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  <title>Kuno Kohn</title>
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<div class="prose">

  <h3 class="center">Kuno Kohn</h3>

<p>
Seit einem halben Jahr wohne ich in dem Haus. Von den
Bewohnern hat noch niemand etwas bemerkt. Ich bin
vorsichtig.
</p>

<p>
Das weiße Kostüm bringt mir Glück. Ich verdiene genug. Und
habe angefangen zu sparen; denn ich fühle, daß die Kräfte
nachlassen. Häufig bin ich matt, manchmal habe ich
Schmerzen. Auch werde ich dick und alt. Ich schminke mich
nicht gern – – –
</p>

<p>
Ich stehe nicht mehr unter Kontrolle. Kuno Kohn hat mich
frei gemacht. Ich bin ihm dankbar.
</p>

<p>
Kuno Kohn ist häßlich, er hat einen Buckel. Das Haar ist
messingfarben, das Gesicht ist bartlos und von Furchen
rissig. Die Augen sehen alt aus, um sie sind Schatten. Am
Hals beginnt eine Narbe wie eine Regenrinne. Das eine Bein
ist angeschwollen. Kuno Kohn hat einmal gesagt, daß er
Knochenfraß habe.
</p>

<p>
Sonderbar ist die erste Begegnung gewesen:
</p>

<p>
Es regnete. Die Straßen waren naß und schmutzig. Ich stand
an einer Laterne und blickte auf die angespritzten Kleider.
Wenn Wind kam, fröstelte ich. Die Füße schmerzten von den
Schuhen.
</p>

<p>
Selten ging wer. Meist auf der anderen Seite. Im Schutz der
Bäume. Mit aufgeschlagenem Mantelkragen. Den Hut schief über
die Stirn. Niemand beachtete mich, ich stand traurig.
</p>

<p>
Der Kies knirschte hinter mir. Hart und plötzlich, daß ich
aufschreckte. Ein Polizist kam, die Hände am Rücken. Er ging
langsam. Er sah mich argwöhnisch an, stolz auf sein Recht.
Mit nacktem Blick, er fühlte sich Herr. Er schritt weiter.
Ich lachte höhnend, er schaute sich nicht um. Der Polizist
verachtete mich.
</p>

<p>
Ich gähnte; es war spät geworden. – Da kam einer, der war
klein und verwachsen. Er blieb stehen, als er mich sah. Er
hatte die unglücklichen Augen, um die Lippen war verlegenes
Lächeln. Er versteckte einen Teil des Gesichts hinter dürren
Fingern. Und rieb am rechten Lid, wie wer, der sich schämt.
Und hüstelte... Ich trat dicht zu ihm, daß er mich fühlte.
Er sagte: »Na –« Ich sagte: »Komm, Kleiner.« Er sagte:
»Eigentlich bin ich homosexuell.«
</p>

<p>
Und nahm meine Hand. Und küßte mit kalten Lippen.
</p>

</div>

</body>
</html>