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authorPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2020-03-04 16:18:38 +0100
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+<head>
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+ <title>Emilie vor ihrem Brauttag.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>Emilie</h4>
+
+<div class="subtitle spaced">vor ihrem Brauttag.</div>
+
+
+
+<h5>Emilie an Klara.</h5>
+
+<p><span class="rightalign">Ich bin im Walde mit dem Vater draus</span><br />
+Gewesen, diesen Abend, auf dem Pfade,<br />
+Du kennest ihn, vom vor'gen Frühlinge.<br />
+Es blühten wilde Rosen nebenan,<br />
+Und von der Felswand überschattet' uns<br />
+Der Eichenbüsche sonnenhelles Grün;<br />
+Und oben durch der Buchen Dunkel quillt<br />
+Das klare flüchtige Gewässer nieder.<br />
+Wie oft, du Liebe! stand ich dort und sah<br />
+Ihm nach aus seiner Bäume Dämmerung<br />
+Hinunter in die Ferne, wo zum Bach<br />
+Es wird, zum Strome, sehnte mich mit ihm<br />
+Hinaus &mdash; wer weiß wohin?</p>
+
+<p><span class="rightalign">Das hast du oft</span><br />
+Mir vorgeworfen, daß ich immerhin<br />
+Abwesend bin mit meinem Sinne, hast<br />
+Mir's oft gesagt, ich habe bei den Menschen<br />
+Kein friedlich Bleiben nicht, verschwende<br />
+Die Seele an die Lüfte, lieblos sey<br />
+Ich öfters bei den Meinen. Gott! ich lieblos?</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wohl mag es freudig seyn und schön, zu bleiben,</span><br />
+Zu ruhn in einer lieben Gegenwart,<br />
+Wenn eine große Seele, die wir kennen,<br />
+Vertraulich nahe waltet über uns,<br />
+Sich um uns schließt, daß wir, die Heimatlosen,<br />
+Doch wissen, wo wir wohnen.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Gute! Treue!</span><br />
+Doch hast Du recht. Bist denn Du nicht mir eigen?<br />
+Und hab' ich ihn den theuern Vater nicht,<br />
+Den Heiligjugendlichen, Vielerfahrnen,<br />
+Der, wie ein stiller Gott auf dunkler Wolke,<br />
+Verborgenwirkend über seiner Welt<br />
+Mit freiem Auge ruht? und wenn er schon<br />
+Ein Höher's weiß, und ich des Mannes Geist<br />
+Nur ahnen kann, doch ehrt er liebend mich,<br />
+Und nennt mich seine Freude, ja! und oft<br />
+Giebt eine neue Seele mir sein Wort.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Dann möcht' ich wohl den Segen, den er gab,</span><br />
+Mit Einem, das ich liebte, gerne theilen.<br />
+Und bin allein &mdash; ach! ehmals war ich's nicht!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Mein Eduard! mein Bruder! denkst du sein</span><br />
+Und denkst du noch der frommen Abende,<br />
+Wenn wir im Garten oft zusammensaßen<br />
+Nach schönem Sommertage, wenn die Luft<br />
+Um unsre Stille freundlich athmete,<br />
+Und über uns des Aethers Blumen glänzten?<br />
+Wenn von den Alten er, den Hohen! uns<br />
+Erzählte, wie in Freude sie und Freiheit<br />
+Aufstrebten, seine Meister? Tönender<br />
+Hub dann aus seiner Brust die Stimme sich,<br />
+Und zürnend war und liebend oft voll Thränen<br />
+Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten<br />
+Der Abende, wie nun, da Großes ihm<br />
+Bevorstand, ruhiger der Jüngling war,<br />
+Noch mit Gesängen, die wir gerne hörten,<br />
+Und mit der Zither uns die Trauernden<br />
+Vergnügt'!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ich seh' ihn immer, wie er gieng.</span><br />
+Nie war er schöner kühn, die Seele glänzt'<br />
+Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat<br />
+Er vor den alten Vater. Kann ich Glück<br />
+Von dir empfangen! sprach er, heil'ger Mann!<br />
+So wünsche lieber mir das größte, denn<br />
+Ein anderes! und betroffen schien der Vater.<br />
+Wenn's seyn soll, wünsch' ich dir's, antwortet' er.<br />
+Ich stand beiseit, und wehemüthig sah<br />
+Der Scheidende mich an und rief mich laut;<br />
+Mir bebt' es durch die Glieder, und er hielt<br />
+Mich zärtlich fest, in seinen Armen stärkte<br />
+Der Starke mir das Herz, und da ich aufsah<br />
+Nach meinem Lieben, war er fortgeeilt.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Ein edel Volk ist hier auf Korsika;«</span><br />
+Schrieb freudig er im letzten Briefe mir,<br />
+»Wie wenn ein zahmer Hirsch zum Walde kehrt<br />
