aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/29-palermo.html
diff options
context:
space:
mode:
Diffstat (limited to 'OEBPS/Text/29-palermo.html')
-rw-r--r--OEBPS/Text/29-palermo.html365
1 files changed, 365 insertions, 0 deletions
diff --git a/OEBPS/Text/29-palermo.html b/OEBPS/Text/29-palermo.html
new file mode 100644
index 0000000..e974990
--- /dev/null
+++ b/OEBPS/Text/29-palermo.html
@@ -0,0 +1,365 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
+<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
+ "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">
+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Palermo</title>
+</head>
+<body>
+
+<!-- pb n="[317]" facs="#f0343"/ -->
+
+<div class="chapter" id="Palermo3">
+<div class="dateline"><span class="right"><span class="spaced">Palermo auf dem Paketboote</span>.</span></div>
+
+<p> <span class="initial">M</span>ein alter Wirth hier
+schickte mich zu einem neuen, seinem Freunde, weil sein Haus
+voll war. Ich war hier eben so gut wie dort und noch etwas
+billiger; und hatte überdiess die Aussicht auf den Hafen.
+Nun habe ich wieder meinen Reisegefährten von Seehund,
+welcher den Maro mit einigen andern Kameraden hält. Die Zeit
+wird mir aber so wenig lang, dass ich nur selten die alten
+Knaster aus dem Felle nehme.</p>
+
+<p>Vor einigen Tagen war hier Osterjahrmarkt am Hafen, auf
+welchen die Palermitaner etwas zu halten scheinen, wo aber
+ausser einigen Quinquaillerien, nicht viel zu haben ist. Man
+hat wenigstens dabey die Gelegenheit, fast die ganze galante
+Welt von Palermo spazieren gehen und fahren zu sehen. Es
+sind hier mehr schöne Wagen als in Messina, oh dort gleich
+im Allgemeinen mehr Wohlstand zu herrschen scheint. Es
+herrscht hier, wie fast an allen Höfen, Verschwendung und
+Armuth. In Messina ist man in Gefahr von den Wagen etwas
+gerädert zu werden; aber hier hat man für die Fussgänger am
+Strande eigene Wege gemacht, die für schön gelten. Du magst
+Herrn Hager lesen; ich kann Dir nicht alles erzählen. Noch
+einmahl habe ich die Promenade auf den Monte Pellegrino
+gemacht, als ob ich auch ein heiliger Pilger wäre. Mich
+lockte bloss die Aussicht, wie wohl auch manchen andern
+Pilger bloss irgend eine Aussicht locken mag. Das Wetter war
+mir wieder nicht
+<!-- pb n="318" facs="#f0344"/ --> günstig; ich liess mich
+indessen nicht abhalten, und stieg bis ziemlich auf den
+höchsten Gipfel des Felsenbergs hinauf. Wo das Kloster steht
+ist ein Absatz von etwas fruchtbarem Erdreich, das noch sehr
+gutes Getreide hält. Ich ging hinaus bis an die äusserste
+Spitze, wo eine Kapelle der heiligen Rosalia stehet mit
+ihrem Bilde, das füglich etwas besser seyn sollte. Die
+Fremden aller Länder hatten sich hier verewigt und mir wenig
+Platz gelassen. Alles war voll, und Stirn und Wange und
+Busen des heiligen Rosenmädchens waren beschrieben; es blieb
+mir nichts übrig als ihr meinen Namen auf die Nasenspitze zu
+setzen. Vielleicht dachte jeder durch die Aufsetzung seines
+Namens das Gemälde zu verbessern; die Nasenspitze ist
+wenigstens durch den meinigen nicht verdorben worden: und
+dieses ist das einzige Mal, dass ich auf der ganzen Wandlung
+meinen Namen geschrieben habe, wenn mich nicht die Polizey
+dazu nöthigte.</p>
+
+<p>Zwischen diesem isolierten Felsen und der höheren
+Bergkette liegt ein herrliches kleines Thal, das sich von
+der Stadt immer enger bis an die See vorzieht. Es ist
+reichlich gesegnet und der Fleiss könnte noch mehr gewinnen.
