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diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/41-schwarze-visionen.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/41-schwarze-visionen.html new file mode 100644 index 0000000..d6617e3 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/41-schwarze-visionen.html @@ -0,0 +1,208 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Schwarze Visionen</title> +</head> +<body> + +<h3>Schwarze Visionen</h3> + +<p class="dedication"> +An eine imaginäre Geliebte</p> + +<p> +Du ruhst im Dunkel trauriger Askesen<br /> +In deinem weißen Tuch, ein Eremit,<br /> +Und deine Locken, die in Nacht verwesen,<br /> +Bedecken tief dein eingesunknes Lid.</p> + +<p> +Auf deinen Lippen gruben sich die Male<br /> +Der toten Küsse schon in Trichtern ein.<br /> +Die ersten Würmer tanzen um das fahle<br /> +Vom Grubenwasser bleiche Schläfenbein.</p> + +<p> +Wie Ärzte stechen lang sie die Pinzette<br /> +Der Rüssel, die im Fleische Wurzel schlägt.<br /> +Du jagst sie nicht von deinem Totenbette,<br /> +Du bist verflucht, zu leiden unbewegt.</p> + +<p> +Des schwarzen Himmels große Grabesglocke<br /> +Dreht trüb sich rund um deine Winterzeit.<br /> +Und es erstickt der Schneefall, dicke Flocke,<br /> +Was unten in den Gräbern weint und schreit.</p> + + +<h4>II.</h4> + +<p> +Der großen Städte nächtliche Emporen<br /> +Stehn rings am Rand, wie gelbe Brände weit.<br /> +Und mit der Fackel scheucht aus ihren Toren<br /> +Der Tod die Toten in die Dunkelheit.</p> + +<p> +Sie fahren aus wie großer Rauch und schwirren<br /> +Mit leisen Klagen durch das Distelfeld.<br /> +Am Kreuzweg hocken sie zu hauf und irrren<br /> +Den Heimatlosen gleich in schwarzer Welt.</p> + +<p> +Sie schaun zurück von einem kahlen Baume,<br /> +Auf den der Wind sie warf. Doch ihre Stadt<br /> +Ist zu für sie. Und in dem leeren Raume<br /> +Treibt Sturm sie um den Baum, wie Vögel matt.</p> + +<p> +Wo ist die Totenstadt? Sie wollen schlafen.<br /> +Da tut sich auf im ernsten Abendrot<br /> +Die Unterwelt, der stillen Städte Hafen,<br /> +Wo schwarze Segel ziehen, Boot an Boot.</p> + +<p> +Und schwarze Fahnen wehn die langen Gassen<br /> +Der ausgestorbnen Städte, die verstummt<br /> +Im Fluch von weißen Himmeln und verlassen,<br /> +Wo ewig eine stumpfe Glocke brummt.</p> + +<p> +Die schwarzen Brücken werfen ungeheuer<br /> +Die Abendschatten auf den dunklen Strom.<br /> +Und riesiger Lagunen rotes Feuer<br /> +Verbrennt die Luft mit purpurnem Arom.</p> + +<p> +Kanäle alle, die die Stadt durchschwimmen,<br /> +Sind von den Lilienwäldern sanft umsäumt.<br /> +Am Bug der Kähne, wo die Lampen glimmen,<br /> +Stehn groß die Schiffer, und der Abend träumt</p> + +<p> +Wie zarte goldene Kronen um die Stirnen.<br /> +Der tiefen Augen dunkler Edelstein<br /> +Umschließt des hohen Himmels blasse Firnen,<br /> +Wo weidet schon der Mond im grünen Schein.</p> + +<p> +Die Toten schaun aus ihrem Winterbaume<br /> +Den Schläfern zu in ihrem sanften Reich.<br /> +Und das Verlangen faßt sie nach dem Saume<br /> +Des roten Himmels und dem Abend weich.