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  <title>Katanien</title>
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<body>

<!-- pb n="[268]" facs="#f0294"/ -->

<div class="chapter" id="Katanien">
<div class="dateline"><span class="right">Katanien.</span></div>

<p> <span class="initial">D</span>u siehst, ich bin nun auf
der Rückkehr zu Dir. Syrakus oder vielleicht schon Agrigent
war das südlichste Ende meines Weges. Vor einigen Tagen ritt
ich zu Maulesel wieder mit einem ziemlich kleinen Führer
hierher. Man kann die Reise in einem Sommertage sehr bequem
machen; und wenn man recht gut beritten ist, recht früh
aufbricht und sich nicht sehr viel umsieht, kann man wohl
Augusta noch mit nehmen. Die Maulesel machen einen
barbarisch starken Schritt, und
das <span class="italic">Pungite, Don Juan, pungite!</span>
wurde auch nicht gespart. Es war ein herrlicher warmer
Regenmorgen, als ich Syrakus verliess; der Himmel hellte
sich auf, als ich aus der Festung war, und die Nachtigallen
sangen wetteifernd in den Feigengärten und Mandelbäumen so
schön, wie ich ihnen in Sicilien gar nicht zugetraut hätte,
da sie sich noch nicht sonderlich hatten hören lassen. Ich
ging wieder vor der Feigenquelle vorbey und durch einen
Strich der schönen herrlichen Gegend von Augusta. Aber vor
derselben und nach derselben war es wüste; ununterbrochen
wüste, bis diesseits der Berge an die Ufer des Simäthus. In
einem Wirthshause am Fusse der Berge, ungefähr, ungefähr
noch zehn Millien von Katanien, wo ich essen wollte und
wenigstens Makkaronen suchte, gab der Wirth skoptisch zur
Antwort: In Katanien sind Makkaronen; hier ist nichts. Der
Mensch hatte die trotzige murrsinnige Physionomie der
gedrückten Armuth und des Mangels, der nicht seine Schuld
war, und gewann nicht eher eine etwas
<!-- pb n="269" facs="#f0295"/ --> freundliche Miene, als
bis ich seinen Kindern von meinem schönen Brote aus Syrakus
gab; dann holte er mir mein Lieblingsgericht, getrocknete
Oliven. In der Gegend des Simäthus war das Wasser ziemlizh
gross, das man auf die Felder umher auf den Reis leitete.
Mein Maulesel, den ich nordischer Reiter wohl nicht recht
geschickt lenken mochte, fiel in eine morastige Lache des
Flusses, und bekam meine halbe Personalität unter sich. Mein
linker Fuss, der wegen einer alten Kontusion nicht viel
vertragen kann, wurde gequetscht und etwas verrenkt und ich
kam lahm hier an. Sehr leicht hätte ich eines sehr
unidyllischen schmutzigen Todes in dem Schlamme des Simäthus
sterben können: doch zürne ich desswegen dem Flusse nicht:
denn er ist doch der einzige Fluss, der diesen Namen auf der
Insel verdient, und durchaus der grösste, wenn gleich einige
den Salzfluss bey Alikata oder gar den Himera bey Termini
grösser machen. Der Simäthus ist ein eigentlicher Fluss, und
die andern sind nur Waldströme, die sich freylich zuweilen
mit vieler Gewalt von den Gebirgen herabwälzen mögen, wie
ich schon selbst die Erfahrung gemacht habe. Das dauert aber
gewöhnlich nur einige Tage; dann kann man wieder zu Fuss
durch ihr Bette gehen. Nicht weit diesseit des Simäthus,
über den hier eine ziemlich gute Fähre geht, führte mich
mein unkundiger Eseltreiber in Büsche und Moräste hinein,
dass weder ich, noch er, noch der Esel weiter wussten. Mein
Schmutz und mein Schmerz am Fusse hatten mich etwas grämlich
gemacht, so dass ich im Aerger dem Jungen mit der Ruthe
einige Schläge über das
<!-- pb n="270" facs="#f0296"/ --> Kollet gab. Er fing an
jämmerlich zu schreyen; wir erholten uns beyde und er sagte
mir sodann mit vieler Mauleseltreiberweisheit, das sey sehr
unklug von mir gewesen, dass ich so wenig Geduld gehabt
habe; ich habe zwar von ihm nichts zu fürchten, weil er
ehrlich sey; aber ich sey doch immer in seiner Gewalt. Avis
dem Leser, der Junge hatte Recht, und ich schämte mich
meiner Uebereilung; wir versöhnten uns und ritten
philosophisch weiter. Die fernere Nachbarschaft von Katanien
ist, für Katanien, schlecht genug gebaut; die ganze Gegend
des Simäthus könnte und sollte etwas besser bearbeitet seyn.
In der Nähe der Stadt fängt die Kultur schöner an. Ich liess
an dem Stadtthore den Jungen mit der Bezahlung laufen und
spazierte oder hinkte die Strasse hinab, wendete mich an die
erste Physionomie, die mir gefiel und die mich auch in den
Elephanten sehr gut unterbrachte. Für den beschädigten Fuss
gab mir ein Arzt bey dem Professor Gambino Muskatennussöl,
und es ward sogleich besser, und jetzt marschiere ich schon
wieder ziemlich fest. Das habe ich auch nöthig; denn ich
will auf den Aetna, wo sich mancher schon den Fuss vertreten
hat.</p>