+»Und seine Brüder trifft, so bin ich hier,<br />
+»Und mir bewegt im Männerkriege sich<br />
+»Die Brust, daß ich von allem Weh genese.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Wie lebst Du, theure Seele! und der Vater?</span><br />
+»Hier unter frohem Himmel, wo zu schnell<br />
+»Die Frühlinge nicht altern, und der Herbst<br />
+»Aus lauer Luft die goldnen Früchte streut.<br />
+»Auf dieser guten Insel werden wir<br />
+»Uns wiedersehen; dieß ist meine Hoffnung.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Ich lobe mir den Feldherrn. Oft im Traum'</span><br />
+»Hab' ich ihn fast gesehen, wie er ist,<br />
+»Mein Paoli, noch eh' er freundlich mich<br />
+»Empfing und zärtlich vorzog, wie der Vater<br />
+»Den Jüngstgebornen, der es mehr bedarf.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Und schämen muß ich vor den andern mich,</span><br />
+»Den furchtbarstillen, ernsten Jünglingen.<br />
+»Sie dünken traurig dir bei Ruh und Spiel;<br />
+»Unscheinbar sind sie, wie die Nachtigall,<br />
+»Wenn von Gesang sie ruht; am Ehrentag'<br />
+»Erkennst Du sie. Ein eigen Leben ist's! &mdash;<br />
+»Wenn mit der Sonne wir, mit heil'gem Lied'<br />
+»Heraufgehn übern Hügel, und die Fahnen<br />
+»In's Thal hinab im Morgenwinde wehn,<br />
+»Und drunten auf der Ebne fernher sich,<br />
+»Ein gährend Element, entgegen uns<br />
+»Die Menge regt und treibt, da fühlen wir<br />
+»Frohlockender, wie wir uns herrlich lieben;<br />
+»Denn unter unsern Zelten und auf Wogen<br />
+»Der Schlacht begegnet uns der Gott, der uns<br />
+»Zusammenhält.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Wir thun, was sich gebührt,</span><br />
+»Und führen wohl das edle Werk hinaus.<br />
+»Dann küßt ihr noch den heimathlichen Boden,<br />
+»Den trauernden, und kommt und lebt mit uns,<br />
+»Emilie! &mdash; Wie wird's dem alten Vater<br />
+»Gefallen, bei den Lebenden noch Einmal<br />
+»Zum Jüngling aufzuleben und zu ruhn<br />
+»In unentweihter Erde, wenn er stirbt.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Denkst du des tröstenden Gesanges noch,</span><br />
+»Emilie, den seiner theuern Stadt<br />
+»In ihrem Fall der stille Römer sang, <sup>*</sup>)<br />
+»Noch hab' ich Einiges davon im Sinne.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Klagt nicht mehr! kommt in neues Land! so sagt' er.</span><br />
+»Der Ocean, der die Gefild' umschweift,<br />
+»Erwartet uns. Wir suchen selige<br />
+»Gefilde, reiche Inseln, wo der Boden<br />
+»Noch ungepflügt die Früchte jährlich giebt,<br />
+»Und unbeschnitten noch der Weinstock blüht,<br />
+»Wo der Olivenzweig nach Wunsche wächst,<br />
+»Und ihren Baum die Feige keimend schmückt,<br />
+»Wo Honig rinnt aus hohler Eich' und leicht<br />
+»Gewässer rauscht von Bergeshöhe. Noch Manches<br />
+»Bewundern werden wir, die Glücklichen.<br />
+»Es sparte für ein frommes Volk Saturnus Sohn<br />
+»Dieß Ufer auf, da er die goldne Zeit<br />
+»Mit Erze mischte. &mdash; Lebe wohl, du Liebe!«</p>
+
+<p><span class="rightalign">Der Edle fiel des Tags darauf im Treffen</span><br />
+Mit seiner Liebsten Einem, ruht mit ihm<br />
+In Einem Grab!</p>
+
+<p><span class="rightalign">In deinem Schoose ruht</span><br />
+Er, schönes Korsika! und deine Wälder<br />
+Umschatten ihn, und deine Lüfte wehn<br />
+Am milden Herbsttag freundlich über ihm,<br />
+Dein Abendlicht vergoldet seinen Hügel.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ach! dorthin möcht' ich wohl, doch hälf' es nicht.</span><br />
+Ich sucht' ihn, so wie hier. Ich würde fast<br />
+Dort weniger, wie hier, mich sein entwöhnen.<br />
+So wuchs ich auf mit ihm, und weinen muß ich<br />
+Und lächeln, denk' ich, wie mir's ehmals oft<br />
+Beschwerlich ward, dem Wilden nachzukommen,<br />
+Wenn nirgend er beim Spiele bleiben wollte.<br />
+Nun bist du dennoch fort und lässest mich<br />
+Allein, du Lieber! und ich habe nun<br />
+Kein Bleiben auch, und meine Augen sehn<br />
+Das Gegenwärtige nicht mehr, o Gott!<br />
+Und mit Phantomen peiniget und tröstet<br />
+Nun meine Seele sich, die einsame.<br />
+Das weißt du, gutes Mädchen! nicht, wie sehr<br />
+Ich unvernünftig bin. Ich will dir's all'<br />
+Erzählen. Morgen! Mich besucht doch immer<br />
