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+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Zweiter Cyklus.</title>
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+
+<body>
+<h3 class="section center">Zweiter Cyklus.</h3>
+
+</body>
+</html>
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+ <title>I. Meergruß.</title>
+</head>
+
+<body>
+
+<h4>I.</h4>
+<h5>Meergruß.</h5>
+
+<p>
+<span class="initial">T</span>halatta! Thalatta!<br />
+Sey mir gegrüßt, du ewiges Meer!<br />
+Sey mir gegrüßt zehntausendmal<br />
+Aus jauchzendem Herzen<br />
+Wie einst dich begrüßten<br />
+Zehntausend Griechenherzen,<br />
+Unglückbekämpfende, heimathverlangende,<br />
+Weltberühmte Griechenherzen.
+</p>
+<p>
+Es wogten die Fluthen,<br />
+Sie wogten und brausten,<br />
+Die Sonne goß eilig herunter<br />
+Die spielenden Rosenlichter,
+</p>
+<p>
+Die aufgescheuchten Mövenzüge<br />
+Flatterten fort, lautschreiend,<br />
+Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde,<br />
+Und weithin erscholl es, wie Siegesruf:<br />
+Thalatta! Thalatta!
+</p>
+<p>
+Sey mir gegrüßt, du ewiges Meer,<br />
+Wie Sprache der Heimath rauscht mir dein Wasser,<br />
+Wie Träume der Kindheit seh' ich es flimmern<br />
+Auf deinem wogenden Wellengebiet,<br />
+Und alte Erinn'rung erzählt mir auf's neue,<br />
+Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug,<br />
+Von all den blinkenden Weihnachtsgaben,<br />
+Von all den rothen Corallenbäumen,<br />
+Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,<br />
+Die du geheimnißvoll bewahrest<br />
+Dort unten im klaren Kristallhaus.
+</p>
+<p>
+O! wie hab' ich geschmachtet in öder Fremde!<br />
+Gleich einer welken Blume<br />
+In des Botanikers blecherner Kapsel,<br />
+Lag mir das Herz in der Brust;<br />
+Mir ist, als saß ich winterlange,<br />
+Ein Kranker, in dunkler Krankenstube,<br />
+Und nun verlaß ich sie plötzlich,
+</p>
+<p>
+Und blendend strahlt mir entgegen<br />
+Der schmaragdne Frühling, der sonnengeweckte,<br />
+Und es rauschen die weißen Blüthenbäume,<br />
+Und die jungen Blumen schauen mich an,<br />
+Mit bunten, duftenden Augen,<br />
+Und es duftet und summt, und athmet und lacht,<br />
+Und im blauen Himmel singen die Vöglein&nbsp;&ndash;<br />
+Thalatta! Thalatta!
+</p>
+<p>
+Du tapferes Rückzugherz!<br />
+Wie oft, wie bitteroft<br />
+Bedrängten dich des Nordens Barbarinnen!<br />
+Aus großen, siegenden Augen<br />
+Schossen sie brennende Pfeile;<br />
+Mit krummgeschliffenen Worten<br />
+Drohten sie mir die Brust zu spalten,<br />
+Mit Keilschriftbillets zerschlugen sie mir<br />
+Das arme, betäubte Gehirn&nbsp;&ndash;<br />
+Vergebens hielt ich den Schild entgegen,<br />
+Die Pfeile zischten, die Hiebe krachten,<br />
+Und von des Nordens Barbarinnen<br />
+Ward ich gedrängt bis an's Meer,<br />
+Und freiaufathmend begrüß' ich das Meer,<br />
+Das liebe, rettende Meer,<br />
+Thalatta! Thalatta!