<p>Eben stehe ich von einer ächt klassischen Mahlzeit auf,
mein Freund; und ich glaube fast, es wäre die beste in
meinem Leben gewesen, wenn nur einige Freunde wie Du aus dem
Vaterlande mit mir gewesen wären. Aber mein Tischgeselle war
ein hiesiger Geistlicher, eben die Physionomie, die ich auf
der Strasse zum Führer bekam. Der Mann ist indessen für
einen sicilischen Theologen vernünftig genug,
<!-- pb n="271" facs="#f0297"/ --> und hat mir eben ich
weiss nicht wie klassisch bewiesen, dass Katanien das
Vaterland der Flöhe sey. Meine Mahlzeit, Freund, war ganz
vom Aetna, bis auf die Fische, welche aus der See an seinem
Fusse waren. Die Orangen, der Wein, die Kastanien, die
Feigen und die Feigenschnepfen, alles ist vom Fusse und von
der Seite des Berges. Ich bin Willens ihn auf alle Weise zu
geniessen; desswegen bin ich hergekommen; und wohl nicht
absichtlich um das Unwesen der Regierung und der Möncherey
zu sehen. In Katanien ist es wohl von ganz Sicilien und
vielleicht von ganz Italien noch am hellsten und
vernünftigsten; das hat Biskaris und einige seiner Freunde
gemacht, durch welche etwas griechischer Geist wieder
aufgelebt ist. Es ist hier sogar eine Art von Wohlstand und
Flor, der den schlechten Einrichtungen in der Insel Hohn
spricht. Hier würde ich leben, wenn ich mich nicht bey den
Kamaldulensern in Neapel einsiedelte. Hier fängt man
wenigstens an, das Unglück des Vaterlandes, die Unordnungen
und Malversationen aller Art, die schrecklichen Wirkungen
der Unterdrückung und des dummen Aberglaubens recht lebhaft
zu fühlen. Die Mönche haben den dritten Theil der Güter in
den Händen; und wenn ihre Mast das einzige Uebel wäre, das
sie dem Staate verursachen, so könnte der grässliche
Druckfehler doch vielleicht noch Verzeihung finden. Aber
&mdash; mein Gott, wer wird ein Wort über die Mönche
verlieren! Bonaparte wird sich zu seiner Zeit ihrer schon
wieder eben so thätig annehmen, wie der Uebrigen, da sie mit
ihnen zu seinem Systeme gehören. Es entfuhr mir aus
kosmopolitischem In<!-- pb n="272" facs="#f0298"/ -->grimm 
hier in einer Gesellschaft, dass ich
sagte: <span class="italic">Les moines avec leur cortege
sont les morpions de l'humanité</span>. Die Sentenz wurde
mit lautem Beyfall aufgenommen, und auf manchen
vorübergehenden Kuttenträger angewendet. Du begreifst, dass
man schon ziemlich liberal seyn muss, um so etwas nur zu
vertragen: freylich verträgt man es nicht überall; aber die
Stimmung ist doch sehr lebendig gegen das Ungeziefer des
Staats. Die Franzosen haben in der ganzen Insel keine
geringe Parthey; und diese nimmt es Bonoparte sehr übel,
dass er nach Aegypten ging und nicht vorher kam und sie
nahm, welches nach ihrer Meinung etwas leichtes gewesen
wäre. Muth, Klugheit, allgemeine Gerechtigkeit und
Humanität, von welchen Eigenschaften er wenigstens die erste
Hälfte besitzt, hätten mit zehen tausend Mann die Sache
gemacht: und es ist leicht zu berechnen, was Sicilien für
den Krieg gewesen wäre; wenn es auch nicht mehr so wichtig
ist, als in den karthagischen Kriegen oder unter den
Normännern. Alle vernünftige Insulaner sind völlig
überzeugt, dass sie bey dem nächsten Kriege, an dem Neapel
nur entfernt Antheil nimmt, die Beute der Engländer oder
Franzosen seyn werden; und ich gab ihnen mit voller
Überzeugung den Trost, dass sie sich im Ganzen auf keinen
Fall verschlimmern könnten, so sehr auch einzelne Städte
leiden möchten. Sie schienen das leicht zu begreifen, und
sich also nicht zu fürchten.</p>