+Hier muss nach der Topographie das Städchen Hykkara gelegen
+haben, aus welchem Nicias die schöne Lais holte und nach
+Griechenland brachte. Weiter hinaus suchte ich mit meinen
+Hofmannischen Augen den Eryx bey Trapani, und knüpfte in
+vielen schnellen Uebergängen Wieland, Aristipp, und die
+erycinische Göttin zusammen. Weiss der Himmel wie ich in
+diesem Thema auf den Hudibras kam; die Ideenverbindung mag
+wohl etwas
+<!-- pb n="319" facs="#f0345"/ --> schnell und gesetzlos
+gewesen seyn, und ich halte es nicht für wichtig genug sie
+wieder aufzusuchen. Ich guckte hin nach Trapani und sang
+oder murmelte nach einer beliebten Melodie aus Mozarts
+Zauberflöte die schönen harmonischen Verse von Butler, die
+ich immer für ein Meisterstück der Knittelrhythmik gehalten
+habe. Sie passten vortreflich zur Melodie des Vogelfängers.
+Also ich brummte:</p>
+
+<div class="poem">
+<span class="italic">So learned Taliacotius from</span><br />
+<span class="italic">The brawny part of porters bum</span><br />
+<span class="italic">Cut supplemental noses, which</span><br />
+<span class="italic">Would last as long as parent breech;</span><br />
+<span class="italic">And as the date of Knock was out,</span><br />
+<span class="italic">Off dropt the sympathetic snout.</span><br />
+</div>
+
+<p>Ich hatte in meinem musikalischen Enthusiasmus nicht auf
+den Weg Achtung gegeben; und kaum hatte ich die letzte Zeile
+gesungen und wollte die erste wieder anfangen, so fiel ich
+auf die Nase, welches mir selbst auf dem Aetna nicht
+begegnet war, wo doch die Landsleute Butlers in ihren
+Strümpfen alle sehr oft zu Falle kamen. Hatte vielleicht die
+Göttin von Amathunt und vom Eryx die Profanation rächen
+wollen; die Nase blutete mir. Besser die Nase, als das Herz,
+dachte ich. Auch dieses war mir wohl ehemals etwas enge
+gewesen; jetzt war ihm längst wieder leicht. Ich hatte aus
+Gewohnheit noch ein kleines niedliches Madonnenbildchen an
+einer seidenen Schnur am Halse hangen, das mir oft das
+Prädikat der Katholicität erworben hatte. Das Original hatte
+mich
+<!-- pb n="320" facs="#f0346"/ --> königlich betrogen. Jetzt
+nahm ich es unwillkührlich von der linken Seite, nach
+welcher sich das Idolchen immer neigte, schloss
+unwillkührlich das Glas auf, nahm das elfenbeinerne
+Täfelchen heraus und erschrak, als ich es heftig
+unwillkührlich in zehen Stücke zersplittert zwischen dem
+Daumen hielt. War das lauter Rache Rosaliens und der vom
+Eryx? Mögen sie sich an niemand bitterer rächen! Ich hielt
+die Trümmerchen in der Hand; Freund Schnorr mag verzeihen:
+er hatte mit Liebe an dem Bildchen gepinselt. Einige Minuten
+hielt mich Phantasus noch mit Wehmuth am Original; ich sass
+auf einem Felsenstücke des Erkta und sah es im Geist an der
+Spree im goldenen Wagen rollen. Rolle zu; und so flogen die
+Stücke mit der goldenen Einfassung den Abgrund hinunter.
