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  <title>Venedig</title>
</head>
<body>

<div class="chapter" id="Venedig">
<div class="dateline"><span class="right"><span class="spaced">Venedig</span>.</span></div>

<p> <span class="initial">D</span>ie Leute meinten wieder,
ich sey nicht gescheidt, als sie hörten, ich wolle zu Fusse
von Triest über die Berge nach Venedig gehen und sagten, da
würde ich nun wohl ein Bischen todt geschlagen werden: aber
ich liess mich nicht irre machen und wandelte wieder den
Berg herauf; zwar nicht den nehmlichen grossen Fahrweg, kam
aber doch, nach ungefähr zwey Stunden Herumkreuzen am Ufer
und durch die Weinberge, wieder auf die Heerstrasse. Ich
besuchte die Höhlen von Korneale nicht, weil die ganze
Gegend verdammt verdächtig aussah, und ich mich in der
Wildniss doch nicht so ganz allein und wildfremd den Leuten
in die Hände geben wollte. Die Berge, welche von Natur sehr
rauh und etwas öde sind, waren sonst deswegen so unsicher,
weil sie, wie die genuesischen, der Zufluchtsort alles
Gesindels der benachbarten Staaten waren. Da ganz Venedig in
Oestreichischen Händen ist, wird es nun der wachsamen
Polizey leichter, Ordnung und Sicherheit zu erhalten. Man
spürt in dieser Rücksicht schon den Vortheil der
Veränderungen. An dem
<!-- pb n="85" facs="#f0111"/ --> Zwickel der Berge kommt
hier ein schöner Fluss aus der Erde hervor, der vermuthlich
auch Höhlen bildet. Hier sind, nach aller Lokalität, gewiss
Virgils Felsen des Timavus und ich sah stolz umher, dass ich
nun ausgemacht den klassischen Boden betrat. Der Einschnitt
zwischen den Bergen, oder das Thal zwischen Santa Croce und
Montefalkone macht noch jetzt der Beschreibung der Alten
Ehre. Unten rechts am Meere stand vermuthlich der
Heroentempel im Haine, und links etwas weiter herauf am
Ausflusse des Timavus war der Hafen. Ich schlug mich hier
rechts von der geraden Strasse nach Venedig ab über die
Berge hinüber nach Görz, welches sechs ziemlich starke
Meilen von Triest liegt. Wenn man einmahl über die Berge
hinüber ist, welche freylich etwas kahl sind, hat man die
schönsten Weinthäler. Der Wein wird hier schon nach
italiänischer Weise behandelt, hängt an Ulmen oder Weiden,
und macht, wo die Gegend etwas nachhilft, schöne
Gruppierungen.</p>

<p>Von Görz nach Gradiska sind die Berge links ziemlich
sanft und man hat die grossen Höhen in beträchtlicher
Entfernung rechts: und wenn man über Gradiska nach Palma
Nuova heraus kommt, ist man ganz in der schönen Fläche des
ehemahligen venetianischen Friaul, hat links fast lauter
Ebene bis zur See und nur rechts die ziemlich hohen Friauler
Alpen. Von Görz nach Udine stehen im Kalender fünf Meilen;
aber Oestreichische Offiziere versicherten mich, es seyen
gute sieben Meilen; und ich fand Ursache der Versicherung zu
glauben. Palma Nuova war eine venetianische Gränzfestung,
und nun hausen die Kai<!-- pb n="86" facs="#f0112"/ -->serlichen 
hier. Sie exercierten eben auf dem grossen Platze vor dem
Thore. Der Ort ist militärisch nicht ganz zu verachten, wenn
er gut vertheidigt wird. Man kann nach allen Seiten hübsch
rasieren, und er kann von keiner nahen Anhöhe bestrichen
werden.</p>