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>II. Gewitter.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>II.</h4>
+<h5>Gewitter.</h5>
+
+<p>
+Dumpf liegt auf dem Meer' das Gewitter,<br />
+Und durch die schwarze Wolkenwand<br />
+Zuckt der zackige Wetterstrahl,<br />
+Rasch aufleuchtend und rasch verschwindend,<br />
+Wie'n Witz aus dem Haupte Kronions.<br />
+Ueber das wüste, wogende Wasser<br />
+Weithin rollen die Donner<br />
+Und springen die weißen Wellenrosse,<br />
+Die Boreas selber gezeugt<br />
+Mit des Erichthons reizenden Stuten,<br />
+Und es flattert ängstlich das Seegevögel,<br />
+Wie Schattenleichen am Styx,<br />
+Die Charon abwies vom nächtlichen Kahn.
+</p>
+<p>
+Armes, lustiges Schifflein,<br />
+Das dort dahintanzt den schlimmsten Tanz!<br />
+Aeolus schickt ihm die flinksten Gesellen,
+</p>
+<p>
+Die wild aufspielen zum fröhlichen Reigen;<br />
+Der Eine pfeift, der Andre bläst,<br />
+Der Dritte streicht den dumpfen Brummbaß&nbsp;&ndash;<br />
+Und der schwankende Seemann steht, am Steuer,<br />
+Und schaut beständig nach der Bussole,<br />
+Der zitternden Seele des Schiffes,<br />
+Und hebt die Hände flehend zum Himmel:<br />
+O rette mich, Kastor, reisiger Held,<br />
+Und Du, Kämpfer der Faust, Polydeukes!
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <title>III. Der Schiffbrüchige.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>III.</h4>
+<h5>Der Schiffbrüchige.</h5>
+
+<p>
+Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!<br />
+Und ich selber, gleich einer Leiche,<br />
+Die grollend ausgeworfen das Meer,<br />
+Lieg' ich am Strande,<br />
+Am öden, kahlen Strande.<br />
+Vor mir woget die Wasserwüste,<br />
+Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,<br />
+Und über mich hin ziehen die Wolken,<br />
+Die formlos grauen Töchter der Luft,<br />
+Die aus dem Meer', in Nebeleimern,<br />
+Das Wasser schöpfen,<br />
+Und es mühsam schleppen und schleppen,<br />
+Und es wieder verschütten in's Meer,<br />
+Ein trübes, langweil'ges Geschäft,<br />
+Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
+</p>
+<p>
+Die Wogen murmeln, die Möven schrillen,<br />
+Alte Erinn'rungen wehen mich an,<br />
+Vergessene Träume, erloschene Bilder,<br />
+Qualvoll süße, tauchen hervor!
+</p>
+<p>
+Es lebt ein Weib im Norden,<br />
+Ein schönes Weib, königlich schön.<br />
+Die schlanke Zypressengestalt<br />
+Umschließt ein lüstern weißes Gewand;<br />
+Die dunkle Lockenfülle,<br />
+Wie eine selige Nacht, ergießt sich<br />
+Von dem hohen, flechtengekrönten Haupte,<br />
+Sie ringelt sich träumerisch süß<br />
+Um das süße, blasse Antlitz;<br />
+Und aus dem süßen, blassen Antlitz,<br />
+Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,<br />
+Wie eine schwarze Sonne.
+</p>
+<p>
+O, du schwarze Sonne, wie oft,<br />
+Entzückend oft, trank ich aus dir<br />
+Die wilden Begeist'rungsflammen,<br />
+Und stand und taumelte, feuerberauscht&nbsp;&ndash;<br />
+Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln<br />
+Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,<br />
+Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
+</p>
+<p>
+Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,<br />
+Und zart wie der Duft der Rose&nbsp;&ndash;<br />
+Und meine Seele erhob sich<br />
+Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!
+</p>
+<p>
+Schweigt, ihr Wogen und Möven!<br />
+Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,<br />
+Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,<br />
+Ein öder, schiffbrüchiger Mann,<br />
+Und drücke mein glühendes Antlitz<br />
+In den feuchten Sand.