+Der süße Schlaf, und wie die Kinder bin ich,<br />
+Die besser schlummern, wenn sie ausgeweint.</p>
+
+<div class="footnote"><sup>*</sup>) Horaz Epod. 16, v. 39 sqq.</div>
+
+
+
+<h5>Emilie an Klara.</h5>
+
+<p><span class="rightalign">Der Vater schwieg im Leide tagelang,</span><br />
+Da er's erfuhr; und scheuen mußt' ich mich,<br />
+Mein Weh ihm sehn zu lassen; lieber gieng<br />
+Ich dann hinaus zum Hügel und das Herz<br />
+Gewöhnte mir zum freien Himmel sich.<br />
+Ich tadelt' oft ein wenig mich darüber,<br />
+Daß nirgend mehr im Hause mirs gefiel.<br />
+Vergnügt mit Allem war ich ehmals da,<br />
+Und leicht war Alles mir. Nun ängstigt es<br />
+Mich oft; noch trieb ich mein Geschäft, doch leblos,<br />
+Bis in die Seele stumm in meiner Trauer.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Es war, wie in der Schattenwelt, im Hause.</span><br />
+Der stille Vater und das stumme Kind!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wir wollen fort auf eine Reise, Tochter!</span><br />
+Sagt' eines Tags mein Vater und wir giengen,<br />
+Und kamen dann zu Dir. In diesem Land',<br />
+An deines Nekars friedlichschönen Ufern,<br />
+Da dämmert eine stille Freude mir<br />
+Zum erstenmale wieder auf. Wie oft<br />
+Im Abendlichte stand ich auf dem Hügel<br />
+Mit dir, und sah das grüne Thal hinauf,<br />
+Wo zwischen Bergen, da die Rebe wächst,<br />
+An manchem Dorf vorüber, durch die Wiesen<br />
+Zu uns herab, von luft'ger Weid' umkränzt,<br />
+Das goldne ruhige Gewässer wallte!<br />
+Mir bleibt die Stelle lieb, wo ich gelebt.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ihr heiter freien Ebenen des Mains,</span><br />
+Ihr reichen, blühenden! wo nahe bald<br />
+Der frohe Strom, des stolzen Vaters Liebling,<br />
+Mit offnem Arm' ihn grüßt, den alten Rhein!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Auch ihr! Sie sind wie Freunde mir geworden,</span><br />
+Und aus der Seele mir vergehen soll<br />
+Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Busen,<br />
+So soll mir auch die Freude lebend bleiben.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Erzählen wollt' ich dir, doch hell ist nie</span><br />
+Das Auge mir, wenn dessen ich gedenke;<br />
+Vor seinen kindischen, geliebten Träumen<br />
+Bebt immer mir das Herz.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wir reisten dann</span><br />
+Hinein in andre Gegenden, ins Land<br />
+Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten<br />
+Der wilden, heil'gen Berge lebten wir,<br />
+Die Sommertage durch, und sprachen gern<br />
+Von Helden, die daselbst gewohnt, und Göttern.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Noch giengen wir des Tages, ehe wir</span><br />
+Vom Orte schieden, in den Eichenwald<br />
+Des herrlichen Gebirgs hinaus, und standen<br />
+In kühler Luft auf hoher Heide nun.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Hier unten in dem Thale schlafen sie</span><br />
+»Zusammen, sprach mein Vater, lange schon,<br />
+»Die Römer mit den Deutschen, und es haben<br />
+»Die Freigebornen sich, die stolzen, stillen,<br />
+»Im Tode mit den Welteroberern<br />
+»Versöhnt, und Großes ist und Größeres<br />
+»Zusammen in der Erde Schoos gefallen.<br />
+»Wo seyd ihr, meine Todten all'? Es lebt<br />
+»Der Menschengenius, der Sprache Gott,<br />
+»Der alte Braga noch, und Hertha grünt<br />
+»Noch immer ihren Kindern, und Walhalla<br />
+»Blaut über uns, der heimathliche Himmel;<br />
+»Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht.«</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ich sah hinab und leise schauerte</span><br />
+Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn,<br />
+Den Guten, die hier unten vormals lebten.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Jetzt stand ein Jüngling, der, uns ungesehen,</span><br />
+Am einsamen Gebüsch beiseit gesessen,<br />
+Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt'<br />
+Ich rufen, das ist Eduard! &mdash; Du bist<br />
+Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und sah<br />
+Den Jüngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen,<br />
+Er faßte schnell mich bei der Hand und zog<br />
+Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umsehn.<br />
