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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:38:55 +0100 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:38:55 +0100 |
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Ohne Peter Baum kann ich nicht leben. Er rügt +mich nie, er findet, alles passt zu mir, was ich tu. Aber +vor Dir hab ich Angst, lieber Herwarth, eine Backpfeife wäre +mir lieber als dein strenges Gesicht. Den Geschmack habe ich +noch von der Schule her. Und ich werde lieber in Deiner +Abwesenheit diese Briefe an Dich und Kurtchen an deine +Druckerei schicken. Du sagst ja doch, es geht nicht, aber es +geht alles, was man will. Peter Baum findet auch nichts +dabei. Den ganzen Tag hab ich gestern auf ihn gewartet, ich +schrieb dreimal denselben Brief an ihn, einen sandte ich an +seine erste Wohnung, den zweiten an seine neue Wohnung und +den letzten an seine Mutterwohnung nach Friedenau. Auf +Wupperthaler Platt. »Lewer Pitter Boom, dat letzte Mol, dat +eck Deck schriewen tu: kömm oder kömm nich, ollet Mensch. +Eck han Deck so völl tu verzählen, eck wees jo nich, wat eck +met all die Liewe donn soll. Eck weess nich, wän eck vön de +dree Arbeeter liewe, den Frederech oder den Willem oder den +Ost-Prösen. Du söllst meck helpen tu sinnen, dommet Rendveeh. +För wat böss De denn geborn? On leih meck een +Kastemännecken, eck han verdeck keene Kartoffel mähr em Hus, +on necks tu freten. Eck gew et Deck weher, so wie ming +Gelägenheetstrauerspeel, Pastor Kraatz, opgeföhrt wörd. Der +Derektör han et meck versproocken optuföhren; wenn meck ens +nur der olle Grossvatter em erschten Akt vorher nich sterben +dut; hä leid on die Luft. Det weest De jo. On de Döktor +Rodolf Blömner vom dütschen Triater söll emm speelen, ewwer +wat söll eck anfangen, wenn hä sinne spassegen Opern makt, +on eck kann nich henkicken, weel wir bös sinn. Du gönnst et +meck wohl nich, fiser Peias. Kömmst De nu, oder nich? Kömm +ens wacker! Ding Amanda«.</p> + +<p> +Denkt mal, er ist abgereist mit seiner Schwester Julie nach +Hiddensee, am Hohenzollerndamm wohnt seine Frau, die Matja, +mit ihrer Freundin Jenni, in der alten Ringbahnstrasse hat +Peter Baum seinen Roman liegen lassen. Die Tapezierer haben +die Hälfte Blätter schon mit Kleister beschmiert, um sie +unter die neue Tapete zu kleben. Aber was geht das uns an. +Hast Du Dir den Brief von der Post in Kristiania abgeholt, +lieber Herwarth? Was sagst Du dazu, dass Deine Pantomime in +ganz Luxemburg angenommen worden ist? Ich singe immer +seitdem, ich bin der Graf von Luxemburg und hab mein Geld +verjuxt, verjuxt.</p> + +<p> +Lieber Kinder, ich habe Euch schnell was furchtbar +schmerzliches zu sagen, der Marrokaner ist entführt worden +von einer Undame.</p> + +<p> +Herwarth, gestern war ein Monstrum im Cafe mit +orangeblonden, angesteckten Locken, und wartete scheints bis +Mitternacht auf Dich, Herwarth. Leugne nur nicht, Du kennst +sie; sie sprach genau so im Tonfall wie Du, überhaupt ganz +in Deiner Ausdrucksweise. Nachher ging sie in die +Telephonzelle; ich und Zeugen hörten sie unsere Nummer +rufen, aber Deine Sekretärin musste wohl schon gegangen +sein, denn das Monstrum stampfte so wütend mit dem Fuss, +dass die gläserne Tür des kleinen Kabinetts klirrte. Und so +stampfen nur Verhältnisse. Es wäre doch eine Gemeinheit von +Dir, wenn Du mir untreu wärst. Jemand hat hier im Café +gesehn, wie sie Dir unter dem Tisch eine ihrer künstlichen +orangefarbenen Locken schenkte. Aber was wollt ich noch +sagen, heute Morgen war Minn bei mir in der Wohnung, auf +seiner stolzen Schulter trug er einen grossen Reisekorb, +mich darin sofort einzupacken nach Tanger. Ich will es mir +noch überlegen mit dem Bischof; natürlich wenn der mich +wirklich liebt, kann ich ja nicht weg. Aber eins, Niemand +schwärmt so für Deine Pantomime wie der Erzbischof und der +Slawe. Also bleibe noch ruhig am Nordpol, Du und +Kurtchen.</p> + +<p> +Lieber Herwarth, zum Wohlsein Kurtchen, gestern sind meine +Grete und ich fast überfallen worden! ! Sie flickte mir +gerade meinen Rock. Ihr Willy war es, der doch so +ungefährlich aussieht Sie hat ihm in der letzten Zeit +dieselben Briefe geschrieben, die ich ihr an Dich und +Kurtchen vorlas. Was wir so alles durchmachen, auch geht es +mir materiell schlecht. Im Café habe ich grosse Schulden, +beim Ober vom Mittag: ein Paradeishuhn mit Reis und +Apfelkompott; beim Ober von Mitternacht: ein Schnitzel mit +Bratkartoffeln und Preisselbeeren und ein Vanilleneis, ein +ganzes zu fünfzig Pfennig. Martha Hellmuth, die Zauberin +Hellmüthe in meinem St. Peter-Hille-Buch, lieh mir einen +Groschen fürs Nachhausekommen, sonst hätte ich Dir wieder +mein Wort nicht halten können. Und nachher kam Rechtsanwalt +Caro, er ist direkt ein gentleman, er gab mir für dich zehn +Mark; er sei Dir das schuldig. Als ich dann Lachs mit +Buttersauce gegessen hatte, fiel mir ein, es war eine +elegante Ausrede von ihm. Was man doch an Keingeld zu Grunde +geht, zwar Kleingeld vertrag ich noch weniger, ich bin von +Hause nicht en miniature gewöhnt. Macht Euch keine Sorgen um +mich, so lang ich noch, im Fall einer Mobilmachung, was zu +versetzen hab – Euer Krösus.</p> + +</body> +</html> |