todesengel</title>
</head>

<body>
  <h1 id="toc_id_20">Der Todesengel</h1>

  <h2 class="not_in_toc">I</h2>

  <p>Mit Trommelwirbeln geht der Hochzeitszug,<br />
  In seid'ner Sänfte wird die Braut getragen,<br />
  Durch rote Wolken weißer Rosse Flug,<br />
  Die ungeduldig gold'ne Zäume nagen.</p>

  <p>Der Todesengel harrt in Himmelshallen<br />
  Als wüster Freier dieser zarten Braut.<br />
  Und seine wilden, dunklen Haare fallen<br />
  Die Stirn hinab, auf der der Morgen graut.</p>

  <p>Die Augen weit, vor Mitleid glühend offen<br />
  Wie trostlos starrend hin zu neuer Lust,<br />
  Ein grauenvolles, nie versiegtes Hoffen,<br />
  Ein Traum von Tagen, die er nie gewußt.</p>

  <h2 class="not_in_toc">II</h2>

  <p>Er kommt aus einer Höhle, wo ein Knabe<br />
  Ihn als Geliebte wunderzart umfing.<br />
  Er flog durch seinen Traum als Schmetterling<br />
  Und ließ ihn Meere sehn als Morgengabe.</p>

  <p>Und Lüfte Indiens, wo an Fiebertagen<br />
  Das greise Meer in gelbe Buchten rennt.<br />
  Die Tempel, wo die Priester Cymbeln schlagen,<br />
  Um Öfen tanzend, wo ein Mädchen brennt.</p>

  <p>Sie schluchzt nur leise, denn der Schar Gesinge<br />
  Zeigt ihr den Götzen, der auf Wolken thront<br />
  Und Totenschädel trägt als Schenkelringe,<br />
  Der Flammenqual mit schwarzen Küssen lohnt.</p>

  <p>Betrunkne tanzen nackend zwischen Degen,<br />
  Und einer stößt sich in die Brust und fällt.<br />
  Und während blutig sich die Schenkel regen,<br />
  Versinkt dem Knaben Tempel, Traum und Welt.</p>

  <h2 class="not_in_toc">III</h2>

  <p>Dann flog er hin zu einem alten Manne<br />
  Und kam ans Bett als grüner Papagei.<br />
  Und krächzt das Lied: »O schmähliche Susanne!«<br />
  Die längst vergeßne Jugendlitanei.</p>

  <p>Der stiert ihn an. Aus Augen glasig blöde<br />
  Blitzt noch ein Strahl. Ein letztes böses Lächeln<br />
  Zuckt um das zahnlose Maul. Des Zimmers Öde<br />
  Erschüttert jäh ein lautes Todesröcheln.</p>

  <h2 class="not_in_toc">IV</h2>

  <p>Die Braut friert leise unterm leichten Kleide.<br />
  Der Engel schweigt. Die Lüfte ziehn wie krank.<br />
  Er stürzt auf seine Knie. Nun zittern beide.<br />
  Vom Strahl der Liebe, der aus Himmeln drang.</p>

  <p>Posaunenschall und dunkler Donner lachen.<br />
  Ein Schleier überflog das Morgenrot.<br />
  Als sie mit ihrer zärtlichen und schwachen<br />
  Bewegung ihm den Mund zum Küssen bot.</p>
</body>
</html>