+Derselbe wars und nicht derselbe! Stolz und groß,<br />
+Und Aug' und Stirn' und Locke; schärfer blickt'<br />
+Er nur, und um die seelenvolle Miene<br />
+War, wie ein Schleier, ihm ein stiller Ernst<br />
+Gebreitet. Und er sah mich an. Es war,<br />
+Als sagt' er, gehe nur auch du, so geht<br />
+Mir alles hin, doch duld' ich aus und bleibe.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wir reisten noch desselben Abends ab,</span><br />
+Und langsamtraurig fuhr der Wagen weiter<br />
+Und weiter durchs unwegsame Gebirg.<br />
+Es wechselten in Nebel und in Regen<br />
+Der Bäum' und des Gebüsches dunkle Bilder<br />
+Im Walde nebenan. Der Vater schlief,<br />
+In dumpfem Schmerze träumt' ich hin, und kaum<br />
+Nur eben noch, die lange Zeit zu zählen,<br />
+War mir die Seele wach.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ein schöner Strom</span><br />
+Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es standen<br />
+Im breiten Boot die Schiffer am Gestad';<br />
+Die Pferde traten folgsam in die Fähre,<br />
+Und ruhig schifften wir. Erheitert war<br />
+Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet'<br />
+Und Hütten, wo der fromme Landmann schlief,<br />
+Aus blauer Luft das stille Mondlicht nieder;<br />
+Und alles dünkte friedlich mir und sorglos,<br />
+In Schlaf gesungen von des Himmels Sternen.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Und ich sollt' ohne Ruhe seyn von nun an.</span><br />
+Verloren ohne Hoffnung mir an Fremdes<br />
+Die Seele meiner Jugend! Ach! ich fühlt'<br />
+Es jetzt, wie es geworden war mit mir.<br />
+Dem Adler gleich, der in der Wolke fliegt,<br />
+Erschien und schwand mir aus dem Auge wieder,<br />
+Und wieder mir des hohen Fremdlings Bild,<br />
+Daß mir das Herz erbebt' und ich umsonst<br />
+Mich fassen wollte. Schliefst du gut, mein Kind!<br />
+Begrüßte nun der gute Vater mich,<br />
+Und gerne wollt' ich auch ein Wort ihm sagen.<br />
+Die Thränen doch erstickten mir die Stimme,<br />
+Und in den Strom' hinunter mußt' ich sehn,<br />
+Und wußte nicht, wo ich mein Angesicht<br />
+Verbergen sollte.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Glückliche! die du</span><br />
+Dieß nie erfahren, überhebe mein<br />
+Dich nicht. Auch du, und wer von allen mag<br />
+Sein eigen bleiben unter dieser Sonne?<br />
+Oft meint' ich schon, wir leben nur, zu sterben,<br />
+Uns opfernd hinzugeben für ein Anders.<br />
+O schön zu sterben, edel sich zu opfern,<br />
+Und nicht so fruchtlos, so vergebens, Liebe!<br />
+Das mag die Ruhe der Unsterblichen<br />
+Dem Menschen seyn.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Bedaure du mich nur!</span><br />
+Doch tadeln, Gute, sollst du mir es nicht!<br />
+Nennst du sie Schatten, jene, die ich liebe?<br />
+Da ich kein Kind mehr war, da ich ins Leben<br />
+Erwachte, da aufs neu mein Auge sich<br />
+Dem Himmel öffnet' und dem Licht, da schlug<br />
+Mein Herz dem Schönen; und ich fand es noch;<br />
+Wie soll ichs nennen, nun es nicht mehr ist<br />
+Für mich? O laßt! Ich kann die Todten lieben,<br />
+Die Fernen; und die Zeit bezwingt mich nicht.<br />
+Mein oder nicht! du bist doch schön, ich diene<br />
+Nicht Einem, was der Stunde nur gefällt,<br />
+Dem Täglichen gehör ich nicht; es ist<br />
+Ein Anders, was ich lieb'; unsterblich<br />
+Ist, was du bist, und du bedarfst nicht meiner,<br />
+Damit du groß und gut und liebenswürdig<br />
+Und herrlich seyst, du edler Genius!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Laßt nur mich stolz in meinem Leide seyn,</span><br />
+Und zürnen, wenn ich ihn verläugnen soll;<br />
+Bin ich doch sonst geduldig, und nicht oft<br />
+Aus meinem Munde kömmt ein Männerwort.<br />
+Demüthigt michs doch schon genug, daß ich,<br />
+Was ich dir lang verborgen, nun gesagt.</p>
+
+
+
+<h5>Emilie an Klara.</h5>
+
+<p><span class="rightalign">Wie dank' ich dir, du Liebe, daß du mir</span><br />
+Vertrauen abgewonnen, daß ich dir<br />
+Mein still Geheimniß ausgesprochen.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ich bin nun ruhiger &mdash; wie nenn' ichs dir?</span><br />
+Und an die schönen Tage denk' ich, wenn ich oft<br />
+Hinaus ging mit dem Bruder, und wir oben<br />
