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+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
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+
+ <title>Varieté</title>
+</head>
+
+<body>
+ <h1 id="toc_id_8">Varieté</h1>
+
+ <h2 class="not_in_toc">I<br />
+ Loge</h2>
+
+ <p>Ein Walzer rumpelt; geile Geigen kreischen;<br />
+ Die Luft ist weiss vom Dunst der Zigaretten;<br />
+ Es riecht nach Moschus, Schminke, Wein, nach fetten<br />
+ Indianern und entblössten Weiberfleischen.</p>
+
+ <p>Ah! Schwimmen in der dicken Luft die vielen<br />
+ Dämlichen Köpfe, die ins Helle glotzen?<br />
+ Drei Weiber lässt man auf der Bühne spielen,<br />
+ Die süsslich mit gemeinen Gesten protzen.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">II<br />
+ Der Athlet</h2>
+
+ <p>Und der Athlet tritt auf und staunen kannst de,<br />
+ Wie er ein Brett mit seiner Faust zerhaut.<br />
+ Er geht einher mit ungeheurem Wanste<br />
+ Und feistem Arm und Nacken, schweissbetaut.</p>
+
+ <p>Und kurze Hosen schlottern um die Beinchen,<br />
+ Die sind zu dünnen Stöckchen deformiert.<br />
+ Prunkende Seide seine Füsschen ziert.<br />
+ Ach! sind die niedlich! Wie zwei rosa Schweinchen.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">III<br />
+ Der Humorist</h2>
+
+ <p>Ein alter Mann in einem neuen Fracke<br />
+ Plärrt jetzt seine Liebesabenteuer.<br />
+ Und besonders nach gewissen neuern<br />
+ Abenteuern,<br />
+ Spricht er, gleiche er dem Wracke,<br />
+ Das auf den Wellen wackle ohne Rast,<br />
+ Der Winds-»Braut« preisgegeben, ohne Steuer,<br />
+ Sogar mit halb verfaultem »Mast«.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">IV<br />
+ Tanz</h2>
+
+ <p>Ein kleines Mädchen mit gebrannten Löckchen<br />
+ In einem Hemd ganz himmelblau –<br />
+ Die blossen Beine trippeln ohne Söckchen.<br />
+ Sie singt: »Ach, tu mir nichts zuleide!<br />
+ Ach Du! Heut werd ich Deine Frau.</p>
+
+ <p>«Dann tanzt sie gierig und mit Chic<br />
+ Zu einer holprigen Musik.<br />
+ Und durch die Wirbel blauer Seide<br />
+ Siehst de den jungen Leib genau.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">V<br />
+ Die Inderin</h2>
+
+ <p>Sie hebt den dünnen Arm; da duckt zum Sprunge<br />
+ Das dunkle Pantherpaar, durch sieben Reifen<br />
+ Fährt es hindurch mit elegantem Schwunge.</p>
+
+ <p>Und ihre bösen starken Pranken streifen<br />
+ (Wenn sie verwirrt zurück zum Käfig taumeln)<br />
+ Die Perlenschnüre, die …&nbsp;von einem lila Gurte&nbsp;…<br />
+ Um ihrer nackten Herrin Hüften baumeln.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">VI<br />
+ Ballet</h2>
+
+ <p>Neger schlenkern aufrecht mit den Beinen,<br />
+ Auf dem Rumpfe gelbliche Trikots.<br />
+ Und dazwischen tanzen unsere frechen kleinen<br />
+ Weiber blond und nackend; ganz famos<br />
+ Angezogen:<br />
+ Nur mit goldenen Stöckelschuhn,<br />
+ Mit denen sie die fauchenden Athleten<br />
+ Behende in die dicken Nasen treten.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">VII<br />
+ Die Soubrette</h2>
+
+ <p>Ein Weibsbild kommt als Jägersmann<br />
+ Und schiesst auf ihrer Flinten.<br />
+ Und sieht sich einen Vogel an<br />
+ Und zeigt sich uns von hinten.</p>
+
+ <p>Ihr Hintern biegt sich unerhört<br />
+ Auf Beinen stramm wie Säulen.<br />
+ Sie singt: »Mich hat die Lieb verstört<br />
+ Juchhei! im grünen Walde …«</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">VIII<br />
+ Die Tänzerin</h2>
+
+ <p>Wie mich die zärtlichen Gelenke rühren,<br />
+ Dein magrer Nacken, Deiner Kniee Biegen!<br />
+ Ich zürne fast. Werde ich Dir erliegen?<br />
+ Wirst Du zu jenem Traum zurück mich führen,</p>
+
+ <p>Den ich als Knabe liebend mir erbaute<br />
+ Aus süssen Versen und dem Spiel der schönen<br />
+ Schauspielerinnen, linden Geigentönen<br />
+ Und Idealen, die ich klaute?</p>
+
+ <p>Ach! keine fand ich jenem Traume gleich,<br />
+ Ich musste weinend Weib um Weib vermeiden,<br />
+ Ich war verbannt zu unermessnen Leiden,<br />
+ Und hasse jenen Traum. Ich spähe bleich,</p>
+
+ <p>Und sorgsam späh ich wie Dein Leib sich wende,<br />
+ Nach jeder Fehle, die im Tanz du zeigst,<br />
+ Ich bin dir dankbar, da du doch am Ende<br />
+ Mit einem blöden Lächeln dich verneigst.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">IX<br />
+ Schluss: Kinematograph</h2>
+
+ <p>Der Saal wird dunkel. Und wir sehn die Schnellen<br />
+ Der Ganga, Palmen, Tempel auch des Brahma,<br />
+ Ein lautlos tobendes Familiendrama<br />
+ Mit Lebemännern dann und Maskenbällen.</p>
+
+ <p>Man zückt Revolver, Eifersucht wird rege,<br />
+ Herr Piefke duelliert sich ohne Kopf.<br />
+ Dann zeigt man uns mit Kiepe und mit Kropf<br />
+ Die Älplerin auf mächtig steilem Wege.</p>
+
+ <p>Es zieht ihr Pfad sich bald durch Lärchenwälder,<br />
+ Bald krümmt er sich und dräuend steigt die schiefe<br />
+ Felswand empor. Die Aussicht in der Tiefe<br />
+ Beleben Kühe und Kartoffelfelder.</p>
+
+ <p>Und in den dunklen Raum – mir ins Gesicht –<br />
+ Flirrt das hinein, entsetzlich! nach der Reihe!<br />
+ Die Bogenlampe zischt zum Schluss nach Licht –<br />
+ Wir schieben geil und gähnend uns ins Freie.</p>
+
+ <h2 class="not_in_toc">X<br />
+ Draussen</h2>
+
+ <p>Die Sommernacht ist schwer nur zu ertragen!<br />
+ Vier Herren gehn mit abgeknöpftem Kragen.<br />
+ Ein Lackbeschuhter stelzt der Schnepse nach ...<br />
+ Da polterts her – Ein langgedehnter Krach:<br />
+ Der Donner!<br />
+ Au!<br />
+ Ist die Reklame plump,<br />
+ Blitz!<br />
+ Ein feiner Mensch liebt nicht den lauten Mum-<br />
+ pitz!<br />
+ Das klingt ja ganz, als ob der dicke nackte<br />
+ Weltgeist<br />
+ Ganz vertrackte Katarakte im Tackte kackte.</p>
+
+</body>
+</html>