<p>In Udine feyerte ich den neun und zwanzigsten Januar
meinen Geburtstag, und höre wie. Ich hatte mir natürlich den
Tag vorher schon vorgenommen, ihn recht stattlich zu
begehen, und also vor allen Dingen hier Ruhetag zu halten.
Der Name Udine klang mir so schön, war mir aus der
Künstlergeschichte bekannt, und war überdiess der Geburtsort
unserer braven Grassi in Dresden und Wien. Die grosse
feyerlich tönende Abendglocke verkündigte mir in der dunkeln
Ferne, denn es war schon Nacht als ich ankam, eine
ansehnliche Stadt. Vor Campo Formido war ich im Dunkeln
vorbey gegangen. Am Thore zu Udine stand eine östreichische
Wache, die mich examinierte. Ich bat um einen Grenadier, der
mich in ein gutes Wirthshaus bringen sollte. Gewährt. Aber
ein gutes Wirthshaus war nicht zu finden. Ueberall wo ich
hinein trat, sassen, standen und lagen eine Menge gemeiner
Kerle bacchantisch vor ungeheuer grossen Weinfässern, als ob
sie mit Bürger bey Ja und Nein vor dem Zapfen sterben
wollten. Es kam mir vor, als ob Bürger hier seine
Uebersetzung gemacht haben müsse; denn der lateinische Text
des alten englischen Bischofs hat dieses Bild nicht. In dem
ersten und zweyten dieser Häuser hatte ich nicht Lust zu
bleiben; im dritten wollte man mich nicht behalten. Ruhig,
dachte ich; du gehst auf die Wache: morgen wird sichs schon
fin<!-- pb n="87" facs="#f0113"/ -->den. Der Sergeant
gestand mir gern Quartier zu, da ich der Wache für ihre
Höflichkeit ein gutes Trinkgeld geben wollte. Nun holte man
Brot und Wein für mich. Kaum war dieses da, so kam eine
fremde Patrouille, einige Meilen weit her, welche ihr
Quartier auch in der Wachstube nahm. Nun sagte der Sergeant
ganz höflich, es sey kein Platz mehr da. Das sah ich auch
selbst ein. Er machte auch Dienstschwierigkeiten, die ich
als ein alter Kriegsknecht sehr bald begriff. Ich überliess
Brot und Wein dem Ueberbringer und verlangte, man solle mich
auf die Hauptwache bringen lassen. Das geschah. Dort fand
ich mehrere Offiziere. Ich erzählte dem Wachhabenden meinen
Fall und schloss mit der Meinung, dass ich doch Quartier
haben müsse, und sollte es auch auf der Hauptwache seyn. Die
Herren lärmten, fluchten und lachten und sagten, es gehe
ihnen eben so; die Welschen schlugen die Deutschen todt nach
Noten, wo sie konnten. Man schickte mich zum Platzmajor.
Gut. Dieser foderte meinen Pass, fand ihn richtig,
revidierte ihn, befahl, ich sollte mich den kommenden Morgen
bey der Polizey melden, die ihn auch unterschreiben müsse,
und machte einige Knasterbemerkungen über die Nothwendigkeit
der guten Ordnung, an der ich gar nicht zweifelte. Das ist
alles recht gut, sagte ich; aber ich kann kein Quartier
finden. Ach das wird nicht fehlen, meinte er: aber es fehlt,
meinte ich. Der alte Herr setzte sein Glas bedächtlich
nieder, sah seine Donna an, rieb sich die Augenbraunen und
schickte den Gefreyten mit mir und meinem
Tornister <span class="italic">alla nave</span>. Der
Gefreyte wies mich ins
<!-- pb n="88" facs="#f0114"/ --> Schiff und ging. Als ich
eintrat, sagte man mir, es sey durchaus kein Zimmer mehr
leer; es sey alles besetzt. Ich that gross und bot viel
Geld; aber es half nichts. Sie sollten es für den vierten
Theil haben, antwortete mir eine alte ziemlich gedeihliche
Frau; aber es ist kein Platz. Ich kann nicht fort, es ist
spät; ich bin müde und es ist draussen kalt. Die Italiänerin
machte es wie der Mann von Sankt Oswald, nur ganz höflich.
Ich gehe nicht, sagte ich, wenn man mir nicht einen Menschen
mitgiebt, der mich wieder auf die Hauptwache bringt. Den gab
man. Nun war ich wieder auf der Hauptwache und erzählte und
foderte Quartier. Man lärmte und fluchte und lachte von
neuem. Ich versicherte nun bestimmt, ich würde hier bleiben.
Wort gab Wort. Einer der Herren sagte lachend; Warten Sie,
vielleicht bin ich noch so glücklich Ihnen Quartier zu
verschaffen. Es ist eine verfluchte Geschichte; es geht uns
oft auch so, wenn wir nicht mit Heereszug kommen: aber ich
habe hier einige Bekanntschaft. Der Offizier ging einige
hundert Schritte weit davon mit mir in ein Haus, hielt
Vortrag, und ich erhielt sehr höflich Quartier. Zimmer und
Bette waren herrlich. Nun wollte ich essen; da war nichts zu
haben. <span class="italic">Ma Signore</span>; sagte die
Wirthin, <span class="italic">questa casa non è locanda; non
si mangia qui.</span> Ich hatte sieben Meilen im Januar
gemacht und war auf, dem Pflaster noch eine Stunde herum
trottiert; ich konnte mich nicht entschliessen spät in der
Finsterniss noch einmahl auszugehen. Der Officier war fort.
Ich sah grämlich aus, und man wünschte mir ohne Abendessen
freundlich <span class="italic">Felicissima notte</span>:
ich ging
<!-- pb n="89" facs="#f0115"/ -->
ärgerlich zu Bette und schlief herrlich. Den andern
Morgen, an meinem Geburtstage, sollte ich auf die
Polizey gehen. Der Sitz derselben war in vierzehn
Tagen wohl vier Mahl verändert worden: man wies
mich hier hin und dort hin, und ich fand sie
nirgends.</p>

<div class="poem"> 
Der Henker hohl' Euch mit der Polizey!<br />
Es ist doch alles lauter Hudeley.<br />
</div> 