+Auf unserm Hügel beieinander saßen,<br />
+Und ich den Lieben bei den Händen hielt,<br />
+Und mirs gefallen ließ am offnen Feld'<br />
+Und an der Straß', und ins Gewölb' hinauf<br />
+Des grünen Ahorns staunt', an dem wir lagen.<br />
+Ein Sehnen war in mir, doch war ich still.<br />
+Es blühten uns der ersten Hoffnung Tage,<br />
+Die Tage des Erwachens.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Holde Dämm'rung!</span><br />
+So schön ists, wenn die gütige Natur<br />
+Ins Leben lockt ihr Kind. Es singen nur<br />
+Den Schlummersang am Abend unsre Mütter.<br />
+Sie brauchen nie das Morgenlied zu singen.<br />
+Dieß singt die andre Mutter uns, die gute;<br />
+Die wunderbare, die uns Lebenslust<br />
+In unsern Busen athmet, uns mit süßen<br />
+Verheißungen erweckt.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wie ist mir, Liebe!</span><br />
+Ich kann an Jugend heute nur, und nur<br />
+An Jugend denken.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Sieh! ein heitrer Tag</span><br />
+Ists eben auch. Seit frühem Morgen sitz' ich<br />
+Am lieben Fenster, und es wehn die Lüfte,<br />
+Die zärtlichen, herein, mir blickt das Licht<br />
+Durch meine Bäume, die zu nahe mir<br />
+Gewachsen sind, und mählig mit den Blüthen<br />
+Das ferne Land verhüllen, daß ich mich<br />
+Bescheiden muß, und hie und da noch kaum<br />
+Hinaus mich find' aus diesem freundlichen<br />
+Gefängniß! und es fliegen über ihnen<br />
+Die Schwalben und die Lerchen, und es singen<br />
+Die Stunde durch genug die Nachtigallen,<br />
+Und wie sie heißen, all die Lieblinge<br />
+Der schönen Jahrszeit; eigne Namen möcht'<br />
+Ich ihnen geben, und den Blumen auch,<br />
+Den stillen, die aus dunklem Beete duften,<br />
+Zu mir herauf wie junge Sterne glänzend.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Und wie es lebt und glücklich ist im Wachsthum,</span><br />
+Und seiner Reise sich entgegen freut!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Es findet jedes seine Stelle doch,</span><br />
+Sein Haus, die Speise, die das Herz ihm sättigt,<br />
+Und jedes segnest du mit eignem Segen,<br />
+Natur! und giebst dich ihnen zum Geschäft,<br />
+Und trägst und nährst zu ihrer Blüthenfreud'<br />
+Und ihrer Frucht sie fort, du gütige!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Und klagtest du doch öfters, trauernd Herz!</span><br />
+Vergaßest mir den Glauben, danktest nicht,<br />
+Und dachtest nicht, wenn dir dein Thun zu wenig<br />
+Bedeuten wollt', es sey ein frommes Opfer,<br />
+Das du, wie andre, vor das Leben bringest,<br />
+Wohl meinend, wie der Lerche Lied, das sie<br />
+Den Lüften singt, den freudegebenden. &mdash;</p>
+
+<p><span class="rightalign">Nun geh' ich noch hinaus und hole Blumen,</span><br />
+Dem Vater aus dem Feld', und bind' ihm sie<br />
+In Einen Straus, die drunten in dem Garten,<br />
+Und die der Bach erzog; ich wills schon richten,<br />
+Daß ihm's gefallen soll. Und dir? dir bring' ich<br />
+Genug des Neuen. Da ist's immer anders.<br />
+Jetzt blühn die Weiden; jetzt vergolden sich<br />
+Die Wiesen; jetzt beginnt der Buche Grün,<br />
+Und jetzt der Eiche &mdash; nun! leb' wohl indessen!</p>
+
+ <h5>Emilie an Klara.</h5>
+<p><span class="rightalign">Ihr Himmlischen! das war er. Kannst du mir</span><br />
+Es glauben? &mdash; Beste! &mdash; wärst du bei mir! &mdash; Er!<br />
+Der Hohe, der Gefürchtete, Geliebte! &mdash;<br />
+Mein bebend Herz, hast du so viel gewollt?</p>
+
+<p><span class="rightalign">Da gieng ich so zurück mit meinen Blumen,</span><br />
+Sah auf den Pfad, den abendröthlichen,<br />
+In meiner Stille nieder, und es schlief<br />
+Mir sanft im Busen das Vergangene,<br />
+Ein kindlich Hoffen athmete mir auf;<br />
+Wie wenn uns zwischen süßem Schlaf und Wachen<br />
+Die Augen halb geöffnet sind, so war<br />
+Ich Blinde. Sieh! da stand er vor mir mein<br />
+Heroe und ich Arme war, wie todt,<br />
+Und ihm, dem Brüderlichen, überglänzte<br />
+Das Angesicht, wie einem Gott, die Freude.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Emilie!« &mdash; das war sein frommer Gruß,</span><br />
+Ach! alles Sehnen weckte mir und all<br />
+Das liebe Leiden, so ich eingewiegt,<br />