<p>Es würde zu weitläufig werden, wenn ich anfangen wollte,
Dir nur etwas systematisch über Literatur und Antiquitäten
zu schreiben. Andere haben
<!-- pb n="273" facs="#f0299"/ --> das besser vor mir
gethan, als ich es könnte. Es hat sich wesentlich nichts
geändert. Der thätige Geist des alten Biscaris scheint nicht
ganz auf seinem Nachfolger übergegangen zu seyn; obgleich
auch dieser noch immer die nehmliche Humanität zeigt. Das
Kabinet ist wohl nicht ganz in der besten Ordnung. Was mich
im Antikensaale vorzüglich beschäftigt hat, waren einige
sehr schöne griechische und römische Köpfe, ein Torso fast
von der nehmlichen Gestalt, wie der jetzige Pariser, und den
Einige diesem fast gleich schätzen, und eine Büste der
Ceres, die beste die ich gesehen habe. Es sind mehrere
Statüen der Venus da; aber keine einzige, die mir gefallen
hätte. Unter den kleinen Bronzen zeichneten sich für mich
aus, ein Atlas der Himmelsträger, ein Mars, ein Merkur und
ein Herkules. Es sind auch noch einige andere von
vortreflicher Arbeit. Die Lampensammlung ist sehr
beträchtlich, vorzüglich die Matrimoniallampen, unter denen
viele sehr niedliche, leichtfertige, aphrodisische Mysterien
sind, die dem Charakter nach aus den Zeiten der römischen
Kaiser zu seyn scheinen. Manches gehört wohl auf keine Weise
in eine solche Sammlung, vorzüglich nicht die Gewehre,
welche wenig Interesse für Künstler und Kenner haben:
einzelne Anekdoten müssten denn die Stücke merkwürdig
machen. Vorzüglich schön ist noch eine längliche Vase, wo
Ulyss und Diomed die Pferde des Rhösus bringen.</p>

<p>Das Uebrige findet man besser und geordneter bey dem
Ritter Gioeni, dessen Fach ausschliesslich die
Naturgeschichte ist, und vorzüglich die Naturgeschichte
Siciliens. Man findet bey ihm alle vulkanische Pro<!-- pb n="274" facs="#f0300"/ -->dukte 
des Aetna, des Vesuv und der liparischen Inseln, und es ist
ein Vergnügen die Resultate eines anhaltenden Fleisses hier
zusammen zu sehen. Hier sind alle sicilischen Steine, von
denen die Marmorarten vorzüglich schön sind. Bey Landolina
und Biscaris und Gioeni sind Tische, die aus allen
sicilischen Marmorarten gearbeitet sind. Das Fach der
Muscheln findet man wohl selten so schön und so reich als
bey dem letzten. Was mich besonders aufhielt, waren die
verschiedenen niedlichen Sorten von Bernstein, alle aus
Sicilien, die ich hier nicht gesucht hätte. Ich wusste wohl,
dass man in Sicilien Bernstein findet, aber ich wusste nicht
dass er so schön und gross angetroffen wird: und ich habe
aus der Ostsee keine so schönen Farben und Schattierungen
davon gesehen. Die Arbeiten waren sehr niedlich und
geschmackvoll. In der neuern Chemie und Physik muss man
indessen nicht sehr gewissenhaft mit fortgehen: denn es
wurde zufällig von der Platina gesprochen, die Gesellschaft
war nicht ganz klein und nicht ganz gewöhnlich, und man
gestand sogar Deinem idiotischen Freunde eine Stimme über
die spezifische Schwere des Metalles zu. Endlich musste
unser Landsmann Bergmann den Zwist entscheiden, und ich war
wirklich seinem Ausspruche am nächsten gekommen. Der Ritter
und sein Bruder sind Männer von vieler Humanität und
unermüdetem Eifer für die Wissenschaft.</p>

