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+
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+ <title>Der Rhein.</title>
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+
+<body>
+
+<h4>Der Rhein.</h4>
+
+<div class="subtitle spaced">Fragment.</div>
+
+
+
+<p>Im dunkeln Epheu saß ich, an der Pforte<br />
+Des Waldes, eben, da der goldene Mittag<br />
+Den Quell besuchend, herunterkam<br />
+Von Treppen des Alpengebir'gs,<br />
+Das mir die göttlichgebaute,<br />
+Die Burg der Himmlischen heißt<br />
+Nach alter Meinung, wo aber<br />
+Geheim noch Manches entschieden<br />
+Zu Menschen gelanget; von da<br />
+Vernahm ich ohne Vermuthen<br />
+Ein Schicksal, denn noch kaum<br />
+War mir im warmen Schatten<br />
+Sich Manches beredend, die Seele<br />
+Italia zugeschweift<br />
+Und an die Küsten Morea's.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Jetzt aber, drinn im Gebirg,</span><br />
+Tief unter den silbernen Gipfeln,<br />
+Und unter fröhlichem Grün,<br />
+Wo die Wälder schauernd zu ihm<br />
+Und der Felsen Häupter übereinander<br />
+Hinabschaun, taglang, dort<br />
+Im kältesten Abgrund hört'<br />
+Ich um Erlösung jammern<br />
+Den Jüngling, es hörten ihn, wie er tobt',<br />
+Und die Mutter Erd' anklagt',<br />
+Und den Donnerer, der ihn gezeuget,<br />
+Erbarmend die Eltern, doch<br />
+Die Sterblichen flohn von dem Ort,<br />
+Denn furchtbar war, da lichtlos er<br />
+In den Fesseln sich wälzte,<br />
+Das Rasen des Halbgotts.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Die Stimme war's des edelsten der Ströme,</span><br />
+Des freigeborenen Rheins,<br />
+Und Anderes hoffte der, als droben von den Brüdern,<br />
+Dem Tessin und dem Rhodanus,<br />
+Er schied und wandern wollt', und ungeduldig ihn<br />
+Nach Asia trieb die königliche Seele.<br />
+Doch unverständig ist<br />
+Das Wünschen vor dem Schicksal.<br />
+Die Blindesten aber<br />
+Sind Göttersöhne, denn es kennet der Mensch<br />
+Sein Haus und dem Thier ward, wo<br />
+Es bauen solle, doch jenen ist<br />
+Der Fehl, daß sie nicht wissen wohin?<br />
+In die unerfahrne Seele gegeben.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ein Räthsel ist Reinentsprungenes. Auch</span><br />
+Der Gesang kaum darf es enthüllen. Denn<br />
+Wie du anfiengst, wirst du bleiben,<br />
+So viel auch wirket die Noth<br />
+Und die Zucht, das Meiste nemlich<br />
+Vermag die Geburt<br />
+Und der Lichtstral, der<br />
+Dem Neugebornen begegnet.<br />
+Wo aber ist Einer,<br />
+Um frei zu bleiben<br />
+Sein Leben lang und des Herzens Wunsch<br />
+Allein zu erfüllen, so<br />
+Aus himmlischgünstigen Höh'n<br />
+Und so aus reinestem Schooße<br />
+Glücklich geboren, wie jener.<br />
+Drum ist ein Jauchzen sein Wort.<br />
+Nicht liebt er, wie andere Kinder<br />
+In Wickelbanden zu weinen;<br />
+Und wenn, wo die Ufer sich ihm<br />
+An die Seite schleichen, die krummen,<br />
+Und durstig umwindend ihn,<br />
+Den Unbedachten, zu ziehn<br />
+Und wohl zu behüten begehren<br />
+Im eignen Schlunde, lachend,<br />
+Zerreißt er die Schlangen und stürzt<br />
+Mit der Beut', und wenn in der Eil'<br />
+Ein Größerer ihn nicht zähmt,<br />
+Ihn wachsen läßt, wie der Blitz muß er<br />
+Die Erde spalten, und wie Bezauberte fliehn<br />
+Die Wälder ihm nach und zusammensinkend die Berge.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ein Gott will aber sparen den Söhnen</span><br />
+Das eilende Leben und lächelt,<br />
+Wenn unenthaltsam, aber gehemmt<br />
+Von heiligen Alpen, ihm<br />
+In der Tiefe, wie jener, zürnen die Ströme.<br />
+In solcher Esse wird dann<br />
+Auch alles Lautre geschmiedet<br />
+Und schön ist's, wie er drauf,<br />
+Nachdem er die Berge verlassen,<br />
+Stillwandelnd sich im deutschen Lande<br />
+Begnüget und das Sehnen stillt<br />
+Im guten Geschäfte, wenn er das Land baut,<br />
+Der Vater Rhein, und liebe Kinder nährt<br />
+In Städten, die er gegründet.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Doch nimmer, nimmer vergißt er's.</span><br />
+Denn eher muß die Wohnung vergehn<br />
+Und die Satzung und zum Unbild werden<br />