+Der goldne Ton des Jünglings wieder auf!<br />
+Nicht aufsehn durft' ich! keine Sylbe durft'<br />
+Ich sagen! O, was hätt' ich ihm gesagt!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Was mein' ich denn, du Gute? &mdash; laß mich nur!</span><br />
+Nun darf ich ja, nun ists so thöricht nimmer,<br />
+Und schön ist's, wenn der Schmerz mit seiner Schwester<br />
+Der Wonne sich versöhnt, noch eh' er weggeht.</p>
+
+<p><span class="rightalign">O Wiedersehn! das ist noch mehr, du Liebe!</span><br />
+Als wenn die Bäume wieder blühn, und Quellen<br />
+Von neuem fröhlich rauschen &mdash;</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ja! ich hab'</span><br />
+Ihn oft gesucht und ernstlich oft es mir<br />
+Versagt, doch wollt' ich sein Gedächtniß ehren.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Die Bilder der Gespielen, die mit mir</span><br />
+Auf grüner Erd' in stummer Kindheit saßen,<br />
+Sie dämmern ja um meine Seele mir,<br />
+Und dieser edle Schatte, sollt' er nicht?<br />
+Das Herz im Busen, das unsterbliche,<br />
+Kann nicht vergessen, sieh! und öfters bringt<br />
+Ein guter Genius die Liebenden<br />
+Zusammen, daß ein neuer Tag beginnt,<br />
+Und ihren Mai die Seele wieder feiert.</p>
+
+<p><span class="rightalign">O wunderbar ist mir! auch er! &mdash; daß du</span><br />
+Hinunter mußtest, Lieber! ehe dir<br />
+Das deine ward, und dich die frohe Braut<br />
+Zum Männerruhme segnete! Doch starbst<br />
+Du schön, und oft hab' ich gehört, es fallen<br />
+Die Lieblinge des Himmels früh, damit<br />
+Sie sterblich Glück und Leid und Alter nicht<br />
+Erfahren. Nimmermehr vergess' ich dich,<br />
+Und ehren soll er dich. Dein Bild will ich<br />
+Ihm zeigen, wenn er kömmt; und wenn der Stolze<br />
+Sich dann verwundert, daß er sich bei mir<br />
+Gefunden, sag' ich ihm, es sey ein Andrer,<br />
+Und den er lieben müsse. O er wirds!</p>
+
+
+
+<h5>Emilie an Klara.</h5>
+
+<p><span class="rightalign">Da schrieb er mir. Ja theures Herz! er ists,</span><br />
+Den ich gesucht. Wie dieser Jüngling mich<br />
+Demüthiget und hebt! Nun! lies es nur!<br />
+»So bist du's wieder und ich habe dich<br />
+»Gegrüßt, gefunden, habe dich noch Einmal<br />
+»In deiner frommen Ruh' gestört, du Kind<br />
+»Des Himmels! &mdash; Nein, Emilie! du kanntest<br />
+»Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir sind's,<br />
+»Die Längstverwandten, die der Gott getraut,<br />
+»Und bleiben wird es, wie die Sonne droben.<br />
+»Ich bin voll Freude, schöne Seele! bin<br />
+»Der neuen Melodien ungewohnt.<br />
+»Es ist ein anders Lied, als jenes, so<br />
+»Dem Jünglinge die Parze lehrend singt,<br />
+»Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weise tönt;<br />
+»Dann gönnt sie ihm, du Friedliche! von dir<br />
+»Den süßern Ton, den liebsten, einzigen,<br />
+»Zu hören. Mein? o sieh! du wirst in Lust<br />
+»Die Mühe mir, und, was mein Herz gebeut,<br />
+»Du wirst es all in heilge Liebe wandeln.<br />
+»Und hab' ich mit Unmöglichem gerungen,<br />
+»Und mir die Brust zu Treu und Ruh gehärtet,<br />
+»Du wärmest sie mit frommer Hoffnung mir,<br />
+»Daß sie vertrauter mit dem Siege schlägt.<br />
+»Und wenn das Urbild, das, wie Morgenlicht,<br />
+»Mir aus des Lebens dunkler Wolke stieg,<br />
+»Das Himmlische, mir schwindet, seh' ich dich,<br />
+»Und, eine schöne Götterbotin, mahnst<br />
+»Du lächelnd mich an meinen Phöbus wieder;<br />
+»Und wenn ich zürne, sänftigest du mich.<br />
+»Dein Schüler bin ich dann, und lausch' und lerne.<br />
+»Von deinem Munde nehm' ich, Zauberin<br />
+»Des Ueberredens süße Gabe mir,<br />
+»Daß sie die Geister freundlich mir bezwingt;<br />
+»Und wenn ich ferne war von dir, und wund<br />
+»Und müd dir wiederkehre, heilst du mich,<br />
+»Und singst in Ruhe mich, du holde Muse!</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Emilie! daß wir uns wiedersahn!</span><br />
+»Daß wir uns einst gefunden, und du nun<br />
+»Mich nimmer fliehst, und nahe bist! Zu gern<br />
+»Zu gern entwich dein stolzes Bild dem Wandrer,<br />
+»Das zarte, reine, da du ferne warst,<br />
+»Du Heiligschönes! doch ich sah dich oft,<br />
+»Wenn ich des Tags allein die Pfade gieng,<br />
