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diff --git a/OEBPS/Text/03.xhtml b/OEBPS/Text/03.xhtml new file mode 100644 index 0000000..a7eb086 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/03.xhtml @@ -0,0 +1,118 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8"?> +<!DOCTYPE html> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>...liner Roma... - 3.</title> +</head> +<body> + +<div class="prose"> + + <h3 class="center">3.</h3> + +<p class="intro"> +Perserteppiche, alte Gebisse, Gold, Brillanten, Pfandscheine, +Korken, Armeepistolen kauft oder tauscht gegen Lebensmittel +– Isidor Rosenmilk, Spittelmarkt.</p> + +<p class="clearb"> +Das beschämende Trinkgeldwesen ist abgeschafft, dafür der +obligatorische Aufschlag eingeführt. Aber vor Leuten, was +sage ich, vor Baronen, wie Kehlbaum schwänzeln die Kellner +devoter denn je. Denn der pocht eisern jeden Samstag auf das +Trinkgeldgeben wie auf seinen Stammsessel vis-à-vis dem „Für +Damen“ und auf Fürstenberg-Auslese. – Herr Blasewitz +(Glatze, bauchglattglänzend) fragt Kehlbaums mitgebrachten +Gast jovial: „Na, Herr Deeters, wie gefällt Ihnen Berlin?“ +Wenn man den Kopf wegläßt, sitzt Blasewitz da wie Napoleon +nach der Schlacht bei Leipzig. Der Livländer erwidert nur +mit einem glücklichen Lächeln und einer Geste, etwa: ach, +klapp den Deckel drauf! Aber Kehlbaum schildert Deeters +Debut und die Botschaftersgattin, die der Balte am ersten +Tage im Cafe kennenlernte und die ihn in eine elegante und +vergnügte Sozietät einführte. Daraus er tausend Jahre später +blutig und mit verschwommenen Reminiszenzen, aber ohne +Brieftasche erwachte. Kehlbaum nützt die Gelegenheit, von +eignen ersten Eindrücken zu berichten, von dem Denkmal am +Schloß, das aussieht wie ein Bombenattentat, und wo hungrige +Bestien über Bodengerümpel schreiten. Kehlbaum erzählt +langsam, steif, zwischen schmollenden Lippen heraus. Wie er +neben den adretten Noskitos, Noske-Soldaten, durch die +Siegesallee marschierte, und wie sie und er so furchtbar +erschraken über den gigantischen hölzernen Nußknacker +Hindenburg. Und konnte sich dann gar nicht trennen von der +Säule mit dem goldenen Engel im Unterrock. In Kehlbaums +betriebsamem Stammlokal, in dieser Räucherkammer, gibt es +außer Deeters keine Zuhörer. Der anständige +expressionistische Maler Knauer verteidigt holprig seine +unangegriffene Zukunft im Prinzip. Gustav atmet im Sinne +einer nur halbseitigen politischen Polemik. Blasewitz redet +jovial auf Edith ein, über schwach gesalzenen Kaviar, +französische Küsse und Poularden von Le Lans. Edith raucht +seine Ägypten, aber antwortet nicht, und niemand außer ihm +spricht mit ihr. Aber wäre Edith nicht zugegen, jedermann +würde das ansehnliche, treuherzige und trinkfeste Mädchen +vermissen. „Wo steckt heute Noktavian?“ – In der +Lüderitzbucht; er knüpft Beziehungen an. – In den Strom +Fürstenbergauslese münden Bäche erklügelter +Schnapsmischungen. „Was soll werden, wenn die Quelle +Fürstenberg einmal versiegt?“ Vielleicht kommt es mit dem +Staatsbankrott. – Jedermann, auch Noktavian, der bei +Aufbruch erst eintrifft, will die Zeche bezahlen; Gustav, +weil er weiß, daß letzten Endes doch Kehlbaum oder Blasewitz +das erledigen werden; Deeters, den armen Kunstmaler, hat +sein Stipendium aus Kopenhagen mit dänischem Gelde +herübergeschickt, und die Valuta machte ihn auf dem +Grenzfaden zum reichen Manne. - Man torkelt weiter, im +Berliner Größenwahn neigen sich verschrobene Stirnen, grüßen +Hüte, die einmal in München (oder war es in Paris?) ebenso +flüchtig und geheimniseinig zuwinkten. Man gerät nach +Polizeistunde in verbotene Bars, die nur eingeweihten +Gentlemännern + +<img class="center" src="../Images/03.png" alt="Bild Kapitel 3"/> + +sich nach Geheimsignal auftun, und wo tanzende +Nacktissen, siedende Musik einem unvermerkt teuren +schlechten Sekt einflößen. Denn das geknechtete Berlin +schlemmt und tanzt, wie man in Paris tanzte vor dem +Geköpftwerden. Die Bürger schmunzeln sich morgens über Pulte +hinweg zu: „Die Mark ist wieder gesunken; wir treiben rapid +dem Abgrund zu! Schönes Wetter!“ – Wie begeistert weiß +Deeters Berlin zu rühmen. Manchmal versagen ihm plötzlich +die Worte. Aber dann, viel anschaulicher vollendet er den +Satz durch eine gewisse gewinnende Handbewegung, annähernd +so, als striche er fein sanft ein Stäubchen vom Tisch. – +Fürstenberg-Auslese mündet in ein tosendes Meer. Deeters und +Gustav fanden sich, küßten sich, reden sich fortan mit Du +an. – Noktavian ist nüchtern zu einer sicherlich +vorgenommenen Zeit entwichen. Vermutlich wird er noch mit +Lupe, Riesenbrille und Fingerspitze auf der Landkarte nach +Spanien reisen oder lesend einen Schiffsjungen nach +Britisch-Honduras begleiten – „Knauer, streiten wir nicht! +Du baust dein Leben in Überzeugungen, ich das meinige in +Zweifeln auf.“ – Aber Knauer fällt vom Omnibus. Deeters und +Gustav springen ab, vergessen Knauern, fallen umschlungen +immer wieder in Schneehaufen und schwärmen, sich wieder +aufrichtend, umschlungen weiter von 1001 Nächten der +Tauentzienstraße. Der baltische Hüne packt vorübergehende +Männer am Arm und fragt seinen neuen Freund: „Gustav +Gastein, soll ich den (oder die) für dich verprügeln?“ Nein, +danke, laß den harmlosen Soldaten, er hat uns doch nichts +getan. Aber Deeters schüttelt erst nochmals sein Opfer. +„Du?! Wenn Du ein Wort gegen meinen Freund Gastein sagst, +dann –“ Weit zurück folgt steif, mit langsamen Schritten, +nörgelnd, Kehlbaum. Seitdem ihm zweimal ein silbernes Etui +aus der linken Manteltasche gestohlen wurde, trägt er in der +gleichen Tasche neben dem dritten Etui eine gespannte +Rattenfalle. Überhaupt ist er etwas mißtrauisch. Er hat aber +das andere Mißtrauen, das der freigebigen, zu oft +ausgenützten Menschen, nicht das der berechnenden Geizhälse. +</p> + +</div> +</body> +</html> |