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+++ b/OEBPS/Text/04.html
@@ -0,0 +1,107 @@
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+ <title>Viertes Kapitel</title>
+</head>
+<body>
+
+ <h3 class="spaced center">Viertes Kapitel</h3>
+
+<p>
+Seit Wochen starrte Bebuquin in einen Winkel seiner Stube,
+und er wollte den Winkel seiner Stube aus sich heraus
+beleben. Es graute ihn, auf die unverständlichen, niemals
+endenden Tatsachen angewiesen zu sein, die ihn verneinten
+Aber sein erschöpfter Wille konnte nicht ein Stäubchen
+erzeugen; er konnte mit geschlossenen Augen nichts sehen.</p>
+
+<p>
+»Es muss möglich sein, genau wie man früher an einen Gott
+glauben konnte, der die Welt aus nichts erschuf. Wie
+peinlich, dass ich nie vollkommen sein kann. Doch warum
+fehlt mir sogar die Illusion der Vollkommenheit.«</p>
+
+<p>
+Da merkte er, dass eine gewisse Vorstellungsfähigkeit des
+Tatsächlichen noch in ihm sei. Er bedauerte dies, wiewohl
+ihm alles gleichgültig erschien. Es war nicht, dass die
+generellen Instinkte in ihm abgestorben wären. Er sagte
+sich, dass der Wert etwas Alogisches sei, und er wollte
+damit nicht Logik machen. Er spürte in diesem Widerspruch
+keine Belebung, sondern Aufhebung, Ruhe. Nicht die
+Verneinung machte ihm Vergnügen. Er verachtete diese
+prätentiösen Nörgler. Er verachtete diese Unreinlichkeit des
+dramatischen Menschen. Er sagte sich, vielleicht nötige ihn
+nur seine Faulheit zu dieser Betrachtung. Doch die Gründe
+waren ihm nebensächlich. Es handelte sich um den Gedanken,
+der logisch war, woher auch seine Ursachen kamen. </p>
+
+<p>
+Böhm begrüsste ihn leise und freundlich. Er wollte sich nach
+seinem Tode etwas schonen, da er noch nichts Sicheres über
+die Unsterblichkeit wusste.</p>
+
+<p>
+»Es ist anständig und lässt Sie in gutem Licht erscheinen,
+wie Sie sich mit Todesverachtung um das Logische bemühen.
+Aber leider dürften Sie keinen Erfolg haben, da Sie nur eine
+Logik und ein Nichtlogisches annehmen. Es gibt viele
+Logiken, mein Lieber, in uns, welche sich bekämpfen, und aus
+deren Kampf das Alogische hervorgeht. Lassen Sie sich nicht
+von einigen mangelhaften Philosophen täuschen, die
+fortwährend von der Einheit schwatzen und den Beziehungen
+aller Teile aufeinander, ihrem Verknüpftsein zu einem
+Ganzen. Wir sind nicht mehr so phantasielos, das Dasein
+eines Gottes zu behaupten. Alles unverschämte Einbiegen auf
+eine Einheit appelliert nur an die Faulheit der Mitmenschen.
+Bebuquin, sehen Sie einmal: Vor allen Dingen wissen die
+Leute nichts von der Beschaffenheit des Leibes. Erinnern Sie
+sich der weiten Strahlenmäntel der Heiligen auf den alten
+Bildern und nehmen Sie diese bitte wörtlich. Doch das alles
+sind Gemeinplätze. Was Ihnen, mein Lieber, fehlt, ist das
+Wunder. Merken Sie jetzt, warum Sie von allen Sachen und
+Dingen abgleiten? Sie sind ein Phantast mit unzureichenden
+Mitteln. Auch ich suchte das Wunder. Denken Sie an Melitta,
+die aus dem Sprachrohr fiel, und wie ich mich blamierte. Man
+braucht die Frauen überhaupt nur, um sich zu blamieren. Es
+ist das eine Selektion, die gerecht ist, gerade weil in der
+Frau nur Dummheit steckt. Darum redet man bei ihr von
+Möglichkeiten und meint zuletzt, dass die Frau phantastisch
+sei. Hinter eines kam ich seit meinem seligen Abscheiden.
+Sie sind Phantast, weil Sie nicht genug können. Das
+Phantastische ist gewiss ebenso Stoff- wie Formfrage. Aber
+vergessen Sie eines nicht. Phantasten sind Leute, die nicht
+mit einem Dreieck zu Ende kommen. Man soll nicht sagen, dass
+sie Symbolisten sind. Aber in Gottes Namen, Ihnen ist dieser
+Dilettantismus nötig. Sie sahen noch nie ein paar Leute, nie
+ein Blatt. Denken Sie eine Frau unter der Laterne; eine
+Nase, ein Lichtbauch, sonst nichts. Das Licht, aufgefangen
+von Häusern und Menschen. Damit wäre noch etwas zu sagen.
+Hüten Sie sich vor quantitativen Experimenten. In der Kunst
+ist die Zahl, die Grösse ganz gleichgültig. Wenn sie eine
+Rolle spielt, so ist sie bestimmt abgeleitet. Mit der
+Unendlichkeit zu arbeiten, ist purer Dilettantismus. Hier
+gebe ich Ihnen noch einen Ratschlag, der Sie später
+vielleicht anregt. Kant wird gewiss eine grosse Rolle
+spielen. Merken Sie sich eins. Seine verführerische
+Bedeutung liegt darin, dass er Gleichgewicht zustande
+brachte zwischen Objekt und Subjekt. Aber eines, die
+Hauptsache vergass er: was wohl das Erkenntnistheorie
+treibende Subjekt macht, das eben Objekt und Subjekt
+konstatiert. Ist das wohl ein psychisches Ding an sich. Da
+steckt der Haken, warum der deutsche Idealismus Kant
+dermassen übertreiben konnte. Unschöpferische werden sich
+stets an Unmöglichen erschöpfen. Keine Grenzen kennen,
+wieviel Seelisches die Gegenstände ertragen, verantworten
+können. Alle Unendlichkeitsrederei kommt von ungeformter
+arbeitsloser Seelenenergie. Es ist der Ausdruck der
+potentiellen Energie, also eine Sache des kräftigen
+Nichtkönnens.</p>
+
+</body>
+</html>