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <title>IV. Untergang der Sonne.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>IV.</h4>
+<h5>Untergang der Sonne.</h5>
+
+<p>
+Die schöne Sonne<br />
+Ist ruhig hinabgestiegen in's Meer;<br />
+Die wogenden Wasser sind schon gefärbt<br />
+Von der dunkeln Nacht,<br />
+Nur noch die Abendröthe<br />
+Ueberstreut sie mit goldnen Lichtern,<br />
+Und die rauschende Fluthgewalt<br />
+Drängt an's Ufer die weißen Wellen,<br />
+Die lustig und hastig hüpfen,<br />
+Wie wollige Lämmerheerden,<br />
+Die Abends der singende Hirtenjunge<br />
+Nach Hause treibt.
+</p>
+<p>
+Wie schön ist die Sonne!<br />
+So sprach nach langem Schweigen der Freund,<br />
+Der mit mir am Strande wandelte,
+</p>
+<p>
+Und scherzend halb und halb wehmüthig,<br />
+Versichert' er mir: die Sonne sey<br />
+Eine schöne Frau, die den alten Meergott<br />
+Aus Convenienz geheurathet;<br />
+Des Tages über wandle sie freudig<br />
+Am hohen Himmel, purpurgeputzt,<br />
+Und diamantenblitzend,<br />
+Und allgeliebt und allbewundert<br />
+Von allen Weltkreaturen,<br />
+Und alle Weltkreaturen erfreuend<br />
+Mit ihres Blickes Licht und Wärme;<br />
+Aber des Abends, trostlos gezwungen,<br />
+Kehre sie wieder zurück<br />
+In das nasse Haus, in die öden Arme<br />
+Des greisen Gemahls.
+</p>
+<p>
+Glaub mir's&nbsp;&ndash; setzte hinzu der Freund,<br />
+Und lachte und seufzte und lachte wieder&nbsp;&ndash;<br />
+Die führen dort unten die zärtlichste Ehe!<br />
+Entweder sie schlafen oder sie zanken sich,<br />
+Daß hochaufbraust hier oben das Meer,<br />
+Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört<br />
+Wie der Alte sein Weib ausschilt:<br />
+»Runde Metze des Weltalls!<br />
+Strahlenbuhlende!<br />
+Den ganzen Tag glühst du für Andre,
+</p>
+<p>
+Und Nachts, für Mich, bist du frostig und müde!«;<br />
+Nach solcher Gardinenpredigt,<br />
+Versteht sich! bricht dann aus in Thränen<br />
+Die stolze Sonne und klagt ihr Elend,<br />
+Und klagt so jammerlang, daß der Meergott<br />
+Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett springt,<br />
+Und schnell nach der Meeresfläche heraufschwimmt,<br />
+Um Luft und Besinnung zu schöpfen.
+</p>
+<p>
+So sah ich ihn selbst, verflossene Nacht,<br />
+Bis an die Brust dem Meer' enttauchen.<br />
+Er trug eine Jacke von gelbem Flanell,<br />
+Und eine lilienweiße Schlafmütz,<br />
+Und ein abgewelktes Gesicht.
