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diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/01-berlin-1.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/01-berlin-1.html new file mode 100644 index 0000000..87622f3 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/01-berlin-1.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Berlin I</title> +</head> +<body> + +<h3>Berlin I</h3> + +<p> +Beteerte Fässer rollten von den Schwellen<br /> +Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne.<br /> +Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne<br /> +Hing rußig nieder auf die öligen Wellen.</p> + +<p> +Zwei Dampfer kamen mit Musikkapellen.<br /> +Den Schornstein kappten sie am Brückenbogen.<br /> +Rauch, Ruß, Gestank lag auf den schmutzigen Wogen<br /> +Der Gerbereien mit den braunen Fellen.</p> + +<p> +In allen Brücken, drunter uns die Zille<br /> +Hindurchgebracht, ertönten die Signale<br /> +Gleichwie in Trommeln wachsend in der Stille.</p> + +<p> +Wir ließen los und trieben im Kanale<br /> +An Gärten langsam hin. In dem Idylle<br /> +Sahn wir der Riesenschlote Nachtfanale.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/02-berlin-2.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/02-berlin-2.html new file mode 100644 index 0000000..212f484 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/02-berlin-2.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Berlin II</title> +</head> +<body> + +<h3>Berlin II</h3> + +<p> +Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen,<br /> +War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge<br /> +Unzählig: Menschenströme und Gedränge,<br /> +Und sahn die Weltstadt fern im Abend ragen.</p> + +<p> +Die vollen Kremser fuhren durch die Menge,<br /> +Papierne Fähnchen waren drangeschlagen.<br /> +Die Omnibusse, voll Verdeck und Wagen.<br /> +Automobile, Rauch und Huppenklänge.</p> + +<p> +Dem Riesensteinmeer zu. Doch westlich sahn<br /> +Wir an der langen Straße Baum an Baum,<br /> +Der blätterlosen Kronen Filigran.</p> + +<p> +Der Sonnenball hing groß am Himmelssaum.<br /> +Und rote Strahlen schoß des Abends Bahn.<br /> +Auf allen Köpfen lag des Lichtes Traum.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/03-laubenfest.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/03-laubenfest.html new file mode 100644 index 0000000..0581a21 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/03-laubenfest.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Laubenfest</title> +</head> +<body> + +<h3>Laubenfest</h3> + +<p> +Schon hängen die Lampions wie bunte Trauben<br /> +An langen Schnüren über kleinen Beeten,<br /> +Den grünen Zäunen, und von den Staketen<br /> +Der hohen Bohnen leuchtend in die Lauben.</p> + +<p> +Gesumm von Stimmen auf den schmalen Wegen.<br /> +Musik von Trommeln und von Blechtrompeten.<br /> +Es steigen auf die ersten der Raketen,<br /> +Und platzen oben in den Silberregen.</p> + +<p> +Um einen Maibaum dreht sich Paar um Paar<br /> +Zu eines Geigers hölzernem Gestreich,<br /> +Um den mit Ehrfurcht steht die Kinderschaar.</p> + +<p> +Im blauen Abend steht Gewölke weit,<br /> +Delphinen mit den rosa Flossen gleich,<br /> +Die schlafen in der Meere Einsamkeit.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/04-die-zuege.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/04-die-zuege.html new file mode 100644 index 0000000..9c892e8 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/04-die-zuege.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Züge</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Züge</h3> + +<p> +Rauchwolken, rosa, wie ein Frühlingstag,<br /> +Die schnell der Züge schwarze Lunge stößt,<br /> +Ziehn auf dem Strom hinab, der riesig flößt<br /> +Eisschollen breit mit Stoß und lautem Schlag.</p> + +<p> +Der weite Wintertag der Niederung<br /> +Glänzt fern wie Feuer rot und Gold-Kristall<br /> +Auf Schnee und Ebenen, wo der Feuerball<br /> +Der Sonne sinkt auf Wald und Dämmerung.</p> + +<p> +Die Züge donnern auf dem Meilendamme,<br /> +Der in die Wälder rennt, des Tages Schweif.<br /> +Ihr Rauch steigt auf wie eine Feuerflamme,</p> + +<p> +Die hoch im Licht des Ostwinds Schnabel zaust,<br /> +Der, goldgefiedert, wie ein starker Greif,<br /> +Mit breiter Brust hinab gen Abend braust.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/05-berlin-3.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/05-berlin-3.html new file mode 100644 index 0000000..b0317c8 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/05-berlin-3.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Berlin III</title> +</head> +<body> + +<h3>Berlin III</h3> + +<p> +Schornsteine stehn in großem Zwischenraum<br /> +Im Wintertag, und tragen seine Last,<br /> +Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast.<br /> +Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.</p> + +<p> +Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus,<br /> +Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt,<br /> +Und auf vereisten Schienen mühsam schleppt<br /> +Ein langer Güterzug sich schwer hinaus.</p> + +<p> +Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein,<br /> +Die Toten schaun den roten Untergang<br /> +Aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein.</p> + +<p> +Sie sitzen strickend an der Wand entlang,<br /> +Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein,<br /> +Zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/06-der-hunger.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/06-der-hunger.html new file mode 100644 index 0000000..8c77d1c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/06-der-hunger.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Hunger</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Hunger</h3> + +<p> +Er fuhr in einen Hund, dem groß er sperrt<br /> +Das rote Maul. Die blaue Zunge wirft<br /> +Sich lang heraus. Er wälzt im Staub. Er schlürft<br /> +Verwelktes Gras, das er dem Sand entzerrt.</p> + +<p> +Sein leerer Schlund ist wie ein großes Tor,<br /> +Drin Feuer sickert, langsam, tropfenweis,<br /> +Das ihm den Bauch verbrennt. Dann wäscht mit Eis<br /> +Ihm eine Hand das heiße Speiserohr.</p> + +<p> +Er wankt durch Dampf. Die Sonne ist ein Fleck,<br /> +Ein rotes Ofentor. Ein grüner Halbmond führt<br /> +Vor seinen Augen Tänze. Er ist weg.</p> + +<p> +Ein schwarzes Loch gähnt, draus die Kälte stiert.<br /> +Er fällt hinab, und fühlt noch, wie der Schreck<br /> +Mit Eisenfäusten seine Gurgel schnürt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/07-die-gefangenen-1.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/07-die-gefangenen-1.html new file mode 100644 index 0000000..bc931fd --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/07-die-gefangenen-1.html @@ -0,0 +1,40 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Gefangenen I</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Gefangenen I</h3> + +<p> +Den harten Weg entlang im kurzen Trab<br /> +Zieht sich der Sträflingstrupp, der heim marschiert<br /> +Durch kahle Felder in das große Grab,<br /> +Das wie ein Schlächterblock ins Graue stiert.</p> + +<p> +Sturm singt. Wind pfeift. Vor ihnen weht und irrt<br /> +Ein Haufe alter Blätter kunterbunt.<br /> +Die Wächter schließen ihren Zug. Es klirrt<br /> +An ihrem Rock das große Schlüsselbund.</p> + +<p> +Das breite Tor geht auf im Riesenbau<br /> +Und wieder zu. Des Tages roter Rost<br /> +Bedeckt den Westen. Trübe in dem Blau<br /> +Zittert ein Stern im bittern Winterfrost.</p> + +<p> +Und ein paar Bäume stehn den Weg entlang<br /> +Im halben Licht verkrüppelt und beleibt.<br /> +Wie schwarz aus einer Stirn gekrümmt und krank<br /> +Ein starkes Horn steht und nach oben treibt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/08-die-gefangenen-2.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/08-die-gefangenen-2.html new file mode 100644 index 0000000..4403df2 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/08-die-gefangenen-2.html @@ -0,0 +1,40 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Gefangenen II</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Gefangenen II</h3> + +<p> +Sie trampeln um den Hof im engen Kreis.<br /> +Ihr Blick schweift hin und her im kahlen Raum.<br /> +Er sucht nach einem Feld, nach einem Baum,<br /> +Und prallt zurück von kahler Mauern Weiß.</p> + +<p> +Wie in den Mühlen dreht der Rädergang,<br /> +So dreht sich ihrer Schritte schwarze Spur.<br /> +Und wie ein Schädel mit der Mönchstonsur,<br /> +So liegt des Hofes Mitte kahl und blank.</p> + +<p> +Es regnet dünn auf ihren kurzen Rock.<br /> +Sie schaun betrübt die graue Wand empor,<br /> +Wo kleine Fenster sind, mit Kasten vor,<br /> +Wie schwarze Waben in dem Bienenstock.</p> + +<p> +Man treibt sie ein, wie Schafe zu der Schur.<br /> +Die grauen Rücken drängen in den Stall.<br /> +Und klappernd schallt heraus der Widerhall<br /> +Der Holzpantoffeln auf dem Treppenflur.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/09-der-gott-der-stadt.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/09-der-gott-der-stadt.html new file mode 100644 index 0000000..d10dca5 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/09-der-gott-der-stadt.html @@ -0,0 +1,46 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Gott der Stadt</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Gott der Stadt</h3> + +<p> +Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.<br /> +Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.<br /> +Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit<br /> +Die letzten Häuser in das Land verirrn.</p> + +<p> +Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,<br /> +Die großen Städte knieen um ihn her.<br /> +Der Kirchenglocken ungeheure Zahl<br /> +Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.</p> + +<p> +Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik<br /> +Der Millionen durch die Straßen laut.<br /> +Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik<br /> +Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.</p> + +<p> +Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen.<br /> +Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.<br /> +Die Stürme flattern, die wie Geier schauen<br /> +Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.</p> + +<p> +Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.