+Ehemals wäre ich dem Bildchen nachgesprungen; noch jetzt dem
+Original. Aber ich stieg nun ruhig den Schneckengang nach
+der Königsstadt hinab; die röthlichen Wölkchen vom Aetna her
+flockten lieblich mir vor den Augen. Ich vergass das
+Gemälde; möge es dem Original wohl gehen!</p>
+
+<p>Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet, und wurde
+zu Hause grässlich bewillkommt. Aber da muss ich Dir noch
+mehreres erzählen, ehe Du dieses gehörig verstehest. Du
+erinnerst dich des guten Steuerrevisors, der sich in
+Agrigent meiner so freundschaftlich annahm, dass er mir fast
+die Menschheit streitig machte. Kaum hatte ich in meinem
+Wirthshause die erste Nacht ausgeschlafen, als mein
+Steuerrevisor zu mir herein trat. Das that mir nun recht
+wohl; denn wer freut sich nicht, dass sich jemand um ihn
+beküm<!-- pb n="321" facs="#f0347"/ -->mert? Er
+erzählte mir, er sey meinetwegen in grossem Schrecken
+gewesen, als der Eseltreiber zurück gekommen, habe geglaubt,
+ich werde nun sicher umkommen, da ich allein ohne Waffen in
+der Insel herum laufe. Der Mauleseltreiberjunge, mein
+Begleiter, sagte er mir zum Trost, sey völlig von der Paste
+wieder genesen, und er habe die zwey Unzen bis auf den Abzug
+einiger Kleinigkeiten ihm wieder herausgeben müssen. Gut,
+dachte ich; also wieder zwey Unzen gerettet; ich kann sie
+brauchen. Sogleich nach seiner Ankunft in Palermo habe er
+sich nach meinem Wirthshause erkundigt und es bald erfahren.
+Nun sey er seit acht Tagen täglich da gewesen, um
+nachzufragen, Heute früh habe er meine Ankunft erfahren und
+sey sogleich hierher zu mir geeilt. Nun lud er mich ein zu
+ihm in sein Haus zu ziehen. Das war mir nun nicht ganz
+recht; denn ich wäre lieber geblieben wo ich war. Indessen
+der Mann bat so freundlich, war so besorgt gewesen; ich
+packte also ein, und liess hintragen. Er wohnte vor dem
+Thore nach Montreale. Wir assen, und seine Frau, eine heisse
+zelotische nicht unfeine Sicilianerin, fing nun meine
+Bekehrung an. Das Examen ging über Tische und zum Dessert
+von Artikel zu Artikel, von dem Papste und den Mönchen bis
+auf die unbefleckte Empfängniss. Das letzte war das
+Allerheiligste, von dem ich nichts wusste. Die gute Frau
+hätte, wie es schien, lieber ihre eigene Keuschheit in
+Gefahr gesetzt, als das geringste von der Jungferschaft
+Mariens aufgegeben. Man sprach mit aller Wärme und Salbung,
+mich zu überzeugen; aber vergebens. Man fing nun an mir
+Aussichten zu eröff<!-- pb n="322" facs="#f0348"/ -->nen:
+ja, lieber Gott, wenn ich ein anderer Kerl wäre, als ich
+bin, könnte ich im Vaterlande Aussichten haben, wo man sie
+doch am liebsten hat. <span class="italic">Don Juan, fate vi
+cristiano</span>, <span class="italic">et state</span> qui
+in <span class="italic">Sicilia</span>.
+&mdash; <span class="italic">Ma lo sono</span>.
+&mdash; <span class="italic">Ma non siete cattolico</span>.
+&mdash; <span class="italic">Ma sono bene
+cosi</span>; <span class="italic">non si puo meglio</span>.