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <title>V. Der Gesang der Okeaniden.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>V.</h4>
+<h5>Der Gesang der Okeaniden.</h5>
+
+<p>
+Abendlich blasser wird es am Meere,<br />
+Und einsam, mit seiner einsamen Seele,<br />
+Sitzt dort ein Mann auf dem kahlen Strand,<br />
+Und schaut, todtkalten Blickes, hinauf<br />
+Nach der weiten, todtkalten Himmelswölbung,<br />
+Und schaut auf das weite, wogende Meer,<br />
+Und über das weite, wogende Meer,<br />
+Wie Lüftesegler, ziehn seine Seufzer,<br />
+Und kehren wieder, trübselig,<br />
+Und hatten verschlossen gefunden das Herz,<br />
+Worin sie ankern wollten&nbsp;&ndash;<br />
+Und er stöhnt so laut, daß die weißen Möven,<br />
+Aufgescheucht aus den sandigen Nestern,<br />
+Ihn heerdenweis' umflattern,<br />
+Und er spricht zu ihnen die lachenden Worte:
+</p>
+<p>
+Schwarzbeinigte Vögel,<br />
+Mit weißen Flügeln Meer-überflatternde,<br />
+Mit krummen Schnäbeln Seewasser-saufende,<br />
+Und thranigtes Robbenfleisch-fressende,<br />
+Eu'r Leben ist bitter wie Eure Nahrung!<br />
+Ich aber, der Glückliche, koste nur Süßes!<br />
+Ich koste den süßen Duft der Rose,<br />
+Der Mondschein-gefütterten Nachtigallbraut;<br />
+Ich koste noch süßere Josty-Baisers,<br />
+Mit weißer Seligkeit gefüllte;<br />
+Und das Allersüßeste kost' ich:<br />
+Süße Liebe und süßes Geliebtseyn.
+</p>
+<p>
+Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde Jungfrau!<br />
+Jetzt steht sie daheim, am Erker des Hauses,<br />
+Und schaut in die Dämm'rung hinaus, auf die Landstraß',<br />
+Und horcht, und sehnt sich nach mir&nbsp;&ndash; wahrhaftig!<br />
+Vergebens späht sie umher und sie seufzet,<br />
+Und seufzend steigt sie hinab in den Garten,<br />
+Und wandelt in Duft und Mondschein,<br />
+Und spricht mit den Blumen, erzählet ihnen:<br />
+Wie ich, der Geliebte, so lieblich bin<br />
+Und so liebenswürdig&nbsp;&ndash; wahrhaftig!<br />
+Nachher im Bette, im Schlafe, im Traum,<br />
+Umgaukelt sie selig mein theures Bild,<br />
+Sogar des Morgens, beim Frühstück,
+</p>
+<p>
+Auf dem glänzenden Butterbrodte,<br />
+Sieht sie mein lächelndes Antlitz,<br />
+Und sie frißt es auf vor Liebe&nbsp;&ndash; wahrhaftig!
+</p>
+<p>
+Also prahlt er und prahlt er,<br />
+Und zwischendrein schrillen die Möven,<br />
+Wie kaltes, ironisches Kichern;<br />
+Die Dämm'rungsnebel steigen herauf;<br />
+Aus violettem Gewölk, unheimlich,<br />
+Schaut hervor der grasgelbe Mond;<br />
+Hochauf rauschen die Meereswogen,<br />
+Und tief aus Hochauf rauschendem Meer,<br />
+Wehmüthig wie flüsternder Windzug,<br />
+Tönt der Gesang der Okeaniden,<br />
+Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n,<br />
+Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme<br />
+Der silberfüßigen Peleus-Gattin,<br />
+Und sie seufzen und singen:
+</p>
+<p>
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!<br />
+Du kummergequälter!<br />
+Dahingemordet sind all deine Hoffnungen,<br />
+Die tändelnden Kinder des Herzens,<br />
+Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz<br />
+Versteinert vor Gram!
+</p>
+<p>
+In deinem Haupte wird's Nacht,<br />
+Und es zucken hindurch die Blitze des Wahnsinns,<br />
+Und du prahlst vor Schmerzen!<br />
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!<br />
+Halsstarrig bist du wie dein Ahnherr,<br />
+Der hohe Titane, der himmlisches Feuer<br />
+Den Göttern stahl und den Menschen gab,<br />
+Und Geier-gequälet, Felsen-gefesselt,<br />
+Olympauftrotzte und trotzte und stöhnte,<br />
+Daß wir es hörten im tiefen Meer,<br />
+Und zu ihm kamen mit Trostgesang.<br />
+O Thor, du Thor! du prahlender Thor!<br />
+Du aber bist ohnmächtiger noch,<br />
+Und es wäre vernünftig, du ehrtest die Götter,<br />
+Und trügest geduldig die Last des Elends,<br />
+Und trügest geduldig so lange, so lange,<br />
+Bis Atlas selbst die Geduld verliert,<br />
+Und die schwere Welt von den Schultern abwirft<br />
+In die ewige Nacht.
