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authorPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2020-03-04 15:34:57 +0100
committerPatrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc>2020-03-04 15:34:57 +0100
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@@ -0,0 +1,271 @@
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+ <title>VIII.</title>
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+
+<body>
+<h4>VIII.</h4>
+
+<p>
+Ich kam von meiner Herrin Haus,<br />
+Und wandelt' in Wahnsinn und Mitternachtgraus.<br />
+Und wie ich am Kirchhof vorüber gehn will,<br />
+Da winken die Gräber ernst und still.
+</p>
+<p>
+Da winkt's von des Spielmanns Leichenstein;<br />
+Das war der flimmernde Mondesschein.<br />
+Da lispelt's: Lieb Bruder, ich komme gleich!<br />
+Da steigt's aus dem Grabe nebelbleich.
+</p>
+<p>
+Der Spielmann war's, der entstiegen jetzt,<br />
+Und hoch auf den Leichenstein sich setzt.<br />
+In die Saiten der Zither greift er schnell,<br />
+Und singt dabei recht hohl und grell:
+</p>
+<p>
+Ei! kennt Ihr noch das alte Lied,<br />
+Das einst so wild die Brust durchglüht,<br />
+Ihr Saiten dumpf und trübe?<br />
+Die Engel, die nennen es Himmelsfreud,
+</p>
+<p>
+Die Teufel, die nennen es Höllenleid,<br />
+Die Menschen, die nennen es: Liebe!
+</p>
+<p>
+Kaum tönte des letzten Wortes Schall,<br />
+Da thaten sich auf die Gräber all';<br />
+Viel Luftgestalten dringen hervor,<br />
+Und umschweben den Spielmann und schrillen im Chor:
+</p>
+<p>
+Liebe! Liebe! deine Macht<br />
+Hat uns hier zu Bett gebracht,<br />
+Und die Augen zugemacht,&nbsp;&ndash;<br />
+Ei, was rufst du in der Nacht?
+</p>
+<p>
+So heult es verworren, und ächzet und girrt,<br />
+Und brauset und sauset, und krächzet und klirrt;<br />
+Und der tolle Schwarm den Spielmann umschweift,<br />
+Und der Spielmann wild in die Saiten greift:
+</p>
+<p>
+Bravo! bravo! immer toll!<br />
+Seyd willkommen!<br />
+Habt vernommen<br />
+Daß mein Zauberwort erscholl,
+</p>
+<p>
+Liegt man doch jahraus, jahrein,<br />
+Mäuschenstill im Kämmerlein;<br />
+Laßt uns heute lustig seyn!<br />
+Mit Vergunst,&nbsp;&ndash;<br />
+Seht erst zu, sind wir allein?&nbsp;&ndash;<br />
+Narren waren wir im Leben,<br />
+Und mit toller Wuth ergeben<br />
+Einer tollen Liebesbrunst.<br />
+Kurzweil soll uns heut nicht fehlen,<br />
+Jeder soll hier treu erzählen,<br />
+Was ihn weiland hergebracht,<br />
+Wie gehetzt,<br />
+Wie zerfetzt<br />
+Ihn die tolle Liebesjagd.
+</p>
+<p>
+Da hüpft aus dem Kreise, so leicht, wie der Wind,<br />
+Ein mageres Wesen, das summend beginnt:
+</p>
+<p>
+Ich war ein Schneidergeselle,<br />
+Mit Nadel und mit Scheer';<br />
+Ich war so flink und schnelle<br />
+Mit Nadel und mit Scheer'.<br />
+Da kam die Meisterstochter<br />
+Mit Nadel und mit Scheer';<br />
+Und hat mir in's Herz gestochen<br />
+Mit Nadel und mit Scheer'.
+</p>
+<p>
+Da lachten die Geister im lustigen Chor;<br />
+Ein Zweiter trat still und ernst hervor:
+</p>
+<p>
+Den Rinaldo Rinaldini,<br />
+Schinderhanno, Orlandini,<br />
+Und besonders Carlo Moor<br />
+Nahm ich mir als Muster vor.
+</p>
+<p>
+Auch verliebt&nbsp;&ndash; mit Ehr' zu melden&nbsp;&ndash;<br />
+Hab' ich mich, wie jene Helden,<br />
+Und das schönste Frauenbild<br />
+Spukte mir im Kopfe wild.
+</p>
+<p>
+Und ich seufzte auch und girrte;<br />
+Und wenn Liebe mich verwirrte,<br />
+Steckt' ich meine Finger rasch<br />
+In des Herren Nachbars Tasch'.
+</p>
+<p>
+Doch der Gassenvogt mir grollte,<br />
+Daß ich Sehnsuchtsthränen wollte<br />
+Trocknen mit dem Taschentuch,<br />
+Das mein Nachbar bei sich trug.
+</p>
+<p>
+Und nach frommer Häschersitte<br />
+Nahm man still mich in die Mitte,<br />
+Und das Zuchthaus, heilig groß,<br />
+Schloß mir auf den Mutterschooß.
+</p>
+<p>
+Schwelgend süß in Liebessinnen,<br />
+Saß ich dort beim Wollespinnen,<br />
+Bis Rinaldos Schatten kam,<br />
+Und die Seele mit sich nahm.
+</p>
+<p>
+Da lachten die Geister im lustigen Chor;<br />
+Geschminkt und geputzt trat ein Dritter hervor:
+</p>
+<p>
+Ich war ein König der Bretter,<br />
+Und spielte das Liebhaberfach,<br />
+Ich brüllte manch wildes: Ihr Götter!<br />
+Ich seufzte manch zärtliches: Ach!
