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  <title>Die Herbstfeier.</title>
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<body>

<h4>Die Herbstfeier.</h4>

<p><span class="spaced">An Siegfried Schmidt</span>.</p>

<h5>1.</h5>

<p>Wieder ein Glück erlebt! Die gefährliche Dürre geneset,<br />
Und die Schärfe des Lichts senget die Blüthe nicht mehr,<br />
Offen steht jetzt wieder ein Saal, und gesund ist der Garten,<br />
Und von Regen erfrischt rauschet das glänzende Thal<br />
Hoch von Gewächsen, es schwellen die Bäch', und alle gebund'nen<br />
Fittige wagen sich wieder in's Reich des Gesangs.<br />
Voll ist die Luft von Fröhlichen jetzt, und die Stadt und der Hain ist<br />
Rings von zufriedenen Kindern des Himmels erfüllt.<br />
Gerne begegnen sie sich und irren unter einander,<br />
Sorgenlos und es scheint keines zu wenig, zu viel.<br />
Denn so ordnet das Herz es an, und zu athmen die Anmuth,<br />
Sie, die geschickliche, schenkt ihnen ein göttlicher Geist.<br />
Aber die Wanderer auch sind wohl geleitet und haben<br />
Kränze genug und Gesang, haben den heiligen Stab<br />
Voll geschmückt mit Trauben und Laub, bei sich, und der Fichte<br />
Schatten; von Dorfe zu Dorf jauchzt es, von Tage zu Tag,<br />
Und wie Wagen, bespannt mit freiem Wilde, so ziehn die<br />
Berge voran, und so träget und eilet der Pfad.</p>

<h5>2.</h5>

<p>Aber meinest du nun, es haben die Thore vergebens<br />
Aufgethan und den Weg freudig die Götter gemacht?<br />
Und es schenken umsonst zu des Gastmahls Fülle die Guten<br />
Nebst dem Weine noch auch Blumen und Honig und Obst?<br />
Schenken das purpurne Licht zu Festgesängen, und kühl und<br />
Ruhig zu tieferem Freundesgespräche die Nacht?<br />
Hält ein Ernsteres dich, so spar's dem Winter, und willst du<br />
Freien, habe Geduld, Freier beglücket der Mai.<br />
Jetzt ist Anderes Noth, jetzt komm und feire des Herbstes<br />
Alte Sitte, noch jetzt blühet die edle mit uns.<br />
Eins nur gilt für den Tag, das Vaterland, und des Opfers<br />
Festlicher Flamme wirft jeder sein Eigenes zu.<br />
Darum kränzt der gemeinsame Gott umsäuselnd das Haar uns,<br />
Und den eigenen Sinn schmelzet, wie Perlen, der Wein.<br />
Dieß bedeutet der Tisch, der gelehrte, wenn, wie die Bienen,<br />
Rund um den Eichbaum, wir sitzen und singen um ihn.<br />
Dieß der Pokale Klang und darum zwinget die wilden<br />
Seelen der streitenden Männer zusammen der Chor.</p>

<h5>3.</h5>

<p>Aber damit uns nicht, gleich Allzuklugen, entfliehe<br />
Diese neigende Zeit, komm' ich entgegen sogleich,<br />
Bis an die Grenze des Lands, wo mir den lieben Geburtsort<br />
Und die Insel des Stroms blaues Gewässer umfließt.<br />
Heilig ist mir der Ort, an beiden Ufern, der Fels auch,<br />
Der mit Garten und Hausgrün aus den Wellen sich hebt.<br />
Dort begegnen wir uns, o gütiges Licht! wo zuerst mich,<br />
Deiner gefühlteren Stralen mich einer betraf.<br />
Dort begann und beginnt das liebe Leben von Neuem,<br />
Aber des Vaters Grab seh' ich, und weine dir schon?<br />
Wein' und halt' und habe den Freund und höre das Wort, das<br />
Einst mir in himmlischer Kunst Leiden der Liebe geheilt.<br />
Andres erwacht! Ich muß die Landesheroen ihm nennen!<br />
Barbarossa! dich auch, gütiger Christoph, und dich<br />
Konradin! wie du fielst, so fallen Starke, der Epheu<br />
Grünt am Fels, und die Burg deckt das bacchantische Laub,<br />
Doch Vergangenes ist, wie Künftiges, heilig den Sängern,<br />
Und in Tagen des Herbsts sühnen die Schatten wir aus.</p>