<p>So dachte ich in meinem Aerger, kaufte mir eine Semmel
und einige Aepfel in die Tasche, ging nach Hause, bezahlte
den sehr billigen Preis für mein Quartier, stekte meinen
Pass ohne die Polizey wieder in die Brieftasche und reiste
zum Thore hinaus. Das war mein Geburtstag zum Morgen. Den
Abend aber, denn zu Mittage konnte ich kein schickliches
Haus finden und fastete, erholte ich mich ziemlich wieder zu
Codroipo. Eine niedliche Piemonteserin, deren Mann ein
Deutscher und Feldwebel bey einem kaiserlichen Regimente
war, kam zu Fusse mit ihrem kleinen Jungen von ungefähr zwey
Jahren von Livorno und ging nach Gräz. Du weisst ich liebe
schöne reinliche Kinder in diesem Alter ungewöhnlich, und
der Knabe fing so eben an etwas von der Sprache seines
Vaters und etwas von der Sprache seiner Mutter zu stammeln
und hatte sein grosses Wesen mit und auf meinem Tornister.
Der Wirth brachte uns Polenta, Eyerkuchen und zweyerley
Fische aus dem Tagliamento, gesotten und gebraten. Du
siehst, dabey war kein Fleisch; das war also an meinem
Geburtstage gefastet nach den besen Regeln der Kirche.</p>

<!-- pb n="90" facs="#f0116"/ -->
<p>Der Weg zwischen Triest und Venedig ist ausserordentlich
wasserreich; sehr viele grosse und kleine Flüsse kommen
rechts von den Bergen herab, unter denen der Tagliamento und
die Piave die vorzüglichsten sind. Zwischen Codroipo und
Valvasone ging ich über den Tagliamento in vier Stationen,
auf dem Rücken eines grossen ehrenfesten Charons, der seine
langen Fischerstiefeln bis an die Taille hinauf zog. Der
Fluss war jetzt ziemlich klein; und dieses ist zu solcher
Zeit die Methode Fussgänger überzusetzen. Sein Bett ist über
eine Viertelstunde breit und zeigt, wie wild er seyn muss,
wenn er das Bergwasser herab wälzt. Wenn die Bäche gross
sind, mag die Reise hier immer bedenklich seyn; denn man
kann durchaus an den Betten sehen, welche ungeheuere
Wassermenge dann überall herabströmt. Jetzt sind alle Wasser
so schön und hell, dass ich überall trinke: denn für mich
geht nichts über schönes Wasser. Die Wohlthat und den Werth
davon zu empfinden, musst Du dich von den Engländern einmahl
nach Amerika transportieren lassen, wo man in dem stinkenden
Wasser fingerlange Fasern von Unrath findet, die Nase
zuhalten muss, wenn man es durch ein Tuch geschlagen trinken
will, und doch noch froh ist, wenn man die kocytische Tunke
zur Stillung des brennenden Durstes nur noch erhält. So ging
es uns, als wir in den amerikanischen Krieg zogen, wo ich
die Ehre
<!-- choice><sic -->hattte<!-- /sic><corr>hatte</corr></choice --> dem
König die dreyzehn Provinzen mit verlieren zu helfen.</p>

<p>In Pordenone traf ich das erste Mahl eine öffentliche
Mummerey von Gassenmaskerade, musste bey
<!-- pb n="91" facs="#f0117"/ --> gar jämmerlichen Fischen
wieder fasten, und wäre übel gefahren, wenn mich ein
kleines niedliches Mädchen vom Hause nicht noch mitleidig
mit Kastanien gefüttert hätte. Hier sind in der Markuskirche
einige hübsche Votivgemählde, mit denen man sich wohl eine
halbe Stunde angenehm beschäftigen kann. Von Udine bis
Pordenone ist viel dürres Land; doch findet man mit unter
auch sehr schöne Weinpflanzungen. Die Deutschen stehen, wie
Du aus der Geschichte von Udine gesehen hast, eben nicht in
dem besten Kredit hier in der Gegend, und es ist kein
Unglück für mich, dass man mich meistens für einen Franzosen
hält, weil in meine Sprache sich oft ein französischer
Ausdruck einschleicht. Wenn ich gleich sage und wiederhohle,
ich sey ein Deutscher; so will man es doch nicht glauben. In
der Vermuthung, ich müsse ein französischer Offizier seyn,
der das Land umher durchzieht, werde ich oft recht gut
bewirthet. Dergleichen Promenaden der Franzosen müssen also
doch so ungewöhnlich nicht
seyn. <span class="italic">Signore è Francese, ma non volete
dirlo; Fate bene, fate bene</span>: sagte man mir mit sehr
freundlichem Gesichte. Alles kommt freylich auf den
Partheygeist an, der hier eben so mächtig ist, als irgendwo.
Viele klagen über die Franzosen; aber die Meisten scheinen
es doch nicht gern zu sehen, dass sie nicht mehr hier
sind.</p>