+Die Frau ass im Eifer Bonbon und trank Wein und ward heftig,
+und da ich denn trocken halsstarrig fort blieb, rief sie in
+heiliger Wuth aus, indem sie den Teller von sich
+stiess: <span class="italic">Ma voi altri voi siete tutti
+baroni f-t-ti</span>. Ueber diese Naivetät erschrak ich, und
+wäre jetzt für zwey Unzen gern zurück in mein Wirthshaus
+gewesen. Nach Tische ging ich zu Rosalien, wie ich Dir
+erzählte. Ich glaubte das Haus meines neuen Wirths recht gut
+gemerkt zu haben und irrte mich doch; ich kam in ein
+unrechtes. Nun wollte ich eben fragen, wo hier Don Filippo
+wohne, als ein Kerl <span class="italic">ladro, briccone,
+furfante</span> heraus schrie und wüthend mit dem Messer auf
+mich zu stürzte. Ich hob so schnell ich konnte die
+Eisenzwinge meines Knotenstocks, flüchtete eben so schnell
+zum Hause hinaus und eilte die finstere Gasse hinunter. Die
+Nachbarschaft gerieth in Lärm: eine schöne Nachbarschaft,
+dachte ich, und ging in mein altes Gasthaus. Dort war ich
+sehr willkommen. Ich hatte mich eben zu Bette gelegt, als
+der Herr Steuerrevisor kam und mich aufsuchte. Er war
+meinetwegen in Todesangst. Ich erzählte ihm mein Abenteuer
+und sagte, dass ich in einer solchen Nachbarschaft nicht
+wohnen möchte; er liess aber nicht nach bis ich ihm
+versprach, morgen wieder zu ihm zu kommen, denn diesen Abend
+war ich nicht wieder aus dem Bette zu
+<!-- pb n="323" facs="#f0349"/ --> bringen. Den andern
+Morgen war er wieder sehr früh da und holte mich ab. Nun
+lebten wir leidlich ordentlich einige Tage, das Vorgefallene
+wurde bedauert und meine Ketzerey weiter nicht mehr als nur
+im Allgemeinen in Anspruch genommen. Aber wenn wir zuweilen
+zusammen ausgingen, welches der Herr sehr gut zu
+veranstalten wusste, hatte er immer etwas zu kaufen und kein
+Geld bey sich: ich war also ziemlich stark in Auslage und
+bezahlte jede Mahlzeit dadurch sehr theuer. Ich musste Geld
+haben von dem Kaufmann, und er erbot sich sogar meine
+Geschäfte bey ihm zu machen, da ich doch der Sprache nicht
+recht mächtig wäre. Aber dazu war ich bey aller meiner
+indolenten Gutherzigkeit denn doch schon zu sehr gewitziget,
+dankte und verbat seine Mühwaltung, und holte meine
+Barschaft nicht eher als bis ich abreisen wollte. Er half
+mir zuletzt noch manches besorgen, und da er sich
+meinetwegen bey Nacht etwas enrhümiert hatte, musste ich bey
+dem schlechten Wetter mit ihm doch wohl einen Wagen nehmen.
+Hier erzählte mir der Mann sehr naiv etwas näher seine
+Amtsbeschäftigungen. Wir müssen, sagte er, in der Insel
+herum reisen, die rückständigen Steuern einzutreiben, und im
+Namen des Königes den Leuten Kleider, Betten und das übrige
+Hausgeräthe wegzunehmen, wenn sie nicht zahlen können. Es
+packte mich bey diesen trockenen Worten eine Kälte, dass ich
+im Wagen meine Reisejacke dichter anzog und unwillkührlich
+nach meinem Halstuche griff. Die zwey Unzen wurden
+vergessen, und ich erinnerte nicht; ob ich sie gleich nun
+lieber dem Mauleseltreiber gelassen hätte,
+<!-- pb n="324" facs="#f0350"/ --> der so grossen
+unglücklichen Appetit an der Paste hatte. Ueberdiess war ich
+mit vielem in Auslage, und es war mir sehr lieb, als der
+Kapitän an Bord rufen liess. Er begleitete mich bis ans
+Wasser im Wagen mit seinen kleinen Mädchen, die in der That
+allerliebst niedliche Geschöpfchen waren. Beym Abschied in
+meiner Kajüte bat er sich noch eine Unze zum Geschenk für
+diese aus: ich ungalanter Kerl zog mürrisch die Börse und
+gab ihm schweigend das Goldstück hin. Er hatte mir es sehr
+verübelt, dass ich mir auf dem Paketboote ein Zimmer für
