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  <title>Paris</title>
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<!-- pb n="[436]" facs="#f0464"/ -->

<div class="chapter" id="Paris">
<div class="dateline"><span class="right">Paris.</span></div>

<p> <span class="initial">V</span>on Zürich hierher ist ein
hübsches Stück Weges, und ich schreibe Dir davon so wenig
als möglich, weil alles ziemlich bekannt ist. Einige Freunde
begleiteten mich den 24sten Juny ein Stündchen von Zürich
aus, und schickten mich unter des Himmels Geleite weiter.
Bey Eglisau begrüsste ich das erste Mal den herrlichen Rhein
und ging von da nach Schafhausen, bloss um den Fall zu
sehen. Er hat an Masse freylich weit mehr als der Velino;
aber ich wäre sehr verlegen, welchen ich die grösste
malerische Schönheit zugestehen sollte. Dort ist die Natur
noch grösser als hier und der Sturz noch weit furchtbarer.
Mich däucht, ich habe gehört, ein Engländer habe versucht
den Fall herunter zu fahren: und ich glaube, die
Donquischotterie ist allerdings nicht unmöglich, wenn der
Fluss voll ist. Bey kleinem Wasser würde man unfehlbar
zerschmettert. Nur müsste die Seite von Laufen gewählt
werden; denn die von Schafhausen würde ziemlich gewisser Tod
seyn. Ich sage nicht, dass man nicht auf der Unternehmung
umkommen könne: aber gesetzt ich würde auf der Seite von
Laufen oben verfolgt und sähe keine Ausflucht, so würde ich
kein Bedenken tragen mich in einem guten Boot den Fall hinab
zu wagen und würde meine Rettung nicht ganz unwahrscheinlich
finden. In der Krone in Schafhausen war sehr gute
Gesellschaft von Kaufleuten, Kommissären und Engländern.</p>

<p>Den 25sten stach ich in das Breisgau herüber.
<!-- pb n="437 " facs="#f0465"/ --> Laufenburg, wo ich die
Nacht blieb, ist ein ärmlicher Ort, wo der Rhein einen
zweyten kleinern nicht so gefährlichen Fall bildet: doch ist
auch dieser Schuss zwischen den Felsen sehr malerisch.
Weiter hin stehen in den Dörfern noch Franzosen bis zum
Austrag der Sache, und die Einwohner sind in Verzweiflung
über den Druck von allen Seiten. Bloss unsere geringe Anzahl
verhindert uns, sagte man mir laut, gewaltsame Mittel zu
unserer Befreyung zu versuchen. Die Franzosen müssen hier
sehr schlechte abscheuliche Mannszucht halten: denn ich habe
wiederholt erzählen hören, dass sie durchreisende Weiber mit
Gewalt hinauf in den Wald zur Misshandlung schleppen. An den
eingebohrnen wagen sie sich nicht zu vergreifen, weil sie
unfehlbar todtgeschlagen würden, es entstände daraus was
wolle: diese Unordnungen fürchten sie doch. Jeder
Einquartierte muss täglich zwey Pfund Brot, ein Pfund
Fleisch und eine Flasche Wein erhalten. Seit einiger Zeit
müssen die Wirthe für den Wein zehn Kreuzer täglich
bezahlen: dafür werden dem Soldaten Kittel angeschafft. Da
ist denn doch die grosse Nation verächtlich klein. Das ist
heute den 26sten Juny unseres Jahres 1802; und der
Kommandant der Truppen mag seine Ehre retten, wenn er kann:
ich sage was ich vielfältig gehört habe.</p>