+»Und Abends in der fremden Hütte schwieg.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»O heute! grüße, wenn du willst, den Vater!</span><br />
+»Ich kenn' ihn wohl; auch meinen Namen kennt er;<br />
+»Und seiner Freunde Freund bin ich. Ich wußte nicht,<br />
+»Daß er es war, da wir zuerst einander<br />
+»Begegneten, und lang erfuhr ich's nicht.<br />
+»Bald grüß' ich schöner dich. &mdash; Armenion.«</p>
+
+
+
+<h5>Emilie an Klara.</h5>
+
+<p><span class="rightalign">Er woll' ihn morgen sprechen, sagte mir</span><br />
+Mein Vater, morgen! und er schien nicht freundlich.<br />
+Nun sitz' ich hier und meine Augen ruhn<br />
+Und schlummern nicht; &mdash; ach! schämen muß ich mich,<br />
+Es dir zu klagen, &mdash; will ich stille werden,<br />
+So regt ein Laut mich auf; ich sinn' und bitte,<br />
+Und weiß nicht, was? und sagen möcht' ich viel,<br />
+Doch ist die Seele stumm; &mdash; o fragen möcht' ich<br />
+Die sorgenfreien Bäume hier, die Stralen<br />
+Der Nacht und ihre Schatten, wie es nun<br />
+Mir endlich werden wird.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Zu still ist's mir</span><br />
+In dieser schönen Nacht, und ihre Lüfte<br />
+Sind mir nicht hold, wie sonst. Die Thörin!<br />
+So lang er ferne war, so liebt' ich ihn;<br />
+Nun bin ich kalt, und zag' und zürne mir<br />
+Und andern. &mdash; Auch die Worte, so ich dir<br />
+In dieser bösen Stunde schreibe, lieb'<br />
+Ich nicht, und was ich sonst von ihm geschrieben,<br />
+Unleidlich ist es mir. Was ist es denn?<br />
+Ich wünsche fast, ich hätt' ihn nie gesehn.<br />
+Mein Friede war doch schöner. Theures Herz!<br />
+Ich bin betrübt, und anders, denn ichs war,<br />
+Da ich um den Verlornen trauerte.<br />
+Ich bin es nimmer, nein! ich bin es nicht,<br />
+Ich bin nicht gut, und seellos bin ich auch.<br />
+Mich läßt die Furcht, die häßliche, nicht ruhn.</p>
+
+<p><span class="rightalign">O daß der goldne Tag die Ruhe mir,</span><br />
+Mein eigen Leben wiederbrächt'! &mdash;</p>
+
+<p><span class="rightalign">Ich will</span><br />
+Geduldig seyn, und wenn der Vater ihn<br />
+Nicht ehrt, mir ihn versagt, den Theuren,<br />
+So schweig' ich lieber, und es soll mir nicht<br />
+Zu sehr die Seele kränken; kann ich still<br />
+Ihn ehren doch, und bleiben, wie ich bin.</p>
+
+
+
+<h5>Emilie an Klara.</h5>
+
+<p><span class="rightalign">Nun muß ich lächeln über alles Schlimme,</span><br />
+Was ich die vor'ge Nacht geträumt; und hab'<br />
+Ich dir es gar geschrieben? Anders bin<br />
+Ich itzt gesinnt.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Er kam, und mir frohlokte</span><br />
+Das Herz, wie er herab die Straße ging,<br />
+Und mir das Volk den fremden Herrlichen<br />
+Bestaunt'! und lobend über ihn geheim<br />
+Die Nachbarn sich besprachen, und er jetzt<br />
+Den Knaben, der an ihm vorüberging,<br />
+Nach meinem Hause fragt'! ich sahe nicht<br />
+Hinaus, ich konnt', an meinem Tische sitzend,<br />
+Ihn ohne Scheue sehn &mdash; wie red' ich viel?<br />
+Und da er nun herauf die Treppe kam,<br />
+Und ich die Tritte hört' und seine Thüre<br />
+Mein Vater öffnete, sie draußen sich<br />
+Stillschweigend grüßten, daß ich nicht<br />
+Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernünft'ge,<br />
+Wie ward mir bange wieder? Und sie blieben<br />
+Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer,<br />
+Daß ich es länger nicht erdulden konnt',<br />
+Und dacht': ich könnte wohl den Vater fragen<br />
+Um dieß und jenes, was ich wissen mußte.<br />
+Dann hätt' ichs wohl gesehn in ihren Augen,<br />
+Wie mir es werden sollte. Doch ich kam<br />
+Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch<br />
+In meinen Garten, wo die Pflanzen sonst,<br />
+In andrer Zeit, die Stunde mir gekürzt.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Und fröhlich glänzten, von des Morgens Thau</span><br />
+Gesättiget, im frischen Lichte sie<br />
+Ins Auge mir, wie liebend sich das Kind<br />
+An die betrübte Mutter drängt, so waren<br />
+Die Blumen und die Blüthen um mich rings,<br />
+Und schöne Pforten wölbten über mir<br />
+Die Bäume.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Doch ich konnt' es jetzt nicht achten,</span><br />
+Nur ernster ward und schwerer nur, und bänger<br />