+</p>
+<p>
+Den Mortimer spielt' ich am besten,<br />
+Maria war immer so schön!<br />
+Doch trotz der natürlichsten Gesten<br />
+Sie wollte mich nimmer versteh'n.&nbsp;&ndash;
+</p>
+<p>
+Einst als ich verzweifelnd am Ende<br />
+»Maria, du Heilige!«; rief,<br />
+Da nahm ich den Dolch behende&nbsp;&ndash;<br />
+Und stach mich ein bischen zu tief.
+</p>
+<p>
+Da lachten die Geister im lustigen Chor;<br />
+Im weißen Flausch trat ein Vierter hervor:
+</p>
+<p>
+Vom Katheder schwatzte herab der Professor,<br />
+Er schwatzt', und ich schlief oft gut dabei ein;<br />
+Doch hätt' mir's behagt noch tausendmal besser<br />
+Bei seinem holdseligen Töchterlein.
+</p>
+<p>
+Sie hatt' mir oft zärtlich am Fenster genicket,<br />
+Die Blume der Blumen, mein Lebenslicht!<br />
+Doch die Blume der Blumen ward endlich gepflücket<br />
+Vom dürren Philister, dem reichen Wicht.
+</p>
+<p>
+Da flucht ich den Weibern und reichen Halunken,<br />
+Und mischte mir Teufelskraut in den Wein,&nbsp;&ndash;<br />
+Und hab' mit dem Tode Smollis getrunken,<br />
+Der sprach: Fiduzit, ich heiße Freund Hein!
+</p>
+<p>
+Da lachten die Geister im lustigen Chor,<br />
+Einen Strick um den Hals trat ein Fünfter hervor:
+</p>
+<p>
+Es prunkte und prahlte der Graf beim Wein<br />
+Mit dem Töchterchen sein und dem Edelgestein.<br />
+Was scheert mich, du Gräflein, dein Edelgestein,<br />
+Mir mundet weit besser dein Töchterlein.
+</p>
+<p>
+Sie lagen wohl beid' unter Riegel und Schloß,<br />
+Und der Graf besold'te viel Dienergetroß.
+</p>
+<p>
+Was scheeren mich Diener und Riegel und Schloß,&nbsp;&ndash;<br />
+Ich stieg getrost auf die Leitersproß.
+</p>
+<p>
+An Liebchens Fensterlein klettr' ich getrost,<br />
+Da hör' ich es unten fluchen erbost:<br />
+»Fein sachte, mein Bübchen, muß auch dabei seyn,<br />
+Ich liebe ja auch die Edelgestein.«;
+</p>
+<p>
+So spöttelt der Graf und erfaßt mich gar,<br />
+Und jauchzend umringt mich die Dienerschaar.<br />
+»Zum Teufel, Gesindel! Ich bin ja kein Dieb;<br />
+Ich wollte nur stehlen mein trautes Lieb!«;
+</p>
+<p>
+Da half kein Gerede, da half kein Rath,<br />
+Da machte man hurtig die Stricke parat;<br />
+Wie die Sonne kam, da wundert sie sich,<br />
+Am hellen Galgen fand sie mich.
+</p>
+<p>
+Da lachten die Geister im lustigen Chor;<br />
+Den Kopf in der Hand trat ein Sechster hervor.
+</p>
+<p>
+Zum Waidwerk trieb mich Liebesharm;<br />
+Ich schlich umher, die Büchs' im Arm.<br />
+Da schnarret's hohl vom Baum herab,<br />
+Der Rabe rief: Kopf&nbsp;&ndash; ab! Kopf&nbsp;&ndash; ab!
+</p>
+<p>
+O, spürt' ich doch ein Täubchen aus,<br />
+Ich brächt' es meinem Lieb nach Haus!<br />
+So dacht' ich, und in Busch und Strauch<br />
+Späh't rings umher mein Jägeraug'.
+</p>
+<p>
+Was koset dort? was schnäbelt fein?<br />
+Zwei Turteltäubchen mögen's seyn.<br />
+Ich schleich herbei,&nbsp;&ndash; den Hahn gespannt,&nbsp;&ndash;<br />
+Sieh' da! mein eignes Lieb ich fand.
+</p>
+<p>
+Das war mein Täubchen, meine Braut,<br />
+Ein fremder Mann umarmt sie traut,&nbsp;&ndash;<br />
+Nun, alter Schütze, treffe gut!<br />
+Da lag der fremde Mann im Blut'.
+</p>
+<p>
+Bald drauf ein Zug mit Henkersfrohn&nbsp;&ndash;<br />
+Ich selbst dabei als Hauptperson&nbsp;&ndash;<br />
+Den Wald durchzog. Vom Baum herab<br />
+Der Rabe rief: Kopf&nbsp;&ndash; ab! Kopf&nbsp;&ndash; ab!
+</p>
+<p>
+Da lachten die Geister im lustigen Chor;<br />
+Da trat der Spielmann selber hervor:
+</p>
+<p>
+Ich hab' mal ein Liedchen gesungen,<br />
+Das schöne Lied ist aus;
+</p>
+<p>
+Wenn das Herz im Leibe zersprungen,<br />
+Dann gehen die Lieder nach Haus!
+</p>
+<p>
+Und das tolle Gelächter sich doppelt erhebt,<br />
+Und die bleiche Schaar im Kreise schwebt.<br />
+Da scholl vom Kirchthurm' »Eins«; herab,<br />
+Da stürzten die Geister sich heulend in's Grab.
+</p>
+
+</body>
+</html>