<br /> +Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt<br /> +Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust<br /> +Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/10-die-vorstadt.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/10-die-vorstadt.html new file mode 100644 index 0000000..d5e7766 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/10-die-vorstadt.html @@ -0,0 +1,82 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Vorstadt</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Vorstadt</h3> + +<p> +In ihrem Viertel, in dem Gassenkot,<br /> +Wo sich der große Mond durch Dünste drängt,<br /> +Und sinkend an dem niedern Himmel hängt,<br /> +Ein ungeheurer Schädel, weiß und tot,</p> + +<p> +Da sitzen sie die warme Sommernacht<br /> +Vor ihrer Höhlen schwarzer Unterwelt,<br /> +Im Lumpenzeuge, das vor Staub zerfällt<br /> +Und aufgeblähte Leiber sehen macht.</p> + +<p> +Hier klafft ein Maul, das zahnlos auf sich reißt.<br /> +Hier hebt sich zweier Arme schwarzer Stumpf.<br /> +Ein Irrer lallt die hohlen Lieder dumpf,<br /> +Wo hockt ein Greis, des Schädel Aussatz weißt.</p> + +<p> +Es spielen Kinder, denen früh man brach<br /> +Die Gliederchen. Sie springen an den Krücken<br /> +Wie Flöhe weit und humpeln voll Entzücken<br /> +Um einen Pfennig einem Fremden nach.</p> + +<p> +Aus einem Keller kommt ein Fischgeruch,<br /> +Wo Bettler starren auf die Gräten böse.<br /> +Sie füttern einen Blinden mit Gekröse.<br /> +Er speit es auf das schwarze Hemdentuch.</p> + +<p> +Bei alten Weibern löschen ihre Lust<br /> +Die Greise unten, trüb im Lampenschimmer,<br /> +Aus morschen Wiegen schallt das Schreien immer<br /> +Der magren Kinder nach der welken Brust.</p> + +<p> +Ein Blinder dreht auf schwarzem, großem Bette<br /> +Den Leierkasten zu der Carmagnole,<br /> +Die tanzt ein Lahmer mit verbundener Sohle.<br /> +Hell klappert in der Hand die Castagnette.</p> + +<p> +Uraltes Volk schwankt aus den tiefen Löchern,<br /> +An ihre Stirn Laternen vorgebunden.<br /> +Bergmännern gleich, die alten Vagabunden.<br /> +Um einen Stock die Hände, dürr und knöchern.</p> + +<p> +Auf Morgen geht's. Die hellen Glöckchen wimmern<br /> +Zur Armesündermette durch die Nacht.<br /> +Ein Tor geht auf. In seinem Dunkel schimmern<br /> +Eunuchenköpfe, faltig und verwacht.</p> + +<p> +Vor steilen Stufen schwankt des Wirtes Fahne,<br /> +Ein Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen.<br /> +Man sieht die Schläfer ruhn, wo sie gebrochen<br /> +Um sich herum die höllischen Arkane.</p> + +<p> +Am Mauertor, in Krüppeleitelkeit<br /> +Bläht sich ein Zwerg in rotem Seidenrocke,<br /> +Er schaut hinauf zur grünen Himmelsglocke,<br /> +Wo lautlos ziehn die Meteore weit.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/11-die-daemonen-der-staedte.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/11-die-daemonen-der-staedte.html new file mode 100644 index 0000000..f6ccd6f --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/11-die-daemonen-der-staedte.html @@ -0,0 +1,88 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Dämonen der Städte</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Dämonen der Städte</h3> + +<p> +Sie wandern durch die Nacht der Städte hin,<br /> +Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß.<br /> +Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn<br /> +Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß.</p> + +<p> +Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer<br /> +Und löscht der Straßen Lichterreihen aus.<br /> +Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer<br /> +Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus.</p> + +<p> +Den einen Fuß auf einen Platz gestellt,<br /> +Den anderen gekniet auf einen Turm,<br /> +Ragen sie auf, wo schwarz der Regen fällt,<br /> +Panspfeifen blasend in den Wolkensturm.</p> + +<p> +Um ihre Füße kreist das Ritornell<br /> +Des Städtemeers mit trauriger Musik,<br /> +Ein großes Sterbelied. Bald dumpf, bald grell<br /> +Wechselt der Ton, der in das Dunkel stieg.</p> + +<p> +Sie wandern an dem Strom, der schwarz und breit<br /> +Wie ein Reptil, den Rücken gelb gefleckt<br /> +Von den Laternen, in die Dunkelheit<br /> +Sich traurig wälzt, die schwarz den Himmel deckt.</p> + +<p> +Sie lehnen schwer auf einer Brückenwand<br /> +Und stecken ihre Hände in den Schwarm<br /> +Der Menschen aus, wie Faune, die am Rand<br /> +Der Sümpfe bohren in den Schlamm den Arm.</p> + +<p> +Einer steht auf. Dem weißen Monde hängt<br /> +Er eine schwarze Larve vor. Die Nacht,<br /> +Die sich wie Blei vom finstern Himmel senkt,<br /> +Drückt tief die Häuser in des Dunkels Schacht.</p> + +<p> +Der Städte Schultern knacken. Und es birst<br /> +Ein Dach, daraus ein rotes Feuer schwemmt.<br /> +Breitbeinig sitzen sie auf seinem First<br /> +Und schrein wie Katzen auf zum Firmament.</p> + +<p> +In einer Stube voll von Finsternissen<br /> +Schreit eine Wöchnerin in ihren Wehn.<br /> +Ihr starker Leib ragt riesig aus den Kissen,<br /> +Um den herum die großen Teufel stehn.</p> + +<p> +Sie hält sich zitternd an der Wehebank.<br /> +Das Zimmer schwankt um sie von ihrem Schrei,<br /> +Da kommt die Frucht. Ihr Schoß klafft rot und lang<br /> +Und blutend reißt er von der Frucht entzwei.</p> + +<p> +Der Teufel Hälse wachsen wie Giraffen.<br /> +Das Kind hat keinen Kopf. Die Mutter hält<br /> +Es vor sich hin. In ihrem Rücken klaffen<br /> +Des Schrecks Froschfinger, wenn sie rückwärts fällt.</p> + +<p> +Doch die Dämonen wachsen riesengroß.<br /> +Ihr Schläfenhorn zerreißt den Himmel rot.<br /> +Erdbeben donnert durch der Städte Schoß<br /> +Um ihren Huf, den Feuer überloht.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/12-der-blinde.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/12-der-blinde.html new file mode 100644 index 0000000..3475891 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/12-der-blinde.html @@ -0,0 +1,52 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Blinde</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Blinde</h3> + +<p> +Man setzt ihn hinter einen Gartenzaun.<br /> +Da stört er nicht mit seinen Quälerein.<br /> +»Sieh Dir den Himmel an!« Er ist allein.<br /> +Und seine Augen fangen an zu schaun.</p> + +<p> +Die toten Augen. »O, wo ist er, wie<br /> +Ist denn der Himmel? Und wo ist sein Blau?<br /> +O Blau, was bist Du? Stets nur weich und rauh<br /> +Fühlt meine Hand, doch eine Farbe nie.«</p> + +<p> +»Nie Purpurrot der Meere. Nie das Gold<br /> +Des Mittags auf den Feldern, nie den Schein<br /> +Der Flamme, nie den Glanz im edlen Stein,<br /> +Nie langes Haar, das durch die Kämme rollt.«</p> + +<p> +»Niemals die Sterne. Wälder nie, nie Lenz<br /> +Und seine Rosen. Stets durch Grabesnacht<br /> +Und rote Dunkelheit werd' ich gebracht<br /> +In grauenvollem Fasten und Karenz.«</p> + +<p> +Sein bleicher Kopf steigt wie ein Lilienschaft<br /> +Aus magrem Hals. Auf seinem dürren Schlund<br /> +Rollt wie ein Ball des Adamsapfels Rund.<br /> +Die Augen quellen aus der engen Haft,</p> + +<p> +Ein Paar von weißen Knöpfen. Denn der Strahl<br /> +Des weißen Mittags schreckt die Toten nicht.<br /> +Der Himmel taucht in das erloschene Licht<br /> +Und spiegelt in dem bleiernen Opal.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/13-die-tote-im-wasser.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/13-die-tote-im-wasser.html new file mode 100644 index 0000000..f92057d --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/13-die-tote-im-wasser.html @@ -0,0 +1,58 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Tote im Wasser</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Tote im Wasser</h3> + +<p> +Die Masten ragen an dem grauen Wall<br /> +Wie ein verbrannter Wald ins frühe Rot,<br /> +So schwarz wie Schlacke. Wo das Wasser tot<br /> +Zu Speichern stiert, die morsch und im Verfall.</p> + +<p> +Dumpf tönt der Schall, da wiederkehrt die Flut<br /> +Den Kai entlang. Der Stadtnacht Spülicht treibt<br /> +Wie eine weiße Haut im Strom und reibt<br /> +Sich an dem Dampfer, der im Docke ruht.</p> + +<p> +Staub, Obst, Papier, in einer dicken Schicht,<br /> +So treibt der Kot aus seinen Röhren ganz.<br /> +Ein weißes Tanzkleid kommt, in fettem Glanz<br /> +Ein nackter Hals und bleiweiß ein Gesicht.</p> + +<p> +Die Leiche wälzt sich ganz heraus. Es bläht<br /> +Das Kleid sich wie ein weißes Schiff im Wind.<br /> +Die toten Augen starren groß und blind<br /> +Zum Himmel, der voll rosa Wolken steht.</p> + +<p> +Das lila Wasser bebt von kleiner Welle.<br /> +– Der Wasserratten Fährte, die bemannen<br /> +Das weiße Schiff. Nun treibt es stolz von dannen,<br /> +Voll grauer Köpfe und voll schwarzer Felle.</p> + +<p> +Die Tote segelt froh hinaus, gerissen<br /> +Von Wind und Flut. Ihr dicker Bauch entragt<br /> +Dem Wasser groß, zerhöhlt und fast zernagt.<br /> +Wie eine Grotte dröhnt er von den Bissen.</p> + +<p> +Sie treibt ins Meer. Ihr salutiert Neptun<br /> +Von einem Wrack, da sie das Meer verschlingt,<br /> +Darinnen sie zur grünen Tiefe sinkt,<br /> +Im Arm der feisten Kraken auszuruhn.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/14-der-schlaefer-im-walde.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/14-der-schlaefer-im-walde.html new file mode 100644 index 0000000..f7e94e0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/14-der-schlaefer-im-walde.html @@ -0,0 +1,58 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Schläfer im Walde</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Schläfer im Walde</h3> + +<p> +Seit Morgen ruht er. Da die Sonne rot<br /> +Durch Regenwolken seine Wunde traf.<br /> +Das Laub tropft langsam noch. Der Wald liegt tot.<br /> +Im Baume ruft ein Vögelchen im Schlaf.</p> + +<p> +Der Tote schläft im ewigen Vergessen,<br /> +Umrauscht vom Walde. Und die Würmer singen,<br /> +Die in des Schädels Höhle tief sich fressen,<br /> +In seine Träume ihn mit Flügelklingen.</p> + +<p> +Wie süß ist es, zu träumen nach den Leiden<br /> +Den Traum, in Licht und Erde zu zerfallen,<br /> +Nichts mehr zu sein, von allem abzuscheiden,<br /> +Und wie ein Hauch der Nacht hinabzuwallen,</p> + +<p> +Zum Reich der Schläfer. Zu den Hetairieen<br /> +Der Toten unten. Zu den hohen Palästen,<br /> +Davon die Bilder in dem Strome ziehen,<br /> +Zu ihren Tafeln, zu den langen Festen.</p> + +<p> +Wo in den Schalen dunkle Flammen schwellen,<br /> +Wo golden klingen vieler Leiern Saiten.<br /> +Durch hohe Fenster schaun sie auf die Wellen,<br /> +Auf grüne Wiesen in den blassen Weiten.