<p>Die Gegend am Rhein herunter ist fast durchaus schön, und
besonders bey Rheinfelden. In Basel am Thore lud man mich
zum Kriegsdienst der Spanier ein, die hier für junges Volk
von allen Nationen freye Werbung hatten, ausgenommen die
Franzosen und Schweizer. Mir war das nicht unlieb, ob ich
<!-- pb n="438 " facs="#f0466"/ --> gleich die
Ehreneinladung bestimmt ausschlug: denn es zeigt wenigstens,
ich sehe noch aus, als ob ich eine Patrone beissen und mit
schlagen könne. Im Wilden Manne war die Gesellschaft an des
Wirthstafel ziemlich zahlreich und sehr artig. Der
französische Kommandant, zu dem ich wegen meines Passes
ging, war freundlich und höflich. Der preussische Pass war
in Mailand revidiert worden, und der General Charpentier
hatte daselbst bloss darauf geschrieben, dass er durch die
Schweiz nach Paris gültig sey. In Basel wies man mich damit
an den ersten Gränzposten, ungefähr noch eine Stunde vor der
Stadt. Als ich dort ankam, sahe der Offizier nur flüchtig
hinein, gab ihn zurück und sagte: <span class="italic">Vous
etes bien en regle. Bon voyage!</span> und seitdem bin ich
nirgends mehr darnach gefragt worden. So wie ich in das
französische Gebiet trat, war alles merklich wohlfeiler und
man war durchaus höflicher und billiger. In einem Dorfe
nicht weit von Belfort hielt ich eine herrliche
Mittagsmahlzeit mit Suppe, Rindfleisch, Zwischengericht,
Braten, zweyerley Desert und gutem Wein und zahlte dafür
dreyssig Sols. Dafür hätte ich jenseit der Alpen wenigstens
dreymal so viel bezahlen müssen. Den nehmlichen Abend, vier
Meilen von Basel, zahlte ich für ein recht gutes Quartier
mit Zehrung nur sechs und vierzig Sols. So ging es
verhältnissmässig immer fort; und auch nicht viel theurer
ist es in Paris. Mir thut die Humanität und das allgemeine
Wohlbefinden besser als der wohlfeile Preis. Man spricht
dort noch etwas deutsch und Leute von Erziehung bemühen sich
beyde Sprachen richtig und angenehm zu reden. Das
<!-- pb n="439 " facs="#f0467"/ --> Dorf war ziemlich gross
und als ich gegen Abend noch einen Gang an den Gärten und
Wiesen hin machte, hörte ich in der Ferne an einem kleinen
buschigen Abhange einen Gesang, der mich lockte. Das war mir
in ganz Italien nicht begegnet; und als ich näher kam hörte
ich eine schöne einfache ländliche Melodie zu einem
deutschen Texte, den ich für ein Gedicht von Matthison
hielt. Die Sängerinnen waren drey Mädchen, die man wohl in
der schönen Abendröthe für Grazien hätte nehmen können. Die
Zuhörer mehrten sich und ich war so heimisch, als ob ich an
den Ufern der Saale gesessen hätte.</p>

<p>Nun ging ich über Besançon und Auxonne nach Dijon
herunter. Es war ein Vergnügen zu wandeln; überall sahe man
Fleiss und zuweilen auch Wohlstand. Wenigstens war nirgends
der drückende Mangel und die exorbitante Theurung, die man
jenseits der Alpen fand: und doch hatte hier die Revolution
gewüthet und der Krieg gezehrt. Besançon ist wohl mehr ein
Waffenplatz als eine Festung. Wenigstens würde bey einer
Belagerung die Stadt bald zu Grunde gehen und der Ort sich
kaum halten. In Auxonne wurden alle Festungswerke
niedergerissen, und jedermann ging und ritt und fuhr
ungehindert und ungefragt aus und ein. Das fand ich selbst
gegen die Schweiz sehr liberal. Einen Abend blieb ich in
Genlis, dem Gute der bekannten Schriftstellerin. Die
Besitzung ist sehr nett, aber sehr bescheiden; und die Dame
wird trotz allem was ihre Feinde von ihr sagen hier sehr
geliebt.</p>