+</p>
+<p>
+So scholl der Gesang der Okeaniden,<br />
+Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n,<br />
+Bis lautere Wogen ihn überrauschten&nbsp;&ndash;<br />
+Hinter die Wolken zog sich der Mond,<br />
+Es gähnte die Nacht,<br />
+Und ich saß noch lange im Dunkeln und weinte.
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <title>VI. Die Götter Griechenlands.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>VI.</h4>
+<h5>Die Götter Griechenlands.</h5>
+
+<p>
+Vollblühender Mond! In deinem Licht,<br />
+Wie fließendes Gold, erglänzt das Meer;<br />
+Wie Tagesklarheit, doch dämm'rig verzaubert,<br />
+Liegt's über der weiten Strandesfläche;<br />
+Und am hellblau'n sternlosen Himmel<br />
+Schweben die weißen Wolken,<br />
+Wie kolossale Götterbilder<br />
+Von leuchtendem Marmor.
+</p>
+<p>
+Nein, nimmermehr, das sind keine Wolken!<br />
+Das sind sie selber, die Götter von Hellas,<br />
+Die einst so freudig die Welt beherrschten,<br />
+Doch jetzt, verdrängt und verstorben,<br />
+Als ungeheure Gespenster dahinziehn<br />
+Am mitternächtlichen Himmel
+</p>
+
+<p>
+Staunend, und seltsam geblendet, betracht' ich<br />
+Das luftige Pantheon,<br />
+Die feierlich stummen, grau'nhaft bewegten<br />
+Riesengestalten.<br />
+Der dort ist Kronion, der Himmelskönig,<br />
+Schneeweiß sind die Locken des Haupts,<br />
+Die berühmten, olymposerschütternden Locken.<br />
+Er hält in der Hand den erloschenen Blitz,<br />
+In seinem Gesichte liegt Unglück und Gram,<br />
+Und doch noch immer der alte Stolz.<br />
+Das waren bessere Zeiten, o Zeus,<br />
+Als du dich himmlisch ergötztest<br />
+An Knaben und Nymphen und Hekatomben!<br />
+Doch auch die Götter regieren nicht ewig,<br />
+Die jungen verdrängen die alten,<br />
+Wie du einst selber den greisen Vater<br />
+Und deine Titanen-Oehme verdrängt,<br />
+Jupiter Parricida!<br />
+Auch dich erkenn' ich, stolze Here!<br />
+Trotz all deiner eifersüchtigen Angst,<br />
+Hat doch eine andre das Zepter gewonnen,<br />
+Und du bist nicht mehr die Himmelskön'gin,<br />
+Und dein großes Aug' ist erstarrt,<br />
+Und deine Lilienarme sind kraftlos,<br />
+Und nimmermehr trifft deine Rache<br />
+Die gottbefruchtete Jungfrau<br />
+Und den wunderthätigen Gottessohn.
