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DIE PALÄSTE DER TIERE
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:initial:`A`\ uf einem Wege, der durch den Tiergarten nach
Charlottenburg führte und den zu passieren es besonderer
Erlaubnis und des Schlüssels zu einem Schlagbaum bedurfte,
weil man auf diesem Wege das Chausseehaus umging und die
daselbst zu entrichtende kleine Abgabe ersparte«, lag in den
zwanziger Jahren die Königliche Fasanerie, so erzählt Eberty
in seinen Erinnerungen eines alten Berliners. Diese
Fasanerie war von Friedrich dem Großen im Jahre 1742 durch
seinen Oberjägermeister angelegt worden. Hundert Jahre
später wurde ihr Gelände auf Anregung des berühmten Zoologen
Lichtenstein zur Anlage eines Zoologischen Gartens benutzt.
Lichtenstein und Alexander von Humboldt machten König
Friedrich Wilhelm IV. den Vorschlag, diese Fasanerie und
dazu den Tierbestand der Pfaueninsel bei Potsdam dem
Berliner Publikum zugänglich zu machen. Damals lag der
neugegründete Zoo noch weit außerhalb der Stadt, und ihn zu
besuchen bedeutete für die Familien eine Art Tagesausflug.
Von drei Seiten hat ihn dann die wachsende Stadt umschlossen
und nur im Norden behütet ein Stück Tiergarten seine
Häuserferne. Aber auch da, wo ihm die Häuser dicht auf den
Leib gerückt sind und der Lärm der Hupen, das grelle Licht
der Scheinwerfer und Reklamen über seine Mauern dringt, —
man hat kaum das Portal mit den torhütend lagernden
Steinelefanten durchschritten und ist in einer andern Welt.
Um zunächst noch gar nicht von den Tieren zu reden, die doch
schließlich hier die Hauptpersonen sind, hier gibt es einen
ganz von Mummeln und Schilf bewachsenen Teich, den
sogenannten Vierwaldstättersee, an dessen Ufern man wie in
einer Sommerfrische sich bewegt, und an gewissen
Frühlingsmorgen verwandeln sich die Alleen in Kurpromenaden
der Brunnentrinker, die mit ihrem Glas Karlsbader in der
Hand ihren heilsamen Rundgang machen. Auch ein herrliches
Kinderreich ist der Zoo. Babys werden spazieren gefahren,
Jungen toben auf den Spielplätzen. Und auf der sogenannten
Lästerallee bei der Musik kann die reifere Jugend die
Grundlagen des Flirts erlernen; wenigstens war das zu
unserer Jugendzeit so.

Von Art und Sitte der Tiere ist schon soviel erzählt und
geschrieben worden, daß ich dem nichts hinzuzufügen wage;
dagegen möchte ich gern von den merkwürdigen Behausungen
reden, die sie hier im Garten bezogen haben. Da sie nun
einmal zu unserer Lust und Belehrung Gefangene sind, ist man
darauf bedacht gewesen, ihnen ihr Gefängnis möglichst
wohnlich einzurichten. Sie sollen das Gefühl haben, in ihre
Erdhöhle, ihre Schlucht, ihren Hohlbaum, ihr Nest zu
kriechen, wenn sie in das ummauerte Verlies müssen. Der
Geier hat auch hier seinen Horst, einen echten Felsen mit
Alpenkraut und Latschenkiefern, die in den Spalten wurzeln.
Und doch sind die Felsblöcke wie Kulissen, wie
Versatzstücke. Und wie vor dem Puppentheater stehen die
Kinder vor den Eisenstäben, hinter denen der wilde Raubvogel
hockt. Ach, ihren Augen ist sein Riesenkäfig vielleicht
garnicht größer als der enge Bauer des Piepmatzes zu Hause
am Fenster. Der Zoo ist überhaupt eine Fortsetzung der
Kinderstube. Die roten und gelben Steine des Bärenzwingers,
die weißen und blauen des Vogelhauses, die gelben und blauen
des Löwenheims, sie erinnern uns an die Steinchen der
Baukästen. Zu Stein- und Holz- und Stahlbaukasten kommt noch
etwas Mosaikpuzzle, und wir haben den maurischen Stil, das
Venedig, die Tausendundeinenacht der schönen Gebäude im Zoo.

