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authorPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2023-05-29 17:15:24 +0200
committerPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2023-05-29 17:15:24 +0200
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+
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+<head>
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+ <title>...liner Roma... - 5.</title>
+</head>
+<body>
+
+<div class="prose">
+
+ <h3 class="center">5.</h3>
+
+<p class="intro">
+Cabaret „Rosiger Kürbis“, Fasanenstraße, Treffpunkt der
+eleganten Lebewelt, Austern, Sekt, erstklassige Weine,
+tadellose Bedienung, diskrete Musik, hochkünstlerische
+Darbietungen: Bia Tartuffe (Gazetänze), Fedora Sill (Lieder
+einer Verseuchten), Bläschens Revoluzzerhüpfl (urkomisch).</p>
+
+<p class="clearb">
+Selbst überfleißige Vorgesetzte dürfen von Untergebenen
+keinen Überfleiß verlangen. Und mürrisches Wesen läßt sich
+durch Arbeitsüberfülle erklären, aber nicht entschuldigen.
+Doch wie sollten Leute das einsehen, die nach der
+alltäglichen Arbeit ohne Buch und ohne ungelöste Frage
+schlafen gehen. Leute, die keine herbe Freundschaft
+ertragen, also nur mit Lohndienern verkehren. – Der Frau
+Purmann laufen alle Dienstmädchen davon. Unzuverlässiges,
+anspruchsvolles, undankbares Pack. So hält Elfchen die große
+Wohnung und den komfortablen Haushalt eigenhändig in
+mustergültiger Ordnung, hantiert geschickt, nervös und emsig
+von früh bis spät herum. – Heinz Purmann, Immobilien und
+Hypotheken. Hochkonjunktur. Häuser werden jetzt unbesehen
+telephonisch gekauft und der Chef: „mein armer Mann arbeitet
+sich zuschanden. Er ist so gut. Und er gönnt sich nicht...“
+Nein, er gönnt sich nie die Zeit, um auch nur einmal
+nachzuprüfen: Was tust du? Wie? Wozu? Was tun andere? Ist
+der Vorteil des einen etwa der Nachteil des andern? Ließe
+sich das innere Gewissen vielleicht nach dem äußeren Erfolg
+bemessen? – Es stünde einem abhängigen Dichterling übel an,
+seine um 30 Jahre älteren Mäzene belehren oder tadeln zu
+wollen. – Als Elfchen Gustaven öffnet, prüft sie gleich
+seinen Anzug, bürstet seinen Rücken ab. Denn außer
+Henkelchen ist noch ein altes Frauchen zu Besuch erschienen.
+Gustav streicht sich vorm Spiegel die Haare glatt, was einem
+Versprechen gleicht, sich recht unkünstlerisch, recht solid
+und bescheiden zu geben. Welche Zeit! Dieses Berlin! Wo sind
+die alten Handwerker hin, die treuen Briefträger, die
+freundlichen Schaffner! Täglich Einbrüche, Mord und
+Totschlag! Keinem Herrn fällt es mehr ein, seinen Platz
+einer Dame zu überlassen. Und ein Gesindel treibt sich
+umher! Am schamlosesten treiben es die Weiber! Aber gar erst
+damals, als die Menschen gegen Menschen rasten und soviel
+Unschuldige getötet wurden, Elfchen hat während der ganzen
+grauenhaften Kämpfe stundenlang ganz verlassen allein in der
+großen einsamen unbewachten Wohnung gesessen und bei jedem
+Schuß gezittert und stundenlang geweint. Sie weint jetzt in
+Erinnerung dessen wieder. – Ach, Heinz ließ sich ja nicht
+vom Geschäft zurückhalten. Er hat kein Verständnis. Kann so
+lieblos sein, kümmert sich tagelang nicht um sie. Fragt nie:
+Hast du Kopfweh, Halsschmerzen, Leibschmerzen, Migräne,
+Fußleiden, Gelenkentzündung, Sehnenerweiterung,
+Gerstenkörner? – Und nun tröpfelt der Honig .. Kunsthonig ..
+hernieder, der Elfchens armseliges bitteres Leben versüßt,
+für den sie lebt. „Ach, liebstes Elfchen, das halten Ihre
+Nerven nicht aus. Sie müssen ein paar Wochen nach Tirol“. –
+– Ich kann ja nicht. Wer soll denn für Heinz sorgen? Er ist
+ja wie ein Kind und rackert sich ab wie ein Lastpferd. Und
+ist so dankbar. Freilich sehr verwöhnt... – „Nein, wie Sie
+es nur möglich machen, Frau Elfchen!“ „An alles denken Sie,
+trotz der Hüftschmerzen. Und immer rührend besorgt, andere
+zu erfreuen. Da mag Ihr Pflegebefohlener, Herr Gastein, sich
+wohl verwöhnen lassen!“ – Herr Gastein erwacht bestätigend.
+Er hatte darüber nachgesonnen, ob sechs Liter dünnen Kaffees
+in drei Weiberbäuchen, beim Gehen ein plätscherndes Geräusch
+erzeugen. – Die Danaergeschenke für die scheidenden Gäste
+stehen bereit. Selbstgebackenes und ein paar Kragen, die dem
+Heinz zu eng sind, aber für den Bräutigam von der Schwester
+von Henkelchens Obsthändlerin immerhin .. Elfchen holt
+vielgereiste Packpapiere hervor und zieht eine Schublade
+auf, darin tausend oftbewährte Schnürchen und Bindfäden
+unheilbare Darmverschlingung spielen. – Spät kehrt im
+Pelzmantel Herr Purmann stattlich heim, grüßt Gustaven
+königlich herzlich, läßt sich müde von Elfchen ein Bad
+herrichten und zwei Mitesser aus der Nase drücken, ißt
+wortkarg von der auserlesenen Abendmahlzeit und nickt wenig
+überzeugt, als Gustav anfängt zu berichten, was er für neue
+Schritte unternommen habe. Um endlich einmal eine feste
+Anstellung, irgendeine anständige, geregelte Tätigkeit zu
+erlangen, denn das Dichten mag ja nebenbei recht... Elfchen
+legt ein großes Wort für Gustaven ein. Herr Purmann entnimmt
+seiner blühenden Brieftasche eine königliche Kleinigkeit und
+ist so taktvoll, sein Gute Nacht möglichst heiter zu
+wünschen. Denn innerlich sinkt seine Achtung, sowie sein
+Mitleid aufsteigt. – Während er badet, traktiert Elfchen
+Gustaven mit
+
+<img class="center" src="../Images/05.png" alt="Bild Kapitel 5"/>
+
+Süßwein und Schokolade und kaut. Und schon
+lockert sich in Gustaven viel angesammelter verhärteter
+Groll. Und weil Gütiges Gustaven geschwätzig macht, fängt er
+an, kindlichen Unsinn zu reden, auf den sie lachend eingeht.
+Das ist ihm die aufrichtigste Manier, sich mit ihr zu
+unterhalten. – Wie aus Treibhausluft tritt er ins Freie – es
+übermannt ihn wieder tieftraurig, daß er diesen
+nächststehenden Menschen gegenüber seine reinsten Gedanken
+in graue Lügen kleiden muß. – Wie sonderbar: Die waren
+einmal jung. Wenn Frau Purmann ahnte, wie ihr heute der
+Kosename Elfchen steht.</p>
+
+</div>
+</body>
+</html>