<p>In Conegliano fand ich einige junge Kaufleute, die von
Venedig kamen und den Weg nach Triest zu Fusse machen
wollten, den ich eben gekommen war. Das Herz ward ihnen sehr
leicht, als ich sagte, es gehe recht gut und es sey mir
keine Gefahr aufgesto<!-- pb n="92" facs="#f0118"/ -->ssen: 
denn man hatte auch diesen Herrn von der andern Seite das
Gehirn mit Schreckbildern angefüllt. Sodann war auch dort,
wie er sich selbst in der Gesellschaft einführte, ein
grosser Philosoph, ungarischer Hussarenunteroffizier, der
hier den politischen Spion zu machen schien. Er donnerte
gewaltig über die Revolution und brachte Anspielungen und
indirekte Drohungen gegen meine Person, als dieses
Verbrechens verdächtig. Der Wirth hat das Recht nach meinem
Pass zu fragen, mein Herr, versetzte ich, als mir die Worte
zu stark und zu deutsch wurden: wenn Sie aber glauben, dass
es nöthig ist, so führen Sie mich vor die Behörde zur
Untersuchung. Uebrigens erbitte ich mir von ihrer
Philosophie etwas Humanität. Das wirkte: der Mann fing nun
an ein halbes dutzend Sprachen zu sprechen, und vorzüglich
das Italiänische und Ungarische mit einer horrenden
Volubilität. So bald wir nur lateinisch zusammen kamen,
waren wir Freunde, und er war sogleich von meiner
politischen Orthodoxie überzeugt: und als ich ihn vollends
zu meinem Wein mit Pastetchen ehrenvoll einlud, gehörten wir
durchaus zu Einer Sekte. Er hielt sich an den Wein, ich mich
an die Pastetchen, und alle Coneglianer, Trevisaner und
Venetianer staunten den Strom von Gelehrsamkeit an, den der
Mann aus seinem Schatze hervorgoss.</p>

<p>Von Conegliano bis Treviso hatte ich mir auf einem
eingefallenen Steinchen die Ferse blutig getreten, und gab
zum ersten Mahl den Zudringlichkeiten eines Vetturino nach,
der mich für sechs Liren nach Mestre bringen wollte. Mit der
Bedingung, dass ich gleich
<!-- pb n="93" facs="#f0119"/ --> abginge, liess ich mir die
Sache gefallen: denn ich wollte noch gern diesen Abend in
Mestre seyn, um den folgenden Morgen zeitig nach Venedig
überzusetzen. Sechs Liren war mir ein unbegreiflich
niedriger Preis für einen vollen Wagen mit zwey guten
Pferden, den er mir von dem Wirthshause als mein Fuhrwerk
zeigte; so dass ich nicht wusste was ich denken sollte. Aber
vor der Stadt hielt er an und packte noch einen
venetianischen Kaufmann und eine Tyrolerin ein, die als
Kammerjungfer ihrer Gräfin nachreiste; und nun begriff ich
freilich. Von Conegliano aus ist der Weg schon sehr frequent
und die Landhäuser werden häufiger und schöner; und von
Treviso ist es fast lauter schöner mit Villen besetzter
Garten. Die Tyrolerin sentimentalisierte darüber
ununterbrochen deutsch und italiänisch; der Italiäner war
ein gar artiger Kerl, und da kamen denn die Leutchen bald in
einen Ton allerliebster Zweydeutigkeiten, zu dem die
deutsche Sprache, wenigstens die meinige, gar nicht geeignet
ist: und doch kann man nicht sagen, dass sie geradezu in
Unanständigkeit ausgeartet wären. Bloss der unreine Nasenton
der Tyrolerin missfiel mir; und da ich bey der zufälligen
Lüftung des Halstuches in der untern Gegend des Kinnbackens
einige beträchtliche Narben erblickte, war ich sehr froh,
dass ich mit excessiver Artigkeit dem Venetianer die
Ehrenstelle neben ihr im Fond überlassen hatte. Ich erhielt
meinen Theil Witz von den Leutchen für meine überstoische
Laune und Taciturnität, und rettete mich von dem Prädikat
eines Gimpels vermuthlich nur durch meine Unkunde in der
italiänischen Sprache
<!-- pb n="94" facs="#f0120"/ --> und einige Sarkasmen, die
ich ganz trocken hinwarf. In Mestre wollte mich die Dame aus
Artigkeit mit in ihr Hotel nehmen und meinte, ich könnte
morgen mit der Gräfin zusammen die Ueberfahrt nach dem
schönen Venedig machen: aber ich fand eine Gesellschaft von
Venetianern, die noch diesen Abend übersetzen wollte und
schloss mich an. Wir ruderten den Kanal hinunter. Die Andern
waren alle Einheimische und hatten weiter nichts nöthig als
dieses zu sagen; aber ich Fremdling musste einige Zeit auf
der Wache warten, bis der Offiziant meinen Pass gehörig
registriert hatte. Er behielt ihn, und gab mir einen
Passierzettel, nach östreichischer Sitte, mit der Weisung,
mich damit in Venedig auf der Polizey zu melden. Das foderte
etwas Zeit, da der Herr etwas Myops und kein Tachygraph war;
und meine Gesellschafter waren über den Aufenthalt etwas
übellaunig. Doch das gab sich bald. Man fragte mich, als ich
zurück kam, mit vieler Artigkeit und Theilnahme, wer ich
sey? wohin ich wolle? und dergleichen; und wunderte sich
höchlich als man hörte, dass ich zu Fusse allein einen
Spaziergang von Leipzig nach Syrakus machen wollte. Der
Abend war schön, und ehe wir es uns versahen, kamen wir am
Rialto an, wovon ich aber jetzt natürlich weiter nichts als
die magische Erscheinung sah. Ein junger Mann von
Conegliano, mit dem ich während der ganzen Ueberfahrt viel
geplaudert hatte, begleitete mich durch eine grosse Menge
enge Gässchen in den Gasthof <span class="italic">The Queen
of England</span>; und da hier alles besetzt war zum goldnen
Stern, nicht weit vom
<!-- pb n="95" facs="#f0121"/ --> Markusplatze, wo ich für
billige Bezahlung ziemlich gutes Quatier und artige
Bewirthung fand.</p>