Der hat ja neben anderm auch die würdige Aufgabe, die alten
Tierkalte der Vorzeit fortzusetzen, und so hat man denn den
Tieren Tempel gebaut: das Kamel hat seine Moschee. Ihm zu
Ehren, wenn es wohl auch nichts davon hat, ist die weiße
Wand mit einem ganz unbenutzten Gitterbalkon geschmückt, und
es überragt sie ein Turm, der oben einen Halbmond trägt. Von
da könnte der Muezzin das Abendgebet sprechen nach der
Fütterung. Einen echt altägyptischen Tempel haben die
Strauße. Wenn sie aus ihren Toren ins Freie wippen, sind sie
von Hieroglyphen und Pharaonenstatuen umrahmt. Im
Schlußstein ihrer Türen schweben die Sonnen des Heiligen
Reiches. Auf den Säulen des Eingangs bewegen sich unter
Blumenschäften Tänzerinnen, Zither- und Flötenspieler, und
der Gott mit dem Sperberkopf wandert wandentlang. In einem
Repräsentationsraum ihres Hauses, den sie selbst nie
betreten, haben die Strauße zur Erinnerung an die Heimat
zwei Memnonssäulen nebst Nil gemalt bekommen.

Das Nilpferd aber hat sein eignes Haus. Innen ist ein
schauriges rotes Götzenheim, in dem die Kinder vor den
breiten Zwischenräumen der Gitterstäbe sich fürchten,
dahinter die unheimliche Masse sich wälzt. Von außen gesehn
ist es eine Art Badehaus aus Backstein mit einem Bassin, in
welches das Ungeheuer sich bequem gleiten läßt wie eine
dicke alte Dame.

Dem Affen wird alles zu Turn- und Spielgerät. Um die Loggien
seines Palmenhauses mit ihrem Blumenschmuck kümmert er sich
nicht. Die überläßt er seinen Zuschauern.

Ob sich der indische Elefant für die Mosaikdrachen
interessiert, die auf den Türen seines Palastes abgebildet
sind? Liebt das Zebra sein afrikanisches Gehöft, der Büffel
sein Borkenpalais? Dem Renntier müßte es immerhin
sympathisch sein, daß an seinem Haus der Dachzierat sich
ganz so gabelig verzweigt wie sein eignes Geweih. Und Bison
und Wisent sollten Ehrfurcht haben vor den Totemsäulen, wo
über Vogelschnäbeln Fratzengötter Frösche schlucken.

Die weißen Mäuse wissen wohl kaum, daß auf den Fenstern
ihrer Villa schöne Glasmalereien sind. Ihnen ist der
Brotlaib, den sie durchnagen und durchwandern, mit seinen
Löchern Haus genug. Aber von den koketten Meerschweinchen
glaube ich, daß sie ihren winzigen Barockpalast genau
kennen, sie schnuppern an seinen Malachitsäulen, beäugen
seine Wölbungen. Und die Stelzvögel sind sicher stolz auf
die japanische Pracht ihres Heims, die Tauben auf die
Schiebeläden ihres Boardinghouse. Stolz sind sie auch auf
ihre Namen, die Masken ihrer Pracht: Mönchssittich,
Büffelweber, Flötenwürger, Perlbart. Aber das ist ein
Kapitel für sich |ellipsis|

Was ist denn dort für eine leere Pagode nah bei den
möblierten Schluchten des Lamas? ‚Nur für Erwachsene‘ steht
daran, also weder für Tiere noch für Kinder. Für Erwachsene
ist auch der Musikpavillon. In dem werden am Tage Soldaten
eingesperrt, die blasen und trommeln müssen. Nachts gehen —
das hat den Kindern ein naseweiser älterer Vetter eingeredet
— die Flamingos aus dem benachbarten Teich in den Pavillon
schlafen.

