DAS INFERNALISCHE ABENDMAHL

Ihr, denen ward das Blut vor Trauer bleich,
Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast,
Ihr, deren Stirn der Lasten weites Reich,
Ihr, deren Auge Kummer schon verglast,

Ihr, denen auf der jungen Schläfe brennt
Wie Aussatz schon das große Totenmal,
Tretet heran, empfangt das Sakrament
Verfluchter Hostien in dem Haus der Qual.

Besteigt die Brücke auf dem schwarzen Fluß,
Darüber wallet der Verfluchten Schar.
Und dunkel grüßt Euch groß der Portikus,
Durch den in Dämmrung glänzt der Hochaltar.

Nachtschwarze Wolken drängen in den Dom
Voll Sturm und Blitzen durch das große Tor.
Ein Wetter tost. Im schwarzen Regenstrom
Versinkt der Orgel Ton im fernen Chor.

Die Gräber springen auf. Der Toten Hand
Streckt weiß und kalt die Knochenfinger aus.
Sie winken Euch aus ihrem dunklen Land.
Und ihr Geschrei erfüllt das Riesenhaus.

Die Fliesen brechen auf. Und Lethe braust
Tief unten über einen Wasserfall.
Der Abgrund schwindelt Meilen tief und saust
Von ungeheurer Stürme weitem Hall.

Hoch wo das Dunkel seine Schatten türmt
Durch Ewigkeiten fern vom Grund der Qual,
Hoch oben, wo im Dom der Regen stürmt,
Erscheint des Gottes Haupt, wie Morgen fahl.

Die weiten Kirchen füllt der Sphären Traum
Voll Schweigen, das wie leise Harfen klingt,
Da, wie der Mond vom großen Himmelsraum
Des Gottes weißes Haupt heruntersinkt.

Tretet heran. Sein Mund ist süß wie Frucht,
Sein Blut ist wie der Wein, langsam und schwer.
Auf seiner Lippen dunkelroter Bucht
Wiegt blaue Glut von fernem Sommermeer.

Tretet heran. Wie Flaum von Faltern zart,
Wie eines jungen Sternes goldne Nacht,
Zittert sein Mund in seinem goldnen Bart,
Wie Chrysolyth in einem tiefen Schacht.

Tretet heran. Wie einer Schlange Haut
So kühl ist er, weich wie ein Purpurkleid,
Wie Abendrot, so sanft, das übergraut
Brennender Liebe wildes Herzeleid.

Der Gram gefallner Engel ruht, ein Traum,
Auf seiner Stirn, der Qualen weißem Thron,
Wie Schläfer traurig, denen floh zum Saum
Des blassen Morgens ihre Vision.

Tiefer als tausend leere Himmel tief
Ist seine Schwermut, wie die Hölle schön,
Wo in den roten Abgrund sich verlief
Ein bleicher Sonnenstrahl aus Mittagshöhn.

Sein Leid ist wie ein Leuchter in der Nacht,
Scheuet die Flamme, die sein Haupt umloht
Und doppelhörnig in der düstren Pracht
Aus seinem Lockenwald ins Dunkel droht.

Sein Leid ist wie ein Teppich, drauf die Schrift
Der Kabbalisten brennt durch Dunkelheit,
Ein Eiland, dem vorbei ein Segler schifft,
Wenn in den Bergen fern das Einhorn schreit.

Sein Leid trägt eines Schattenwaldes Duft,
Wo großer Sümpfe Trauervögel ziehn,
Ein König, der durch seiner Ahnen Gruft
Nachdenklich geht in weißem Hermelin.

Tretet heran, entflammt von seinem Gram.
Trinkt seinen Atem, der so kühl wie Eis,
Der über tausend Paradiese kam,
Voll Duft, der jeden Kummer weiß.

Er lächelt, seht. Und Eurer Seele Bild
Wird wie ein Weiher, der im Schilfe schweigt,
Wo leis des Hirtengottes Flöte schwillt,
Der durch die Lorbeerschlucht heruntersteigt.

Schlaft ein. Die Nacht, die schwarz im Dome hängt,
Verlöscht die Lampen an dem Hochaltar.
Der große Adler seines Schweigens senkt
Auf Eure Stirn sein dunkles Schwingenpaar.

Schlaft, schlaft. Des Gottes dunkler Mund, er streift
Euch herbstlich kühl, wie kalter Gräber Wind,
Darauf des falschen Kusses Blume reift,
Wie Meltau giftig, gelb wie Hyacinth.