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  <title>Indianisch Lied</title>
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<div class="poem">

  <h3>INDIANISCH LIED</h3>

<p class="subheading right">Lotte Pritzel gewidmet</p>

<p>
<span class="vers">Jetzt, Mädchen, sattle mein weißes Pferd,</span><br />
<span class="vers">Ein Ritt, da der Nachtmahr den Mond bedrängt,</span><br />
<span class="vers">Durch das dampfende Tal, da am Hexenherd</span><br />
<span class="vers">Der Freund der Indianer am Galgen hängt.</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Zwölf Rosse brachen unter mir zusammen.</span><br />
<span class="vers">Zwölf Sonnen stürzten in den reißenden Strom ihre Flammen.</span><br />
<span class="vers">Doch am dreizehnten Tag um Mitternacht</span><br />
<span class="vers">Stand ich vor dem Toten und habe gelacht.</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Ich blase die wütenden Totenfanfaren.</span><br />
<span class="vers">Armer versoffener Freund, nun bist du gestorben!</span><br />
<span class="vers">Ich bin der Indianer, der einst mit dir ritt,</span><br />
<span class="vers">Auf manchem Kriegspfad nahmst du mich mit</span><br />
<span class="vers">und wir haben die Länder und Leute verdorben,</span><br />
<span class="vers">und ich halt die Trompet und blas,</span><br />
<span class="vers">Faule Leiche, was grinst du so »monoise«,</span><br />
<span class="vers">Wo ich siebzehn Mal vom Galgen dich schnitt?</span><br />
<span class="vers">Ist meine Lust am Leben dir immer noch leid?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Doch der trampt auf im Galgentritt:</span><br />
<span class="vers">Nu, warum blust de die Trompeit?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Jetzt baut man Ton des Weltgerichts,</span><br />
<span class="vers">Und der Geist in den Lüften schreit.</span><br />
<span class="vers">Doch du wohnst, wohin du dich sehntest, im Nichts,</span><br />
<span class="vers">Und es tönt in den Höhen der Satansritt.</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Doch der trampt auf im Galgentritt:</span><br />
<span class="vers">Nu, warum blust de die Trompeit?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Du nanntest dich Pumperpuckel auf Erden,</span><br />
<span class="vers">»Denn man muß als häßlicher Satan erscheinen«.</span><br />
<span class="vers">Schüsse in Kneipen und Diebstahl von Pferden,</span><br />
<span class="vers">Schmutziges Stöhnen in Häusern aus Steinen,</span><br />
<span class="vers">Lächelnde Tage und ruchloses Weinen,</span><br />
<span class="vers">Armselige Täuschung, die ich erlitt.</span><br />
<span class="vers">Pumperpuckel, du hattest Einen.</span><br />
<span class="vers">Hinter den Wolken das Mondlicht schreit.</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Doch der trampt auf im Galgentritt:</span><br />
<span class="vers">Nu, warum blust de die Trompeit?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Du, Schulmeister, sagtest: »Du denkst nur in Worten,</span><br />
<span class="vers">Doch alle Worte sind Trug nur und Leid.</span><br />
<span class="vers">Du, du denkst nur in Worten, in Taten und Orten,</span><br />
<span class="vers">Da der Gott aller Wahrheit dein Reden bestritt,</span><br />
<span class="vers">Und der Unsinn den Weg alles Sinnens verschneit.«</span><br />
<span class="vers">Ich denke nicht Worte und rede doch mit,</span><br />
<span class="vers">Und der Traum meines Daseins träumt Wahrheit und Traum.</span><br />
<span class="vers">Das bleibt doch ein prächtiger Galgenschnitt,</span><br />
<span class="vers">Was bleibst du nur hängen am hölzernen Baum,</span><br />
<span class="vers">Wie sehr ich dich bitte: komm mit, komm mit?</span><br />
<span class="vers">Heil! der geflügelte Morgenwind öffnete die Himelspforten des Lebens weit!</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Doch der trampt auf im Galgentritt:</span><br />
<span class="vers">Nu, warum blust de die Trompeit?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Einen schallenden Gruß meinem alten Freund!</span><br />
<span class="vers">Ein fester Galgen hält gut.</span><br />
<span class="vers">Und wenn herbstlicher Strahl unsere Ebenen träumt</span><br />
<span class="vers">Und den Vortraum des Winters in Zelten räumt,</span><br />
<span class="vers">Viel Feuer, Wasser und Mut.</span><br />
<span class="vers">Doch der weißen Rose vergesse ich nie,</span><br />
<span class="vers">Die auf schwarzen Rossen einst kam.</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Denn sie zwang ihren Krieger aufs zitternde Knie</span><br />
<span class="vers">Und der Pfeil am Bogen ward lahm,</span><br />
<span class="vers">Welt vergessen und Träume verhöhnen,</span><br />
<span class="vers">Tode verachten im Walde der Tiere.</span><br />
<span class="vers">Doch wie kann ich vergessen ein Lächeln der Schönen,</span><br />
<span class="vers">Ihrer Augen nackte Wildheit und ihre</span><br />
<span class="vers">Unberührte Brust!</span><br />
<span class="vers">Jener Brand von Schönheit, der täglich die Welt verwirrt,</span><br />
<span class="vers">Jene schattenhafte Trauer, die um meinen Wigwam abenteuert.</span><br />
<span class="vers">Giftige Pfeile von der Rose der Brenta entsandt.</span><br />
<span class="vers">Warum kennt mich der Tod und lockt mich vergebens?</span><br />
<span class="vers">Warum bin ich heiter, wenn über endlosem Land</span><br />
<span class="vers">Die dröhnende Sonne verbrennt wie am sagenhaften Abend des verendenden Lebens?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">O Nacht zärtlicher Sterne Gefunkel</span><br />
<span class="vers">In liebesklarer Luft</span><br />
<span class="vers">Lebendigen Traumes Flammendunkel.</span><br />
<span class="vers">Über schmalen Wegen der Bergeskluft,</span><br />
<span class="vers">Hoch im Gebirg' in den eisigen Gipfeln ein Raunen.</span><br />
<span class="vers">Musik der Seele. Tanz und Märchen erstaunen.</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Mehr als zu sein und mehr als nicht zu sein!</span><br />
<span class="vers">Wer darf den Leib denn denken, den er liebt!</span><br />
<span class="vers">Wer darf vermessen durch die Wälder schrein,</span><br />
<span class="vers">Daß Gott ihm nie den Tag der Schönheit gibt?</span>
</p>

<p>
<span class="vers">Farbiger Rauch steigt auf aus den Städten der Qual,</span><br />
<span class="vers">Wo der weiße Bruder bedächtig die Tonpfeife raucht,</span><br />
<span class="vers">Wie ein Feuer von Fieberträumen hingehaucht,</span><br />
<span class="vers">Fern am lauernden Horizont.</span>
</p>

</div>

</body>
</html>