</p> + +<p> +Er scheint zu lächeln aus des Schädels Leere,<br /> +Er schläft, ein Gott, den süßer Traum bezwang.<br /> +Die Würmer blähen sich in seiner Schwäre,<br /> +Sie kriechen satt die rote Stirn entlang.</p> + +<p> +Ein Falter kommt die Schlucht herab. Er ruht<br /> +Auf Blumen. Und er senkt sich müd<br /> +Der Wunde zu, dem großen Kelch von Blut,<br /> +Der wie die Sammetrose dunkel glüht.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/15-bist-du-nun-tot.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/15-bist-du-nun-tot.html new file mode 100644 index 0000000..ebed9c7 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/15-bist-du-nun-tot.html @@ -0,0 +1,70 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Bist du nun tot?</title> +</head> +<body> + +<h3>Bist du nun tot?</h3> + +<p> +Bist Du nun tot? Da hebt die Brust sich noch,<br /> +Es war ein Schatten, der darüber fegt,<br /> +Der in der ungewissen Dämmrung kroch<br /> +Vom Vorhang, der im Nachtwind Falten schlägt.</p> + +<p> +Wie ist Dein Kehlkopf blau, draus ächzend fuhr<br /> +Dein leises Stöhnen von der Hände Druck.<br /> +Das ist der Würgemale tiefe Spur,<br /> +Du nimmst ins Grab sie nun als letzten Schmuck.</p> + +<p> +Die weißen Brüste schimmern hoch empor<br /> +Indes Dein stummes Haupt nach hinten sank,<br /> +Das aus dem Haar den Silberkamm verlor.<br /> +Bist Du das, die ich einst so heiß umschlang?</p> + +<p> +Bin ich denn der, der einst bei Dir geruht<br /> +Vor Liebe toll und bittrer Leidenschaft,<br /> +Der in Dich sank wie in ein Meer von Glut<br /> +Und Deine Brüste trank wie Traubensaft?</p> + +<p> +Bin ich denn der, der so voll Zorn gebrannt<br /> +Wie einer Höllenfackel Göttlichkeit,<br /> +Und Deine Kehle wie im Rausch umspannt,<br /> +In Hasses ungeheurer Freudigkeit?</p> + +<p> +Ist das nicht alles nur ein wüster Traum?<br /> +Ich bin so ruhig und so fern der Gier.<br /> +Die fernen Glocken zittern in dem Raum,<br /> +Es ist so still wie in den Kirchen hier.</p> + +<p> +Wie ist das alles fremd und sonderbar?<br /> +Wo bist Du nun? Was gibst Du Antwort nicht?<br /> +– Ihr nackter Leib ist kalt und eisesklar<br /> +Im blassen Schein vom blauen Ampellicht. –</p> + +<p> +Was ließ sie alles auch so stumm geschehn.<br /> +Sie wird mir furchtbar, wenn so stumm sie liegt.<br /> +O wäre nur ein Tropfen Bluts zu sehn.<br /> +Was ist das, hat sie ihren Kopf gewiegt?</p> + +<p> +Ich will hier fort. – Er stürzt aus dem Gemach.<br /> +Der Nachtwind, der im Haar der Toten zischt,<br /> +Löst leis es auf. Es weht dem Winde nach,<br /> +Gleich schwarzer Flamme, die im Sturm verlischt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/16-nach-der-schlacht.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/16-nach-der-schlacht.html new file mode 100644 index 0000000..6e27dfe --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/16-nach-der-schlacht.html @@ -0,0 +1,34 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Nach der Schlacht</title> +</head> +<body> + +<h3>Nach der Schlacht</h3> + +<p> +In Maiensaaten liegen eng die Leichen,<br /> +Im grünen Rain, auf Blumen, ihren Betten.<br /> +Verlorne Waffen, Räder ohne Speichen,<br /> +Und umgestürzt die eisernen Lafetten.</p> + +<p> +Aus vielen Pfützen dampft des Blutes Rauch,<br /> +Die schwarz und rot den braunen Feldweg decken.<br /> +Und weißlich quillt der toten Pferde Bauch,<br /> +Die ihre Beine in die Frühe strecken.</p> + +<p> +Im kühlen Winde friert noch das Gewimmer,<br /> +Von Sterbenden, da in des Osten Tore<br /> +Ein blasser Glanz erscheint, ein grüner Schimmer,<br /> +Das dünne Band der flüchtigen Aurore.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/17-der-baum.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/17-der-baum.html new file mode 100644 index 0000000..ac7fa9d --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/17-der-baum.html @@ -0,0 +1,52 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Baum</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Baum</h3> + +<p> +Am Wassergraben, im Wiesenland<br /> +Steht ein Eichbaum, alt und zerrissen,<br /> +Vom Blitze hohl, und vom Sturm zerbissen.<br /> +Nesseln und Dorn umstehn ihn in schwarzer Wand.</p> + +<p> +Ein Wetter zieht sich gen Abend zusammen.<br /> +In die Schwüle ragt er hinauf, blau, vom Wind nicht gerührt.<br /> +Von der leeren Blitze Gekränz umschnürt,<br /> +Die lautlos über den Himmel flammen.</p> + +<p> +Ihn umflattert der Schwalben niedriger Schwarm.<br /> +Und die Fledermäuse huschenden Flugs,<br /> +Um den kahlen Ast, der zuhöchst entwuchs<br /> +Blitzverbrannt seinem Haupt, eines Galgens Arm.</p> + +<p> +Woran denkst Du, Baum, in der Wetterstunde<br /> +Am Rande der Nacht? An der Schnitter Gered',<br /> +In der Mittagsrast, wenn der Krug umgeht,<br /> +Und die Sensen im Grase ruhn in der Runde?</p> + +<p> +Oder denkst Du daran, wie in alter Zeit<br /> +Einen Mann sie in Deine Krone gehenkt,<br /> +Wie, den Strick um den Hals, er die Beine verrenkt,<br /> +Und die Zunge blau hing aus dem Maule breit?</p> + +<p> +Wie er da Jahre hing, und den Winter trug,<br /> +In dem eisigen Winde tanzte zum Spaß,<br /> +Und wie ein Glockenklöppel, den Rost zerfraß,<br /> +An den zinnernen Himmel schlug.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/18-louis-capet.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/18-louis-capet.html new file mode 100644 index 0000000..d65c101 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/18-louis-capet.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Louis Capet</title> +</head> +<body> + +<h3>Louis Capet</h3> + +<p> +Die Trommeln schallen am Schafott im Kreis,<br /> +Das wie ein Sarg steht, schwarz mit Tuch verschlagen.<br /> +Drauf steht der Block. Dabei der offene Schragen<br /> +Für seinen Leib. Das Fallbeil glitzert weiß.</p> + +<p> +Von vollen Dächern flattern rot Standarten.<br /> +Die Rufer schrein der Fensterplätze Preis.<br /> +Im Winter ist es. Doch dem Volk wird heiß,<br /> +Es drängt sich murrend vor. Man läßt es warten.</p> + +<p> +Da hört man Lärm. Er steigt. Das Schreien braust.<br /> +Auf seinem Karren kommt Capet, bedreckt,<br /> +Mit Kot beworfen, und das Haar zerzaust.</p> + +<p> +Man schleift ihn schnell herauf. Er wird gestreckt.<br /> +Der Kopf liegt auf dem Block. Das Fallbeil saust.<br /> +Blut speit sein Hals, der fest im Loche steckt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/19-marengo.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/19-marengo.html new file mode 100644 index 0000000..83f9039 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/19-marengo.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Marengo</title> +</head> +<body> + +<h3>Marengo</h3> + +<p> +Schwarzblau der Alpen, und der kahlen Flur,<br /> +Die Südsturm drohn. Mit Wolken tief verhangen<br /> +Ist grau das Feld. Ein ungeheures Bangen<br /> +Beengt den Tag. Den Atem der Natur</p> + +<p> +Stopft eine Faust. Hinab die Lombardei<br /> +Ist Totenstille. Und kein Gras, kein Baum.<br /> +Das Röhricht regt kein Wind im leeren Raum.<br /> +Kein Vogel streift in niedrer Luft vorbei.</p> + +<p> +Fern sieht man Wagen, wo sich langsam neigt<br /> +Ein Brückenpaar. Man hört den dumpfen Fall<br /> +Am Wasser fort. Und wieder droht und schweigt</p> + +<p> +Verhängnis dieses Tags. Ein weißer Ball,<br /> +Die erste der Granaten. Und es steigt<br /> +Der Sturm herauf des zweiten Praerial.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/20-robespierre.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/20-robespierre.html new file mode 100644 index 0000000..c710812 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/20-robespierre.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Robespierre</title> +</head> +<body> + +<h3>Robespierre</h3> + +<p> +Er meckert vor sich hin. Die Augen starren<br /> +Ins Wagenstroh. Der Mund kaut weißen Schleim.<br /> +Er zieht ihn schluckend durch die Backen ein.<br /> +Sein Fuß hängt nackt heraus durch zwei der Sparren</p> + +<p> +Bei jedem Wagenstoß fliegt er nach oben.<br /> +Der Arme Ketten rasseln dann wie Schellen.<br /> +Man hört der Kinder frohes Lachen gellen,<br /> +Die ihre Mütter aus der Menge hoben.</p> + +<p> +Man kitzelt ihn am Bein, er merkt es nicht.<br /> +Da hält der Wagen. Er sieht auf und schaut<br /> +Am Straßenende schwarz das Hochgericht.</p> + +<p> +Die aschengraue Stirn wird schweißbetaut.<br /> +Der Mund verzerrt sich furchtbar im Gesicht.<br /> +Man harrt des Schreis. Doch hört man keinen Laut.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/21-styx.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/21-styx.html new file mode 100644 index 0000000..bc6cd4c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/21-styx.html @@ -0,0 +1,78 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Styx</title> +</head> +<body> + +<h3>Styx</h3> + +<p> +Die Nebel graun, die keinem Winde weichen.<br /> +Die giftigen Dünste schwängern weit das Tal.<br /> +Ein blasses Licht scheint in der Toten Reichen,<br /> +Wie eines Totenkopfes Auge fahl.</p> + +<p> +Entsetzlich wälzt sich hin der Phlegeton.<br /> +Wie tausend Niagaras hallt sein Brüllen.<br /> +Die Klüfte wanken von dem Schreien schon,<br /> +Die im Orkan die Feuerfluten füllen.</p> + +<p> +Sie glühn von Qualen weiß. Wie Steine rollen<br /> +Den Fluß herab sie in der trüben Glut,<br /> +Wie des geborstenen Eises Riesenschollen<br /> +So schmettert ihre Leiber hin die Flut.</p> + +<p> +Sie reiten auf einander nackt und wild,<br /> +Von Zorn und Wollust aufgebläht wie Schwämme.<br /> +Ein höllischer Choral im Takte schwillt<br /> +Vom Grunde auf bis zu dem Kamm der Dämme.</p> + +<p> +Auf einem fetten Greise rittlings reitet<br /> +Ein nacktes Weib mit schwarzem Flatterhaar.<br /> +Und ihren Schoß und ihre Brüste breitet<br /> +Sie lüstern aus vor der Verdammten Schaar.</p> + +<p> +Da brüllt der Chor in aufgepeitschter Lust.<br /> +Das Echo rollt im roten Katarakt.<br /> +Ein riesiger Neger steigt herauf und packt<br /> +Den weißen Leib an seine schwarze Brust.</p> + +<p> +Unzählige Augen sehn den Kampf und trinken<br /> +Den Rausch der Gier. Er braust durch das Gewühl,<br /> +Da in dem Strom die Liebenden versinken,<br /> +Den Göttern gleich im heißen Purpurpfühl.</p> + +<h4>II.