<p>Den dritten Februar, wenn ich mich nicht irre, kam ich in
Venedig an, und lief gleich den Morgen darauf mit einem
alten abgedankten Bootsmann, der von Lissabon bis
Konstantinopel und auf der afrikanischen Seite zurück die
ganze Küste kannte, und jetzt den Lohnbedienten machen
musste, in der Stadt herum; sah mehr als zwanzig Kirchen in
einigen Stunden, von der Kathedrale des heiligen Markus
herab bis auf das kleinste Kapellchen der ehemaligen
Beherrscherin des Adria. Wenn ich Künstler oder nur Kenner
wäre, könnte ich Dir viel erzählen von dem was da ist und
was da war. Aber das alles ist Dir wahrscheinlich schon aus
Büchern bekannt; und ich würde mir vielleicht weder mit der
Aufzählung noch mit dem Urtheil grosse Ehre erwerben. Der
Pallast der Republik sieht jetzt sehr öde aus, und der
Rialto ist mit Kanonen besetzt. Auch am Ende des
Markusplatzes nach dem Hafen zu haben die Oestreicher sechs
Kanonen stehen, und gegen über auf Sankt George hatten schon
die Franzosen eine Batterie angelegt, welche die
Kaiserlichen natürlich unterhalten und erweitern. Die
Parthie des Rialto hat meine Erwartung nicht befriedigt;
aber der Markusplatz hat sie, auch so wie er noch jetzt ist,
übertroffen.</p>

<p>Es mögen jetzt ungefähr drey Regimenter hier liegen, eine
sehr kleine Anzahl für ernsthafte Vorfälle. So wie die
Stimmung jetzt ist, nähme und behauptete man mit zehn
tausend Mann Venedig; wenn man nehmlich im Anfange energisch
und sodann klug und
<!-- pb n="96" facs="#f0122"/ --> human zu Werke ginge. Das
Militär und überhaupt die Bevölkerung zeigt sich meistens
nur auf dem Markusplatze, am Hafen, am Rialto und am
Zeughause; die übrigen Gegenden der Stadt sind ziemlich
leer. Wenn man diese Parthien gesehen hat und einige Mahl
den grossen Kanal auf und abgefahren ist, hat Venedig
vielleicht auch nicht viel Merkwürdiges mehr; man müsste
denn gern Kirchen besuchen, die hier wirklich sehr schön
sind.</p>

<p>Das Traurigste ist in Venedig die Armuth und Betteley.
Man kann nicht zehn Schritte gehen, ohne in den
schneidendsten Ausdrücken um Mitleid angefleht zu werden;
und der Anblick des Elends unterstützt das Nothgeschrey des
Jammers. Um alles in der Welt möchte ich jetzt nicht
Beherrscher von Venedig seyn; ich würde unter der Last
meiner Gefühle erliegen. Schon Küttner hat viele Beyspiele
erzählt, und ich habe die Bestätigung stündlich gesehen. Die
niederschlagendste Empfindung ist mir gewesen. Frauen von
guter Familie in tiefen, schwarzen, undurchdringlichen
Schleyern kniend vor den Kirchenthüren zu finden, wie sie,
die Hände gefaltet auf die Brust gelegt, ein kleines
hölzernes Gefäss vor sich stehen haben, in welches die
vorübergehenden einige Soldi werfen. Wenn ich länger in
Venedig bliebe, müsste ich nothwendig mit meiner Börse oder
mit meiner Empfindung Bankerott machen.</p>

