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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2023-05-29 17:15:24 +0200 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2023-05-29 17:15:24 +0200 |
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Auch die Schreibstuben, +darinnen es hagelt wie Maschinengewehrfeuer bei den +Liliputs. – Da! Dort! Dieser Eckstein! Jene technische +Straßenwarze! Oder hier die Mauernische! Daran schlendert +man so vorbei, aber nachts haben diese Dinge vielleicht +Bedeutung, spukhafte oder grausige Bedeutung. Nachts +kichert, rauscht und knistert es allenthalben. Und im Spuk +werden dann zur Bühne alle die verwunschenen Winkel, wo tags +die Hunde hinpink .. – „Herr Gastein, es regnet!“ Um so +besser. Das schwemmt wieder Billiarden von Großstadtbazillen +in die Schleusen. – Wer sitzt dort unter der Litfaßsäule? +Für wen halten Sie den? Den Mann? Nun, das ist ein armer +Stiefelputzer! – Ganz bestimmt nicht, aber vielleicht ein +reicher Stiefelputzer oder ein Detektiv auf Posten. – Sie +lesen dahinwandernd links und rechts Firmen. Und Fundbüro, +Leihamt, Akademie, .. XII. Oberrealschule, Verein für... Auf +jeden Berliner kommen sechs öffentliche Einrichtungen, ohne +die Bedürfnisanstalt .. „Mein Kleid ist hin. Ich bin total +durchnäßt.“ – Blicken Sie auch mitunter nach oben. Dort ganz +oben, dem lieben Gott und dem Mars viel näher als wir, +wohnen unlegitime Fürsten, ohne Gewissen, ohne Ehre und ohne +Würde. Denn waren es aristokratische Hausbesitzer, die +neulich ihr Kommando zur Française bewunderten, so werden es +andere Leute sein, die ihnen morgen mitleidig eine Unterhose +abkaufen. – „Das verstehe ich nicht: Fürsten .. Unterhose?“ +– Nun, junge Leute sind's .. sie suchen sich aus Lügen +herauszulügen. Und manchen gelingt es, aus Leinewand, +Kohldampf und grauen Haaren .. Gold zu kochen. Kluge Leute, +die wohl wissen, daß erreichtes Ziel luxuriösen Stillstand +bedeutet und daß dann vergötterter Krebsgang folgt. Aber +doch hetzen sie sich 24 Stunden qualvoll theaternd ab, um +für einen antiken Bronzeleuchter 10 Mark zu erbetteln. Und +nachts liegen nackte oder buntumhüllte Nuschas auf ihren +Tischen und trinken Allasch aus Eierbechern, ebenso auf +Berühmtheit gefaßt wie auf Pfändung. – Fräulein von +Camphusen spricht nur mehr mit ihrer Freundin. – Gussi will +versöhnen. – Dort oben zweiter Stock, zweites Fenster von +links, hinter den erstklassigen Pensionsgardinen verbrennt +ein gespannt lauschender Feinmechaniker Briefe, +Kofferadressen, Gegenstände .. Morgen will er reich sein. +Gestern hat er eine Witwe erdrosselt. – „Wen? – Wieso? – +Woher?“ – Ich weiß es nicht, aber .. man liest es doch +täglich. – „Höre Gustav,“ sagt Feridell, „nässer werden wir +doch nicht, wollen wir nicht endlich ..“ – Gut. Er führt sie +in dunkle, bemalte Hausflure, über halsbrecherische Stiegen, +in Hinterhöfe und überraschende Durchgänge. Dort im +Stockwerk fädeln und stechen junge, verkümmerte Mädchen +tagaus, tagein, bis sie spitze Nasen bekommen und auf einem +sauren Sparkassenbuch sterben. Die Direktrice geht nächste +Woche mit einem phantastischen Hochstapler durch. – Dort +sind auch Junggesellenwohnungen und Aftermieter-Boudoirs, +die man einmal nachts wie ein Dieb betritt und nie +wiederfinden würde. Später besinnt man sich auf einen +Bärtigen, der im Schlafrock vorlas aus „Die Bienenfabel oder +der Nutzen der Privatlaster für das öffentliche Wohl“ .. – +Anna ist verstimmt. – Indem Gussi vermitteln will, bekennt +sie sich restlos offen zu ihm. Das rührt ihn. – „Dein +abscheuliches Berlin! Wie ganz anders, wie schön war es +damals dort auf der Mole ..–“ – Ja Gussi, es war dort so +schön, weil wir es hier ähnlichen Menschen erzählen oder +verbergen würden. – Im Spaßmachen, Unsinntreiben, da hat +seine rege Phantasie leichten Sieg. – Wenn man Bauchreden +erlernte, könnte man sich selber Rätsel aufgeben und +beantworten, oder sich mit sich streiten. – So gewinnt er +Annen zurück. – Ihnen rollt ein Schlachterwagen vorbei, der +eine Kuh am Strick nachzieht. Sie muß Trab laufen, das Euter +schwabbelt lächerlich hin und her, und sie glitscht auf dem +spiegelnden Asphalt häufig aus. – Auf dem Lande drehen sich +die Leute nach einem englischen Offizier um. Die Berliner +wenden ihre Köpfe nach einer Kuh oder nach singenden +Spaziergängern. – Anna hält die Kuh für ein abscheuliches +Tier, wegen der Kruste. Worauf Gustav es für denkbar +erklärt, daß eine halbtaube Frau jetzt einwerfen könnte, die +Kruste sei gerade das Beste. Alle drei lachen noch in der +Konzertloge. Das Parkett ist wie ein Kohlfeld mit Köpfen +bedeckt. Schlüge man sie ab, sie fehlten morgen nicht im +öffentlichen Gewimmel. – Gustav träumt nachts vorsätzlich +von Anna. Auch wachend redet er sich Verliebtheiten vor, +deutet es andern gegenüber an. Und Elfchen schenkt ihm eine +neue Krawatte und ermahnt ihn, die Gelegenheit zu nützen, +nicht so freie Reden zu führen, sich natürlich und +bescheiden zu benehmen. – Pah! – Als er noch Matrose war, +hatten ihn die Mädchen an den Küsten lieb, weil er sich +anders und lustig gab und nicht berechnend, sondern nur +flüchtig, vorübergehend erschien. –</p> + +<p> +Cecilie: Aber doch interessant?</p> + +<p> +Anna: Ja, wollte mit uns in einem ganz fremden Hause durch +die Bodenluke aufs Dach klettern. Um uns die Berliner Alpen +zu zeigen, mit Gärten auf Holzzement und Gletschern, wo +manchmal wilde Jagden stattfänden, bei denen herrliche kühne +Verbrecher erschossen würden.</p> + +<p> +Cecilie: So sind die Künstler...</p> + +<p> +Anna: Ja, aber manchmal so merkwürdig, fast unheimlich. – +Ich glaub' er ist nicht ganz richtig. –– Ich fürchte mich +vor ihm.</p> + +</div> +</body> +</html> |