+</p>
+<p>
+Auch dich erkenn' ich, Pallas Athene!<br />
+Mit Schild und Weisheit konntest du nicht<br />
+Abwehren das Götterverderben?<br />
+Auch dich erkenn' ich, auch dich, Aphrodite,<br />
+Einst die goldene! jetzt die silberne!<br />
+Zwar schmückt dich noch immer des Gürtels Liebreiz;<br />
+Doch graut mir heimlich vor deiner Schönheit,<br />
+Und wollt' mich beglücken dein gütiger Leib,<br />
+Wie andre Helden, ich stürbe vor Angst;<br />
+Als Leichengöttin erscheinst du mir,<br />
+Venus Libitina!<br />
+Nicht mehr mit Liebe schaut nach dir,<br />
+Dort, der schreckliche Ares.<br />
+Es schaut so traurig Phöbos Apollo,<br />
+Der Jüngling. Es schweigt seine Lei'r,<br />
+Die so freudig erklungen beim Göttermahl.<br />
+Noch trauriger schaut Hephaistos,<br />
+Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr<br />
+Fällt er Hebe'n in's Amt,<br />
+Und schenkt geschäftig, in der Versammlung,<br />
+Den lieblichen Nektar&nbsp;&ndash; Und längst ist erloschen<br />
+Das unauslöschliche Göttergelächter.
+</p>
+<p>
+Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Götter!<br />
+Denn widerwärtig sind mir die Griechen,<br />
+Und gar die Römer sind mir verhaßt.
+</p>
+<p>
+Doch heil'ges Erbarmen und schauriges Mitleid<br />
+Durchströmt mein Herz,<br />
+Wenn ich Euch jetzt da droben schaue,<br />
+Verlassene Götter,<br />
+Todte, nachtwandelnde Schatten,<br />
+Nebelschwache, die der Wind verscheucht&nbsp;&ndash;<br />
+Und wenn ich bedenke, wie feig und windig<br />
+Die Götter sind, die Euch besiegten,<br />
+Die neuen, herrschenden, tristen Götter.<br />
+Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth&nbsp;&ndash;<br />
+O da faßt mich ein düsterer Groll,<br />
+Und brechen möcht' ich die neuen Tempel,<br />
+Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter,<br />
+Für Euch und Eu'r gutes, ambrosisches Recht,<br />
+Und vor Euren hohen Altären,<br />
+Den wiedergebauten, den opferdampfenden<br />
+Möcht' ich selber knien und beten,<br />
+Und flehend die Arme erheben&nbsp;&ndash;
+</p>
+<p>
+Denn, immerhin, Ihr alten Götter,<br />
+Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menschen,<br />
+Stets mit der Parthei der Sieger gehalten,<br />
+So ist doch der Mensch großmüth'ger als Ihr,<br />
+Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt<br />
+Mit der Parthei der besiegten Götter.
+</p>
+<p>
+Also sprach ich, und sichtbar errötheten<br />
+Droben die blassen Wolkengestalten,<br />
+Und schauten mich an wie Sterbende,<br />
+Schmerzenverklärt, und schwanden plötzlich.<br />
+Der Mond verbarg sich eben<br />
+Hinter Gewölk, das dunkler heranzog;<br />
+Hochauf rauschte das Meer,<br />
+Und siegreich traten hervor am Himmel<br />
+Die ewigen Sterne.
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>VII. Die Götter Griechenlands.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>VII.</h4>
+<h5>Fragen.</h5>
+
+<p>
+Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer<br />
+Steht ein Jüngling-Mann,<br />
+Die Brust voll Wehmuth, das Haupt voll Zweifel,<br />
+Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:
+</p>
+<p>
+»O lös't mir das Räthsel des Lebens,<br />
+Das qualvoll uralte Räthsel,<br />
+Worüber schon manche Häupter gegrübelt,<br />
+Häupter in Hieroglyphenmützen,<br />
+Häupter in Turban und schwarzem Barett,<br />
+Perückenhäupter und tausend andre<br />
+Arme, schwitzende Menschenhäupter&nbsp;&ndash;<br />
+Sagt mir, was bedeutet der Mensch?<br />
+Woher ist er kommen? Wo geht er hin?<br />
+Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?
+</p>
+<p>
+Es murmeln die Wogen ihr ew'ges Gemurmel,<br />
+Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,<br />
+Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,<br />
+Und ein Narr wartet auf Antwort.
