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authorPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2023-05-29 17:15:24 +0200
committerPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2023-05-29 17:15:24 +0200
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+
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+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
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+ <title>...liner Roma... - 9.</title>
+</head>
+<body>
+
+<div class="prose">
+
+ <h3 class="center">9.</h3>
+
+<p class="intro">
+Welche edeldenkende, energische robuste Dame verhilft jungem
+kriegsverarmten Manne zu einem Paletot? Heirat nicht
+ausgeschlossen.<br />
+A. 16 Exped. d. Bl.</p>
+
+<p class="clearb">
+„Aber Herr Gastein, es fängt an zu regnen.“ – Doch er zeigt
+ihnen Gestalten, hübsche und häßliche und die unsicheren und
+speziell die komischen. Die Felsblöcke mit summenden Grotten
+sind ihr bekannt aus Vaters Fabrik. Auch die Schreibstuben,
+darinnen es hagelt wie Maschinengewehrfeuer bei den
+Liliputs. – Da! Dort! Dieser Eckstein! Jene technische
+Straßenwarze! Oder hier die Mauernische! Daran schlendert
+man so vorbei, aber nachts haben diese Dinge vielleicht
+Bedeutung, spukhafte oder grausige Bedeutung. Nachts
+kichert, rauscht und knistert es allenthalben. Und im Spuk
+werden dann zur Bühne alle die verwunschenen Winkel, wo tags
+die Hunde hinpink .. – „Herr Gastein, es regnet!“ Um so
+besser. Das schwemmt wieder Billiarden von Großstadtbazillen
+in die Schleusen. – Wer sitzt dort unter der Litfaßsäule?
+Für wen halten Sie den? Den Mann? Nun, das ist ein armer
+Stiefelputzer! – Ganz bestimmt nicht, aber vielleicht ein
+reicher Stiefelputzer oder ein Detektiv auf Posten. – Sie
+lesen dahinwandernd links und rechts Firmen. Und Fundbüro,
+Leihamt, Akademie, .. XII. Oberrealschule, Verein für... Auf
+jeden Berliner kommen sechs öffentliche Einrichtungen, ohne
+die Bedürfnisanstalt .. „Mein Kleid ist hin. Ich bin total
+durchnäßt.“ – Blicken Sie auch mitunter nach oben. Dort ganz
+oben, dem lieben Gott und dem Mars viel näher als wir,
+wohnen unlegitime Fürsten, ohne Gewissen, ohne Ehre und ohne
+Würde. Denn waren es aristokratische Hausbesitzer, die
+neulich ihr Kommando zur Française bewunderten, so werden es
+andere Leute sein, die ihnen morgen mitleidig eine Unterhose
+abkaufen. – „Das verstehe ich nicht: Fürsten .. Unterhose?“
+– Nun, junge Leute sind's .. sie suchen sich aus Lügen
+herauszulügen. Und manchen gelingt es, aus Leinewand,
+Kohldampf und grauen Haaren .. Gold zu kochen. Kluge Leute,
+die wohl wissen, daß erreichtes Ziel luxuriösen Stillstand
+bedeutet und daß dann vergötterter Krebsgang folgt. Aber
+doch hetzen sie sich 24 Stunden qualvoll theaternd ab, um
+für einen antiken Bronzeleuchter 10 Mark zu erbetteln. Und
+nachts liegen nackte oder buntumhüllte Nuschas auf ihren
+Tischen und trinken Allasch aus Eierbechern, ebenso auf
+Berühmtheit gefaßt wie auf Pfändung. – Fräulein von
+Camphusen spricht nur mehr mit ihrer Freundin. – Gussi will
+versöhnen. – Dort oben zweiter Stock, zweites Fenster von
+links, hinter den erstklassigen Pensionsgardinen verbrennt
+ein gespannt lauschender Feinmechaniker Briefe,
+Kofferadressen, Gegenstände .. Morgen will er reich sein.