<p>Drollig genug sind die gewöhnlichen Improvisatoren und
Deklamatoren auf dem Markusplatze und am Hafen, die einen
Kreis um sich her schliessen lassen und für eine Kleinigkeit
irgend eine berühmte Stelle
<!-- pb n="97" facs="#f0123"/ --> sprechen, oder auch aus
dem Stegreife über ein gegebenes Thema theils in Prose
theils in Versen sogleich mit solchem Feuer reden, dass man
sie wirklich einige Mahl mit grossem Vergnügen hört. Du
kannst Dir vorstellen, wie geringe die Summe und wie
erniedrigend das Handwerk seyn muss. Eine Menge Leute von
allen Kalibern, Lumpige und Wohlgekleidete, sassen auf
Stühlen und auf der Erde rund herum und warteten auf den
Anfang, und eine Art von buntscheckigem Bedienten, der
seinem Prinzipal das Geld sammelte, rief und wiederholte mit
lauter Stimme:
<span class="italic">Manca ancora cinque soldi; ancora
cinque soldi!</span> Jeder warf seinen Soldo hin, und man
machte gewaltige Augen, als ich einige Mahl mit einem
schlechten Zwölfkreuzerstück der Foderung ein Ende machte
und die Arbeit beschleunigte. Welch ein Abstand von diesen
Improvisatoren bis zu den römischen, von denen wir zuweilen
in unsern deutschen Blättern lesen!</p>

<p>Auf der Giudekka ist es, wo möglich, noch ärmlicher als
in der Stadt; aber eben desswegen sind dort nicht so viele
Bettler, weil vielleicht niemand hoffen darf, dort nur eine
leidliche Ernte zu halten. Die Erlöserskirche ist daselbst
die beste, und ihre Kapuziner sind die Einzigen, die in
Venedig noch etwas schöne Natur geniessen. Die Kirche ist
mit Orangerie besetzt, und sie haben bey ihrem Kloster, nach
der See hinaus, einen sehr schönen Weingarten. Diese, nebst
einigen Oleastern in der Gegend des Zeughauses, sind die
einzigen Bäume, die ich in Venedig gesehen habe. Die Insel
Sankt George hält bekanntlich die Kirche und das Kapitel, wo
der jetzige Papst <!-- pb n="98" facs="#f0124"/ -->gewählt 
wurde, und wo auch noch sein Bildniss ist, das bey den
Venetianern von gemeinem Schlage in ausserordentlicher
Verehrung steht. Der Maler hat sein mögliches gethan, die
Draperie recht schön zu machen. Die Kirche selbst ist ein
gar stattliches Gebäude, und wie ich schon oben gesagt habe,
mit Batterien umgeben.</p>

<p>Die Venetianer sind übrigens im Allgemeinen höfliche,
billige, freundschaftliche Leute, und ich habe von Vielen
Artigkeiten genossen, die ich in meinem Vaterlande nicht
herzlicher hätte erwarten können. Einen etwas schnurrigen
Auftritt hatte ich vor einigen Tagen auf dem Markusplatze.
Man hatte mich beständig in dem nehmlichen Reiserocke, (die
Ursache war, weil ich keinen andern hatte, da ich keinen
andern im Tornister tragen wollte,) an den öffentlichen
Orten der Stadt herum laufen sehen, und doch gesehen, dass
ich mit einem Lohnbedienten lief und Liren verzehrte. Ich
zahlte dem Bedienten jeden Abend sein Geld, wenn ich ihn
nicht mehr brauchte; dieses geschah diesen Abend, da es noch
ganz hell war, auf dem Markusplatze. Einige Dirnen der
Aphrodite Pandemos mochten bemerkt haben, dass ich bey der
Abzahlung des Menschen eine ziemliche Handvoll silberner
Liren aus der Tasche gezogen hatte, und legten sich, als der
Bediente fort war und ich allein gemächlich nach Hause
schlenderte, ganz freundlich und gefällig an meinen Arm. Ich
blieb stehen und sie thaten das nehmliche. Man gruppierte
sich um uns herum, und ich bat sie höflich, sich nicht die
Mühe zu geben mich zu inkommodieren. Sie fuhren mit
<!-- pb n="99" facs="#f0125"/ --> ihrer artigen
Vertraulichkeit fort, und ich ward ernst. Sie waren beyde
ganz hübsche Sünderinnen, und trugen sich ganz niedlich und
anständig mit der feineren Klasse. Ich demonstrierte in
meinem gebrochenen Italiänisch so gut ich konnte, sie
möchten mich in Ruhe lassen. Es half nichts; die
Gesellschaft in einiger Entfernung lächelte und Einige
lachten sogar. Eine von den beyden Nymphchen schmiegte sich
so schmeichelnd als möglich an mich an. Da ward ich heiss
und fing an in meinem stärksten Basstone auf gut Russisch zu
fluchen, mischte so etwas
von <span class="italic">Impudenza</span>
und <span class="italic">senza vergogna</span> dazu,
stampfte mit meinem Knotenstocke emphatisch auf das
Pflaster, dass die Gesellschaft sich schüchtern zerstreute
und die erschrockenen Geschöpfchen ihren Weg gingen.</p>

