aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/20.html
blob: c210ccfada1cc87224f291b6e58eeb4ef7e5f63e (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
  "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
<head>
  <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
  <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />

  <title>Indianisch Lied</title>
</head>

<body>
  <h1 id="toc_id_22">Indianisch Lied</h1>

  <div id="widmung">Lotte Pritzel gewidmet</div>

  <p>Jetzt, Mädchen, sattle mein weißes Pferd,<br />
  Ein Ritt, da der Nachtmahr den Mond bedrängt,<br />
  Durch das dampfende Tal, da am Hexenherd<br />
  Der Freund der Indianer am Galgen hängt.</p>

  <p>Zwölf Rosse brachen unter mir zusammen.<br />
  Zwölf Sonnen stürzten in den reißenden Strom ihre Flammen.<br />
  Doch am dreizehnten Tag um Mitternacht<br />
  Stand ich vor dem Toten und habe gelacht.</p>

  <p>Ich blase die wütenden Totenfanfaren.<br />
  Armer versoffener Freund, nun bist du gestorben!<br />
  Ich bin der Indianer, der einst mit dir ritt,<br />
  Auf manchem Kriegspfad nahmst du mich mit<br />
  und wir haben die Länder und Leute verdorben,<br />
  und ich halt die Trompet und blas,<br />
  Faule Leiche, was grinst du so »monoise«,<br />
  Wo ich siebzehn Mal vom Galgen dich schnitt?<br />
  Ist meine Lust am Leben dir immer noch leid?</p>

  <p>Doch der trampt auf im Galgentritt:<br />
  Nu, warum blust de die Trompeit?</p>

  <p>Jetzt baut man Ton des Weltgerichts,<br />
  Und der Geist in den Lüften schreit.<br />
  Doch du wohnst, wohin du dich sehntest, im Nichts,<br />
  Und es tönt in den Höhen der Satansritt.</p>

  <p>Doch der trampt auf im Galgentritt:<br />
  Nu, warum blust de die Trompeit?</p>

  <p>Du nanntest dich Pumperpuckel auf Erden,<br />
  »Denn man muß als häßlicher Satan erscheinen«.<br />
  Schüsse in Kneipen und Diebstahl von Pferden,<br />
  Schmutziges Stöhnen in Häusern aus Steinen,<br />
  Lächelnde Tage und ruchloses Weinen,<br />
  Armselige Täuschung, die ich erlitt.<br />
  Pumperpuckel, du hattest Einen.<br />
  Hinter den Wolken das Mondlicht schreit.</p>

  <p>Doch der trampt auf im Galgentritt:<br />
  Nu, warum blust de die Trompeit?</p>

  <p>Du, Schulmeister, sagtest: »Du denkst nur in Worten,<br />
  Doch alle Worte sind Trug nur und Leid.<br />
  Du, du denkst nur in Worten, in Taten und Orten,<br />
  Da der Gott aller Wahrheit dein Reden bestritt,<br />
  Und der Unsinn den Weg alles Sinnens verschneit.«<br />
  Ich denke nicht Worte und rede doch mit,<br />
  Und der Traum meines Daseins träumt Wahrheit und Traum.<br />
  Das bleibt doch ein prächtiger Galgenschnitt,<br />
  Was bleibst du nur hängen am hölzernen Baum,<br />
  Wie sehr ich dich bitte: komm mit, komm mit?<br />
  Heil! der geflügelte Morgenwind öffnete die Himmelspforten des Lebens weit!</p>

  <p>Doch der trampt auf im Galgentritt:<br />
  Nu, warum blust de die Trompeit?</p>

  <p>Einen schallenden Gruß meinem alten Freund!<br />
  Ein fester Galgen hält gut.<br />
  Und wenn herbstlicher Strahl unsere Ebenen träumt<br />
  Und den Vortraum des Winters in Zelten räumt,<br />
  Viel Feuer, Wasser und Mut.<br />
  Doch der weißen Rose vergesse ich nie,<br />
  Die auf schwarzen Rossen einst kam.</p>

  <p>Denn sie zwang ihren Krieger aufs zitternde Knie<br />
  Und der Pfeil am Bogen ward lahm,<br />
  Welt vergessen und Träume verhöhnen,<br />
  Tode verachten im Walde der Tiere.<br />
  Doch wie kann ich vergessen ein Lächeln der Schönen,<br />
  Ihrer Augen nackte Wildheit und ihre<br />
  Unberührte Brust!<br />
  Jener Brand von Schönheit, der täglich die Welt verwirrt,<br />
  Jene schattenhafte Trauer, die um meinen Wigwam abenteuert.<br />
  Giftige Pfeile von der Rose der Brenta entsandt.<br />
  Warum kennt mich der Tod und lockt mich vergebens?<br />
  Warum bin ich heiter, wenn über endlosem Land<br />
  Die dröhnende Sonne verbrennt wie am sagenhaften<br />
  Abend des verendenden Lebens?</p>

  <p>O Nacht zärtlicher Sterne Gefunkel<br />
  In liebesklarer Luft<br />
  Lebendigen Traumes Flammendunkel.<br />
  Über schmalen Wegen der Bergeskluft,<br />
  Hoch im Gebirg' in den eisigen Gipfeln ein Raunen.<br />
  Musik der Seele. Tanz und Märchen erstaunen.</p>

  <p>Mehr als zu sein und mehr als nicht zu sein!<br />
  Wer darf den Leib denn denken, den er liebt!<br />
  Wer darf vermessen durch die Wälder schrein,<br />
  Daß Gott ihm nie den Tag der Schönheit gibt?</p>

  <p>Farbiger Rauch steigt auf aus den Städten der Qual,<br />
  Wo der weiße Bruder bedächtig die Tonpfeife raucht,<br />
  Wie ein Feuer von Fieberträumen hingehaucht,<br />
  Fern am lauernden Horizont.</p>
</body>
</html>