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  <title>An meine Mutter, B. Heine, geborne v. Geldern.</title>
</head>

<body>
<h4>An meine Mutter, B. Heine,<br />
geborne v. Geldern.</h4>

<h4>I.</h4>

<p>
Ich bin's gewohnt den Kopf recht hoch zu tragen,<br />
Mein Sinn ist auch ein bischen starr und zähe;<br />
Wenn selbst der König mir in's Antlitz sähe,<br />
Ich würde nicht die Augen niederschlagen.<br />
Doch, liebe Mutter, offen will ich's sagen:<br />
Wie mächtig auch mein stolzer Muth sich blähe,<br />
In deiner selig süßen, trauten Nähe<br />
Ergreift mich oft ein demuthvolles Zagen.<br />
Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,<br />
Dein hoher Geist, der Alles kühn durchdringet,<br />
Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget?<br />
Quält mich Erinnerung, daß ich verübet<br />
So manche That, die dir das Herz betrübet,<br />
Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet?
</p>

<h4>II.</h4>

<p>
Im tollen Wahn hatt' ich dich einst verlassen,<br />
Ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende,<br />
Und wollte sehn ob ich die Liebe fände,<br />
Um liebevoll die Liebe zu umfassen.<br />
Die Liebe suchte ich auf allen Gassen,<br />
Vor jeder Thüre streckt' ich aus die Hände,<br />
Und bettelte um gringe Liebesspende,&nbsp;&ndash;<br />
Doch lachend gab man mir nur kaltes Hassen.<br />
Und immer irrte ich nach Liebe, immer<br />
Nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer,<br />
Und kehrte um nach Hause, krank und trübe.<br />
Doch da bist du entgegen mir gekommen,<br />
Und ach! was da in deinem Aug' geschwommen,<br />
Das war die süße, langgesuchte Liebe.
</p>

</body>
</html>