+Gestern hat er eine Witwe erdrosselt. – „Wen? – Wieso? –
+Woher?“ – Ich weiß es nicht, aber .. man liest es doch
+täglich. – „Höre Gustav,“ sagt Feridell, „nässer werden wir
+doch nicht, wollen wir nicht endlich ..“ – Gut. Er führt sie
+in dunkle, bemalte Hausflure, über halsbrecherische Stiegen,
+in Hinterhöfe und überraschende Durchgänge. Dort im
+Stockwerk fädeln und stechen junge, verkümmerte Mädchen
+tagaus, tagein, bis sie spitze Nasen bekommen und auf einem
+sauren Sparkassenbuch sterben. Die Direktrice geht nächste
+Woche mit einem phantastischen Hochstapler durch. – Dort
+sind auch Junggesellenwohnungen und Aftermieter-Boudoirs,
+die man einmal nachts wie ein Dieb betritt und nie
+wiederfinden würde. Später besinnt man sich auf einen
+Bärtigen, der im Schlafrock vorlas aus „Die Bienenfabel oder
+der Nutzen der Privatlaster für das öffentliche Wohl“ .. –
+Anna ist verstimmt. – Indem Gussi vermitteln will, bekennt
+sie sich restlos offen zu ihm. Das rührt ihn. – „Dein
+abscheuliches Berlin! Wie ganz anders, wie schön war es
+damals dort auf der Mole ..–“ – Ja Gussi, es war dort so
+schön, weil wir es hier ähnlichen Menschen erzählen oder
+verbergen würden. – Im Spaßmachen, Unsinntreiben, da hat
+seine rege Phantasie leichten Sieg. – Wenn man Bauchreden
+erlernte, könnte man sich selber Rätsel aufgeben und
+beantworten, oder sich mit sich streiten. – So gewinnt er
+Annen zurück. – Ihnen rollt ein Schlachterwagen vorbei, der
+eine Kuh am Strick nachzieht. Sie muß Trab laufen, das Euter
+schwabbelt lächerlich hin und her, und sie glitscht auf dem
+spiegelnden Asphalt häufig aus. – Auf dem Lande drehen sich
+die Leute nach einem englischen Offizier um. Die Berliner
+wenden ihre Köpfe nach einer Kuh oder nach singenden
+Spaziergängern. – Anna hält die Kuh für ein abscheuliches
+Tier, wegen der Kruste. Worauf Gustav es für denkbar
+erklärt, daß eine halbtaube Frau jetzt einwerfen könnte, die
+Kruste sei gerade das Beste. Alle drei lachen noch in der
+Konzertloge. Das Parkett ist wie ein Kohlfeld mit Köpfen
+bedeckt. Schlüge man sie ab, sie fehlten morgen nicht im
+öffentlichen Gewimmel. – Gustav träumt nachts vorsätzlich
+von Anna. Auch wachend redet er sich Verliebtheiten vor,
+deutet es andern gegenüber an. Und Elfchen schenkt ihm eine
+neue Krawatte und ermahnt ihn, die Gelegenheit zu nützen,
+nicht so freie Reden zu führen, sich natürlich und
+bescheiden zu benehmen. – Pah! – Als er noch Matrose war,
+hatten ihn die Mädchen an den Küsten lieb, weil er sich
+anders und lustig gab und nicht berechnend, sondern nur
+flüchtig, vorübergehend erschien. –</p>
+
+<p>
+Cecilie: Aber doch interessant?</p>
+
+<p>
+Anna: Ja, wollte mit uns in einem ganz fremden Hause durch
+die Bodenluke aufs Dach klettern. Um uns die Berliner Alpen
+zu zeigen, mit Gärten auf Holzzement und Gletschern, wo
+manchmal wilde Jagden stattfänden, bei denen herrliche kühne
+Verbrecher erschossen würden.</p>
+
+<p>
+Cecilie: So sind die Künstler...</p>
+
+<p>
+Anna: Ja, aber manchmal so merkwürdig, fast unheimlich. –
+Ich glaub' er ist nicht ganz richtig. –– Ich fürchte mich
+vor ihm.</p>
+
+</div>
+</body>
+</html>