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+
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+<head>
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+ <title>Das Martyrium Homers</title>
+</head>
+<body>
+
+<div class="prose">
+
+ <h3 class="center">DAS MARTYRIUM HOMERS</h3>
+
+<p>
+ <span class="initial">I</span>CH protestiere feierlich gegen die unerhört kurzfristige
+Prophezeiung des genialen Dandy Ovid: »Vivet Maeonides,
+Tenedos dum stabit et Ida, dum rapidas Simois in mare volvet
+aquas.« Als ob Homer diese lausigen, durch das nächstfällige
+Erdbeben gehandikapten Örtlichkeiten nicht um Äonen
+überleben würde!</p>
+
+<p>
+Ich protestiere ferner gegen die tolle Verdrehung meines
+zynischen Freundes Lukian, Homer sei während des
+Trojanischen Krieges (1193—1184 v. Chr.) Dromedar in
+Baktrien gewesen. Wahr ist vielmehr das Trottelwort
+archaischer Pädagogen: »Sieben Städte stritten sich um die
+Ehre, Homer geboren zu haben: Smyrna, Rhodos, Kolophon,
+Salamis, Chios, Skyros, Athenai.«</p>
+
+<p>
+Warum sich aber die diversen Stadtväter so hartnäckig
+stritten, erfährt die leichtgläubig betrogene Nachwelt
+allerdings erst durch diesen Film.</p>
+
+<div class="center">1. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Homer dichtet die Ilias und die Odyssee; der alte Mann geht
+vor seinem Zelte, skandierend und die Leier schlagend, auf
+und nieder.</p>
+
+<div class="center">2. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Landgut des Odysseus: Homer trägt seinem König einiges vor.
+Odysseus läßt dem Sänger durch Sklaven einen Becher Wein
+reichen und ein Ehrengeschenk übergeben: eine
+milchstrotzende Kuh. Homer dankt freudig für die wandelnde
+Gabe, läßt sie durch einen Sklaven heimführen, trinkt und
+erklärt stolz, weinbesessen, kein Wesen hätte die Gabe mehr
+verdient als er. Und auf eine Statue des Phoibos Apollon
+deutend, versichert er, selbst dieser Gott hätte nicht
+besser, höchstens ebensogut dichten können wie er. Denn
+Apollon sei nur ein Stämmling des amusischen Zeus, er aber
+habe die Dichtkunst geerbt, ihn hätten Sänger, Phemios mit
+Demodokos, gezeugt.</p>
+
+<div class="center">3. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Auf dem Olymp, von den neun Musen umtanzt, hört Phoibos
+Apollon diese frevle Selbstanzeige des Dichters und stürmt
+durch den weißen Bergnebel nach Ithaka: über die Schultern
+den Bogen gelegt und den Köcher voll tosender Pfeile.</p>
+
+<div class="center">4. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Drohende Gebärden. Es kommt zum Wettkampf. Odysseus soll
+zwischen den Dichtern Apollon und Homer entscheiden. Apoll
+greift nach der Leier Homers. (Was der junge Gott singt,
+zeigt das)</p>
+
+<div class="center">5. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Achilleus lehnt seinen leuchtenden Schild gegen die Mauer
+und versucht, mit seinem ungeheuren Eschenspeer anrennend,
+die Tore Trojas zu durchbrechen. Der Speer zersplittert. Der
+rasende Achill will die Tore mit seinen Händen aus den
+Angeln heben. Vergebens warnt, von der Mauer her dräuend,
+Apollon, der Pelide läßt nicht ab, und wie er des alten
+Troja mürbe Tore auf seine Simsonschultern lädt, benützt ein
+Pfeil des Gottes die Achillesferse. Griechen und Troer
+kämpfen in den bekannten malerischen Posen um den Leichnam
+Achills. Während der dicke Aias die kühnsten Troer tötet,
+trägt Odysseus, schwer bedrängt, den Leichnam hinab zu den
+Schiffen... Dankbar verleiht Achills Mutter Thetis dem
+Odysseus die Waffen des Achill.</p>
+
+<div class="center">6. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Odysseus vernimmt diesen bestechenden Lobgesang mit Rührung,
+doch Homer bleibt unbewegt, sein Lied</p>
+
+<div class="center">7. BILD</div>
+<p class="margintop0">
+schildert die Liebe Apolls zu Daphne. Wie der verliebte Gott
+die sich über einer Quelle kämmende Nymphe beschleicht,
+belauscht, waldein, waldaus verfolgt — die fast Erhaschte im
+letzten Augenblick zu ihrer Mutter, der Erde, bittend die
+Hände erhebt und abwärts neigt, und von ihr in dürren
+Strauch verwandelt wird. So daß der Gott statt des süßen
+Mädchens den bitteren Lorbeer (daphne laurus) umfängt.</p>
