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  <title>Italien</title>
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<body>
  <h1 id="toc_id_11">Italien</h1>

  <h2 class="not_in_toc">I</h2>

  <p>Laß ab mit Gesten trauriger Poeten<br />
  In Reim und Wohllaut sinnig zu verklingen,<br />
  Du brauchst auch nicht als schlauster der Propheten<br />
  Probleme lösend, nach Erlösung ringen.</p>

  <p>Hier spreizen sich die keck zum Dom verpraßten<br />
  Rundbogen, Mosaiken, Marmorquasten.<br />
  Venedigs Lüfte kitzeln deine Haut.</p>

  <p>Auf Säulchen tronen hier Geflügelgreife.<br />
  Steinerne Löwen heben ihre Schweife.<br />
  Ein Dampfer kommt und raucht und tutet laut.</p>

  <p>Und leise staunend gondle durch die Buntheit,<br />
  Nur noch zu sanften Räuschen der Gesundheit<br />
  Sahst du am Ligo tausend Weiber nackt?</p>

  <p>O, lobe die Lagunen, die so stinken,<br />
  In süße Tage wirst du bald versinken<br />
  Vergnügt, Genießer, oft befrackt.</p>

  <h2 class="not_in_toc">II</h2>

  <p>So ward er klug und hat sich tief entzückt<br />
  An jedem Dinge, das ihn angeblickt.</p>

  <p>An jedem Hauch, der ihn aus Gärten anweht,<br />
  An jedem Heldengauch, der ihn nichts angeht.</p>

  <p>Am weißen Tag und purpurnen Geweben,<br />
  Und Bildern keusch und bunt, an Dunst und Tal,<br />
  An wilden Kirchen, wo die Engel schweben,<br />
  Am festgefügten schweigenden Portal!</p>

  <p>Nun steht er da auf einem breiten Platze,<br />
  Und weiß nicht mehr; zu welchem Wunder wandern.<br />
  Die Häuser prunken eines wie die andern,<br />
  Die Sonne glüht als fette Feuerglatze.</p>

  <p>Ja, hätt' ich Feinde zu endlosen Kämpfen,<br />
  Ließe mein Haß mich viele Straßen gehen.<br />
  Hat nicht den Teufel mit den Schwefeldämpfen<br />
  Sich Gott zum Zeitvertreib einst angestellt?</p>

  <p>Er steht und grübelt, seine Sinne flehen:<br />
  Entdecke dir die Häßlichkeit der Welt.</p>

  <h2 class="not_in_toc">III</h2>

  <p>Doch ein Palast stand huldvoll in Florenz,<br />
  Er hob sich starr in steile Sonnengluten<br />
  Mit reichem runden, steinernen Gekränz,<br />
  Sein Tor verzierten wuchtige Voluten.</p>

  <p>Er sprach: »O Mensch! du weißt doch, was wir lehren!<br />
  Gebildeter! schon Goethe hat erkannt es:<br />
  Wer wird das Leben unnütz sich erschweren!<br />
  Man stell sich auf und sei was imposantes.</p>

  <p>Du aber liebst dir das Geabenteure,<br />
  Du blickst bedenklich selbst zur schönsten Zinnung.<br />
  Lockt dich der Hohn der Zweifel und das Neure?<br />
  An meinen Quadern scheitre deine Sinnung.</p>

  <p>Entschließe dich, auf Goethens Pfad zu schreiten<br />
  Mit Männertritt und würdig froh gelaunt!</p>

  <p>Sein weißer Schlafroch glänzt durch die Gezeiten.«<br />
  Sprach der Palast. Ich war nicht schlecht erstaunt.</p>

  <h2 class="not_in_toc">IV</h2>

  <p>Der Mittag kam mit Staub und sehr viel Hitze,<br />
  Ich tat mich langsam auf das Kanapee.<br />
  Nun liegst du da, du stilisierter Fritze,<br />
  Das ist bequemer als am Gardasee<br />
  Landschaft zu schlürfen, oder zu Firenze<br />
  Die Hallen Michelozzos, Frühlingstänze<br />
  Des Sandro Botticelli oder sowas.<br />
  Ach bleib, ach bleib, Genießer, ohne Ende,<br />
  Zu schnarchen hier, im Lustrevier des Sofas!</p>

  <p>Ich gähnte stolz. So stürze dich verwegen,<br />
  Toll, ja toll, mit jauchzendem Munde,<br />
  Den Kopf durch die Wände<br />
  Deinen gefährlichsten Wünschen entgegen.<br />
  So sprach zu mir die allerstillste Stunde.<br />
  Und kein Klavier, kein Baby hat<br />
  Geschrien im ganzen Haus.<br />
  Und die Sonne, die Sonne lag über der Stadt,<br />
  Und brütete Wanzen aus.</p>

  <h2 class="not_in_toc">V</h2>

  <p>So waren wir auch in Italien Gäste,<br />
  Und haben dort so manchen Tag verschlafen.<br />
  Wir tranken Wein in Kinematographen,<br />
  Und krochen durch die Gärten und Paläste.</p>

  <p>Und gaben manchmal uns den ungestümen<br />
  Façaden hin, Gewölben und Kapellen,<br />
  Schlanken Pilastern und den ungetümen<br />
  Und dicken süßen Leibern in Bordellen.</p>
</body>
</html>