<h5>4.</h5>

<p>So der Gewalt'gen gedenk und des herzerhebenden Schicksals,<br />
Thatlos selber und leicht, aber vom Aether doch auch<br />
Angeschauet und fromm, wie die Alten, die göttlicherzognen<br />
Freudigen Dichter, ziehn freudig das Land wir hinauf.<br />
Groß ist das Werden umher. Dort von den äußersten Bergen<br />
Stammen der Jünglinge viel, steigen die Hügel herab.<br />
Quellen rauschen von dort und hundert geschäftige Bäche,<br />
Kommen bei Tag und bei Nacht nieder und bauen das Land.<br />
Aber der Meister pflügt in der Mitte des Landes die Furchen<br />
Ziehet der Neckarstrom, ziehet der Segen herab.<br />
Und es kommen mit ihm Italiens Lüfte, die See schickt<br />
Ihre Wolken, sie schickt prächtige Sonnen mit ihm;<br />
Darum wächset uns auch fast über das Haupt die gewalt'ge<br />
Fülle, denn hieher ward hier in die Ebne das Gute.<br />
Reicher den Lieben gebracht, den Landsleuten, doch neidet<br />
Keiner an Bergen dort ihnen die Gärten, den Wein,<br />
Oder das üppige Gras und das Korn und die glühenden Bäume,<br />
Die am Wege gereiht über den Wanderern stehn.</p>

<h5>5.</h5>

<p>Aber indeß wir schaun und die mächtige Freude durchwandeln,<br />
Fliehet der Weg und der Tag uns, wie den Trunkenen, hin.<br />
Denn mit heiligem Laub umkränzt erhebet die Stadt schon,<br />
Die gepriesene, dort, leuchtend ihr priesterlich Haupt.<br />
Herrlich steht sie, und hält den Rebenstab und die Tanne<br />
Hoch in den seligen purpurnen Wolken empor.<br />
Sey uns hold, dem Gast und dem Sohn, o Fürstin der Heimath,<br />
Glückliches Stuttgart! nimm freundlich den Fremdling mir auf!<br />
Immer hast du Gesang mit Flöten und Saiten gebilligt,<br />
Wie ich glaub', und des Lieds kindlich Geschwätz, und der Mühn<br />
Süße Vergessenheit bei gegenwärtigem Geiste,<br />
Drum erfreuest du auch gerne den Sängern das Herz.<br />
Aber ihr, ihr Größeren auch, ihr Frohen, die allzeit<br />
Leben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch,<br />
Wenn ihr wirket und schafft in heiliger Nacht und alleinherrscht,<br />
Und allmählig emporziehet ein ahnendes Volk,<br />
Bis die Jünglinge sich der Väter droben erinnern,<br />
Mündig und hell vor euch steht der besonnene Mensch.<br />
Engel des Vaterlands! o ihr, vor denen das Auge,<br />
Sey's auch stark, und das Knie bricht dem vereinzelten Mann,<br />
Daß er halten sich muß an die Freund' und bitten die Theuern,<br />
Daß sie tragen mit ihm all die beglückende Last,<br />
Habt, o Gütige, Dank für den und alle die Andern,<br />
Die mein Leben, mein Gut unten den Sterblichen sind.</p>

<h5>6.</h5>

<p>Aber die Nacht kommt! Laß uns eilen, zu feyern das Herbstfest.<br />
Heut noch! voll ist das Herz, aber das Leben ist kurz,<br />
Und was uns der himmlische Tag zu sagen geboten,<br />
Das zu nennen, mein Schmidt, reichen wir Beide nicht aus.<br />
Trefliche bring' ich dir und das Freudenfeuer wird hoch auf<br />
Schlagen, und heiliger soll sprechen das kühnere Wort.<br />
Siehe! da ist es rein! Und des Gottes freundliche Gaben<br />
Die wir theilen, sie sind zwischen den Liebenden nur<br />
Anderes nicht &mdash; o kommt, o macht es wahr! denn allein ja<br />
Bin ich und Niemand nimmt mir von der Stirne den Traum?<br />
Kommt und reicht, ihr Lieben, die Hand! das möge genug seyn,<br />
Aber die größere Luft sparen dem Enkel wir auf.</p>

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