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>VIII. Der Phönix.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>VIII.</h4>
+<h5>Der Phönix.</h5>
+
+<p>
+Es kommt ein Vogel geflogen aus Westen,<br />
+Er fliegt gen Osten,<br />
+Nach der östlichen Gartenheimath,<br />
+Wo Spezereien duften und wachsen,<br />
+Und Palmen rauschen und Brunnen kühlen&nbsp;&ndash;<br />
+Und fliegend singt der Wundervogel:
+</p>
+<p>
+»Sie liebt ihn! sie liebt ihn!<br />
+Sie trägt sein Bildniß im kleinen Herzen,<br />
+Und trägt es süß und heimlich verborgen,<br />
+Und weiß es selbst nicht!<br />
+Aber im Traume steht er vor ihr,<br />
+Sie bittet und weint und küßt seine Hände,<br />
+Und ruft seinen Namen<br />
+Und rufend erwacht sie und liegt erschrocken,<br />
+Und reibt sich verwundert die schönen Augen&nbsp;&ndash;<br />
+Sie liebt ihn! Sie liebt ihn!«;
+</p>
+
+<p>
+Am Mastbaum gelehnt, auf dem hohen Verdeck,<br />
+Stand ich und hört' ich des Vogels Gesang.<br />
+Wie schwarzgrüne Rosse mit silbernen Mähnen,<br />
+Sprangen die weißgekräuselten Wellen,<br />
+Wie Schwänenzüge schifften vorüber,<br />
+Mit schimmernden Segeln, die Helgolander,<br />
+Die kecken Nomaden der Nordsee;<br />
+Ueber mein Haupt, im ewigen Blau,<br />
+Hinflatterte weißes Gewölk<br />
+Und prangte die ewige Sonne,<br />
+Die Rose des Himmels, die feuerblühende,<br />
+Die freudvoll sich im Meer bespiegelte;<br />
+Und Himmel und Meer und mein eignes Herz<br />
+Ertönten im Nachhall:<br />
+Sie liebt ihn! sie liebt ihn!
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+<head>
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+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>IX. Im Hafen.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>IX.</h4>
+<h5>Im Hafen.</h5>
+
+<p>
+Glücklich der Mann, der den Hafen erreicht hat,<br />
+Und hinter sich ließ das Meer und die Stürme,<br />
+Und jetzo warm und ruhig sitzt<br />
+Im guten Rathskeller zu Bremen.
+</p>
+<p>
+Wie doch die Welt so traulich und lieblich<br />
+Im Römerglas sich wiederspiegelt,<br />
+Und wie der wogende Mikrokosmus<br />
+Sonnig hinabfließt in's durstige Herz!<br />
+Alles erblick' ich im Glas,<br />
+Alte und neue Völkergeschichte,<br />
+Türken und Griechen, Hegel und Gans,<br />
+Zitronenwälder und Wachtparaden,<br />
+Berlin und Schilda und Tunis und Hamburg,<br />
+Vor allem aber das Bild der Geliebten,<br />
+Das Engelköpfchen auf Rheinweingoldgrund.
+</p>
+<p>
+O, wie schön! wie schön bist du, Geliebte!<br />
+Du bist wie eine Rose!<br />
+Nicht wie die Rose von Schiras,<br />
+Die hafisbesungene Nachtigallbraut;<br />
+Nicht wie die Rose von Saron,<br />
+Die heiligrothe, prophetengefeierte;<br />
+Du bist wie die Ros' im Rathskeller zu Bremen!<br />
+Das ist die Rose der Rosen,<br />
+Je älter sie wird, je lieblicher blüht sie,<br />
+Und ihr himmlischer Duft, er hat mich beseligt,<br />
+Er hat mich begeistert, er hat mich berauscht,<br />
+Und hielt mich nicht fest, am Schopfe fest,<br />
+Der Rathskellermeister von Bremen,<br />
+Ich wäre gepurzelt!