<p>Ein anderer, etwas ernsthafterer Vorfall beschäftigte
mich fast eine halbe Stunde. Ich verschliesse den Abend mein
Zimmer und lege mich zu Bette. Als ich den Morgen aufstehe,
finde ich meine Kleider, die neben mir auf einem andern
Bette lagen, ziemlich in Unordnung und meinen Huth herab
geworfen. Das Schloss war unberührt und mir fehlte übrigens
nichts. Ich dachte hin und her und konnte nichts heraus
grübeln, und mir schwebten mancherley sonderbare Gedanken
von der alten venetianischen Polizey vor dem Gehirne; so
dass ich sogleich, als ich mich angezogen hatte, zu dem
Kellner ging und ihm den Vorfall erzählte. Das Haus war
gross und voll. Da erhielt ich denn zu meiner Beruhigung den
Aufschluss, es seyen die Nacht noch Fremde angekommen, und
man habe noch eine Matratze gebraucht, und sie aus dem
<!-- pb n="100" facs="#f0126"/ -->
Bette neben mir mit dem Hauptschlüssel abgeholt.
Hätte ich nun die Sache nicht gründlich erfahren, wer
weiss was ich mir noch für Einbildungen gemacht hätte.</p>

<p>Jetzt ist meine Seele voll von einem einzigen
Gegenstande, von Canovas Hebe. Ich weiss nicht, ob Du die
liebenswürdige Göttin dieses Künstlers schon kennst; mich
wird sie lange, vielleicht immer beherrschen. Fast glaube
ich nun, dass die Neuen die Alten erreicht haben. Sie soll
eines der jüngsten Werke des Mannes seyn, die ewige Jugend.
Sie steht in dem Hause Alberici, und der Besitzer scheint
den ganzen Werth des Schatzes zu fühlen. Er hat der Göttin
einen der besten Plätze, ein schönes helles Zimmer nach dem
grossen Kanal, angewiesen. Ich will, ich darf keine
Beschreibung wagen; aber ich möchte weissagen, dass sie die
Angebetete der Künstler und ihre Wallfahrt werden wird. Ich
habe die Mediceerin noch nicht gesehen; aber nach allen
guten Abgüssen von ihr zu urtheilen, ist hier für mich mehr
als alle
<span class="italic">veneres cupidinesque</span>.</p>

<div class="poem">     
<span class="indent">Ich stand von süssem Rausche trunken,</span><br />
Wie in ein Meer von Seligkeit versunken,<br />
Mit Ehrfurcht vor der Göttin da,<br />
Die hold auf mich herunter sah,<br />
Und meine Seele war in Funken:<br />
Hier thronte mehr als Amathusia.<br />
Ich war der Sterblichkeit entflogen,<br />
Und meine stillen Blicke sogen<br />
Aus ihrem Blick Ambrosia<br />
Und Nektar in dem Göttersaale;<br />
<!-- pb n="101" facs="#f0127"/ -->
Ich wusste nicht, wie mir geschah:<br />
Und stände Zevs mit seinem Blitze nah,<br />
Vermessen griff' ich nach der Schale,<br />
Mit welcher sie die Gottheit reicht,<br />
Und wagte taumelnd jetzt vielleicht<br />
Selbst dem Alciden Holm zu sagen,<br />
Und mit dem Gott um seinen Lohn zu schlagen. &mdash;<br />
</div> 

<p>Du denkst wohl, dass mich das marmorne Mädchen etwas
ausser mich gebracht hat; und so mag es allerdings seyn. Der
Italiäner betrachtete meine Andacht eben so aufmerksam, wie
ich seine Göttin. Diese einzige Viertelstunde hat mir meine
Reise bezahlt; so ein sonderbar enthusiastischer Mensch bin
ich nun zuweilen. Es ist die reinste Schönheit, die ich bis
jetzt in der Natur und in der Kunst gesehen habe; und ich
verzweifle selbst mit meinem Ideale höher steigen zu können.
Ich muss Canovas Hände küssen, wenn ich nach Rom komme, wo
er, wie ich höre, jetzt lebt. Das goldene Gefäss, die
goldene Schale und das goldene Stirnband haben mich gewiss
nicht bestochen; ich habe bloss die Göttin angebetet, auf
deren Antlitz alles, was der weibliche Himmel
liebenswürdiges hat, ausgegossen ist. In das Lob der Gestalt
und Glieder und des Gewandes will ich nicht eingehen; das
mögen die Geweiheten thun. Alles ist des Ganzen würdig.</p>