+mich genommen und mich an die Tafel des Kapitäns verdungen
+hatte. Das war nach seiner Meinung Verschwendung, und ich
+hätte für das Viertel der Summe mich unter die Takelage des
+Raums sollen werfen lassen. Ein erbaulicher Wirth, der Herr
+Steuerrevisor! Der Wind blieb widrig, wir fuhren nicht ab,
+und ich zog lieber wieder hinaus ins Wirthshaus: gleich
+suchte er mich wieder auf und wollte mich wieder zu sich
+haben. Der Mensch ward endlich unerträglich zudringlich und
+weggeworfen unverschämt, und ich musste noch bey einigen
+Parthien für ihn bezahlen. Um mich aber endlich recht
+bestimmt, nach der schicklichsten Weise für ihn, zu
+benehmen, ass ich in der Auberge unbefangen mit grossem
+Appetit ein Gericht nach dem andern, ohne ihn einzuladen
+oder für ihn zu bestellen. Nun wünschte er mir gute Reise,
+und ich sah ihn nicht wieder, den Herrn Steuerrevisor Don
+Filippo &mdash; &mdash; seinen Geschlechtsnamen will ich
+vergessen. Sterzinger, mit dem ich nachher noch sprach,
+kannte ihn und lachte. Er hatte in der Welt mehrere gelehrte
+<!-- pb n="325" facs="#f0351"/ -->
+und merkantilische Metamorphosen gemacht, bis er
+zu seiner jetzigen Würde gedieh. Der Himmel lasse
+ihm meine Unzen zur Besserung bekommen!</p>
+
+<p>Das Gebäude des botanischen Gartens hinter der Flora am
+Hafen ist nun fertig. Der Franzose Julieu hat es gezeichnet
+und ein Palermitaner es nach dem Riss aufgeführt. Die
+Sicilianer sind mit der Ausführung aber nicht mit der Idee
+zufrieden. Wo man rechts und links, auf der Insel und dem
+festen Lande, noch so viele schöne Monumente griechischer
+Kunst hat, ist man freylich etwas schwierig. Die Säulen sind
+nicht rein und oben und unten verziert. Der Saal ist nach
+der Anlage des Linneischen in Schweden, und vielleicht einer
+der prächtigsten dieser Art. Rund umher stehen die Büsten
+der grossen Männer des Fachs in Nischen, von Theophrast bis
+zu Büffon. Dem Zeichner des Gebäudes hat man die Ehre
+angethan, sein Gesicht unter einem andern alten Namen mit
+darunter zu setzen; eine eigene sonderbare Art von
+Belohnung.</p>
+
+<p>Der alte Cassero oder Corso, in allen italiänischen
+Städten von Bedeutung die Hauptstrasse, hat jetzt seinen
+Namen verändert und heisst Toledo nach der Hauptstrasse von
+Neapel; vermuthlich dem anwesenden Hofe eine Schmeicheley zu
+machen. Uebrigens muss der Hof eben nicht ausserordentlich
+geliebt seyn; denn ich habe oft gehört, dass man nie so
+schlechtes Wetter auf der Insel gehabt habe, als die vier
+Jahre, so lange der Hof hier sey.</p>
+
+<p>Die Polizey scheint hier nicht sehr genau zu seyn, oder
+berechnet Dinge nicht, die es doch wohl
+<!-- pb n="326" facs="#f0352"/ --> verdienten. Vor einigen
+Tagen führte man auf einer breiten Gasse öffentlich ein
+Banditendrama auf. Es war sogar Militärwache dabey um
+Ordnung zu halten, und die ganze Gasse war gedrängt voll
+Zuschauer. Die Schauspieler arbeiteten grässlich schön, und
+der Held hätte dem Handwerk Ehre gemacht. Freylich wird er
+mit poetischer Gerechtigkeit wohl im Stücke seine Strafe
+erhalten; aber dergleichen Scenen, wo noch so viel
+natürliche heroische Kraft und Deklamation ist, sind zu
+blendend, um in Unteritalien auf öffentlichen Plätzen unter
+dem grössten Zulauf gegeben zu werden. Man zahlt nichts;
+jeder tritt hin und schaut und nimmt was und wie viel er
+will. Haben doch sogar Schillers Räuber einmal Unfug bey uns
+angerichtet. Auf diese Weise arbeitet man dem siedenden
+Blute nicht wenig entgegen. Auch ist das Messer noch eben so
+sehr im Gebrauch und vielleicht noch mehr, als vor zwanzig
+Jahren. Ich hatte vor einigen Tagen ein Schauspiel davon.