<p>Dijon hat ungefähr eine Stunde im Umfange und rund um die
Stadt einen ziemlich angenehmen Spa<!-- pb n="440 " facs="#f0468"/ -->ziergang. 
Der Ort empfindet die Folgen der Revolution vor allen
übrigen, weil sie hier vorzüglich heftig war. Die Leute
wissen bis jetzt vor Angst noch nicht, wo sie mit ihrer
Stimmung hin sollen: die Meisten scheinen königlich zu seyn.
Mein Wirth, der sehr höflich mit mir herum lief, erzählte
mir in langen Klagen den ganzen Verlauf der Sachen in ihrer
Stadt, und die schreckliche Periode unter Robespierre, wo so
viele brave Leute theils guilottiniert wurden, theils in den
Gefängnissen vor Angst und Gram starben. Die Sache hat
freylich mehrere Seiten. Viele scheinen nur das Anhängsel
der ehemaligen Reichen vom Adel und der Geistlichkeit zu
machen: diese können allerdings bey keiner vernünftigern
Einrichtung gewinnen. Alle grosse Städte, die nicht auf
Handel, Fabriken und Industrie beruhen, die Kapitale
ausgenommen, müssen durch die Veränderung nothwendig
verlieren, da die Parlamentsherren, der reiche Adel und die
reiche Geistlichkeit nicht mehr ihr Vermögen daselbst
verzehren. Der Park des Prinzen Condé vor dem Petersthore
ist jetzt verkauft und ein öffentlicher Belustigungsort. Im
Ganzen ist die Stadt sehr todt.</p>

<p>Von Dijon fuhr ich, weil mir das Wetter zu heiss ward,
mit dem Kourier nach Auxerres, und von dort mit der
Diligence nach Paris. Auxerres ist eine Mittelstadt, aber
ziemlich lebhaft, wenigstens weit lebhafter als Dijon. Zum
Friedensfeste hatte man an dem Boulewardskoffee der Hebe
einen Tempel aufgeführt, der der franzö ischen Kunst eben
keine Ehre macht. Die Gesellschaft war aber angenehm und die
Bewirthung gut und billig. Die Wirthin, ein Prototyp der
alten
<!-- pb n="441 " facs="#f0469"/ --> ächt französischen
Gutherzigkeit, setzte sich zu mir in die Gartenlaube und
hielt mir bey Gelegenheit der Bezahlung einen langen
Unterricht über den Geldkurs, und gab mir Warnungen, damit
ich als Fremder mit der Münze nicht betrogen würde; welches
indessen zur Ehre der Nation nur sehr selten geschehen ist.
In Italien war der Fall häufiger, und auch in der
Schweiz.</p>

<p>Die Gesellschaft in der Diligence war besser als der
einsylbige Kourier von Dijon. Ein alter General von der
alten Regierung, ein fremder Edelmann aus der Schweiz, ein
Landpfarrer der zugleich Mediciner war, ein Kaufmann ehmals
Adjutant des General Lecourbe, ein Gelehrter von Auxerres,
der vorzüglich in der Oekonomie stark zu seyn schien und
einige andere Unbekannte machten eine sehr bunte
Konversation. Ich sass zwischen dem Geistlichen und dem
Gelehrten im Fond, und vor mir der General auf dem
Mittelsitze. Der General hatte ehemals in Domingo
kommandiert, wäre fast bey seiner Rückkehr in Brest
guillottiniert worden, und nur die Intervention vieler
angesehener Kaufleute hatte ihn gerettet, die seiner
politischen Orthodoxie in der damaligen Zeit das beste
Zeugniss gaben. Der Geistliche war ausgewandert gewesen und
hatte als Arzt einige Zeit auf der Gränze gelebt, war aber
mit vieler Klugheit zu rechter Zeit zurückgekommen und hatte
seitdem nach dem Winde laviert. Jetzt zeigte er nun wieder
mehr seinen eigentlichen Geist. Er war ein Mann von vielen
Kenntnissen und vielem Scharfsinn und vieler Verbindung mit
den ehemaligen Grossen; also allerdings kein Plattkopf,
sondern ein Spitzkopf.</p>