</h4> + +<p> +Des Himmels ewiger Schläfrigkeit entflohen,<br /> +Den Spinneweben, die der Cherubim<br /> +Erhobene Nasen schon wie Efeu decken,<br /> +Dem milden Frieden, der wie Öl so fett,<br /> +Ein Bettler, lungert in den Ecken faul,</p> + +<p> +Dem Tabaksdunst aus den Pastorenpfeifen,<br /> +Der Trinität, die bei den Lobgesängen<br /> +Von alten Tanten auf dem Sofa schläft,<br /> +Dem ganzen großen Armenhospital,<br /> +– Verdammten selbst wir uns und kamen her<br /> +Auf dieser Insel weite Ödigkeit,<br /> +Die wie ein Bootskiel in den Wellen steht,<br /> +Um bis zum Ende aller Ewigkeit<br /> +Dem ungeheuren Strome zuzuschaun.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/22-wolken.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/22-wolken.html new file mode 100644 index 0000000..0a9ed9a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/22-wolken.html @@ -0,0 +1,76 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Wolken</title> +</head> +<body> + +<h3>Wolken</h3> + +<p> +Der Toten Geister seid ihr, die zum Flusse,<br /> +Zum überladnen Kahn der Wesenlosen<br /> +Der Bote führt. Euer Rufen hallt im Tosen<br /> +Des Sturms und in des Regens wildem Gusse.</p> + +<p> +Des Todes Banner wird im Zug getragen.<br /> +Des Heers carroccio führt die Wappentiere.<br /> +Und graunhaft weiß erglänzen die Paniere,<br /> +Die mit dem Saum die Horizonte schlagen.</p> + +<p> +Es nahen Mönche, die in Händen bergen<br /> +Die Totenlichter in den Prozessionen.<br /> +Auf Toter Schultern morsche Särge thronen.<br /> +Und Tote sitzen aufrecht in den Särgen.</p> + +<p> +Ertrunkene kommen. Ungeborner Leichen.<br /> +Gehenkte blaugeschnürt. Die Hungers starben<br /> +Auf Meeres fernen Inseln. Denen Narben<br /> +Des schwarzen Todes umkränzen rings die Weichen.</p> + +<p> +Es kommen Kinder in dem Zug der Toten,<br /> +Die eilend fliehn. Gelähmte vorwärts hasten.<br /> +Der Blinden Stäbe nach dem Pfade tasten.<br /> +Die Schatten folgen schreiend dem stummen Boten.</p> + +<p> +Wie sich in Windes Maul des Laubes Tanz<br /> +Hindreht, wie Eulen auf dem schwarzen Flug,<br /> +So wälzt sich schnell der ungeheure Zug,<br /> +Rot überstrahlt von großer Fackeln Glanz.</p> + +<p> +Auf Schädeln trommeln laut die Musikanten,<br /> +Und wie die weißen Segeln blähn und knattern,<br /> +So blähn der Spieler Hemden sich und flattern.<br /> +Es fallen ein im Chore die Verbannten.</p> + +<p> +Das Lied braust machtvoll hin in seiner Qual,<br /> +Vor der die Herzen durch die Rippen glimmen.<br /> +Da kommt ein Haufe mit verwesten Stimmen,<br /> +Draus ragt ein hohes Kreuz zum Himmel fahl.</p> + +<p> +Der Kruzifixus ward einhergetragen.<br /> +Da hob der Sturm sich in der Toten Volke.<br /> +Vom Meere scholl und aus dem Schoß der Wolke<br /> +Ein nimmer endend grauenvolles Klagen.</p> + +<p> +Es wurde dunkel in den grauen Lüften.<br /> +Es kam der Tod mit ungeheuren Schwingen.<br /> +Es wurde Nacht, da noch die Wolken gingen<br /> +Dem Orkus zu, den ungeheuren Grüften.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/23-gruft.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/23-gruft.html new file mode 100644 index 0000000..26be005 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/23-gruft.html @@ -0,0 +1,52 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Gruft</title> +</head> +<body> + +<h3>Gruft</h3> + +<p> +Die in der großen Gruft des Todes ruhen,<br /> +Wie schlafen sie so stumm im hohlen Sarg.<br /> +Des Todes Auge schaut auf stumme Truhen<br /> +Aus schwarzem Marmorhaupte hohl und karg.</p> + +<p> +Sein dunkler Mantel starrt von Staub und Spinnen.<br /> +Vor alters schlossen sie der Toten Gruft.<br /> +Vergessen wohnen sie. Die Jahre rinnen<br /> +Ein unbewegter Strom in dumpfer Luft.</p> + +<p> +Nach Weihrauch duftet es und morschen Kränzen,<br /> +Von trocknen Salben ist die Luft beschwert.<br /> +Und in geborstnen Särgen schwimmt das Glänzen<br /> +Der Totenkleider, dran Verwesung zehrt.</p> + +<p> +Aus einer Fuge hängt die schmale Hand<br /> +Von einem Kind, wie Wachs so weiß und kalt,<br /> +Die, balsamiert, sich um das Sammetband<br /> +Der schon in Staub zerfallnen Blumen krallt.</p> + +<p> +Durch kleine Fenster hoch im Dunkel oben<br /> +Verirrt sich gelb des Winterabends Schein.<br /> +Sein schmales Band, mit blassem Staub verwoben,<br /> +Ruht auf der Sarkophage grauem Stein.</p> + +<p> +Der Wind zerschlägt ein Fenster. Aus den Händen<br /> +Nimmt er der Toten dürre Kränze fort<br /> +Und treibt sie vor sich hin an hohen Wänden,<br /> +In ewigen Schatten weit und dunklen Ort.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/24-die-heimat-der-toten.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/24-die-heimat-der-toten.html new file mode 100644 index 0000000..86f3534 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/24-die-heimat-der-toten.html @@ -0,0 +1,130 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Heimat der Toten</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Heimat der Toten</h3> + + +<h4>I.</h4> + +<p> +Der Wintermorgen dämmert spät herauf.<br /> +Sein gelber Turban hebt sich auf den Rand<br /> +Durch dünne Pappeln, die im schnellen Lauf<br /> +Vor seinem Haupte ziehn ein schwarzes Band.</p> + +<p> +Das Rohr der Seen saust. Der Winde Pfad<br /> +Durchwühlt es mit dem ersten Lichte grell.<br /> +Der Nordsturm steht im Feld wie ein Soldat<br /> +Und wirbelt laut auf seinem Trommelfell.</p> + +<p> +Ein Knochenarm schwingt eine Glocke laut.<br /> +Die Straße kommt der Tod, der Schifferknecht.<br /> +Um seine gelben Pferdezähne staut<br /> +Des weißen Bartes spärliches Geflecht.</p> + +<p> +Ein altes totes Weib mit starkem Bauch,<br /> +Das einen kleinen Kinderleichnam trägt.<br /> +Er zieht die Brust wie einen Gummischlauch,<br /> +Die ohne Milch und welk herunterschlägt.</p> + +<p> +Ein paar Geköpfte, die vom kalten Stein<br /> +Im Dunkel er aus ihren Ketten las.<br /> +Den Kopf im Arm. Im Eis den Morgenschein,<br /> +Das ihren Hals befror mit rotem Glas.</p> + +<p> +Durch klaren Morgen und den Wintertag<br /> +Mit seiner Bläue, wo wie Rosenduft<br /> +Von gelben Rosen, über Feld und Hag<br /> +Die Sonne wiegt in träumerischer Luft.</p> + +<p> +Des goldenen Tages Brücke spannt sich weit<br /> +Und tönt wie einer großen Leier Ton.<br /> +Die Pappeln rauschen mit dem Trauerkleid<br /> +Die Straße fort, wo weit der Abend schon</p> + +<p> +Mit Silberbächen überschwemmt das Land,<br /> +Und grenzenlos die ferne Weite brennt.<br /> +Die Dämmerung steigt wie ein dunkler Brand<br /> +Den Zug entlang, der in die Himmel rennt.</p> + +<p> +Ein Totenhain, und Lorbeer, Baum an Baum,<br /> +Wie grüne Flammen, die der Wind bewegt.<br /> +Sie flackern riesig in den Himmelsraum,<br /> +Wo schon ein blasser Stern die Flügel schlägt.</p> + +<p> +Wie große Gänse auf dem Säulenschaft<br /> +Sitzt der Vampyre Volk und friert im Frost.<br /> +Sie prüfen ihrer Eisenkrallen Kraft<br /> +Und ihre Schnäbel an der Kreuze Rost.</p> + +<p> +Der Epheu grüßt die Toten an dem Tor,<br /> +Die bunten Kränze winken von der Wand.<br /> +Der Tod schließt auf. Sie treten schüchtern vor,<br /> +Verlegen drehend die Köpfe in der Hand.</p> + +<p> +Der Tod tritt an ein Grab und bläst hinein.<br /> +Da fliegen Schädel aus der Erde Schoß<br /> +Wie große Wolken aus dem Leichenschrein,<br /> +Die Bärte tragen rund von grünem Moos.</p> + +<p> +Ein alter Schädel flattert aus der Gruft,<br /> +Mit einem feuerroten Haar beschwingt,<br /> +Das um sein Kinn, hoch oben in der Luft,<br /> +Der Wind zu feuriger Krawatte schlingt.</p> + +<p> +Die leere Grube lacht aus schwarzem Mund<br /> +Sie freundlich an. Die Leichen fallen um<br /> +Und stürzen in den aufgerissenen Schlund.<br /> +Des Grabes Platte überschließt sie stumm.</p> + + +<h4>II.</h4> + +<p> +Die Lider übereist, das Ohr verstopft<br /> +Vom Staub der Jahre, ruht ihr eure Zeit.<br /> +Nur manchmal ruft euch noch ein Traum, der klopft<br /> +Von fern an eure tote Ewigkeit,</p> + +<p> +In einem Himmel, der wie Schnee so fahl<br /> +Und von dem Zug der Jahre schon versteint.<br /> +Auf eurem eingefallenen Totenmal<br /> +Wird eine Lilie stehn, die euch beweint.</p> + +<p> +Der Märznacht Sturm wird euren Schlaf betaun.<br /> +Der große Mond, der in dem Osten dampft,<br /> +Wird tief in eure leeren Augen schaun,<br /> +Darin ein großer, weißer Wurm sich krampft.</p> + +<p> +So schlaft ihr fort, vom Flötenspiel gewiegt<br /> +Der Einsamkeit, im späten Weltentod,<br /> +Da über euch ein großer Vogel fliegt<br /> +Mit schwarzem Flug ins gelbe Abendrot.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/25-der-fliegende-hollaender.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/25-der-fliegende-hollaender.html new file mode 100644 index 0000000..0fe0bf4 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/25-der-fliegende-hollaender.html @@ -0,0 +1,127 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der fliegende Holländer</title> +</head> +<body> + +<h3>Der fliegende Holländer</h3> + +<p> +Wie Feuerregen füllt den Ozean<br /> +Der schwarze Gram. Die großen Wogen türmt<br /> +Der Südwind auf, der in die Segel stürmt,<br /> +Die schwarz und riesig flattern im Orkan.</p> + +<p> +Ein Vogel fliegt voraus. Sein langes Haar<br /> +Sträubt von den Winden um das Haupt ihm groß.<br /> +Der Wasser Dunkelheit, die meilenlos,<br /> +Umarmt er riesig mit dem Schwingenpaar.</p> + +<p> +Vorbei an China, wo das gelbe Meer<br /> +Die Drachendschunken vor den Städten wiegt,<br /> +Wo Feuerwerk die Himmel überfliegt<br /> +Und Trommeln schlagen um die Tempel her.</p> + +<p> +Der Regen jagt, der spärlich niedertropft<br /> +Auf seinen Mantel, der im Sturme bläht.<br /> +Im Mast, der hinter seinem Rücken steht,<br /> +Hört er die Totenuhr, die ruhlos klopft.</p> + +<p> +Die Larve einer toten Ewigkeit<br /> +Hat sein Gesicht mit Leere übereist.<br /> +Dürr, wie ein Wald, durch den ein Feuer reist.<br /> +Wie trüber Staub umflackert es die Zeit.</p> + +<p> +Die Jahre graben sich der Stirne ein,<br /> +Die wie ein alter Baum die Borke trägt.<br /> +Sein weißes Haar, das Wintersturmwind fegt,<br /> +Steht wie ein Feuer um der Schläfen Stein.</p> + +<p> +Die Schiffer an den Rudern sind verdorrt,<br /> +Als Mumien schlafen sie auf ihrer Bank.<br /> +Und ihre Hände sind wie Wurzeln lang<br /> +Hereingewachsen in den morschen Bord.</p> + +<p> +Ihr Schifferzopf wand sich wie ein Barett<br /> +Um ihren Kopf herum, der schwankt im Wind.<br /> +Und auf den Hälsen, die wie Röhren sind,<br /> +Hängt jedem noch ein großes Amulett.</p> + +<p> +Er ruft sie an, sie hören nimmermehr.