<p>Ich hatte das Vergnügen in dem Universitätsgebäude einer
theologischen Doktorkreation beyzuwohnen. Der Saal ist gross
und schön und hell. Rund herum sind einige grosse Männer des
Alterthums nicht übel
<!-- pb n="275" facs="#f0301"/ --> abgemahlt, von denen
einige Katanier waren; nehmlich Charondas und Stesichorus;
auch Cicero hatte für seinen Eifer für die Insel die Ehre
hier zu seyn; sodann der Syrakusier Archimed. Theokrit war
den frommen Leuten vermuthlich zu frivol; er war nicht hier.
Der Kandidat war ein Dominikaner, und machte in ziemlich
gutem Latein die Lobrede der Stadt und der Akademie
Katanien. Der Promotor hielt sodann der Theologie eine
Lobrede, die sehr mönchisch war, und die ich ihm bloss der
guten Sprache wegen nur in Sicilien noch verzeihe. Nun,
dachte ich, wird die Disputation angehen; und vielleicht
vergönnt man sogar, da die Versammlung nicht zahlreich war,
dem Hyperboreer auch ein Wörtchen zu sprechen. Aber das war
schon alles <span class="italic">inter privatos
parietes</span> mit dem Examen abgemacht: man gab dem
Kandidaten den Hut, die Trompeter bliesen, und wir gingen
fort. Die Universitätsbibliothek ist nicht zahlreich, aber
gut gewählt und geordnet, und der Bibliothekar ist ein
freundlicher verständiger Mann. Er zeigte mir eine erste
Ausgabe vom Horaz, die mit den Episteln anfing, und die, wie
er mir sagte, Fabricius sehr gelobt habe.</p>

<p>In den antiken Bädern unter der Kathedrale, durch welche
eine Ader des Amenanus geleitet ist, die noch fliesst, war
die Luft so übel, dass der Professor Gambino es nur einige
Minuten aushalten konnte. Meine Brust war etwas stärker;
aber ich machte doch, dass ich wieder heraus kam. Sie werden
selten besucht. Auch in den dreyfachen Korridoren des
Theaters etwas weiter hinauf kroch ich eine Viertelstunde
herum:
<!-- pb n="276" facs="#f0302"/ -->
von hier hat der Prinz Biscaris seine besten Schätze
gezogen. Auch hier ist ein Aquedukt des Amenanus,
aber sehr verschüttet. Nicht weit davon ist ein altes
Odeum, das jetzt zu Privatwohnungen verbauet ist.
Die Kommission der Alterthümer hat aber nun die
Oberaufsicht, und kein Eigenthümer darf ohne ihre
Erlaubniss einen Stein regen.</p>