<!-- pb n="442 " facs="#f0470"/ -->
<p>Er erzählte, als ob das so seyn müsste, eine Menge
heilige Schnurren seiner Jugend, die sogar in seinem eigenen
Munde zwar unterhaltend aber eben nicht salbungsreich waren.
So war er bey Sens einmal als falscher Bischof gereist und
hatte falsche Offizialien gehalten, und man hatte sich fast
todt gelacht als er den Spass entdeckte. Ein andermal hatte
er einst als Chorschüler gesehen, dass ein Bauer seinem
Beichtvater einen grossen schönen Karpfen brachte und ihn
unterdessen in den Weihkessel setzte. Schnell stahl ihn der
Hecht mit seinen Gesellen zum Frühstück, und hatte seine
grosse Freude, als der absolvierte Bauer kam und in und
unter dem Weihkessel umsonst den eingesetzten Karpfen
suchte, um ihn nun in die Küche des geistlichen Herrn
abzuliefern. Dergleichen Schnurren hatte er zu Dutzenden,
und erzählte sie besser als ich. Noch eine Drolerie
zeichnete sich aus, aus der alten französischen Geschichte.
Es lebte unweit Sens ein Kanzler von Frankreich auf seinen
Gütern und war als sehr guter Haushalter bekannt. Einst
kommt ein Bauer von seinem Gute in die Beichte und beichtet,
er habe dem Kanzler die Perücke gekämmt. Nun, seyd Ihr denn
sein Peruckenmacher? fragte der Beichtvater. &mdash; Nein;
ich habe sie ihm nur so gekämmt. &mdash; Das sind Possen;
die könnt ihr künftig bleiben lassen: was gehn Euch des
Kanzlers Perücken an. &mdash; Dieser geht mit der Absolution
fort und ein anderer kommt und beichtet, er habe dem Kanzler
die Perücke gekämmt. Die nehmliche Sünde, der nehmliche
Verweis, die nehmliche Vergebung: da kommt ein dritter mit
der nehmlichen Beichte. Das fällt dem geistlichen
<!-- pb n="443 " facs="#f0471"/ --> Herrn plötzlich auf, es
müsse eine ganz eigene Kämmerey seyn. Die Vorhergehenden
hielten in der Kirche noch etwas
Andacht; <span class="italic">écoutés
donc</span>, <span class="italic">Messieurs les
perruquiers</span>, ruft er ihnen
zu, <span class="italic">venés encore un peu ici</span>;
<span class="italic">il y a encore à peigner</span>. Was hat
das für eine Bewandtniss mit der Perücke? Nun erklärte denn
das beichtende Kleeblatt, der Kanzler habe sehr schöne
Heuschober draussen auf der Wiese stehen, und sie gingen
zuweilen mit dem Rechen hinaus und zögen rund herum
bedächtig herunter, dass es niemand merkte: das nennten sie
des Kanzlers Perücke kämmen. Die neue Manier die Perücke zu
behandeln wurde also nun scharf gerügt, untersagt und schwer
verpönt.</p>

<p>Nung fing der Herr an im Ernst sehr fromm zu erzählen,
was die heiligen Reliquien hier und da in der Nachbarschaft
von Paris wieder für Wunder thäten, und dem Himmel zu
danken, dass man endlich wieder anfange an die
allerheiligste Religion zu denken und sie nun wieder wagen
dürfe, ihr Haupt empor zu heben. Er erzählte wenigstens ein
halbes Dutzend ganz nagelneue Wunder, von denen ich
natürlich keins behalten habe. Er selbst hatte mit heissem
heiligen Eifer <span class="italic">un abregé precis sur la
verité de la religion chrétienne</span> geschrieben, so
hiess glaube ich der Titel, und das Buch dem Kardinal
Kaprara zugeschickt. Nach dem Tone zu urtheilen, kann ich
mir die Gründe denken. Der Kardinal habe ihm, wie er sagte,
ein schönes Belobungsschreiben gegeben und ihn aufgemuntert,
in seinem Eifer muthig fort zu fahren. Einen komplettern
Beweis für die Wahrheit in dem Buche kann man nun füglich
nicht verlangen, als das Urtheil und den Stempel des
Kardinals Kaprara.</p>