+Das Herz mir Armen immer, und ich sollte<br />
+Wie eine Dienerinn von ferne lauschen,<br />
+Ob sie vielleicht mich riefen, diese Männer!<br />
+Ich wollte nun auch nimmer um mich sehn,<br />
+Und barg in meiner Laube mich und weinte,<br />
+Und hielt die Hände vor das Auge mir.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Da hört' ich sanft des Vaters Stimme nah,</span><br />
+Und lächelnd traten, da ich noch die Thränen<br />
+Mir trocknete, die beyden in die Laube:<br />
+»Hast du dich so geängstiget, mein Kind!<br />
+»Und zürnst du, sprach der Vater, daß ich erst<br />
+»Für mich den edlen Gast behalten wollt'?<br />
+»Ihn hast du nun. Er mag die Zürnende<br />
+»Mit mir versöhnen, wenn ich Unrecht that.«</p>
+
+<p><span class="rightalign">So sprach er; und wir reichten alle drey</span><br />
+Die Händ' einander, und der Vater sah<br />
+Mit stiller Freud' uns an. &mdash;</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Ein Trefflicher</span><br />
+»Ist dein geworden, Tochter! sprach er jetzt,<br />
+»Und dein, o Sohn! dieß heiligliebend Weib.<br />
+»Ein freudig Wunder, daß die alten Augen<br />
+»Mir übergehen, seyd ihr mir, und blüht,<br />
+»Wie eine seltne Blume mir, ihr Beyden!</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Denn nicht gelingt es immerhin den Menschen,</span><br />
+»Das Ihrige zu finden. Großes Glück<br />
+»Zu tragen und zu opfern giebt der Gott<br />
+»Den Einen, weniger gegeben ist<br />
+»Den Andern; aber hoffend leben sie.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Zwey Genien geleiten auf und ab</span><br />
+»Uns Lebende, die Hoffnung und der Dank.<br />
+»Mit Einsamen und Armen wandelt jene,<br />
+»Die Immerwache; dieser führt aus Wonne<br />
+»Die Glücklichen des Weges freundlich weiter,<br />
+»Vor bösem Schiksal sie bewahrend. Oft,<br />
+»Wenn er entfloh, erheben sich zu sehr<br />
+»Die Freudigen, und rächend traf sie bald<br />
+»Das ungebetne Weh.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»Doch gerne theilt</span><br />
+»Das freie Herz von seinen Freuden aus,<br />
+»Der Sonne gleich, die liebend ihre Stralen<br />
+»An ihrem Tag' aus goldner Fülle giebt;<br />
+»Und um die Guten dämmert oft und glänzt<br />
+»Ein Kreis von Licht und Luft, so lang sie leben.</p>
+
+<p><span class="rightalign">»O Frühling meiner Kinder, blühe nun</span><br />
+»Und altre nicht zu bald, und reife schön!«</p>
+
+<p><span class="rightalign">So sprach der gute Vater. Vieles wollt'</span><br />
+Er wohl noch sagen, denn die Seele war<br />
+Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Er gab ihn mir und segnet' uns
+ und gieng Hinweg</span></p>
+
+<p><span class="rightalign">Ihr Himmelslüfte, die ihr oft</span><br />
+Mich tröstend angeweht, nun athmetet<br />
+Ihr heiligend um unser goldnes Glück!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wie anders wars, wie anders, da mit ihm,</span><br />
+Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt,<br />
+Ich Freudige, zu unsrer Mutter auf,<br />
+Zur schönen Sonne sah! nun dämmert es<br />
+Im Auge nicht, wie sonst im sehnenden,<br />
+Nun grüßt' ich helle dich, du stolzes Licht!<br />
+Und lächelnd weiltest du, und kamst und schmücktest<br />
+Den Lieben mir, und kränztest ihm mit Rosen<br />
+Die Schläfe, Freundliches!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Und meine Bäume,</span><br />
+Sie streuten auch ein hold Geschenk herab,<br />
+Zu meinem Fest, vom Ueberfluß der Blüthen!</p>
+
+<p><span class="rightalign">Da ging ich sonst; ach! zu den Pflanzen flüchtet'</span><br />
+Ich oft mein Herz, bey ihnen weilt' ich oft,<br />
+Und hing an ihnen; dennoch ruht' ich nie,<br />
+Und meine Seele war nicht gegenwärtig.</p>
+
+<p><span class="rightalign">Wie eine Quelle, wenn die jugendliche</span><br />
+Dem heimathlichen Berge nun entwich,<br />
+Die Pfade bebend sucht, und flieht und zögert,<br />
+Und durch die Wiesen irrt und bleiben möcht',<br />
+Und sehnend, hoffend immer doch enteilt.<br />
+So war ich; aber liebend hat der stolze,<br />
+Der schöne Strom die flüchtige genommen,<br />
+Und ruhig wall' ich nun, wohin der sichre<br />
+Mich bringen will, hinab am heitern Ufer.</p>
+
+
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+</body>
+</html>