+
+<div class="center">8. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Als Homer geendet, wird in Apollon der Schmerz um die
+geliebte Daphne neu, er verhüllt sein Haupt, gleichgültig
+gibt der weinende Gott zu, daß ihn Odysseus für besiegt
+erklärt, drückt mitleidsvoll die Hand Homers, fährt ihm
+bedauernd über Augen, Wangen und Schultern, und erklärt, da
+er besiegt sei, habe er nicht die Macht, von Homers Haupt
+das Schicksal eines Dichters abzuhalten.</p>
+
+<div class="center">9. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Odysseus, ein Ruder auf den Schultern, verabschiedet sich
+von Homer. Poseidon, dem er den Sohn Polyphemos geblendet
+hatte, zu versöhnen, muß Odysseus eine Wallfahrt
+unternehmen, die so lange dauern soll, bis er ein Binnenvolk
+erreicht, das sein Ruder für eine Schaufel hält. Odysseus
+empfiehlt den Dichter der Fürsorge Telemachs und
+Penelopes.</p>
+
+<div class="center">10. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Aber Telemach ist immer auf der Wildziegenjagd. Und Penelope
+gibt dem Dichter, da er sich im Hauswesen nicht sehr
+nützlich macht (ihrer schwersten, blaumaschigen, zahmen
+Lieblingsstopfgans einen Fuß zertritt), stets kleinere
+Portionen, bis er endlich schweren Herzens, halb und halb
+gedrängt durch einen Konkurrenten, den Hausbettler Iros, den
+Entschluß faßt, den Palast zu verlassen. Penelope schmiert
+ihm zwei Käsestullen, und Homer geht auf die
+Wanderschaft.</p>
+
+<div class="center">11. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Da er in frühester Kindheit die Eltern verlor, und seine
+Vaterstadt, die ihn im Greisenalter zu ernähren hätte, nicht
+kennt, begibt er sich zunächst nach Reich-Asien. Phöniker,
+denen er dafür die von Odysseus geschenkte Kuh gibt, nehmen
+ihn mit auf ihrem Schiff.</p>
+
+<div class="center">DIE ACHT LEIDENSSTATIONEN.<br />
+12. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+1. Smyrna. Bevor der von langer Seefahrt und Entbehrungen
+geschwächte Dichter die Stadt betritt, färbt er sein
+ergrautes Haupthaar und den Bart. Singt auf den Plätzen ums
+liebe Brot. Aber das Volk verlacht ihn — die Haarfarbe war
+schlecht gewesen, hatte ihm grüne Haar- und Bartlocken
+geliefert. Erschöpft setzt sich der arme, von höhnenden
+Kindern verfolgte Bettelmusikant im Stadtpark von Smyrna auf
+eine Bank und schläft ein, an die niedrige Stadtmauer
+gelehnt. Nicht gerührt durch die Tafel »Diese Anlagen sind
+dem Schutze des Publikums empfohlen« langt ein Kamel über
+die Mauer und frißt, durch die grüne Farbe verlockt, Homers
+Schädel rattenkahl. Seitdem trägt er eine Perücke,</p>
+
+<div class="center">13. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+2. Kolophon. Infolge zu starken Kolophoniumgebrauchs und
+unausgesetzten Harfenschlagens beginnen Homers Finger zu
+eitern. Er fürchtet, die Hand werde ihm abfaulen, sehnt sich
+nach Ruhe, Pflege. Geht halb verzweifelt, halb sehnsüchtig
+einem schönen Weibe nach in den Tempel des Apollon
+Kourotrophos. Beugt sich und fleht den Gott an, das Weib
+möge wilde Liebesnächte und frische Jünglinge verschmähen
+und sich seiner erbarmen. Aber sie neigt sich einem
+Tempeldiener, und Homer bleibt nichts anderes übrig, als
+auch weiterhin die Ilias sowie die Odyssee zu verfassen.</p>
+
+<div class="center">14. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+3. Rhodos. Enttäuscht verläßt Homer Asien. Auf Rhodos wird
+ihm anfangs guter Empfang bereitet. Aber dann wird er in die
+Königsburg geführt und, auf einen sanft verblödenden Greis
+deutend, versichert man ihm, dies sei der Heraklide
+Tlepolemos, den er in der Ilias von Sarpedons Hand habe
+fallen lassen. Hierauf erklärt ein Sohn des idiotischen
+Greises, ein Tlepolemiker, wütend, Homer habe einen
+Schlüsselroman geschrieben, und dem Dichter wird der
+fernerweitige Aufenthalt auf der Insel behördlich
+untersagt.</p>
+
+<div class="center">15. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+4. Chios. Der gute Wein dieser Insel hebt wieder Homers
+Stimmung. Er singt seine Lieder vor sich hin. Da nähert sich
+dem Vertrauensseligen ein Jüngling semitischen Aussehens:
+Phron. Bittet den Homer, ihm noch einiges vorzudeklamieren.
