aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/64.html
blob: 6649fcc306e2d52779f48d27b6ae6ba498997f67 (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
  "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
<head>
  <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
  <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
  <title>An den Aether.</title>
</head>

<body>

<h4>An den Aether.</h4>



<p>Treu und freundlich, wie du, erzog der Götter und Menschen<br />
Keiner, o Vater Aether! mich auf; noch ehe die Mutter<br />
In die Arme mich nahm und ihre Brüste mich tränkten,<br />
Faßtest du zärtlich mich an, und gossest himmlischen Trank mir,<br />
Mir den heiligen Odem zuerst in den keimenden Busen.</p>

<p>Nicht von irdischer Kost gedeihen einzig die Wesen,<br />
Aber du nährest sie all' mit deinem Nektar, o Vater!<br />
Und es drängt sich und rinnt aus deiner ewigen Fülle<br />
Die beseelende Luft durch alle Röhren des Lebens.<br />
Darum lieben die Wesen dich auch und ringen und streben<br />
Unaufhörlich hinauf nach dir in freudigem Wachsthum.<br />
Himmlischer! sucht nicht dich mit ihren Augen die Pflanze,<br />
Streckt nach dir die schüchternen Arme der niedrige Strauch nicht?<br />
Daß er dich finde, zerbricht der gefangene Same die Hülse;<br />
Daß er belebt von dir in deiner Welle sich bade,<br />
Schüttelt der Wald den Schnee, wie ein überlästig Gewand ab.<br />
Auch die Fische kommen herauf und hüpfen verlangend<br />
Ueber die glänzende Fläche des Stroms, als begehrten auch diese<br />
Aus der Wiege zu dir; auch den edeln Thieren der Erde<br />
Wird zum Fluge der Schritt, wenn oft das gewaltige Sehnen,<br />
Die geheime Liebe zu dir sie ergreift, sie hinaufzieht.<br />
Stolz verachtet den Boden das Roß, wie gebogener Stahl strebt<br />
In die Höhe sein Hals, mit der Hufe berührt es den Sand kaum.<br />
Wie zum Scherze, berührt der Fuß der Hirsche den Grashalm.<br />
Hüpft, wie ein Zephyr, über den Bach der reißend hinabschäumt,<br />
Hin und wieder schweift, kaum sichtbar durch die Gebüsche.<br />
Aber des Aethers Lieblinge, sie, die glücklichen Vögel<br />
Wohnen und spielen vergnügt in der ewigen Halle des Vaters!<br />
Raums genug ist für alle. Der Pfad ist keinem bezeichnet,<br />
Und es regen sich frei im Hause die Großen und Kleinen.<br />
Ueber dem Haupt frohlocken sie mir und es sehnt sich auch mein Herz<br />
Wunderbar zu ihnen hinauf; wie die freundliche Heimath<br />
Winkt es von oben herab und auf die Gipfel der Alpen<br />
Möcht' ich wandern und rufen von da dem eilenden Adler,<br />
Daß er, wie einst in die Arme des Zeus den seligen Knaben,<br />
Aus der Gefangenschaft in des Aethers Halle mich trage.<br />
Thöricht treiben wir uns umher; wie die irrende Rebe,<br />
Wenn ihr der Stab gebricht, woran zum Himmel sie aufwächst,<br />
Breiten wir über den Boden uns aus und suchen und wandern<br />
Durch die Zonen der Erd', o Vater Aether! vergebens,<br />
Denn es treibt uns die Lust in deinen Gärten zu wohnen.<br />
In die Meeresfluth werfen wir uns, in den freieren Ebenen<br />
Uns zu sättigen, und es umspielt die unendliche Woge<br />
Unsern Kiel, es freut sich das Herz an den Kräften des Meergotts.<br />
Dennoch genügt ihm nicht! denn der tiefere Ocean reitzt uns,<br />
Wo die leichtere Welle sich regt &mdash; o wer dort an jene<br />
Goldnen Küsten das wandernde Schiff zu treiben vermöchte!<br />
Aber indeß ich hinauf in die dämmernde Ferne mich sehne,<br />
Wo du fremde Gestad umfängst mit bläulicher Woge,<br />
Kömmst du säuselnd herab von des Fruchtbaums blühenden Wipfeln,<br />
Vater Aether! und sänftigest selbst das strebende Herz mir,<br />
Und ich lebe nun gern, wie zuvor, mit den Blumen der Erde.</p>



</body>
</html>