<!-- pb n="444 " facs="#f0472"/ -->
<p>Nun wurde von den alten Zeiten gesprochen, die Ceremonien
und Feyerlichkeiten des Hofs beschrieben und nicht ganz
leise hingedeutet, dass man die glückliche Rückkehr
derselben bald hoffe. Der geistliche Herr, der den Sprecher
machte und wirklich gut sprach, erhob nun vorzüglich die
Mätressen der Könige von Frankreich, von der schönen
Gabriele bis zur Pompadour und weiter herunter. Es wurde
dabey das Ehrengesetz der Galanterie nicht
vergessen: <span class="italic">Les rois ne font que des
princes, les princes font des nobles et les nobles des
roturiers</span>. Er behauptete aus gar nicht unscheinbaren
Gründen, dass alle diese Damen sehr gutmüthige Geschöpfe
gewesen, und ich bin selbst der Meinung, dass sie dem Reiche
weit weniger Schaden zugefügt haben als die Minister und die
Könige selbst, deren Schwachheiten gegen beyde oft unerhört
waren. Nur klang die Apologie aus dem Munde eines sehr
orthodoxen Geistlichen etwas drollig. Gegen Bonaparte hatte
er weiter nichts, als dass er zu schnell gehe, dass man aber
von dem grossen Manne noch nicht urtheilen dürfe. Da hatte
ich denn freylich gesündigt; denn ich hatte nun leider
einmal geurtheilt. Das Urtheil über öffentliche Männer, es
mag wahr oder falsch seyn, kommt nie zu früh, aber oft zu
spät. Mit frommer Andacht meinte er
noch, <span class="italic">que Bonaparte seroit le plus
grand homme de l'univers et de toute l'histoire, s'il
mettoit en se retirant le vrai rejetton sur le throne</span>.
Schwerlich wird der Konsul den Pfarrer zu seinem geheimen
Rath machen. Das alles wurde ohne viele Vorsicht öffentlich
in der Diligence geäussert: Du siehst, dass sich die Fahne
sehr gedreht hat. Man sagte laut,
<!-- pb n="445 " facs="#f0473"/ --> dass die Mehrheit den
König wünsche, und ihre Zuchtmeister mögen ihnen wohl den
Wunsch ausgepresst haben. Die Generale nannte man
nur <span class="italic">les mangeurs de la
republique,</span> und das ohne Zweifel mit
Recht<span class="italic">.</span></p>

<p>Unter diesen und andern Ventilationen kamen wir den 6sten
July in Paris an, wo man mich in das
<span class="italic">Hotel du Nord</span> in der Strasse
Quincampoi brachte, wo, wie ich höre, der berüchtigte Law
ehemals sein Wesen oder Unwesen trieb. Das war mir zu
entfernt von den Plätzen, die ich besuchen werde. Mein
erster Gang war Freund Schnorr aufzusuchen. Ich fand mit der
Addresse sogleich sein Haus und hörte zu meinem grossen
Leidwesen, dass er vor sieben Tagen schon abgereist war.
Seine Stube war noch leer, der Kolonnade des Louvers gegen
über; ich zog also wenigstens in seine Stube: und aus dieser
schreibe ich Dir, in der Hoffnung Dich bald selbst wieder zu
sehen; denn meine Börse wird mich bald genug erinnern die
väterlichen Laren zu suchen.</p>

</div> <!-- chapter -->

</body>
</html>