+Der Dichter tut es. Phron lobt ihn, bietet ihm an, selbst
+auch Homers Gesänge vorzutragen, und zwar allenthalben. Aber
+Homers Name sei noch jung und unbekannt, an Propaganda werde
+zwar alles Erdenkliche geschehen, doch dergleichen sei sehr
+kostspielig, kurz er nast ihm als »Entschädigung und
+Kostenbeitrag« den pramnischen Käse ab, den ein Bauer dem
+Dichter geschenkt, mäkelt dann noch an dem Käse und
+verschwindet auf Nimmerwiedersehn. Phron war — der erste
+Verleger.</p>
+
+<div class="center">16. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+5. Skyros. Die Skyrioten feiern die Hochzeit des Peliden
+Neoptolemos mit Helenas und Menelaus' Tochter Hermione. Der
+Sänger Achills wird vom nichtbesungenen, trunkenen Pyrrhus
+mit Hunden fortgehetzt.</p>
+
+<div class="center">17. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+6. Salamis. Homer kommt hier gerade zurecht, um einer zu
+Ehren des dicken Alias und des HEILIGEN Teukros abgehaltenen
+Prozession als Zuschauer beiwohnen zu können. Da der
+Kurzsichtige vor den Priestern die Perücke nicht abnimmt,
+wird er unter Pöbelgeheul von der Insel verjagt.</p>
+
+<div class="center">18. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+7. Athen. Als Homer vom Prytaneion ausgespeist zu werden
+verlangt, beantragt Platon, der Sohn des Kassner, den
+Rhapsoden, da der in seinen übrigens hypermodernen Gesängen
+Athen zu wenig genannt und auch sonst zu sehr der Unzucht
+gefrönt, unsittliche Vereinigungen des Zeus mit der Hera,
+des Ares mit der Aphrodite geschildert habe, durch das
+Scherbengericht aus Athen zu verbannen. Geschieht.</p>
+
+<div class="center">19. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+8. Jos. Halb erblindet und auf Vieren wankend, hier
+und da von mitleidigen Schiffern aufgenommen, irrt
+Homer von Stadt zu Stadt, von Insel zu Insel. Keine
+Bürgerschaft will ihn ernähren, er wird immer wieder
+als lästiger Ausländer abgeschoben, die Stadtväter
+jeglicher Gemeinde verwahren sich energisch dagegen, daß
+dieser krüppelhafte Kerl ihrer Polis entsprossen sei.
+Am Strande von Jos ruht er endlich erschöpft aus.
+Fischerknaben, leere Netze auf den Schultern, steigen
+aus Booten und necken ihn. Geben ihm ein Rätsel
+auf: »Was wir gefangen haben, ließen wir zurück.
+Was wir nicht gefangen haben, tragen wir bei uns.«
+Homer sinnt verzweifelt, kann die Lösung nicht finden.
+Ein Phron ähnlicher Knabe: der Sohn des Phron, klärt
+ihn auf, da sie keine Fische zu fangen vermocht, hätten
+sie sich am Strande die Läuse gesucht, die Gefangenen
+getötet, die Nichtgefangenen unfreiwillig nach Hause
+mitgenommen... Die Lausbuben ziehen ab. Homer
+schüttelt klagend das Haupt, vor Gram, nun auch
+geistig gealtert über das einfache Rätsel der Jungen
+gestrauchelt zu sein, stürzt er sich von den Klippen ins Meer.</p>
+
+<div class="center">20. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Das arme Grab Homers auf Jos. Inschrift: »Hier
+deckt die Erde das heilige Haupt Homers, der in
+seinen Liedern die Helden sang.«</p>
+
+<div class="center">21. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Zeigt den Bauch des Regierungsrats Professor
+Methusalem Leichenstil, der, um schneller zu avancieren,
+sich allen bildlichen Schmuck des achilleischen Schilds
+auf den Bauch tätowieren ließ.</p>
+
+<div class="center">22. BILD.</div>
+<p class="margintop0">
+Unterrichtsstunde bei Professor Leichenstil. Neben
+dem Katheder steht, Phron und dessen das Rätsel
+erklärendem Sohne sehr ähnlich sehend, der Primus Eugen
+Pelideles. Schnattert: Sieben Städte stritten sich um die
+Ehre, Homer geboren zu haben: »Smyrna, Rhodos,
+Kolophon, Salamis, Chios, Skyros, Athenai.«</p>
+
+<p>
+Meer wogt gegen das Kathederpodium, auf den Wogen
+daher treibt ein Leichnam: Homer. Wie der Blick seiner
+toten Augen auf Pelideles fällt, beginnen seine
+Wunden zu bluten... und über alles und alle stürzt das
+Wasser der Zeit.</p>
+
+</div>
+</body>
+</html>