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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:26:18 +0100 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:26:18 +0100 |
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Böhm im Kognak stieg heraus, tanzte hinter den +Kristallflacons der farbigen Schnäpse, leise trällernd den +Cancan des Chamäleons serpentina alcoholica. </p> + +<p> +Die Monde der Bogenlampen wurden obscön, ihre Strahlen +fingerten in der Dekolletage der Damen, man hörte auf +Bebuquins leise trockene Stimme, der von seiner letzten +Liebschaft erzählte.</p> + +<p class="center"> +»Der Abschied von der Symetrie.</p> + +<p> +Meine letzte Geliebte stand im Garten zur sympathischen +Kurve – ist eine Vase aus Knidos. Ein reiches Weib +besass sie, konnte sie aber nicht um sich ertragen, weil sie +die Konkurrenz mit der Vase nicht bestreiten konnte. Sie +stiess bedeutend mit der Zunge an und sah ästhetische +Jünglinge bei sich. Um Bildung zu markieren, zeigte die Dame +den Jünglingen stets die knidische Vase. Also die Jünglinge +verglichen kunstgewerblich die Dame mit der Vase. Der Pot +hatte unbedingt die Form eines schlanken Weibes, die Dame +zog dabei den kürzeren und kam mit ihrer Liebe zur Kunst +nicht auf ihre Kosten. Diese Vase ruinierte mich fast, meine +Sinne waren ziemlich abstrakt gestimmt. Ich suchte +wochenlang nach der Frau, welche die Proportionen der Vase +habe. Selbstverständlich vergeblich. Höchstens die Puppe in +Euphemias billiger Erstarrnis. Aber das stimmte alles nicht. +Im Traum stieg ich zur Vase und zerbrach sie regelmässig. +Das Gefäss machte mich zum Klassizisten, zum symmetrisch +geteilten Stilisten. Da fand ich's. Die Symmetrie ist wie +die platonische Idee eine tote Ruhe. Böhm sagte mal, ich +sollte mir ein Bein amputieren. Das war brutal, aber ganz +richtig. Doch die Sache war mir damals nicht klar, die +Symmetrie ist langweilig wie Mechanik. Zuletzt liess ich mir +die knidische Vase schenken. Damit war der Dame des Hauses +und mir gedient. Nach einer ziemlich schlimmen Nacht schlug +ich den Topf entzwei. Es ging ums Leben. Seitdem bin ich +Romantiker geworden.«</p> + +<p> +Bebuquin sah gar nicht, dass die Hetäre und Euphemia +krampfhaft unter den Bogenlampen sassen, Liköre tranken und +in das Licht starrten. Lippenknabe küsste seine Maitresse +auf den Arm. Grell schrie sie auf und wehrte den Maler +deutlich mit einer langen, spitzen Hutnadel aus dem +zuckenden Lichtkreis ab.</p> + +<p> +Er zog sich notgedrungen zurück.</p> + +<p> +Die Frauen lagen verzückt unter den starren, stechenden +Dolchen der Bogenlampen.</p> + +<p> +Sie stöhnten wie Tiere.</p> + +<p> +Die Lampen begannen zu zucken, sie zischten.</p> + +<p> +Bebuquin drehte die Leitung ab.</p> + +<p> +Die Frauen schraken verstört auf.</p> + +<p> +Der Maler sagte eifersüchtig »Sonnenkult« und ging.</p> + +<p> +Bebuquin blieb mit den Frauen. Man trank weiter, der Alkohol +redete wie Gott aus dem Munde der Propheten.</p> + +<p> +Der fahle Morgen betupfte die Scheiben.</p> + +<p> +Er krauchte die Häusermauern hinunter.</p> + +<p> +Die drei Leute ängstigten sich vor der Trennung.</p> + +<p> +Denn man geht erst, wenn die Erschöpfung vollendet ist.</p> + +<p> +Sie kauerten zusammen, eine kalte, feuchte Schlange zog sich +immer enger um die drei.</p> + +<p> +Der Schrecken des Farbenwechsels der übergehenden Zeiten +machte sie stumm. Die Nacht, welche die vom Licht +übergrellten Gesichte liebt, starb in den Tag hinein. Man +fühlte, man müsse die Nächte zu einem ernsten Training +benutzen, denn die drei wollten um jeden Preis Visionäre +werden, ganz unmenschlich sein. Sie waren ihres Körpers und +seiner Formen unabweislich müde geworden und spürten, dass +sie sich verzerren müssten.</p> + +<p> +Unter der blöden Sonne gingen die Grauen heim. </p> + +<p> +Die Landschaft war auf ein Brett gestrichen, die +aufgerissenen Augen spürten nicht mehr vor Ueberreizung, +dass es heller und klarer wurde. Das Licht der Glühlampen +und die sie umhüllende Finsternis steckte noch in den +Sehnerven. Bebuquin suchte weinend der Sonne in einen +imaginären Bauch zu treten. Ein Brillant über Euphemias +Décoleté fing das unverbrauchte Morgenlicht auf, +konzentrierte das Licht. Giorgio erschrak vor der +blitzenden, schrie »verflucht« und suchte ihre Wohnung auf. +Die Hetäre zog allein weiter. Man liess sie unbenutzt +stehen, sie spannte ihren pfaufarbenen Schirm auf, sprang +wild ein paarmal in die Höhe, dann fügte sie sich in die +Fläche einer Litfass-Säule, sie war nur ein Plakat gewesen +für die neueröffnete Animierkneipe »Essay«.</p> + +</body> +</html> |