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  <title>Kapri</title>
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<!-- pb n="[329]" facs="#f0355"/ -->

<div class="chapter" id="Kapri">
<div class="dateline"><span class="right"><span class="spaced">Bey Kapri</span>.</span></div>

<p> <span class="initial">D</span>er Wind schaukelt uns ohne
Fortkommen hin und her, und fast schon den ganzen Tag tanzen
wir hier vor Massa, Kapri und Ischia herum. Den ein und
zwanzigsten April Abends gab das Kriegsschiff, welches
jetzt, glaube ich, die ganze Flotte des Königs von Neapel
ausmacht, das Signal, und wir arbeiteten uns aus dem Hafen
heraus. Den andern Morgen hatten wir Sicilien und sogar
Palermo noch ziemlich nah im Gesichte; der Rosalienberg und
die Spitzen von Termini und Cefalu lagen ganz deutlich vor
uns: das andere war von dem trüben Wetter gedeckt. Mehrere
Schiffe mit Orangen und Oel hatten sich angeschlossen, um
die sichere Fahrt mit dem Kriegsschiffe und dem Paketboot zu
machen. Das letztere hat auch zwanzig Kanonen und ist zum
Schlagen eingerichtet. Wir sassen lange zwischen Ustika und
den liparischen Inseln, und ich las, weiss der Himmel wie
ich eben hier auf diesen Artikel fiel, während der
Windstille die Georgika Virgils, die ich hier besser genoss
als jemals. Nur wollte mir die Schlussfabel von dem
Bienenvater nicht sonderlich gefallen: sie ist schön, aber
hierher gezwungen. Dann las ich, da der Wind noch nicht
kommen wollte, ob wir gleich in seinem mythologischen
Vaterlande waren, ein grosses Stück in die Aeneis hinein.
Hier wollte mir nun, unter vielen Schönheiten im 4. Buche
die Beschreibung des Atlas wieder nicht behagen, so herrlich
sie auch klingt. Es ist, dünkt mich, etwas Unordnung darin,
die man dem Herrn Maro
<!-- pb n="330" facs="#f0356"/ --> nicht zutrauen sollte. Da
ich eben nicht viel zu thun habe, will ich Dir die Stelle
ein wenig vorschulmeistern. Merkur kommt von seinem Herrn
Vater auf der Ambassade zu Frau Dido hierher. Die Verse,
heissen, wie sie in meinem Buche stehen:</p>

<div class="poem italic"> 
  &mdash; jamque volans apicem et latera ardua cernit<br />
  Atlantis duri, coelum qui vertice fulcit;<br />
  Atlantis, cinctum assidue cui nubibus atris<br />
  Piniferum caput et vento pulsatur et imbre:<br />
  Nix humeros infusa tegit: tum flumina mento<br />
  Praecipitant senis, et glacie riget horrida barba.<br />
</div>

<p>
Die Verse sind unvergleichlich schön und malerisch: aber er
bringt auf den obersten Scheitel Sturm und Regen, lässt
Schnee auf die Schultern fallen, Flüsse aus dem Kinn strömen
und weiter unten den Bart von Eis starren. Das ist nun alles
ziemlich umgekehrt, wenn ich meinem bisschen Erfahrung
glaube. Ich weiss nicht was Heyne aus der Stelle gemacht
hat. So weit oben werden überdiess wohl schwerlich noch
Fichten wachsen. Ich überlasse es Dir, Deinen Liebling zu
vertheidigen; ich selbst bleibe hier mit meiner Hermenevtik
etwas stecken. Wer in seinem Leben keine hohen Berge gesehen
und bestiegen hat, nimmt so etwas freylich nicht genau.
Schade um die schönen Verse.</p>

<p>Diese Nacht begegneten uns viele französische Schiffe,
die ihre Landsleute von Tarent holen wollen. Alles ist
ungeduldig bald am Lande zu seyn; aber
<!-- pb n="331" facs="#f0357"/ --> Aeolus hat uns noch immer
seinen Schlauch nicht gegeben, und wir müssen aushalten. Das
Essen ist recht gut und die Gesellschaft noch besser; meine
Geduld ist also weiter auf keiner sehr grossen Probe; und
ich habe noch die ganze Odyssee zu lesen. Der Russische und
Englische Gesandte sind auf dem grossen Schiffe; wir haben
also noch die Ehre ihrentwegen recht langsam zu fahren. Die
Geschichte des Tags auf unserer Flotte sagt eben, dass der
Russischen Excellenz ein Pferd krank geworden ist. Wie viele
von den Leuten seekrank sind, das ist eine erbärmliche
Kleinigkeit: aber bedenke nur, der Leibgaul des Russischen
Gesandten, der ist ein Kerl von Gewicht. Man erzählt bey
Tische diess und jenes: sogar die Geschichten der Hofleute
aus ihrem eigenen Munde bestätigen die schlechte Meinung,
die ich durchaus von der neapolitanischen Regierung habe. Es
waren einige sybaritische Herren bey uns, die doch nicht
lassen konnten, dann und wann etwas vorzubringen und
einzugestehen, was Stoff zu Aergerniss und Sarkasmen gab. Es
ist wieder tiefe Nacht im Golf geworden; der Wind bläst hoch
und wirft uns gewaltig. Ich habe auf allen meinen Fahrten,
Dank sey es meiner guten Erziehung, nie die Seekrankheit
gehabt: ich lege mich ruhig nieder und schlafe.</p>

</div> <!-- chapter -->

</body>
</html>