<p>In dem nehmlichen Hause steht auch noch ein schöner
Gypsabguss von des Künstlers Psyche. Sie ist auch ein
schönes Werk; aber meine Seele ist zu voll von Hebe, um sich
zu diesem Seelchen zu wenden.
<!-- pb n="102" facs="#f0128"/ --> In dem Zimmer, wo der
Abguss der Psyche steht, sind rund an den Wänden Reliefs in
Gyps von Canovas übrigen Arbeiten. Eine Grablegung des
Sokrates durch seine Freunde. Die Scene, wo der Verurtheilte
den Becher nimmt. Der Abschied von seiner Familie. Der Tod
des Priamus nach Virgil. Der Tanz der Phäacier in Gegenwart
des Ulysses, wo die beyden tanzenden Figuren vortrefflich
sind: und die opfernden Trojanerinnen vor der Minerva, unter
Anführung der Hekuba. Alles ist eines grossen und weisen
Künstlers würdig; aber Hebe hat sich nun einmahl meines
Geistes bemächtiget und für das übrige nichts mehr übrig
gelassen. Wenn der Künstler, wie man glaubt, nach einem
Modell gearbeitet hat, so möchte ich für meine Ruhe das
Original nicht sehen. Doch, wenn dieses auch ist, so wird
seine Seele gewiss es erst zu diesem Ideal erhoben haben,
das jetzt alle Anschauer begeistert.</p>

<p>Da meine Wohnung hier nahe am Markusplatze ist, habe ich
fast stündlich Gelegenheit die Stellen zu sehen, auf welchen
die berühmten Pferde standen, die nun, wie ich höre, den
konsularischen Pallast der Gallier bewachen sollen.
Sonderbar; wenn ich nicht irre, erbeuteten die Venetianer,
in Gesellschaft mit den Franzosen, diese Pferde nebst vielen
andern gewöhnlichen Schätzen. Die Venetianer liessen ihren
Verbündeten die Schätze und behielten die Pferde; und jetzt
kommen die Herren und holen die Pferde nach. Wo ist der
Bräutigam der Braut, der jährlich sein Fest auf dem
adriatischen Meere feyerte? Die Britten gingen seit geraumer
Zeit schon etwas willkührlich
<!-- pb n="203 " facs="#f0129"/ --> und ungebührlich mit
seiner geliebten Schönen um; und nun ist er selbst an der
Apoplexie gestorben, und ein Fremder nimmt sich kaum mehr
Mühe seinen Bucentaur zu besehen. Venedig wird nun nach und
nach von der Kapitale eines eigenen Staats zur
Guvernementsstadt eines fremden Reichs sich modificieren
müssen; und desto besser für den Ort, wenn dieses sanft, von
der einen Seite mit Schonung und von der andern mit
gehöriger Resignation geschieht.</p>

<p>Gestern ging ich nach meinem Passe, der auf der Polizey
gelegen hatte und dort unterschrieben werden musste. Ich bin
überhaupt kein grosser Wälscher, und der zischende Dialekt
der Venetianer ist mir gar nicht geläufig. Ich konnte in der
Kanzley mit dem Ausfertiger nicht gut fertig werden, und man
wies mich in ein anderes Zimmer an einen andern Herrn, der
fremde Zungen reden sollte. In der Meinung, er würde unter
einem deutschen Monarchen auch wohl deutsch sprechen, sprach
ich Deutscher deutsch. <span class="italic">Non son asino
ferino</span>, antwortete der feine
Mann, <span class="italic">per ruggire tedesco</span>. Das
waren, glaube ich, seine Worte, die freylich eine grelle
Ausnahme von der venetianischen Höflichkeit machten. Die
Anwesenden lachten über den Witz, und ich, um zu zeigen dass
ich wider sein Vermuthen wenigstens seine Galanterie
verstanden hatte, sagte ziemlich
mürrisch: <span class="italic">Mais pourtant, Monsieur, il
est à croire qu'il y quelqu'un ici, qui</span>
sache <span class="italic">la langue de votre
Souverain</span>. Das machte den Herrn etwas verblüfft; er
fuhr ganz höflich französisch fort sich zu erkundigen, sagte
mir, dass mein Pass ausgefertiget sey, und in drey Minuten
war ich fort. Ich
<!-- pb n="104" facs="#f0130"/ -->
erzähle Dir dieses nur als noch einen neuen Beweis,
wie man gegen unsere Nation gestimmt ist. Diese
Stimmung ist ziemlich allgemein, und die Oestreicher
scheinen sich keine sonderliche Mühe zu geben, sie
zu ändern.</p>

<p>Morgen will ich über Padua am Adria hinab wandeln und
mich so viel als möglich dem Meere nahe halten, bis ich
hinunter an den Absatz des Stiefels komme und mich an den
Aetna hinüber bugsieren lassen kann. Die Sache ist nicht
ganz leicht. Denn unter Ankona bey Loretto endigt die
Poststrasse; und durch Abbruzzo und Kalabrien mag es nicht
gar wegsam und wirthlich seyn: <span class="italic">sed non
sine dis animosus infans</span>. Ich weiss, dass mich Deine
freundschaftlichen Wünsche begleiten, so wie Du überzeugt
seyn wirst, dass meine Seele oft bey meinen Freunden und
also auch bey Dir ist.</p>

</div> <!-- chapter -->

</body>
</html>