<p>Das Kloster und die Kirche der reichen Benediktiner sind
so gut als man eine schlechte Sache machen kann. Die Kirche
gilt für die grösste in ganz Sicilien und ist noch nicht
ausgebaut; an der Fassade fehlt noch viel. Sie mag dessen
ungeachtet wohl die schönste seyn. Die Gemälde in derselben
sind nicht ohne Werth, und die Stücke eines Eingebornen, des
Morealese, werden billig geschätzt. Am meisten thut man sich
auf die Orgel zu gute, die vor ungefähr zwanzig Jahren von
Don Donato del Piano gebauet worden ist. Er hat auch eine in
Sankt Martin bey Palermo gebaut; aber diese hier soll, wie
die Katanier behaupten, weit vorzüglicher seyn. Man hatte
die wirklich ausgezeichnete Humanität, sie für einige Fremde
nach dem Gottesdienste noch lange spielen zu lassen; und ich
glaube selbst in Rom keine bessere gehört zu haben.
Schwerlich findet man eine grössere Stärke, Reinheit und
Verschiedenheit. Einige kleine Spielwerke für die Mönche
sind freylich dabey, die durchaus alle Instrumente in einem
einzigen haben wollen: aber das Echo ist wirklich ein
Meisterstück; ich habe es noch in keiner Musik so magisch
gehört. Die Abenddämmerung in der grossen schönen Kirche,
und dann die feyerlich schaurige Beleuchtung wirkten
<!-- pb n="277" facs="#f0303"/ --> mit. Die Bibliothek und
das Kabinet der Benediktiner sind ansehnlich genug, und
könnten bey den Einkünften des Klosters noch weit besser
seyn. Im Museum finden sich einige hübsche Stücke von Guido
Reni und, wie man behauptet, von Raphael. Mehrere
griechische Inschriften sind an den Wänden umher. Eine auf
einer Marmortafel ist so gelehrt, dass sie, wie man sagte,
auch die gelehrtesten Antiquare in Italien nicht haben
erklären können: auch Viskonti nicht. Ich hatte nicht Zeit;
und was wollte ich Rekrut nach diesem athletischen Triarier.
Doch kam es mir vor, als ob sie in einem späteren
griechischen Stile das Märterthum der heiligen Agatha
enthielte. Wenn Du nach Katanien zu den Benediktinern
kommst, magst Du dein Heil versuchen. In der Bibliothek
bewirthete man mich, als einen Leipziger, aus Höflichkeit
mit den
<span class="italic">Actis eruditorum</span>, die in einer
Klosterbibliothek in Katanien auch wirklich eine Seltenheit
seyn mögen. Die Byzantiner waren alle
mit <span class="italic">Caute</span> in Verwahrung gesetzt,
und werden nicht jedem gegeben. Als einen, sehr grossen
Schatz zeigte man mir eine ausserordentlich schön
geschriebene Vulgata. Ich las etwas darin, und verschüttete
die gute Meinung der Herren fast durch die voreilige
Bemerkung, es wäre Schade, dass der Kopist gar kein
Griechisch verstanden hätte. Man sah mich an; ich war also
genöthigt zu zeigen, dass er aus dieser Unwissenheit vieles
idiotisch und falsch geschrieben habe. Die guten Leute waren
verlegen und legten ihr Heiligthum wieder an seinen Ort, und
ihre Mienen sagten, dass solche Schätze nicht für Profane
wären. Der Pater Sekretär, ein feiner gebildeter
<!-- pb n="278" facs="#f0304"/ --> Mann, der in seinem
Zimmer ein herrliches englisches Instrument hatte, gab mir
einen Brief an ihren Bruder oben am Berge im Namen des Abts,
da er hörte, dass ich auf den Berg wollte. Er schüttelte
indessen zweifelhaft den Kopf und erzählte mir schreckliche
Dinge von der Kälte in der obern Region des Riesen: es würde
unmöglich seyn, meinte er, schon jetzt in der frühen
Jahrszeit noch zu Anfange des Aprils hinauf zu kommen. Er
erzählte mir von einigen Westphalen, die es auch bey der
nehmlichen Jahrszeit gewagt hätten, aber kaum zur Hälfte
gekommen wären und doch Nasen und Ohren erfroren hätten. Ich
liess mich aber nicht niederschlagen; denn ich wäre ja nicht
werth gewesen nordamerikanischen und russischen Winter
erlebt zu haben.</p>

<p>Das Kloster hat achtzig tausend Skudi Einkünfte, und
steht im Kredit, dass es damit viel gutes thut. Das heisst
aber wohl weiter nichts, als funfzig Faulenzer ernähren
hundert Bettler; dadurch werden beyde dem Staate unnütz und
verderblich. So jemand nicht will arbeiten, der soll auch
nicht essen, sagt unser alter Sirach; und ich finde den
Ausspruch ganz vernünftig, auch wenn er mir selbst das
Todesurtheil schriebe.</p>