+Ich ging den Morgen aus; ein Kerl schoss blutig an mir
+vorbey, und ein anderer mit dem Dolche hinter ihm her. Es
+sammelte sich Volk, und in einigen Minuten war einer
+erstochen, und der Mörder verwundet entlaufen. Die Wache,
+welche nicht weit davon stand, that als ob sie dabey gar
+nichts zu thun hätte. Dergleichen Auftritte gelten dort für
+eine gewöhnliche Festtagstrakasserie. Sie haben einen
+erschlagen, klingt in Sicilien und Unteritalien nicht härter
+als bey uns, wenn man sagt, es ist einer berauscht in den
+Graben gefallen. Nur gegen die Fremden scheinen sie, aus
+einer alten religiösen Sitte, noch einige Ehrfurcht zu
+haben. Sie
+<!-- pb n="327" facs="#f0353"/ --> erstechen sich unter
+einander bey der geringsten Veranlassung, hörte ich einen
+kundigen wahrhaften Mann urtheilen; aber ein Fremder ist
+heilig. Ich möchte mich freylich nicht zu sehr auf meine
+fremde Heiligkeit verlassen; aber die Sache ist nicht ohne
+Grund. Ich blieb, zum Beyspiel, zwischen Messina und Palermo
+in einem einzelnen Hause, dessen zwey handfeste Besitzer ich
+gleich beym ersten Anblick klassificiert hatte. Alles
+bestätigte meinen Argwohn und meine Besorgniss. Man speiste
+mich indessen leidlich und machte mir sodann ein Lager auf
+einer Art von Pritsche, so dass alle Schiessgewehre und
+Dolche in einem Winkel zu meinem Kopfe lagen. Man machte
+mich auch darauf aufmerksam, dass ich bewaffnet wäre, und
+ich schlief nun ziemlich ruhig.</p>
+
+<p>Nach Sankt Martin hinauf bin ich nicht gekommen, weil das
+Wetter beständig sehr unfreundlich war, und ich mich die
+letzten Tage nicht entfernen durfte, da man mit dem ersten
+guten Winde abfahren wollte. Die Mönche dort oben sollen die
+prächtigste Mast in der ganzen Christenheit haben. Wenn das
+Christenthum Schuld an allem Unheil wäre, das man bey seinen
+Priestern und durch seine Priester sieht, so wäre der
+Stifter der hassenswürdigste der Menschen. Das astronomische
+Observatorium auf dem Schlosse konnte ich nicht füglich
+sehen, weil Piazzi nicht zugegen war. Uebrigens bin ich
+auch ein Laie am Himmel. Vielleicht hat es eine wohlthätige
+Wirkung auf die Insel, dass die Sicilianer nun ihre Göttin
+unter den Sternen finden; bisher haben sie das Heiligthum
+der Ceres und ihre Geschenke gewissenlos ver<!-- pb n="328" facs="#f0354"/ -->achtet.
+Eine vaterländische Neuigkeit ist mir noch aufgestossen. Der
+Kaiser Karl der Fünfte hat um Sicilien grosse Verdienste,
+und sein Andenken ist billig den Insulanern ehrwürdig.
+Ueberall findet man noch Arbeiten von ihm, die seinen
+thätigen Geist bezeichnen, und die jetzt vernachlässigt und
+vergessen werden. Die Wachthürme rund umher, die er nach
+seiner afrikanischen Unternehmung aufführen liess, zeigen
+von seinem Muth und der damaligen Kraft der Insel. Seine
+Bildsäule steht also in Palermo fast mitten in der Stadt am
+Toledo auf einem freyen Platze; aber mit einem Bombast, der
+nicht in der Natur des Mannes lag. Er hat in der Inschrift
+eine lange Reihe Beynamen, und heisst unter andern,
+vermuthlich wegen der Mühlberger Schlacht, auch der Sachse
+und Hesse. Könnte man nun unsern Kurfürsten Moritz, dessen
+Enkomiast ich übrigens nicht ganz unbedingt werden möchte,
+nicht wegen der Ehrenberger Klause den Oestreicher und
+Spanier nennen? Sein Sieg war bedeutend genug und die Folge
+des Tages für die Protestanten auf immer wichtig.</p>
+
+</div> <!-- chapter -->
+
+</body>
+</html>