<br /> +Der Herbst hat Moos in ihrem Ohr gepflanzt,<br /> +Das grünlich hängt und in dem Winde tanzt<br /> +Um ihre welken Backen hin und her.</p> + + +<h4>II.</h4> + +<p> +Dich grüßt der Dichter, düsteres Phantom,<br /> +Den durch die Nacht der Liebe Schatten führt,<br /> +Im unterirdisch ungeheuern Dom,<br /> +Wo schwarzer Sturm die Kirchenlampe schürt,</p> + +<p> +Die lautlos flackert, ein zerstörtes Herz,<br /> +Von Qual durchlöchert, und die Trauer krankt<br /> +Im Tode noch in seinem schwarzen Erz.<br /> +An langen Ketten zittert es und schwankt.</p> + +<p> +Sein roter Schein flammt über Gräber hin.<br /> +An dem Altare kniet ein Ministrant,<br /> +Zwei Dolche in der offnen Brust. Darin<br /> +Noch schwält und steigt trostloser Liebe Brand.</p> + +<p> +Durch schwarze Stollen flattert das Gespenst.<br /> +Er folgt ihm blind, wo schwarze Schatten fliehn,<br /> +Den Mond an seiner Stirn, der trübe glänzt,<br /> +Und Stimmen hört er, die vorüberziehn</p> + +<p> +Im hohlen Grund, der von den Qualen schwillt,<br /> +Mit dumpfem Laut. Ein ferner Wasserfall<br /> +Pocht an der Wand, und bittre Trauer füllt<br /> +Wie ein Orkan der langen Treppen Fall.</p> + +<p> +Fern kommt ein Zug von Fackeln durch ein Tor,<br /> +Ein Sarg, der auf der Träger Schultern bebt<br /> +Und langsam durch den langen Korridor<br /> +In trauriger Musik vorüberschwebt.</p> + +<p> +Wer ruht darin? Wer starb? Der matte Ton<br /> +Der Flöten wandert durch die Gänge fort.<br /> +Ein dunkles Echo ruft er noch, wo schon<br /> +Die Stille hockt an dem versunk'nen Ort.</p> + +<p> +Das Grau der Mitternacht wird kaum bedeckt<br /> +Von einer gelben Kerze, und es saust<br /> +Der Wind die Gänge fort, der bellend schreckt<br /> +Den Staub der Grüfte auf, der unten haust.</p> + +<p> +Maßlose Traurigkeit. In Nacht allein<br /> +Verirrt der Wandrer durch den hohen Flur,<br /> +Wo oben in der dunklen Wölbung Stein<br /> +Gestirne fliehn in magischer Figur.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/26-april.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/26-april.html new file mode 100644 index 0000000..52a8de1 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/26-april.html @@ -0,0 +1,28 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>April</title> +</head> +<body> + +<h3>April</h3> + +<p> +Das erste Grün der Saat, von Regen feucht,<br /> +Zieht weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.<br /> +Zwei große Krähen flattern aufgescheucht<br /> +Zu braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.</p> + +<p> +Wie auf der stillen See ein Wölkchen steht,<br /> +So ruhn die Berge hinten in dem Blau,<br /> +Auf die ein feiner Regen niedergeht,<br /> +Wie Silberschleier, dünn und zitternd grau.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/27-sonnwendtag.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/27-sonnwendtag.html new file mode 100644 index 0000000..5b3ce2a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/27-sonnwendtag.html @@ -0,0 +1,36 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Sonnwendtag</title> +</head> +<body> + +<h3>Sonnwendtag</h3> + +<p> +Es war am Sommersonnwendtag,<br /> +Dein braunes Haar im Nacken lag<br /> +Wie Gold und schwere Seiden.</p> + +<p> +Da nahmst Du mir die feine Hand.<br /> +Und hinter Dir stob auf der Sand<br /> +Des Feldwegs an den Weiden.</p> + +<p> +Von allen Bäumen floß der Glanz.<br /> +Dein Ritt war lauter Elfentanz<br /> +Hin über rote Heiden.</p> + +<p> +Und um mich duftete der Hag,<br /> +Wie nur am Sommersonnwendtag,<br /> +Ein Dank und Sichbescheiden.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/28-die-ruhigen.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/28-die-ruhigen.html new file mode 100644 index 0000000..a429d9a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/28-die-ruhigen.html @@ -0,0 +1,43 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Ruhigen</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Ruhigen</h3> + +<p class="dedication"> +Ernst Balcke gewidmet</p> + +<p> +Ein altes Boot, das in dem stillen Hafen<br /> +Am Nachmittag an seiner Kette wiegt.<br /> +Die Liebenden, die nach den Küssen schlafen.<br /> +Ein Stein, der tief im grünen Brunnen liegt.</p> + +<p> +Der Pythia Ruhen, das dem Schlummer gleicht<br /> +Der hohen Götter nach dem langen Mahl.<br /> +Die weiße Kerze, die den Toten bleicht.<br /> +Der Wolken Löwenhäupter um ein Tal.</p> + +<p> +Das Stein gewordene Lächeln eines Blöden.<br /> +Verstaubte Krüge, drin noch wohnt der Duft.<br /> +Zerbrochne Geigen in dem Kram der Böden.<br /> +Vor dem Gewittersturm die träge Luft.</p> + +<p> +Ein Segel, das vom Horizonte glänzt.<br /> +Der Duft der Heiden, der die Bienen führt.<br /> +Des Herbstes Gold, das Laub und Stamm bekränzt.<br /> +Der Dichter, der des Toren Bosheit spürt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/29-columbus.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/29-columbus.html new file mode 100644 index 0000000..9a1636c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/29-columbus.html @@ -0,0 +1,55 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Columbus</title> +</head> +<body> + +<h3>Columbus</h3> + +<p class="subtitle"> +12. Oktober 1492</p> + +<p> +Nicht mehr die Salzluft, nicht die öden Meere,<br /> +Drauf Winde stürmen hin mit schwarzem Schall.<br /> +Nicht mehr der großen Horizonte Leere,<br /> +Draus langsam kroch des runden Mondes Ball.</p> + +<p> +Schon fliegen große Vögel auf den Wassern<br /> +Mit wunderbarem Fittich blau beschwingt.<br /> +Und weiße Riesenschwäne mit dem blassern<br /> +Gefieder sanft, das süß wie Harfen klingt.</p> + +<p> +Schon tauchen andre Sterne auf in Chören,<br /> +Die stumm wie Fische an dem Himmel ziehn.<br /> +Die müden Schiffer schlafen, die betören<br /> +Die Winde, schwer von brennendem Jasmin.</p> + +<p> +Am Bugspriet vorne träumt der Genueser<br /> +In Nacht hinaus, wo ihm zu Füßen blähn<br /> +Im grünen Wasser Blumen, dünn wie Gläser,<br /> +Und tief im Grund die weißen Orchideen.</p> + +<p> +Im Nachtgewölke spiegeln große Städte,<br /> +Fern, weit, in goldnen Himmeln wolkenlos,<br /> +Und wie ein Traum versunkner Abendröte<br /> +Die goldnen Tempeldächer Mexikos.</p> + +<p> +Das Wolkenspiel versinkt im Meer. Doch ferne<br /> +Zittert ein Licht im Wasser weiß empor.<br /> +Ein kleines Feuer, zart gleich einem Sterne.<br /> +Dort schlummert noch in Frieden Salvador.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/30-gegen-norden.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/30-gegen-norden.html new file mode 100644 index 0000000..78d001b --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/30-gegen-norden.html @@ -0,0 +1,46 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Gegen Norden</title> +</head> +<body> + +<h3>Gegen Norden</h3> + +<p> +Die braunen Segel blähen an den Trossen,<br /> +Die Kähne furchen silbergrau das Meer.<br /> +Der Borde schwarze Netze hangen schwer<br /> +Von Schuppenleibern und von roten Flossen.</p> + +<p> +Sie kehren heim zum Kai, wo raucht die Stadt<br /> +In trübem Dunst und naher Finsternis.<br /> +Der Häuser Lichter schwimmen ungewiß<br /> +Wie rote Flecken, breit, im dunklen Watt.</p> + +<p> +Fern ruht des Meeres Platte wie ein Stein<br /> +Im blauen Ost. Von Tages Stirne sinkt<br /> +Der Kranz des roten Laubes, da er trinkt,<br /> +Zur Flut gekniet, von ihrem weißen Schein.</p> + +<p> +Es zittert Goldgewölke in den Weiten<br /> +Vom Glanz der Bernsteinwaldung, die enttaucht<br /> +Verlorner Tiefe, wenn die Dämmerung raucht,<br /> +In die sich gelb die langen Äste breiten.</p> + +<p> +Versunkne Schiffer hängen in den Zweigen.<br /> +Ihr langes Haar schwimmt auf der See wie Tang.<br /> +Die Sterne, die dem Grün der Nacht entsteigen,<br /> +Beginnen frierend ihren Wandergang.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/31-der-winter.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/31-der-winter.html new file mode 100644 index 0000000..7fcbfce --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/31-der-winter.html @@ -0,0 +1,46 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Winter</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Winter</h3> + +<p> +Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land,<br /> +Das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen<br /> +Einander mit der ausgestreckten Hand<br /> +Der Horizonte violettes Schweigen.</p> + +<p> +Hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere<br /> +Vier Straßen an. Die niedren Bäume stehen<br /> +Wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere<br /> +Glänzt wie ihr Auge trübe. Die Chausseen</p> + +<p> +Verweilen kurz und sprechen aus den Ästen.<br /> +Dann ziehn sie weiter in die Einsamkeit<br /> +Gen Nord und Süden und nach Ost und Westen,<br /> +Wo bleicht der niedere Tag der Winterzeit.</p> + +<p> +Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht<br /> +Blieb von der Ernte noch im Ackerfeld.<br /> +Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht<br /> +Und heißem Tag der Toten Wache hält.</p> + +<p> +Der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht.<br /> +Der Sonne Atem dampft am Firmament,<br /> +Davon das Eis, das in den Lachen steht<br /> +Hinab die Straße rot wie Feuer brennt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/32-der-abend.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/32-der-abend.html new file mode 100644 index 0000000..ec89ca7 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/32-der-abend.html @@ -0,0 +1,34 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Abend</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Abend</h3> + +<p> +Versunken ist der Tag in Purpurrot,<br /> +Der Strom schwimmt weiß in ungeheurer Glätte.<br /> +Ein Segel kommt. Es hebt sich aus dem Boot<br /> +Am Steuer groß des Schiffers Silhouette.</p> + +<p> +Auf allen Inseln steigt des Herbstes Wald<br /> +Mit roten Häuptern in den Raum, den klaren.<br /> +Und aus der Schluchten dunkler Tiefe hallt<br /> +Der Waldung Ton, wie Rauschen der Kitharen.</p> + +<p> +Das Dunkel ist im Osten ausgegossen,<br /> +Wie blauer Wein kommt aus gestürzter Urne.<br /> +Und ferne steht, vom Mantel schwarz umflossen,<br /> +Die hohe Nacht auf schattigem Kothurne.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/33-herbst.