+Der Tag der Menschen, ehe vergessen<br />
+Ein Solcher dürfte den Ursprung<br />
+Und die reine Stimme der Jugend.<br />
+Wer war es, der zuerst<br />
+Die Liebesbande verderbt<br />
+Und Stricke von ihnen gemacht hat?<br />
+Dann haben des eigenen Rechts<br />
+Und gewiß des himmlischen Feuers<br />
+Gespottet die Trotzigen, dann erst,<br />
+Die sterblichen Pfade verachtend,<br />
+Verweg'nes erwählt,<br />
+Und den Göttern gleich zu werden getrachtet.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Es haben aber an eigner</span><br />
+Unsterblichkeit die Götter genug, und bedürfen<br />
+Die Himmlischen eines Dings,<br />
+So sind's Heroen und Menschen,<br />
+Und Sterbliche sonst. Denn weil<br />
+Die Seligsten nichts fühlen von selbst,<br />
+Muß wohl, wenn Solches zu sagen<br />
+Erlaubt ist, in der Götter Namen<br />
+Theilnehmend fühlen ein Andrer &mdash;<br />
+Den brauchen sie; jedoch ihr Gericht<br />
+Ist, daß sein eigenes Haus<br />
+Zerbreche der, und das Liebste<br />
+Wie den Feind schelt' und sich Vater und Kind<br />
+Begrabe unter den Trümmern,<br />
+Wenn Einer, wie sie, seyn will, und nicht<br />
+Ungleiches dulden, der Schwärmer.<br />
+Drum wohl ihm, welcher fand<br />
+Ein wohlbeschiedenes Schicksal,<br />
+Wo noch der Wanderungen<br />
+Und süß der Leiden Erinnerung<br />
+Aufrauscht am sichern Gestade,<br />
+Daß da und dorthin gern<br />
+Er sehn mag bis an die Gränzen,<br />
+Die bei der Geburt ihm Gott<br />
+Zum Aufenthalte gezeichnet.<br />
+Dann ruht er, selig bescheiden,<br />
+Denn Alles, was er gewollt,<br />
+Das Himmlische, von selber umfängt<br />
+Es unbezwungen, lächelnd<br />
+Jetzt, da er ruhet, den Kühnen.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Halbgötter denk' ich jetzt,</span><br />
+Und kennen muß ich die Theuern,<br />
+Weil oft ihr Leben so<br />
+Die sehnende Brust mir bewegt.<br />
+Wem aber, wie dir,<br />
+Unüberwindlich die Seele,<br />
+Die stark ausdauernde ward,<br />
+Und sicherer Sinn<br />
+Und süße Gabe zu hören,<br />
+Zu reden so, daß er aus heiliger Fülle<br />
+Wie der Weingott thörig, göttlich<br />
+Und gesetzlos sie, die Sprache der Reinesten giebt,<br />
+Verständlich den Guten, aber mit Recht<br />
+Die Achtungslosen mit Blindheit schlägt,<br />
+Die entweichenden Knechte, wie nenn' ich den Fremden?<br />
+Die Söhne der Erde sind, wie die Mutter,<br />
+Allliebend, so empfangen sie auch<br />
+Mühlos, die Glücklichen, Alles.<br />
+Drum überraschet es auch,<br />
+Und schreckt den sterblichen Mann,<br />
+Wenn er den Himmel, den<br />
+Er mit den liebenden Armen<br />
+Sich auf die Schultern gehäuft,<br />
+Und die Last der Freude bedenket.<br />
+Dann scheint ihm oft das Beste,<br />
+Fast ganz vergessen da,<br />
+Wo der Stral nicht brennt,<br />
+Im Schatten des Wald's,<br />
+In frischer Grüne zu seyn,<br />
+Und sorglosarm an Tönen<br />
+Anfängern gleich, bei Nachtigallen zu lernen.<br />
+Und herrlich ist's aus heiligem Schlafe dann<br />
+Erstehen und aus Waldeskühle<br />
+Erwachend, Abends nun<br />
+Dem milderen Licht entgegenzugehen,<br />
+Wenn, der die Berge gebaut<br />
+Und den Pfad der Ströme gezeichnet,<br />
+Nachdem er lächelnd auch<br />
+Der Menschen geschäftiges Leben<br />
+Das odemarme, wie Segel,<br />
+Mit seinen Lüften gelenkt hat,<br />
+Auch ruht und vor der Schülerin jetzt,<br />
+Der Bildner vor der Braut,<br />
+Der herrliche Pygmalion,<br />
+Der Tagsgott vor der Erde sich neiget.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Dann feiern das Brautfest Menschen und Götter,</span><br />
+Es feiern die Lebenden all,<br />
+Und ausgeglichen<br />
+Ist eine Weile das Schicksal.<br />
+Und die Flüchtlinge suchen die Herberg'<br />
+Und süßen Schlummer die Tapfern.<br />
+Die Liebenden aber<br />
+Sind, was sie waren, sie sind<br />
+Zu Hause, wo die Blume sich freuet<br />
+Unschädlicher Glut, und die finsteren Bäume<br />
+Der Geist umsäuselt, aber die Unversöhnten<br />
+Sind umgewandelt und eilen,<br />
+Die Hände sich ehe zu reichen,<br />
+Bevor das freundliche Licht<br />
+Hinunter geht und die Nacht kommt.</p>
+
+
+
+</body>
+</html>