Zu den hausbesitzenden eingesessenen Tieren gesellen sich
bisweilen als Nomaden, die nur eine Zeitlang bleiben, wilde
Völker. Somalis in weißen wehenden Mänteln neigen ihre
wolligen Köpfe über die glühenden Kohlen des Lagerfeuers und
braten frischgeschlachtete Hämmel am Spieß. Tripolitaner
tanzen zu Tamburins. Inder wandeln würdig auf hochgestellten
schmalwadigen Beinen einher.

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Aquarium — da fällt mir das frühere ein, das in einer
Seitenstraße der Linden lag. Ein sehr alter Onkel hatte in
der Nähe seine Garçonnière und nahm mich kleinen Jungen ein
paarmal mit in das Haus, in dem die Tiere des Meeres wohnen.
Und gerade da, wo die Tiefseefische zwischen Algen und
Korallen, Tierpflanzen und Pflanzentieren des seimig
quellenden Meeresgrundes schwammen, war ein Büfett für die
Besucher eingerichtet. Und da aß ich mit Schauer eine
unterseeische Schinkenstulle, und der Onkel trank Bier, das
hinter seinem Glase wallte wie der Met, den Thorr bei den
Riesen aus dem Weltmeer geschänkt bekommt.

Während dies alte Wassertierreich etwas Höhlenhaftes,
Irrgartenähnliches hatte mit Überraschungen und Abenteuern
wie das ‚Tierleben‘ seines Begründers Brehm, ist das heutige
hier am Zoo ein aufrechtes, übersichtlich gegliedertes
Gebäude, dessen Stockwerke ungefähr den drei Elementen
Wasser, Erde und Luft entsprechen: Erdgeschoß Aquarium,
erster Stock Terrarium, zweiter Insectarium. Und alle Wesen
wohnen, schwimmen und kriechen um Gestein, Sand und Pflanze
ihrer Heimat, die in Schaubehälter und Glasbecken
eingefangen ist. Ein hoher Mittelraum ist als halbtrockner
Nil oder Rio Grande ausgestattet, und von einer Brücke aus
Bambusstäben kann man zusehen, wie die Krokodile aus
seichtem Wasser auf ihre tropisch warme Sandbank kriechen.
Die Echsen bewohnen ihren Karst, die Klapperschlange ihr
trocknes Stück brasilische Erde. Für das Behagen der
Riesenschlange ist durch künstliche Südsonne gesorgt. Nicht
minder heimatlich haben es die Kleinen und Kleinsten. Der
Helgoländer Hummer haust in echt Helgoländer Gestein, die
Forelle in einem Gebirgsbach, der über Geröll plätschert.
Die Biene arbeitet in ihrem Stock, dem Heimchen ist ein Herd
gemauert und der Schabe ein echter Küchentisch mit
schmutzigem Geschirr hingestellt. Der Scarabäus findet
Kuhmist vor, um daraus die Kugelpillen zu drehen, in denen
seine Eier Larven werden sollen. ‚Seegras, Seerose und
Seegries‘ wie für Christian Morgensterns Hecht vom heiligen
Anton wachsen in bewellten Algengefilden. Sogar Seegurken
gibt es, und unter den Seenelken ist eine mit wachsweißen
Blütenblättern wie eine Chrysantheme, die durch Zauber zu
einem gierig schlängelnden und langenden Tier geworden ist;
manche Frau könnte sie gut statt der harmlos fallenden
Stoffblume am Kleide tragen.

Aber am schönsten ist es im reinen Fischreich, wo
papierdünne Flossenblätter ihre Kiemenfächer regen, wo die
großen Welse mitBartfäden tasten, wo das Seepferdchen den
knochenzarten Kopf neigt, wo wechselnde Farben und wandernde
Muster alle Kunstgewerblerphantasie überbieten, wo man
Chanchito und Cichlide, Goldorf und Güster, Olm und Ukelei
heißt. Da findet der Liebhaber auch die erstaunlichen
Schleierschwänze, eine Zierfisch-Zuchtrasse, die mit ihrem
bunten Schleppgewand in der Freiheit gar nicht leben könnte,
so vornehm ist sie.