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/33-herbst.html new file mode 100644 index 0000000..d28e9dd --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/33-herbst.html @@ -0,0 +1,58 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Herbst</title> +</head> +<body> + +<h3>Herbst</h3> + +<p> +Die Faune treten aus den Wäldern alle,<br /> +Des Herbstes Chor. Ein ungeheurer Kranz.<br /> +Die Hände haltend, springen sie zum Schalle<br /> +Der Widderhörner froh zu Tal im Tanz.</p> + +<p> +Der Lenden Felle schüttern von dem Sturze,<br /> +Die weiß und schwarz wie Ziegenvließ gefleckt.<br /> +Der starke Nacken stößt empor das kurze<br /> +Gehörn, das sich aus rotem Weinlaub streckt.</p> + +<p> +Die Hufe schallen, die vom Horne starken.<br /> +Den Thyrsus haun sie auf die Felsen laut.<br /> +Der Paian tönt in die besonnten Marken,<br /> +Der Brustkorb bläht mit zottig schwarzer Haut.</p> + +<p> +Des Waldes Tiere fliehen vor dem Lärme<br /> +In Scharen flüchtig her und langem Sprung.<br /> +Um ihre Stirnen fliegen Falterschwärme,<br /> +Berauscht von ihrer Kränze Duft und Trunk.</p> + +<p> +Sie nahn dem Bache, der von Schilf umzogen<br /> +Durch Wiesen rauscht. Das Röhricht läßt sie ein.<br /> +Sie springen mit den Hufen in die Wogen<br /> +Und baden sich vom Schlamm der Wälder rein.</p> + +<p> +Das Schilfrohr tönt vom Munde der Dryaden,<br /> +Die auf den Weiden wohnen im Geäst.<br /> +Sie schaun herauf. Ihr Rücken glänzt vom Baden<br /> +Wie Leder braun und wie von Öl genäßt.</p> + +<p> +Sie brüllen wild und langen nach den Zweigen.<br /> +Ihr Glied treibt auf, von ihrer Gier geschwellt.<br /> +Die Elfen fliegen fort, wo noch das Schweigen<br /> +Des Mittagstraums auf goldnen Höhen hält.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/34-fronleichnamsprozession.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/34-fronleichnamsprozession.html new file mode 100644 index 0000000..caf6e06 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/34-fronleichnamsprozession.html @@ -0,0 +1,82 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Fronleichnamsprozession</title> +</head> +<body> + +<h3>Fronleichnamsprozession</h3> + +<p> +O weites Land des Sommers und der Winde,<br /> +Der reinen Wolken, die dem Wind sich bieten.<br /> +Wo goldener Weizen reift und die Gebinde<br /> +Des gelben Rockens trocknen in den Mieten.</p> + +<p> +Die Erde dämmert von den Düften allen,<br /> +Von grünen Winden und des Mohnes Farben,<br /> +Des schwere Köpfe auf den Stielen fallen<br /> +Und weithin brennen aus den hohen Garben.</p> + +<p> +Des Feldwegs Brücke steigt im halben Bogen,<br /> +Wo helle Wellen weiße Kiesel feuchten.<br /> +Die Wassergräser werden fortgezogen,<br /> +Die in der Sonne aus dem Bache leuchten.</p> + +<p> +Die Brücke schwankt herauf die erste Fahne.<br /> +Sie flammt von Gold und Rot. Die Seidenquasten<br /> +Zu beiden Seiten halten Kastellane<br /> +Im alten Chorrock, dem von Staub verblaßten.</p> + +<p> +Man hört Gesang. Die jungen Priester kommen.<br /> +Barhäuptig gehen sie vor den Prälaten.<br /> +Zu Flöten schallt der Meßgesang. Die frommen<br /> +Und alten Lieder wandern durch die Saaten.</p> + +<p> +In weißen Kleidchen kommen Kinder singend.<br /> +Sie tragen kleine Kränze in den Haaren.<br /> +Und Knaben, runde Weihrauchkessel schwingend,<br /> +Im Spitzenrock und roten Festtalaren.</p> + +<p> +Die Kirchenbilder kommen auf Altären.<br /> +Mariens Wunden brennen hell im Licht.<br /> +Und Christus naht, von Blumen bunt, die wehren<br /> +Die Sonne von dem gelben Holzgesicht.</p> + +<p> +Im Baldachine glänzt des Bischofs Krone.<br /> +Er schreitet singend mit dem heiligen Schrein.<br /> +Der hohe Stimmenschall der Diakone<br /> +Fliegt weit hinaus durch Land und Felderreih'n.</p> + +<p> +Der Truhen Glanz weht um die alte Tracht.<br /> +Die Kessel dampfen, drin die Kräuter kohlen.<br /> +Sie ziehen durch der weiten Felder Pracht,<br /> +Und matter glänzen die vergilbten Stolen.</p> + +<p> +Der Zug wird kleiner. Der Gesang verhallt.<br /> +Sie ziehn dahin, dem grünen Wald entgegen.<br /> +Er tut sich auf. Der Glanz verzieht im Wald,<br /> +Wo goldne Stille träumt auf dunklen Wegen.</p> + +<p> +Der Mittag kommt. Es schläft das weite Land,<br /> +Die tiefen Wege, wo die Schwalbe schweift,<br /> +Und eine Mühle steht am Himmelsrand,<br /> +Die ewig nach den weißen Wolken greift.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/35-der-tag.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/35-der-tag.html new file mode 100644 index 0000000..d0424cf --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/35-der-tag.html @@ -0,0 +1,88 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Tag</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Tag</h3> + +<p> +Palmyras Tempelstaub bläst auf der Wind,<br /> +Der durch die Hallen säuselt in der Zeit<br /> +Des leeren Mittags, wo die Sonne weit<br /> +Im Blauen rast. Der goldene Atem spinnt,</p> + +<p> +Der goldene Staub des Mittags sich wie Rauch<br /> +Im Glanz der Wüste, wie ein seidenes Zelt<br /> +Der ungeheuren Fläche. Dach der Welt.<br /> +Wie ferne Flöten tönt des Zephirs Hauch,</p> + +<p> +Und leise singt der Sand. Doch unverweilt<br /> +Jagt hoch das Licht. Damaskus Rosenduft<br /> +Schlägt auf wie eine Woge in die Luft,<br /> +Wie eine Flamme, die den Äther teilt.</p> + +<p> +Der weißen Stiere roter Blutsaft schäumt<br /> +Auf Tempelhöfen, wo das Volk im Kranz<br /> +Des Blutes Regen fühlt, und seinen Glanz,<br /> +Der mit Rubinen ihre Togen säumt.</p> + +<p> +Ein Tänzer tanzt im blauen Mittagsrot<br /> +Auf weißer Platte, der vom Strahle trank. –<br /> +Das Licht entflieht. Der Libanon versank,<br /> +Der Zedern Haus, das sich dem Gotte bot.</p> + +<p> +Und westwärts eilt der Tag. Mit tiefem Gold<br /> +Ist weit des Westens Wölbung angefüllt:<br /> +Des Gottes Rundschild, der die Schultern hüllt<br /> +Des Flüchtigen. Sein blauer Helmbusch rollt</p> + +<p> +Darob im Sturme weit am Horizont,<br /> +Am Meer, und seiner Inseln Perlenseil.<br /> +Er eilt dahin, wo schon der Ida steil<br /> +Mit Eichen tost und dröhnt der Hellespont.</p> + +<p> +Das Stromland fort, dem grünen Abend zu.<br /> +Wie der Drommete Ton erschallt sein Gang<br /> +An Ossas Echo. Troas Schilf entlang,<br /> +In rote Wälder tritt sein Purpurschuh,</p> + +<p> +In Sammetwiesen weich. Dem Feuer nach,<br /> +Das einst gen Argos flog, tritt machtvoll er<br /> +Auf Chalkis hin. Darunter rauscht das Meer<br /> +Hervor aus grüner Grotten Steingemach.</p> + +<p> +Sein Arm, den er auf Meer und Lande streckt,<br /> +Ragt dunkel auf wie eine Feuersbrunst.<br /> +Sein Atem füllt das Meer mit schwarzem Dunst,<br /> +Des weißes Maul die roten Sohlen leckt.</p> + +<p> +Auf Marathon schleppt seines Mantels Saum<br /> +Ein violetter Streif, wo schon das Horn<br /> +Der Muschel stimmt am Strand der Toten vorn<br /> +Der Sturmgott laut aus weißer Brandung Schaum.</p> + +<p> +Des Rohres rote Fahnen rührt der Wind<br /> +Von seines Fußes Fittich um am Strand<br /> +Der fernen Elis, da der Nacht Trabant,<br /> +Schildknappe Mond, den dunklen Pfad beginnt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/36-der-tod-der-liebenden.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/36-der-tod-der-liebenden.html new file mode 100644 index 0000000..1876f6a --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/36-der-tod-der-liebenden.html @@ -0,0 +1,70 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Der Tod der Liebenden</title> +</head> +<body> + +<h3>Der Tod der Liebenden</h3> + +<p> +Durch hohe Tore wird das Meer gezogen<br /> +Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt<br /> +Der späte Tag am hellen Himmelsbogen<br /> +Und fern hinab des Meeres Weite träumt.</p> + +<p> +»Vergiß der Traurigkeit, die sich verlor<br /> +Ins ferne Spiel der Wasser, und der Zeit<br /> +Versunkner Tage. Singt der Wind ins Ohr<br /> +Dir seine Schwermut, höre nicht sein Leid.</p> + +<p> +Laß ab von Weinen. Bei den Toten unten<br /> +Im Schattenlande werden bald wir wohnen<br /> +Und ewig schlafen in den Tiefen drunten,<br /> +In den verborgenen Städten der Dämonen.</p> + +<p> +Dort wird uns Einsamkeit die Lider schließen.<br /> +Wir hören nichts in unserer Hallen Räumen,<br /> +Die Fische nur, die durch die Fenster schießen,<br /> +Und leisen Wind in den Korallenbäumen.</p> + +<p> +Wir werden immer bei einander bleiben<br /> +Im schattenhaften Walde auf dem Grunde.<br /> +Die gleiche Woge wird uns dunkel treiben,<br /> +Und gleiche Träume trinkt der Kuß vom Munde.</p> + +<p> +Der Tod ist sanft. Und die uns niemand gab,<br /> +Er gibt uns Heimat. Und er trägt uns weich<br /> +In seinem Mantel in das dunkle Grab,<br /> +Wo viele schlafen schon im stillen Reich.«</p> + +<p> +Des Meeres Seele singt am leeren Kahn.<br /> +Er treibt davon, ein Spiel den tauben Winden<br /> +In Meeres Einsamkeit. Der Ozean<br /> +Türmt fern sich auf zu schwarzer Nacht, der Blinden.</p> + +<p> +In hohen Wogen schweift ein Kormoran<br /> +Mit grünen Fittichs dunkler Träumerei.<br /> +Darunter ziehn die Toten ihre Bahn.<br /> +Wie blasse Blumen treiben sie vorbei.</p> + +<p> +Sie sinken tief. Das Meer schließt seinen Mund<br /> +Und schillert weiß. Der Horizont nur bebt<br /> +Wie eines Adlers Flug, der von dem Sund<br /> +Ins Abendmeer die blaue Schwinge hebt.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html new file mode 100644 index 0000000..3ab1388 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html @@ -0,0 +1,91 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Ophelia</title> +</head> +<body> + +<h3>Ophelia</h3> + +<p> +Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten,<br /> +Und die beringten Hände auf der Flut<br /> +Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten<br /> +Des großen Urwalds, der im Wasser ruht.</p> + +<p> +Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt,<br /> +Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein.<br /> +Warum sie starb? Warum sie so allein<br /> +Im Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt?</p> + +<p> +Im dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht<br /> +Wie eine Hand die Fledermäuse auf.<br /> +Mit dunklem Fittich, von dem Wasser feucht<br /> +Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf,</p> + +<p> +Wie Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal<br /> +Schlüpft über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint<br /> +Auf ihrer Stirn. Und eine Weide weint<br /> +Das Laub auf sie und ihre stumme Qual.</p> + + +<h4>II.</h4> + +<p> +Korn. Saaten. Und des Mittags roter Schweiß.<br /> +Der Felder gelbe Winde schlafen still.