<p>Eine schöne Promenade ist der Garten dieses nehmlichen
Klosters, der hinter den Gebäuden auf lauter Lava angelegt
ist, und wo man links und rechts und gerade aus die schönste
Aussicht auf den Berg und das Meer und die bebaute Ebene
hat. Die Lavafelder geben dem Ganzen das Ansehen einer
grossen mächtigen Zauberey. Gleich neben diesem Garten,
neben dem Klostergebäude nach der Stadt zu, hat ein
Kano<!-- pb n="279" facs="#f0305"/ -->nikus einen
kleinen botanischen Garten, wo er schon die Papierstaude von
Syrakus als eine Seltenheit hält. Noch angenehmer ist der
Gang in die Gärten des Prinzen Biscaris in der nehmlichen
Gegend. Als er ihn anlegte, hielt man es für eine Spielerey;
aber er hat gezeigt, was Fleiss mit Anhaltsamkeit und etwas
Aufwand thun kann. Er hat die Lava gezwungen; die Pflanzung
grünt und blüht mit Wein und Feigen und Orangen und den
schönsten Blumen aller Art. Der Gärtner brachte mir die
gewöhnliche Höflichkeit, und ich legte mehrere Blumen in
mein Taschenbuch für meine Freunde im Vaterlande.</p>

<p>Das Jesuitenkloster in der Stadt ist zum Etablissement
für Manufakturen gemacht: und ob dieses Etablissement gleich
noch nicht weit gediehen ist, so ist doch durch die
Vernichtung des Klosters schon viel gewonnen. In der
Kathedrale hängt in einer Kapelle ein schrecklich treues
Gemälde, ungefähr sechs Fuss im Quadrat, von der letzten
grossen Eruption des Berges 1669, die fast die Stadt zu
Grunde richtete. Ein ächter Künstler sollte es nehmen und
ihm in einer neuen Bearbeitung zur Wahrheit des Ganzen auch
Kunstwerth geben. Es würde ein furchtbar schönes Stück
werden, und das ganze Gebiet der Kunst hätte dann vielleicht
nichts ähnliches aufzuweisen. Hier hätte Raphael arbeiten
sollen; da war mehr als sein Brand.</p>

<p>Unten wo der zertheilte Amenanus wieder aus den
Lavaschichten heraus fliesst steht noch etwas von der alten
Mauer Kataniens, ungefähr in gleicher Entfernung zwischen
dem Molo links und dem Lavaberge rechts, der dort weiter in
die See hinein sich empor
<!-- pb n="280" facs="#f0306"/ --> gethürmt hat. An dem Molo
hat man schon lange mit vielen Kosten gearbeitet; ich
fürchte aber die See wird gewaltiger seyn als die Arbeit.
Wenn links ein Felsenufer etwas weiter hervorgriffe und den
Wogensturz von Kalabrien her etwas dämmte, so wäre eher
Hoffnung zur Haltbarkeit. Die Erfahrung, von der ich nichts
wusste, hat schon meine Meinung bestätigt, und einige
verständige Leute pflichteten mir bey. Katanien wird sich
wohl müssen mit einer leidlichen Rhede begnügen, wenn nicht
vielleicht einmal der Aetna, der grosse Bauer und Zerstörer,
einen Hafen bauet. Er darf nur links einen solchen Berg ins
Meer schiessen, wie er rechts gethan hat, so ist er fertig.
Es fragt sich, ob das zu wünschen wäre. Die Strasse
Ferdinande, von dem prächtigen Thore von Syrakus her, ist
die Hauptstrasse: eine andere, die ihr etwas aufwärts
parallel läuft, ist fast eben so schön. Wenn Katanien so
fort arbeitet, macht es sich nach einem grossen Plane zu
einer prächtigen Stadt. Fast alle öffentliche Monumente sind
von der Kommune aus eigenen Kräften bestritten, und es sind
derselben nicht wenig: des Hofes geschieht nur
Ehrenerwähnung. Es ist der lieblichste Ort, den ich in
Sicilien gesehen habe, und übrigens sehr wenig mit der
Regierung in Kollision; so dass viel gutes zu erwarten ist.
Die Dazwischenkunft der Höfe verderbt wie ein Mehlthau
meistens das natürliche Gedeihen der freyen Industrie.</p>

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