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author | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:53:51 +0100 |
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committer | Patrick Goltzsch <pg (at) in-transit.cc> | 2020-03-04 16:53:51 +0100 |
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Den ein und +zwanzigsten April Abends gab das Kriegsschiff, welches +jetzt, glaube ich, die ganze Flotte des Königs von Neapel +ausmacht, das Signal, und wir arbeiteten uns aus dem Hafen +heraus. Den andern Morgen hatten wir Sicilien und sogar +Palermo noch ziemlich nah im Gesichte; der Rosalienberg und +die Spitzen von Termini und Cefalu lagen ganz deutlich vor +uns: das andere war von dem trüben Wetter gedeckt. Mehrere +Schiffe mit Orangen und Oel hatten sich angeschlossen, um +die sichere Fahrt mit dem Kriegsschiffe und dem Paketboot zu +machen. Das letztere hat auch zwanzig Kanonen und ist zum +Schlagen eingerichtet. Wir sassen lange zwischen Ustika und +den liparischen Inseln, und ich las, weiss der Himmel wie +ich eben hier auf diesen Artikel fiel, während der +Windstille die Georgika Virgils, die ich hier besser genoss +als jemals. Nur wollte mir die Schlussfabel von dem +Bienenvater nicht sonderlich gefallen: sie ist schön, aber +hierher gezwungen. Dann las ich, da der Wind noch nicht +kommen wollte, ob wir gleich in seinem mythologischen +Vaterlande waren, ein grosses Stück in die Aeneis hinein. +Hier wollte mir nun, unter vielen Schönheiten im 4. Buche +die Beschreibung des Atlas wieder nicht behagen, so herrlich +sie auch klingt. Es ist, dünkt mich, etwas Unordnung darin, +die man dem Herrn Maro +<!-- pb n="330" facs="#f0356"/ --> nicht zutrauen sollte. Da +ich eben nicht viel zu thun habe, will ich Dir die Stelle +ein wenig vorschulmeistern. Merkur kommt von seinem Herrn +Vater auf der Ambassade zu Frau Dido hierher. Die Verse, +heissen, wie sie in meinem Buche stehen:</p> + +<div class="poem italic"> + — jamque volans apicem et latera ardua cernit<br /> + Atlantis duri, coelum qui vertice fulcit;<br /> + Atlantis, cinctum assidue cui nubibus atris<br /> + Piniferum caput et vento pulsatur et imbre:<br /> + Nix humeros infusa tegit: tum flumina mento<br /> + Praecipitant senis, et glacie riget horrida barba.<br /> +</div> + +<p> +Die Verse sind unvergleichlich schön und malerisch: aber er +bringt auf den obersten Scheitel Sturm und Regen, lässt +Schnee auf die Schultern fallen, Flüsse aus dem Kinn strömen +und weiter unten den Bart von Eis starren. Das ist nun alles +ziemlich umgekehrt, wenn ich meinem bisschen Erfahrung +glaube. Ich weiss nicht was Heyne aus der Stelle gemacht +hat. So weit oben werden überdiess wohl schwerlich noch +Fichten wachsen. Ich überlasse es Dir, Deinen Liebling zu +vertheidigen; ich selbst bleibe hier mit meiner Hermenevtik +etwas stecken. Wer in seinem Leben keine hohen Berge gesehen +und bestiegen hat, nimmt so etwas freylich nicht genau. +Schade um die schönen Verse.</p> + +<p>Diese Nacht begegneten uns viele französische Schiffe, +die ihre Landsleute von Tarent holen wollen. Alles ist +ungeduldig bald am Lande zu seyn; aber +<!-- pb n="331" facs="#f0357"/ --> Aeolus hat uns noch immer +seinen Schlauch nicht gegeben, und wir müssen aushalten. Das +Essen ist recht gut und die Gesellschaft noch besser; meine +Geduld ist also weiter auf keiner sehr grossen Probe; und +ich habe noch die ganze Odyssee zu lesen. Der Russische und +Englische Gesandte sind auf dem grossen Schiffe; wir haben +also noch die Ehre ihrentwegen recht langsam zu fahren. Die +Geschichte des Tags auf unserer Flotte sagt eben, dass der +Russischen Excellenz ein Pferd krank geworden ist. Wie viele +von den Leuten seekrank sind, das ist eine erbärmliche +Kleinigkeit: aber bedenke nur, der Leibgaul des Russischen +Gesandten, der ist ein Kerl von Gewicht. Man erzählt bey +Tische diess und jenes: sogar die Geschichten der Hofleute +aus ihrem eigenen Munde bestätigen die schlechte Meinung, +die ich durchaus von der neapolitanischen Regierung habe. Es +waren einige sybaritische Herren bey uns, die doch nicht +lassen konnten, dann und wann etwas vorzubringen und +einzugestehen, was Stoff zu Aergerniss und Sarkasmen gab. Es +ist wieder tiefe Nacht im Golf geworden; der Wind bläst hoch +und wirft uns gewaltig. Ich habe auf allen meinen Fahrten, +Dank sey es meiner guten Erziehung, nie die Seekrankheit +gehabt: ich lege mich ruhig nieder und schlafe.</p> + +</div> <!-- chapter --> + +</body> +</html> |