<br /> +Sie kommt, ein Vogel, der entschlafen will.<br /> +Der Schwäne Fittich überdacht sie weiß.</p> + +<p> +Die blauen Lider schatten sanft herab.<br /> +Und bei der Sensen blanken Melodien<br /> +Träumt sie von eines Kusses Karmoisin<br /> +Den ewigen Traum in ihrem ewigen Grab.</p> + +<p> +Vorbei, vorbei. Wo an das Ufer dröhnt<br /> +Der Schall der Städte. Wo durch Dämme zwingt<br /> +Der weiße Strom. Der Widerhall erklingt<br /> +Mit weitem Echo. Wo herunter tönt</p> + +<p> +Hall voller Straßen. Glocken und Geläut.<br /> +Maschinenkreischen. Kampf. Wo westlich droht<br /> +In blinde Scheiben dumpfes Abendrot,<br /> +In dem ein Kran mit Riesenarmen dräut,</p> + +<p> +Mit schwarzer Stirn, ein mächtiger Tyrann,<br /> +Ein Moloch, drum die schwarzen Knechte knien.<br /> +Last schwerer Brücken, die darüber ziehn<br /> +Wie Ketten auf dem Strom, und harter Bann.</p> + +<p> +Unsichtbar schwimmt sie in der Flut Geleit.<br /> +Doch wo sie treibt, jagt weit den Menschenschwarm<br /> +Mit großem Fittich auf ein dunkler Harm,<br /> +Der schattet über beide Ufer breit.</p> + +<p> +Vorbei, vorbei. Da sich dem Dunkel weiht<br /> +Der westlich hohe Tag des Sommers spät,<br /> +Wo in dem Dunkelgrün der Wiesen steht<br /> +Des fernen Abends zarte Müdigkeit.</p> + +<p> +Der Strom trägt weit sie fort, die untertaucht,<br /> +Durch manchen Winters trauervollen Port.<br /> +Die Zeit hinab. Durch Ewigkeiten fort,<br /> +Davon der Horizont wie Feuer raucht.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/38-die-professoren.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/38-die-professoren.html new file mode 100644 index 0000000..ecd04cc --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/38-die-professoren.html @@ -0,0 +1,38 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Professoren</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Professoren</h3> + +<p> +Zu vieren sitzen sie am grünen Tische,<br /> +Verschanzt in seines Daches hohe Kanten.<br /> +Kahlköpfig hocken sie in den Folianten,<br /> +Wie auf dem Aas die alten Tintenfische.</p> + +<p> +Manchmal erscheinen Hände, die bedreckten<br /> +Mit Tintenschwärze. Ihre Lippen fliegen<br /> +Oft lautlos auf. Und ihre Zungen wiegen<br /> +Wie rote Rüssel über den Pandekten.</p> + +<p> +Sie scheinen manchmal ferne zu verschwimmen,<br /> +Wie Schatten in der weißgetünchten Wand.<br /> +Dann klingen wie von weitem ihre Stimmen.</p> + +<p> +Doch plötzlich wächst ihr Maul. Ein weißer Sturm<br /> +Von Geifer. Stille dann. Und auf dem Rand<br /> +Wiegt sich der Paragraph, ein grüner Wurm.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html new file mode 100644 index 0000000..d36a8c0 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html @@ -0,0 +1,133 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Das Fieberspital</title> +</head> +<body> + +<h3>Das Fieberspital</h3> + +<p> +Die bleiche Leinwand in den vielen Betten<br /> +Verschwimmt in kahler Wand im Krankensaal.<br /> +Die Krankheiten alle, dünne Marionetten,<br /> +Spazieren in den Gängen. Eine Zahl</p> + +<p> +Hat jeder Kranke. Und mit weißer Kreide<br /> +Sind seine Qualen sauber aufnotiert.<br /> +Das Fieber donnert. Ihre Eingeweide<br /> +Brennen wie Berge. Und ihr Auge stiert</p> + +<p> +Zur Decke auf, wo ein paar große Spinnen<br /> +Aus ihrem Bauche lange Fäden ziehn.<br /> +Sie sitzen auf in ihrem kalten Linnen<br /> +Und ihrem Schweiß mit hochgezognen Knien.</p> + +<p> +Sie beißen auf die Nägel ihrer Hand.<br /> +Die Falten ihrer Stirn, die rötlich glüht,<br /> +Sind wie ein graugefurchtes Ackerland,<br /> +Auf dem des Todes großes Frührot blüht.</p> + +<p> +Sie strecken ihre weißen Arme vor,<br /> +Vor Kälte zitternd und vor Grauen stumm.<br /> +Schon wälzt ihr Hirn sich schwarz von Ohr zu Ohr<br /> +In ungeheurem Wirbel schnell herum.</p> + +<p> +Dann gähnt in ihrem Rücken schwarz ein Spalt,<br /> +Und aus der weißgetünchten Mauerwand<br /> +Streckt sich ein Arm. Um ihre Kehle ballt<br /> +Sich langsam eine harte Knochenhand.</p> + + +<h4>II.</h4> + +<p> +Des Abends Trauer sinkt. Sie hocken stumpf<br /> +In ihrer Kissen Schatten. Und herein<br /> +Kriecht Wassernebel kalt. Sie hören dumpf<br /> +Durch ihren Saal der Qualen Litanein.</p> + +<p> +Das Fieber kriecht in ihren Lagern um,<br /> +Langsam, ein großer, gelblicher Polyp.<br /> +Sie schaun ihm zu, von dem Entsetzen stumm.<br /> +Und ihre Augen werden weiß und trüb.</p> + +<p> +Die Sonne quält sich auf dem Rand der Nacht.<br /> +Sie blähn die Nasen. Es wird furchtbar heiß.<br /> +Ein großes Feuer hat sie angefacht,<br /> +Wie eine Blase schwankt ihr roter Kreis.</p> + +<p> +Auf ihrem Dache sitzt ein Mann im Stuhl<br /> +Und droht den Kranken mit dem Eisenstab.<br /> +Darunter schaufeln in dem heißen Pfuhl<br /> +Die Nigger schon ihr tiefes, weißes Grab.</p> + +<p> +Die Leichenträger gehen durch die Reihen<br /> +Und reißen schnell die Toten aus dem Bett.<br /> +Die andern drehn sich nach der Wand mit Schreien<br /> +Der Angst, der Toten gräßlichem Valet.</p> + +<p> +Moskitos summen. Und die Luft beginnt<br /> +Vor Glut zu schmelzen. Wie ein roter Kropf<br /> +Schwillt auf ihr Hals, darinnen Lava rinnt.<br /> +Und wie ein Ball von Feuer dröhnt ihr Kopf.</p> + +<p> +Sie machen sich von ihren Hemden los<br /> +Und ihren Decken, die sie naß umziehn.<br /> +Ihr magrer Leib, bis auf den Nabel bloß,<br /> +Wiegt hin und her im Takt der Phantasien.</p> + +<p> +Das Floß des Todes steuert durch die Nacht<br /> +Heran durch Meere Schlamms und dunkles Moor.<br /> +Sie hören bang, wie seine Stange kracht<br /> +Lauthallend unten am Barackentor.</p> + +<p> +Zu einem Bette kommt das Sakrament.<br /> +Der Priester salbt dem Kranken Stirn und Mund.<br /> +Der Gaumen, der wie rotes Feuer brennt,<br /> +Würgt mühsam die Oblate in den Schlund.</p> + +<p> +Die Kranken horchen auf der Lagerstatt<br /> +Wie Kröten, von dem Lichte rot gefleckt.<br /> +Die Betten sind wie eine große Stadt,<br /> +Die eines schwarzen Himmels Rätsel deckt.</p> + +<p> +Der Priester singt. In grauser Parodie<br /> +Krähn sie die Worte nach in dem Gebet.<br /> +Sie lachen laut, die Freude schüttelt sie.<br /> +Sie halten sich den Bauch, den Lachen bläht.</p> + +<p> +Der Priester kniet sich an der Bettstatt Rand.<br /> +In das Brevier taucht er die Schultern ein.<br /> +Der Kranke setzt sich auf. In seiner Hand<br /> +Dreht er im Kreise einen spitzen Stein.</p> + +<p> +Er schwingt ihn hoch, haut zu. Ein breiter Riß<br /> +Klafft auf des Priesters Kopf, der rückwärts fällt.<br /> +Und es erfriert sein Schrei auf dem Gebiß,<br /> +Das er im Tode weit noch offen hält.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/40-die-schlaefer.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/40-die-schlaefer.html new file mode 100644 index 0000000..780a574 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/40-die-schlaefer.html @@ -0,0 +1,67 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Die Schläfer</title> +</head> +<body> + +<h3>Die Schläfer</h3> + +<p class="dedication"> +Jacob van Hoddis gewidmet</p> + +<p> +Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß,<br /> +Tief unten brennt ein Licht, ein rotes Mal<br /> +Am schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlos<br /> +Die Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,</p> + +<p> +Mit grünem Fittich auf der dunklen Flut<br /> +Flattert der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,<br /> +Drin eine Lilie welkt, der Nacht Salut,<br /> +Den Kopf von einem Greise gelb und tot.</p> + +<p> +Er schüttelt seine Federn wie ein Pfau.<br /> +Die Träume wandern wie ein lila Hauch<br /> +Um seine Schwinge, wie ein blasser Tau.<br /> +In ihre Wolke taucht er, in den Rauch.</p> + +<p> +Die großen Bäume wandern durch die Nacht<br /> +Mit langem Schatten, der hinüber läuft<br /> +Ins weiße Herz der Schläfer, die bewacht<br /> +Der kalte Mond, der seine Gifte träuft</p> + +<p> +Wie ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.<br /> +Sie liegen fremd einander, stumm, im Haß<br /> +Der dunklen Träume, in verborgner Wut.<br /> +Und ihre Stirn wird von den Giften blaß.</p> + +<p> +Der Baum von Schatten klammert um ihr Herz<br /> +Und senkt die Wurzeln ein. Er steigt empor<br /> +Und saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.<br /> +Er ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor</p> + +<p> +Der blinden Stille. In die Zweige fliegt<br /> +Der Schlaf. Und seine kalte Schwinge streift<br /> +Die schwere Nacht, die auf den Schläfern liegt<br /> +Und ihre Stirn mit Qualen weiß bereift.</p> + +<p> +Er singt. Ein Ton von krankem Violett<br /> +Stößt an dem Raum. Der Tod geht. Manches Haar<br /> +Streicht er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,<br /> +So malt er seine Frucht im welken Jahr.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/41-schwarze-visionen.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/41-schwarze-visionen.html new file mode 100644 index 0000000..d6617e3 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/41-schwarze-visionen.html @@ -0,0 +1,208 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Schwarze Visionen</title> +</head> +<body> + +<h3>Schwarze Visionen</h3> + +<p class="dedication"> +An eine imaginäre Geliebte</p> + +<p> +Du ruhst im Dunkel trauriger Askesen<br /> +In deinem weißen Tuch, ein Eremit,<br /> +Und deine Locken, die in Nacht verwesen,<br /> +Bedecken tief dein eingesunknes Lid.</p> + +<p> +Auf deinen Lippen gruben sich die Male<br /> +Der toten Küsse schon in Trichtern ein.<br /> +Die ersten Würmer tanzen um das fahle<br /> +Vom Grubenwasser bleiche Schläfenbein.</p> + +<p> +Wie Ärzte stechen lang sie die Pinzette<br /> +Der Rüssel, die im Fleische Wurzel schlägt.<br /> +Du jagst sie nicht von deinem Totenbette,<br /> +Du bist verflucht, zu leiden unbewegt.</p> + +<p> +Des schwarzen Himmels große Grabesglocke<br /> +Dreht trüb sich rund um deine Winterzeit.<br /> +Und es erstickt der Schneefall, dicke Flocke,<br /> +Was unten in den Gräbern weint und schreit.</p> + + +<h4>II.</h4> + +<p> +Der großen Städte nächtliche Emporen<br /> +Stehn rings am Rand, wie gelbe Brände weit.<br /> +Und mit der Fackel scheucht aus ihren Toren<br /> +Der Tod die Toten in die Dunkelheit.</p> + +<p> +Sie fahren aus wie großer Rauch und schwirren<br /> +Mit leisen Klagen durch das Distelfeld.<br /> +Am Kreuzweg hocken sie zu hauf und irrren<br /> +Den Heimatlosen gleich in schwarzer Welt.