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  <title>Sechzehntes Kapitel</title>
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<body>

  <h3 class="spaced center">Sechzehntes Kapitel</h3>

<p>
Bebuquin trat steif in die neblige Nacht. Die Reflexe der
Bogenlampen stürmten durch die Baumäste und schwammen wie
breite opalisierende Fische in dem nassen Boden. Bebuquin
stand ein Ausrufezeichen. Er lief, rannte durch eine
Prozession irgendwelcher neuen Sektierer; verschiedene
Messiasse, dekorative junge Mädchen rannte er um; es galt,
in den Zirkus zu gelangen. Er musste aus sich Aeusserungen
solcher künstlichen unlogischen Bewegungen abzwingen, um
zunächst die Physik mit der Kraft seines absterbenden Akts
zu widerlegen.</p>

<p>
Er ging in eine Loge des Zirkus.</p>

<p>
Etwas Sonderliches geschah.</p>

<p>
Während eines Radlertriks fuhr eine spiegelnde Säule in die
Arena, blitzend; eine Flötenbläserin ging nebenher in einer
Nonnenkutte. Die Bürger sahen sich darin, bald strahlend
übergross, bald verzerrt; diese Spiegel zwangen, immer
wieder hineinzuschauen. Mäuler schluckten die Arena, und die
Finsternis aufgerissener Gurgeln verdunkelte sie. Die Blicke
versuchten; die hohe Spiegelsäule zu durchbrechen. Ein Weib
stürzte aufgewölbten Rocks hinunter unter dem Druck des
neugierigen Staunens. Eine Gallerie brach durch; inmitten
die Spitzen der unermüdlichen Finger der Bläserin und die
Spiegel, die mit dem Schatten der andern sprechend tanzten.
Die Säule trat in die Schatten geschwungenen Sprunges.</p>

<p>
Die Menschen verwandelten sich in sonderliche Zeichen in den
Spiegeln; das Publikum wurde leise irrsinnig und richtete in
drehendem Schwindel seine Bewegungen nach denen der Spiegel;
um die Spiegel sausten farbige Reflektoren.</p>

<p>
Eine innerste Dunkelheit, ein Lichtblitz, der in die Mauer
zurückfuhr, eine Anzahl sprang von den Gallerien.</p>

<p>
Ein junger Mann fuhr zur Decke ins Freie hinaus.</p>

<p>
»Bagage« rufend.</p>

<p>
Das Publikum raste weiter, die Verzerrung für wahr haltend.</p>

<p>
Bis in die öde Frühe.</p>

<p>
Die Paralyse zog in die Stadt ein.</p>

<p>
Mehrere Eisenbahnwaggons hielten mittags vor dem Zirkus.</p>

<p>
Im friedlichen Sonnenschein sortierte man die Toten aus.</p>

<p>
Dann verlud man die Irren.</p>

<p>
In der Stadt war ein halb Jahr Fasching. Bürger leisteten
Bedeutendes an Absurdität. Ein grotesker Krampf überkam die
meisten. Ein bescheidener Spass war's, sich gegenseitig die
Hirnschale einzuschlagen. Die Raserei wurde dermassen
schmerzlich, dass man begann zu töten.</p>

<p>
Man begann mit einem Alten, der als Pierrot angezogen an
einem Wegweiser bei den Füssen aufgehängt wurde.</p>

<p>
Ein Mädchen, das noch einen Rest Vernunft besass, schrie,
»hier stirbt der Allmensch« und bat, sie gleichfalls zu
hängen; denn sie sei Mörder und Gehängter schon ohnehin,
dank ihrer ethischen Sensibilität.</p>

<p>
Sie wurde unter nicht unbedeutenden Greueln beinlings
gehängt. Jedoch verübelte man ihr, dass sie keine gute
Unterwäsche trug. Verschiedene Messiasse traten mit Erfolg
auf, Messiasse der Reinheit, der Wollust, des
Pflanzenessens, des Tanzes, hypnotisierende Messiasse und
einige andere. Hatte man genug Anhänger, so wurde die Sache
langweilig. Ueberlebte Messiasse verwandte man als
Redakteure, zumal ihnen Sensation geläufig war. Die neue
Weltanschauung kristalisierte sich zur Ziege, die ein Bein
gebrochen hat.</p>

<p>
Vor dem Fenster Bebuquins tauchten einige Irre auf. Er
neigte sich heraus, die Glatze von der Mittagssonne
beleuchtet. Die Fratzen sprangen am Fenster hoch wie
Gummibälle, einer schrie »Gib uns wieder zurück, lass uns
heraus, nimm die Spiegel weg,« denn der gleissende Schrecken
der Spiegel hing über der Stadt.</p>

</body>
</html>