</p> + +<p> +Da stürzt sie Hermes, der die Nacht erschüttert<br /> +Mit starkem Flug, ein bläulicher Komet,<br /> +Den Grund herab, der meilentief erzittert,<br /> +Da singend ihn der Toten Zug durchweht.</p> + +<p> +Sie nahn den Städten, da sie wohnen sollen,<br /> +Draus goldne Winde gehn im Abendflug.<br /> +Der Tore Amethyst im tiefen Stollen<br /> +Küßt ihrer Reiherschwingen langer Zug.</p> + +<p> +Die Silberstädte, die im Monde glühen,<br /> +Umarmen sie mit ihres Sommers Pracht,<br /> +Wo schon im Ost wie große Rosen blühen<br /> +Die Morgenröten in die Mitternacht.</p> + + +<h4>III.</h4> + +<p> +Sie grüßen dich in deinem schwarzen Sarge<br /> +Und flattern über dich wie Frühlingswind.<br /> +Wie Nachtigallen rühren sie das karge,<br /> +Wachsbleiche Haupt mit ihren Klagen lind.</p> + +<p> +Mit Sammethänden wollen sie dich grüßen<br /> +Von meiner Qual. Und wie ein Weinblatt rot,<br /> +So taumeln ihre Küsse dir zu Füßen,<br /> +Und ziehn wie Tauben sanft um deinen Tod.</p> + +<p> +Sie schwingen über dir die Fackelbrände,<br /> +Die furchtbar wecken auf die schwarze Nacht.<br /> +Sie geben dir in deine weißen Hände<br /> +Tränen von Stein, die ich dir dargebracht.</p> + +<p> +Sie laden Düfte aus den Duft-Amphoren<br /> +Und überschütten dich mit Ambra ganz.<br /> +Dein schwarzes Haar steht auf, an Himmels Toren,<br /> +Wie eines Sterngewölkes dünner Glanz.</p> + +<p> +Sie werden große Pyramiden bauen,<br /> +Darauf sie türmen deinen schwarzen Schrein.<br /> +Dann wirst du in die wilde Sonne schauen,<br /> +Die in dein Blut stürzt wie ein dunkler Wein.</p> + + +<h4>IV.</h4> + +<p> +Die Sonne, die mit Blumen sich beleuchtet,<br /> +Stößt wie ein Aar zu deinen Häupten weit,<br /> +Und ihrer Purpurlippen Traum befeuchtet<br /> +Mit Tränentau dein weißes Totenkleid.</p> + +<p> +Dann nimmst dein Herz du aus den weißen Brüsten<br /> +Und zeigst es rings dem stillen Heiligtum.<br /> +Und deine stolze Flamme rührt die Küsten<br /> +Des Himmels an, die werfen deinen Ruhm</p> + +<p> +Ins Meer der Toten aus wie starke Wellen.<br /> +Die großen Schiffe schwimmen um dich her,<br /> +Um deinen Turm, und ihre Lieder schwellen<br /> +Wie Abendwolken sanft vom großen Meer.</p> + +<p> +Und was ich dir in meinen Träumen sage,<br /> +Das schrein die Priester aus mit Tuba–Ton.<br /> +Der Meere dunkle Buchten füllt die Klage<br /> +Um dich wie Schilfrohr sanft und schwarzer Mohn.</p> + + +<h4>V.</h4> + +<p> +Getrübt bescheint der Mond die stumme Fläche,<br /> +Wie ein Korund, der tief im Grunde glüht.<br /> +In deiner Locken dunkle Flammenbäche<br /> +Verliebt, verweilt er auf den Städten müd.</p> + +<p> +Dann kommen alle Toten aus den Grüften<br /> +Und ziehn um dich in langer Prozession.<br /> +Von rosa Glase flattern in den Lüften<br /> +Die Schatten, die von innern Flammen lohn.</p> + + +<h4>VI.</h4> + +<p> +Du zogst voraus nach dem geheimen Reiche.<br /> +Ich folge dir dereinst, du Trauerbild,<br /> +Und halte ewig deine Hand, die bleiche,<br /> +Die meiner Küsse blasse Lilie füllt.</p> + +<p> +Dann überschwemmen lange Ewigkeiten<br /> +Der Himmel Mauern und das tote Land,<br /> +Die, große Schatten, in den Westen schreiten,<br /> +Wo ehern ruht der Horizonte Wand.</p> + +</body> +</html> |