</p> + +<p> +Sie schaun zurück von einem kahlen Baume,<br /> +Auf den der Wind sie warf. Doch ihre Stadt<br /> +Ist zu für sie. Und in dem leeren Raume<br /> +Treibt Sturm sie um den Baum, wie Vögel matt.</p> + +<p> +Wo ist die Totenstadt? Sie wollen schlafen.<br /> +Da tut sich auf im ernsten Abendrot<br /> +Die Unterwelt, der stillen Städte Hafen,<br /> +Wo schwarze Segel ziehen, Boot an Boot.</p> + +<p> +Und schwarze Fahnen wehn die langen Gassen<br /> +Der ausgestorbnen Städte, die verstummt<br /> +Im Fluch von weißen Himmeln und verlassen,<br /> +Wo ewig eine stumpfe Glocke brummt.</p> + +<p> +Die schwarzen Brücken werfen ungeheuer<br /> +Die Abendschatten auf den dunklen Strom.<br /> +Und riesiger Lagunen rotes Feuer<br /> +Verbrennt die Luft mit purpurnem Arom.</p> + +<p> +Kanäle alle, die die Stadt durchschwimmen,<br /> +Sind von den Lilienwäldern sanft umsäumt.<br /> +Am Bug der Kähne, wo die Lampen glimmen,<br /> +Stehn groß die Schiffer, und der Abend träumt</p> + +<p> +Wie zarte goldene Kronen um die Stirnen.<br /> +Der tiefen Augen dunkler Edelstein<br /> +Umschließt des hohen Himmels blasse Firnen,<br /> +Wo weidet schon der Mond im grünen Schein.</p> + +<p> +Die Toten schaun aus ihrem Winterbaume<br /> +Den Schläfern zu in ihrem sanften Reich.<br /> +Und das Verlangen faßt sie nach dem Saume<br /> +Des roten Himmels und dem Abend weich.</p> + +<p> +Da stürzt sie Hermes, der die Nacht erschüttert<br /> +Mit starkem Flug, ein bläulicher Komet,<br /> +Den Grund herab, der meilentief erzittert,<br /> +Da singend ihn der Toten Zug durchweht.</p> + +<p> +Sie nahn den Städten, da sie wohnen sollen,<br /> +Draus goldne Winde gehn im Abendflug.<br /> +Der Tore Amethyst im tiefen Stollen<br /> +Küßt ihrer Reiherschwingen langer Zug.</p> + +<p> +Die Silberstädte, die im Monde glühen,<br /> +Umarmen sie mit ihres Sommers Pracht,<br /> +Wo schon im Ost wie große Rosen blühen<br /> +Die Morgenröten in die Mitternacht.</p> + + +<h4>III.</h4> + +<p> +Sie grüßen dich in deinem schwarzen Sarge<br /> +Und flattern über dich wie Frühlingswind.<br /> +Wie Nachtigallen rühren sie das karge,<br /> +Wachsbleiche Haupt mit ihren Klagen lind.</p> + +<p> +Mit Sammethänden wollen sie dich grüßen<br /> +Von meiner Qual. Und wie ein Weinblatt rot,<br /> +So taumeln ihre Küsse dir zu Füßen,<br /> +Und ziehn wie Tauben sanft um deinen Tod.</p> + +<p> +Sie schwingen über dir die Fackelbrände,<br /> +Die furchtbar wecken auf die schwarze Nacht.<br /> +Sie geben dir in deine weißen Hände<br /> +Tränen von Stein, die ich dir dargebracht.</p> + +<p> +Sie laden Düfte aus den Duft-Amphoren<br /> +Und überschütten dich mit Ambra ganz.<br /> +Dein schwarzes Haar steht auf, an Himmels Toren,<br /> +Wie eines Sterngewölkes dünner Glanz.</p> + +<p> +Sie werden große Pyramiden bauen,<br /> +Darauf sie türmen deinen schwarzen Schrein.<br /> +Dann wirst du in die wilde Sonne schauen,<br /> +Die in dein Blut stürzt wie ein dunkler Wein.</p> + + +<h4>IV.</h4> + +<p> +Die Sonne, die mit Blumen sich beleuchtet,<br /> +Stößt wie ein Aar zu deinen Häupten weit,<br /> +Und ihrer Purpurlippen Traum befeuchtet<br /> +Mit Tränentau dein weißes Totenkleid.</p> + +<p> +Dann nimmst dein Herz du aus den weißen Brüsten<br /> +Und zeigst es rings dem stillen Heiligtum.<br /> +Und deine stolze Flamme rührt die Küsten<br /> +Des Himmels an, die werfen deinen Ruhm</p> + +<p> +Ins Meer der Toten aus wie starke Wellen.<br /> +Die großen Schiffe schwimmen um dich her,<br /> +Um deinen Turm, und ihre Lieder schwellen<br /> +Wie Abendwolken sanft vom großen Meer.</p> + +<p> +Und was ich dir in meinen Träumen sage,<br /> +Das schrein die Priester aus mit Tuba–Ton.<br /> +Der Meere dunkle Buchten füllt die Klage<br /> +Um dich wie Schilfrohr sanft und schwarzer Mohn.</p> + + +<h4>V.</h4> + +<p> +Getrübt bescheint der Mond die stumme Fläche,<br /> +Wie ein Korund, der tief im Grunde glüht.<br /> +In deiner Locken dunkle Flammenbäche<br /> +Verliebt, verweilt er auf den Städten müd.</p> + +<p> +Dann kommen alle Toten aus den Grüften<br /> +Und ziehn um dich in langer Prozession.<br /> +Von rosa Glase flattern in den Lüften<br /> +Die Schatten, die von innern Flammen lohn.</p> + + +<h4>VI.</h4> + +<p> +Du zogst voraus nach dem geheimen Reiche.<br /> +Ich folge dir dereinst, du Trauerbild,<br /> +Und halte ewig deine Hand, die bleiche,<br /> +Die meiner Küsse blasse Lilie füllt.</p> + +<p> +Dann überschwemmen lange Ewigkeiten<br /> +Der Himmel Mauern und das tote Land,<br /> +Die, große Schatten, in den Westen schreiten,<br /> +Wo ehern ruht der Horizonte Wand.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/index.html b/OEBPS/Text/index.html new file mode 100644 index 0000000..d329127 --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/index.html @@ -0,0 +1,59 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Index der Gedichte</title> +</head> + +<body> + +<h3>Index</h3> + +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/26-april.html">April</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/01-berlin-1.html">Berlin I</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/02-berlin-2.html">Berlin II</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/05-berlin-3.html">Berlin III</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/15-bist-du-nun-tot.html">Bist du nun tot?</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/29-columbus.html">Columbus</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html">Das Fieberspital</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/32-der-abend.html">Der Abend</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/17-der-baum.html">Der Baum</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/12-der-blinde.html">Der Blinde</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/09-der-gott-der-stadt.html">Der Gott der Stadt</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/06-der-hunger.html">Der Hunger</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/14-der-schlaefer-im-walde.html">Der Schläfer im Walde</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/35-der-tag.html">Der Tag</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/36-der-tod-der-liebenden.html">Der Tod der Liebenden</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/31-der-winter.html">Der Winter</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/25-der-fliegende-hollaender.html">Der fliegende Holländer</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/11-die-daemonen-der-staedte.html">Die Dämonen der Städte</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/07-die-gefangenen-1.html">Die Gefangenen I</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/08-die-gefangenen-2.html">Die Gefangenen II</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/24-die-heimat-der-toten.html">Die Heimat der Toten</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/38-die-professoren.html">Die Professoren</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/28-die-ruhigen.html">Die Ruhigen</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/40-die-schlaefer.html">Die Schläfer</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/13-die-tote-im-wasser.html">Die Tote im Wasser</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/10-die-vorstadt.html">Die Vorstadt</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/04-die-zuege.html">Die Züge</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/34-fronleichnamsprozession.html">Fronleichnamsprozession</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/30-gegen-norden.html">Gegen Norden</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/23-gruft.html">Gruft</a></div> +<div class="index-entry"><a href="der-ewige-tag/33-herbst.html">Herbst</a></div> +<div class="index-entry"><a 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+<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/08-die-gefangenen-2.html">Die Gefangenen II</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/09-der-gott-der-stadt.html">Der Gott der Stadt</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/10-die-vorstadt.html">Die Vorstadt</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/11-die-daemonen-der-staedte.html">Die Dämonen der Städte</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/12-der-blinde.html">Der Blinde</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/13-die-tote-im-wasser.html">Die Tote im Wasser</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/14-der-schlaefer-im-walde.html">Der Schläfer im Walde</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/15-bist-du-nun-tot.html">Bist du nun tot?</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a href="der-ewige-tag/16-nach-der-schlacht.html">Nach der Schlacht</a></div> +<div class="inhalt-entry"><a 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http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Textnachweis und Lizenz</title> +</head> +<body> + + <h3>Textnachweis</h3> + + <p> + Die Texte sind den Scans der Erstauflage von 1911 + entnommen, so wie sie + auf <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Der_ewige_Tag">Wikimedia + Commons</a> zur Verfügung stehen. Die Texte sind mit der + Vorlage abgeglichen. Die Textfassung hier orientiert sich + an den Scans und übernimmt nicht die Fassung, wie sie + <a href="https://de.wikisource.org/wiki/Der_ewige_Tag_%28Sammelband%29">Wikisource</a> + bereit stellt.</p> + + <p> + Nachgetragen wurde der Titel des Gedichts »Bist Du nun + tot?«, der in der Erstauflage nicht vorhanden ist.</p> + + <h3>Lizenz</h3> + + <p> + Die Scans führt Wikimedia als Public Domain. Da mit einer + HTML- oder E-Book-Fassung keine Schöpfungshöhe verbunden + ist, kann das E-Book unter + der <a href="http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de"> + Creative-Commons-Lizenz »Public Domain Dedication« + (CC0)</a> erscheinen.</p> + +</body> +</html> diff --git a/OEBPS/Text/titel.html b/OEBPS/Text/titel.html new file mode 100644 index 0000000..30c397c --- /dev/null +++ b/OEBPS/Text/titel.html @@ -0,0 +1,17 @@ +<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?> +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> + <link href="../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" /> + <title>Georg Heym - Der ewige Tag</title> +</head> +<body> + +<p class="center"> +<img src="../Images/titel.png" alt="Georg Heym - Der ewige Tag" /></p> + +</body> +</html> |