+</p>
+<p>
+Der brave Mann! wir saßen beisammen<br />
+Und tranken wie Brüder,<br />
+Wir sprachen von hohen, heimlichen Dingen,<br />
+Wir seufzten und sanken uns in die Arme,<br />
+Und er hat mich bekehrt zum Glauben der Liebe,<br />
+Ich trank auf das Wohl meiner bittersten Feinde,<br />
+Und allen schlechten Poeten vergab ich,<br />
+Wie einst mir selber vergeben soll werden;<br />
+Ich weinte vor Andacht, und<br />
+Erschlossen sich mir die Pforten des Heils,<br />
+Wo die zwölf Apostel, die heil'gen Stückfässer,
+</p>
+<p>
+Schweigend pred'gen, und doch so verständlich<br />
+Für alle Völker.
+</p>
+<p>
+Das sind Männer!<br />
+Unscheinbar von außen, in hölzernen Röcklein,<br />
+Sind sie von innen schöner und leuchtender<br />
+Denn all die stolzen Leviten des Tempels,<br />
+Und des Herodes Trabanten und Höflinge,<br />
+Die goldgeschmückten, die purpurgekleideten&nbsp;&ndash;<br />
+Hab' ich doch immer gesagt<br />
+Nicht unter ganz gemeinen Leuten,<br />
+Nein, in der allerbesten Gesellschaft,<br />
+Lebte beständig der König des Himmels.
+</p>
+<p>
+Hallelujah! Wie lieblich umwehen mich<br />
+Die Palmen von Beth El!<br />
+Wie duften die Myrrhen von Hebron!<br />
+Wie rauscht der Jordan und taumelt vor Freude!&nbsp;&ndash;<br />
+Auch meine unsterbliche Seele taumelt,<br />
+Und ich taum'le mit ihr und taumelnd<br />
+Bringt mich die Treppe hinauf, an's Tagslicht,<br />
+Der brave Rathskellermeister von Bremen.
+</p>
+<p>
+Du braver Rathskellermeister von Bremen!<br />
+Siehst du, auf den Dächern der Häuser sitzen<br />
+Die Engel und sind betrunken und singen;
+</p>
+<p>
+Die glühende Sonne dort oben<br />
+Ist nur eine rothe, betrunkene Nase,<br />
+Und um die rothe Weltgeist-Nase<br />
+Dreht sich die ganze, betrunkene Welt.
+</p>
+
+</body>
+</html>
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+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>X. Epilog.</title>
+</head>
+
+<body>
+<h4>X.</h4>
+<h5>Epilog.</h5>
+
+<p>
+Wie auf dem Felde die Weizenhalmen,<br />
+So wachsen und wogen im Menschengeist<br />
+Die Gedanken.<br />
+Aber die zarten Gedanken der Liebe<br />
+Sind wie lustig dazwischenblühende,<br />
+Roth' und blaue Blumen.
+</p>
+<p>
+Roth' und blaue Blumen!<br />
+Der mürrische Schnitter verwirft Euch als nutzlos,<br />
+Hölzerne Flegel zerdröschen Euch höhnend,<br />
+Sogar der hablose Wanderer,<br />
+Den Eu'r Anblick ergötzt und erquickt,<br />
+Schüttelt das Haupt,<br />
+Und nennt Euch schönes Unkraut.<br />
+Aber die ländliche Jungfrau,<br />
+Die Kränzewinderin,
+</p>
+<p>
+Verehrt Euch und pflückt Euch<br />
+Und schmückt mit Euch die schönen Locken,<br />
+Und also geziert, eilt sie zum Tanzplatz,<br />
+Wo Pfeifen und Geigen lieblich ertönen,<br />
+Oder zur stillen Buche,<br />
+Wo die Stimme des Liebsten noch lieblicher tönt<br />
+Als Pfeifen und Geigen.
+</p>
+
+</body>
+</html>